Vini - Der Weg der Sklavin von CeBe13 (Das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben - für mein Juwel) ================================================================================ Kapitel 19: Briefe 7 -------------------- Am nächsten Morgen wird Darla wach und Viktoria sitzt immer noch an ihrem Bett. Die alte Frau hält die Hand des Mädchens, sie streicht mit dem Daumen über den Handrücken. "Guten Morgen mein Schatz, geht es dir jetzt besser?" Darla blickt sich verschlafen um, die Sonne scheint in das Fenster und von dem schlechten Wetter von gestern ist nichts mehr zu sehen. "Grany, was war das?" "Wie hat es sich denn angefühlt?" "Es war, als wäre ich dabei gewesen, ich konnte nicht nur hören und sehen, ich wusste, was er, was Mr. Dexter denkt, doch das ist unmöglich. Es war so real." Darla drückt ihr Gesicht in das Kissen und weint. "Es hat so wehgetan." Viktoria streicht über ihren Kopf. "Es ist über 50 Jahre her, dass mein Vater mich missbrauchte, er nahm sich einfach was er wollte, das war damals keine Seltenheit. Es ist fast 40 Jahre her, dass Mr. Dexter mich es alles noch einmal erleben ließ, und es tut mir immer noch weh. Ich verstehe, dass es dir weh tut, doch du hättest nicht verstanden, was in den nächsten Monaten passiert ist, wenn ich es dir nur erzählt hätte. " Darla hebt ihren Kopf, ihr Gesicht ist Tränen verschmiert. "Wie? Grany, wie ist es in meinen Kopf gekommen?" "Mr. Dexter hat die Situationen aufgeschrieben und mir mit den Briefen zukommen lassen. Ich habe sie auswendig gelernt, so oft habe ich sie gelesen und du hast eine rege Fantasie, deshalb konnte ich dich mit hinein nehmen." Darla setzt sich auf, ihre Neugier überwiegt die Gefühle der Angst und des Schmerzes von gestern. "Gibt es noch mehr von diesen Erlebnissen?" Das Gesicht der alten Frau entspannt sich. Sie sieht, das Darla den ersten Schock gut verkraftet hat. "Ja, aber nicht mehr heute. Zieh dich an. Dann können wir weiter fahren." Als Darla angezogen ist wartet die Kutsche schon und sie steigt ein. Ihr Gesicht erhält sich, als sie den Lunchkorb und den heißen Tee sieht. Sie frühstückt in der Kutsche und zwischen süßen Brötchen und heißem Tee verschwinden die Geister des gestrigen Tages. "Grany, wie ging es weiter?" "Ich hatte gehofft, dass mit dem Abend der Schmerz in mir weniger würde, ich habe mich noch nie so getäuscht. Die nächsten Tage und Wochen wurden für mich die Hölle. Ich hatte das Gefühl, dass mein inneres nur noch rohes Fleisch ist, doch Willow trieb mich ohne Rücksicht auf meine Verfassung weiter. Ich musste zu Schule und den Haushalt machen und jede Nacht, wenn ich müde in mein Bett sank weckte sie mich und ich hatte ihr zu Diensten zu sein. Ich hatte so gehofft, dass der Schmerz weniger würde, doch er wurde jeden Tag größer. In meiner Hilflosigkeit schrieb ich wieder an den Master meiner Seele." Viktoria gibt Darla die nächsten Briefe.   Briefe an den Master Angelus 7 Master Angelus Master, warum tut es mir so weh? Ergebenst Vini   "Grany, das ist alles?" "Ja, das war das einzige was es in meinem Leben noch gab. Es tat alles weh. Mein Körper, mein Geist, die Erinnerung an die Vergangenheit und die Hoffnung auf die Zukunft, es war zu einem einzigen Schmerz geworden." Darla nimmt die Antwort die Vini auf ihren Aufschrei bekommen hat. Der Brief ist abgegriffen und sie sieht auch Flecken, wahrscheinlich von Tränen darauf. "Grany, wie oft hast du den Brief gelesen?" Die Greisin lacht. "Keine Ahnung, gefühlt 100 000 mal."   Briefe an Vini 7 Liebe Vini Ja du hast richtig gelesen. Liebe Vini, du bist ein liebenswerter Mensch und nur weil ich dich nicht liebe und dich nicht behalten wollte heißt es nicht, dass du nicht liebenswert bist. Ich möchte, dass du diesen Brief liest, wenn du Zeit hast. Wenn die Kinder im Bett sind. Setzt dich allein in ein Zimmer und nimm dir Zeit. Du solltest nicht allein im Haus sein aber den Brief lesen, wenn du alleine bist. 1. Ich weiß die Antwort auf deine Frage nicht. 