Amnesia von Holley ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Kapitel 1 Seit einer Woche war Lark jetzt schon im Krankenhaus und mit jedem Tag ging es ihr ein wenig besser. Ihre Blessuren heilten gut ab und die Schmerzen waren inzwischen auszuhalten. Was ihr wirklich zu schaffen machte, waren diese wahnsinnigen Kopfschmerzen. Es war ein ständiges leichtes Pochen hinter den Schläfen. Aber nicht nur die Kopfschmerzen machten ihr zu schaffen, sondern auch die Tatsache, dass sie sich an nichts erinnern konnte, was während und vor dem Überfall passiert ist. Und egal wie sehr sie versuchte sich zu erinnern, es gelang ihr einfach nicht. Durch die Fragen, die ihr Arzt ihr während einer Untersuchung stellte, fanden sie heraus, dass ihre Amnesie ein größeres Ausmaß hatte, als bisher angenommen. Aber jetzt stand fest, dass ihre Amnesie auf die letzten vier Jahre bezieht. Das letzte an das sie sich erinnern konnte, war ein Gespräch mit ihrem Pflegevater. Gleichzeitig erklärte es, warum sie sich nicht an Dante oder Kilian erinnern konnte. Die beiden Detektivs hatte sie in diesen vier Jahren kennengelernt und war sogar mit Dante seit über drei Jahren zusammen, das hatte ihr zu mindestens Maex erzählt. Und da er ihr bester Freund seit dem Sandkasten war glaubte sie ihm und Fotos, die er ihr zeigte bewiesen dies auch, dass sie Dante sehr nah stand. Aber nicht nur das hatte sie von Maex erfahren. Es war so viel, was in den vier Jahren passiert ist, dass sie sich überfordert mit den ganzen Informationen fühlte und sich sogar zurückzog. Sie wollte nicht einmal Besuch haben, aber daran hielt Maex sich nicht, genauso wenig wie Kilian und Dante. Seufzend stützte Lark das Kinn auf der Hand ab und starrte aus dem Fenster, an dem dicke Regentropfen runter liefen. Es hatte schon die ganze Nacht geregnet, wodurch es sich auch merklich abgekühlt hatte. Die Kälte war auch einer der Gründe, warum sie in einem warmen, kuscheligen Pullover und einer heißen Tasse Tee in der Cafeteria des Krankenhauses saß. Ein anderer Grund war der, dass sie es in ihrem Zimmer nicht mehr aushielt. Außerdem wurde sie heute entlassen und über nichts freute sie sich mehr, als endlich hier raus zu kommen. Das einzige was ihre Freude erheblich dämpfte, war die Tatsache, dass sie nicht so genau wusste was sie zu Hause erwartet. Immerhin lebte sie nicht mehr mit Maex in der WG sondern wohnte mit Dante zusammen. Einen Mann den sie nicht kannte. Wie sollte das nur funktionieren? Sie sollte in eine Wohnung zurück die sie nicht kannte und dort mit einem Mann wohnen, an den sie sich nicht erinnern konnte. Es machte ihr Angst, gleichzeitig wollte sie wissen, wie ihr Leben in den letzten vier Jahren war. Dem ganzen wiedersprach jedoch die Tatsache, dass sie Dante jedes Mal wegschickte, wenn er sie besuchte. Sie wollte seine Nähe einfach nicht. Und obwohl sie seine Nähe nicht wollte, hatte sie vor einigen Tagen genau diese gesucht. Es war nach einer der zahlreichen Untersuchungen. Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und diese Untersuchung hatte sie ganz schön geschlaucht, darum begleitete auch eine Krankenschwester sie zurück aufs Zimmer. Zu mindestens wollte die Krankenschwester sie aufs Zimmer begleiten, als Lark mitten im Flur stehen blieb und ihre Aufmerksamkeit auf jemanden zu richten schien. Die Schwester brauchte einen Moment, bis sie wusste wer Larks Aufmerksamkeit erregt hatte. „Er kommt jeden Tag, um Sie zu besuchen. Selbst wenn Sie ihn nicht sehen wollen, bleibt er einige Stunden hier und erkundigt sich nach Ihnen.“ Hatte die Schwester ihr erzählt und hatte darüber geschwärmt, wie sehr sie sie um ihren Freund beneiden würde. Doch Lark hörte ihr gar nicht mehr zu und wie von selbst bewegte sie sich langsam in seine Richtung. Die Arme hatte er auf den Knien abgestützt und den Kopf gesenkt, während er sich nervös die Hände knetete. Lark hatte die Ärzte und die Schwestern von ihrer Schweigepflicht gegenüber Dante, Maex und Kilian entbunden und vermutlich hatte eine der Stationsschwestern ihn darüber informiert, dass sie bei einer Untersuchung war. Einige Schritte von ihm entfernt blieb sie stehen und begegnete seinem Blick. Er hatte sie sofort bemerkt. Seine haselnussbraunen Augen spiegelten deutliche Sorge wieder und aus irgendeinem Grund konnte sie diesen Blick nicht vergessen. Und vielleicht war es auch dieser besorgte Blick, der sie dazu brachte sich neben ihn zu setzen. Liebevoll strich er ihr eine verirrte Strähne hinters Ohr und fuhr sanft mit dem Daumen über das Pflaster, das an ihrer Stirn klebte. „Tut mir leid.“ Ohne etwas zu erwidern legte er einen Arm um sie und zog sie sanft an sich, ehe er ihr einen Kuss auf den Scheitle hauchte. „Schon okay.“ Sie wusste nicht was es war. Ob seine Worte, seine fürsorgliche Art oder ob es der sanfte herbe Geruch seines Aftershaves war, der etwas in ihr hervorrief, dass ihr Sicherheit versprach, sie wusste es nicht und es war ihr in diesem Moment auch egal. Sie wollte es einfach nur genießen, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Plötzlich klammerte sie sich regelrecht an ihn und brach in Tränen aus. Der wahre Grund, warum sie ihn nicht sehen wollte, war der, dass sie spürte, dass er ihr wichtig war. Er bedeutete ihr etwas, nur wusste sie nicht was und sie wollte weder ihm noch sich selbst die Hoffnung machen, das sie sich erinnert. Sie musste sich in seinen Armen in den Schlaf geweint haben, denn als sie die Augen wieder öffnete lag sie in ihrem Bett. Neben ihrem Bett saß Dante, den Blick, gedankenverloren, nach draußen gerichtet und hielt ihre Hand. Ihre Finger waren mit einander verschlungen und sie konnte das stätige sanfte streicheln seines Daumens über ihren Handrücken spüren. Lark tat weiter hin so, als würde sie schlafen, weil sie nur so das Gefühl hatte, seine Nähe weiter hin genießen zu können. Gleichzeitig war sie sich sicher, dass er ganz genau wusste, dass sie nicht mehr schlief. Dennoch sagte er nichts oder ließ sich etwas anmerken. Vermutlich, weil auch er ihre Nähe genoss. Für einen Moment schloss sie die Augen wieder und rückte ein kleines Stückchen näher an ihn heran. Sie wartete noch kurz, ehe sie die Augen einen spaltbreit öffnete und sah gerade noch, wie Dante wieder zum Fenster sah. So konnte sie wunderbar sein Profil mustern. Das dunkelbraune Haar, war an den Seiten kürzer geschnitten. Das Haupthaar hingegen war länger und obwohl er sicher versucht hat es zu Stylen, sah es eher so aus, als wäre er gerade erst aus dem Bett gekommen und ist einmal mit den Fingern durchs Haar gefahren. Und es stand ihm unverschämt gut. Besonders mit dem dichten und gepflegtem 3-Tage-Bart. Die Tasse an ihre Lippen führend, lehnte sie sich zurück. Sie hatte seine Nähe für einige Stunden genossen, doch die Tage danach, hatte sie ihn immer wieder weggeschickt. Egal ob er Privat oder gemeinsam mit Kilian als Detektiv hier war. Sie wollte ihn nicht mit ihm sprechen und schon gar nicht wollte sie ihn sehen. Warum konnte sie sich selbst nicht genau erklären. Sie konnte sich weder an Dante noch an Kilian erinnern, aber dennoch hatte sie ein vertrauteres Gefühl bei Kilian und konnte mit ihm freier sprechen. Jedoch war das was ihm erzählen konnte keine große Hilfe, denn ihre Antworten waren immer dieselben, egal wie sehr sie sich bemühte, sie konnte sich nicht erinnern. Tief durchatmend stellte sie die Tasse auf dem Tisch ab, ehe sie sich wieder zurücklehnte, die Augen schloss und sich die Schläfen massierte. Sie hatte sich bereits an das leichte, stätige Pochen gewöhnt, doch wenn sie zu sehr versuchte sich zu erinnern, wurde es schlimmer. Die Geräuschkulisse, die in der Cafeteria herrschte, tat ihr Übriges dazu. So mit sich selbst beschäftigt, erschrak sie regelrecht, als sie plötzlich einen heißen Hauch in ihrem Nacken spürte und kurz darauf ihren Namen, dicht an ihrem Ohr, vernahm. Ruckartig drehte sie den Kopf zur Seite und sah in ein paar hellgrüne Augen, die von einer dunklen Brille umrahmt wurden und ihr so unendlich vertraut vorkamen. Für einen kurzen Moment, verlor sie sich in diesem klaren und faszinierenden Grün. Und kurz glaubte sie sich an etwas zu erinnern. Es war wie ein blasses Bild, das kurz vor ihrem inneren Auge aufflackerte. So schnell es da war, war es auch wieder verschwunden. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, wurde sich der Situation bewusst. Trotz der Tatsache, dass ihr diese Augen vertraut waren, war ihr die Person viel zu nahe und das wollte sie ihm auch gerade sagen, als er sich von selbst zurückzog. „Ich habe sofort den nächsten Flieger genommen, als ich davon gehört habe. Es tut mir so leid, ich werde sofort dafür sorgen, dass sich nur die besten Ärzte um dich kümmern und natürlich werde ich es arrangieren, dass du ein Privatzimmer bekommst.“,sagte er. „Die sind übrigens für dich.“ Er reichte ihr einen großen Strauß roter Rosen, die sie nur zögernd annahm. Die Rosen rochen gut und sahen wunderschön aus. Sie hatte schon immer Rosen gemocht und mochte es auch welche geschenkt zu bekommen, aber sie war kein Fan von übertrieben großen Sträußen. Sie mochte es lieber wenn sie einzelne Rosen bekam. Von den Rosen in ihren Händen, sah zu dem Mann, der ihr jetzt Gegenüber saß. Für einen simplen Krankenbesuch, sah er viel zu elegant aus. Er trug einen dunkelblauen, dreiteiligen Anzug mit dazu passender Krawatte und weißem Hemd. Seine kurzen hellbraunen Haare hatten bereits einen leichten grau Schimmer, wodurch er älter wirkte, als er es vermutlich war. „Tut mir leid.“,entschuldigte sich Lark, als sie sich bewusst wurde, dass sie ihn regelrecht angestarrt hat. „Du musst dich nicht entschuldigen. Was ist überhaupt passiert? Warum bist du hier?“ „Doch. Doch, dass muss ich. Ich erlitt eine Kopfverletzung und wusste kurz Zeitig nicht einmal mehr wer ich bin. Inzwischen ist es so, dass sich meine Amnesie auf die letzten vier Jahre auswirkt. Was bedeutet, dass ich mich an niemanden erinnern kann, den ich in dieser Zeit kennengelernt habe.“,erklärte sie ihm. Fassungslos fuhr er sich mit der Hand über den Mund und schien einen Augenblick zu brauchen, um diese Information zu verarbeiten. Währenddessen herrschte zwischen ihnen eine seltsame Stille. Eine unangenehme Stille, wie Lark fand, aber sie ließ sie anhalten. Sie wollte, dass er diese Stille brach. Und das tat er auch. „Lark…“ Er hatte sich wieder vorgebeugt und griff nach ihrer Hand. Sanft verschränkte er ihre Finger miteinander. „Dann weist du, auch nicht wer ich bin?“ Kurz nickte sie, worauf hin er kurz den Blick senkte und durchatmete. „Das du beim Daily Mirror arbeitest, weist du aber noch?“ Wieder nickte sie, auch wenn sie sich nicht erklären konnte, wie er gerade auf diese Frage kam. „Meinem Vater gehörte der Verlag und ich habe ihn vor zwei Jahren übernommen. Wir haben uns damals auf der Firmenfeier kennengelernt und sind uns seitdem nähergekommen. Besonders Privat.“ Unglauben und Fassungslosigkeit spielten sich in ihrem Gesicht wieder. Wenn es wahr ist, was er ihr gerade offenbarte, bedeutete es, dass sie eine Affäre miteinander haben. Was im Umkehrschluss hieß, dass sie Dante betrog. Und das schon länger. Oder war es anders rum und sie hatte die Affäre mit Dante. Nein, Maex hatte gesagt, dass sie seit über drei Jahre mit Dante zusammen ist und da Maex nichts von einem anderen Mann erwähnt hat, wusste nicht einmal er etwas davon. Also konnte es wahr sein. Bei diesem Gedanken wurde ihr Schlecht und sie begann sich vor sich selbst zu ekeln. Sie hatte kein Problem damit, wenn man sich einen neuen Partner suchte oder neu verliebte, das war nur Menschlich. Doch sie konnte nicht verstehen, wie man den Menschen betrügen konnte, den man angeblich so sehr liebt. Aber scheinbar war sie jetzt genau zu so einem Menschen geworden. Sie hatte eine Affäre. Dazu noch mit ihrem Chef. Die Lippen fest aufeinandergepresst, versuchte sie einen klaren Gedanken zufassen, was nicht gerade einfach war. Es spuckten so viele Fragen in ihrem Kopf herum und sie alle wollten beantwortet werden. Nur welche sollte sie zuerst stellen? „Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen?“ Von allen Fragen, war es ausgerechnet diese, die ihr zuerst über die Lippen kam. „Vor gut einer Woche. Du hattest zweifle, aber du wolltest es ihm sagen und dann zum Flughafen kommen.“,erwiderte er. „Wo wollten wir hin?“ „Nach London. Ich hatte dort beruflich zu tun und wir wollten das mit einem kurzen Urlaub verbinden.“ „Und als ich nicht am Flughafen erschien, hast du gedacht…“ „Das du dich anders entschieden hast. Irgendwie schafft er es immer wieder, dich ums Finger zu wickeln.“ Jetzt war es an Lark zu schweigen. Ihre Gedanken rasten und sie begann sich unwohl unter seinem Blick zu fühlen und auch seine Berührung war ihr unangenehm. Hastig zog sie ihre Hand zurück. „Tut mir leid, dass ist mir gerade alles zu fiel. Ich… ich muss hier raus.“ Mit diesen Worten stand sie ruckartig auf, wobei der Stuhl laut scharrend zurückgeschoben wurde, ehe sie aus der Cafeteria lief. Dass er ihr nachrief, bekam sie nicht mehr mit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)