2. Es kann sein, dass es keine Antwort auf die Frage gibt. 3. Jeder Ratschlag ist ein Schlag. Jeder Schlag hinterlässt Spuren. Jeder Schlag tut weh. Ein Schlag mit dem Stock oder der Peitsche tut deinem Körper weh und wenn du die Peitsche wieder siehst erinnert sich dein Körper an den Schmerz und er tut dir weh, ohne dass du die Peitsche spürst. Ein Ratschlag tut deiner Seele weh und jeder der sich in ähnlicher Art und Weise äußert wird deiner Seele den gleichen Schmerz zu fügen wie es der erste Ratschlag getan hat. Das gemeine daran ist, dass wir die Peitsche, die den Körper verletzt, gesehen haben und uns bei dem Anblick wieder daran erinnern. Wir können also lernen uns davon zu lösen und über unseren Geist dem Körper signalisieren, dass der Anblick nur die Erinnerung an Schmerz und keinen echten Schmerz auslöst. Ratschläge können wir nicht sehen und sie verletzten unsere Seelen, wir können uns oft nicht einmal an den Auslöser für den Schmerz erinnern. Es kann ein einzelner Satz gewesen sein, den jemand der uns wichtig war oder ist, uns gesagt hat. Er muss nicht unbedingt als Ratschlag gemeint gewesen sein und vielleicht hat ihn die Person schon wieder vergessen, doch in unserer Seele ist eine Wunde entstanden. Wir haben sie vielleicht lange nicht bemerkt und sie ist 'rot geworden' wie die Wunden der Peitsche auf der Haut es manchmal werden. Trifft die Peitsche eine 'rote Wunde' ist der Schmerz um ein vielfaches höher als wenn sie gesunde Haut trifft. Trifft ein Ratschlag eine 'rote Stelle' auf deiner Seele ist der Schmerz auch viel größer als wenn er einen gesunden Bereich trifft. Ich schreibe dir das so ausführlich, weil ich dir am Ende des Briefes auch einen Ratschlag geben werde. Ich hoffe, dass er deine Seele nicht zerreißt.   4. Der Versuch einer Erklärung. Während meinen Reisen habe ich von Völker gehört, bei denen die Seele eines Menschen wie eine Pflanze beschrieben wird. Wir wissen nicht ob wir ein kleines Gänseblümchen oder eine englische Eiche, eine zarte Lilie oder eine Distel sind. In meiner Vorstellung ist deine Seele eine bunte Blume. Keine Rose, die jeder sofort beachtet, sondern einfach eine bunte Blume am Wegesrand. Jeder der sie sieht freut sich daran doch keiner nimmt sie wirklich wahr. Sie ist einfach nur da und sie ist schön. Dann kommt ein Wanderer vorbei und die Blume leuchtet in ihren schönsten Farben. Doch der Wanderer sieht sie nicht und erzählt seinem Partner, dass er unterwegs ist sich einen Rosengarten anzusehen. Die Blume wird traurig und lässt den Kopf hängen. Sie ist verletzt, sie hatte für ihn geleuchtet und er hat es übersehen. Einer Distel wäre es egal gewesen und eine junge Eiche hätte sich gesagt in zehn Jahren überrage ich dich, doch unsere kleine Blume ist verletzt. Sie zieht sich zurück und leuchtet nicht mehr für die Wanderer. Dann sehen auch die anderen sie nicht mehr und so zieht sie sich immer weiter zurück. Eines Tages hört sie wieder einen Wanderer sie stellt sich längst nicht mehr auf um zu leuchten, sie lässt nur noch den Kopf hängen. Sie ist innerlich tot. Der Wanderer sagt zu seinem Freund 'sieh nur das hässliche Ding am Straßenrand'. Die Blume erkennt, dass sie gesehen wird wenn sie hässlich ist. Sie streckt sich auf den Weg und lässt sich treten, nur damit sie wahrgenommen wird. Dabei verliert sie auch noch eines ihrer schönsten Blätter. Dabei wollte sie doch für die Wanderer in ihren schönsten Farben leuchten. Doch nach der Verletzung durch das unbedachte Wort eines Menschen, dem sie gefallen wollte wurde sie zerstört und lässt sich jetzt von den Menschen Schmerz zu fügen, weil sie so wenigstens etwas spürt. Ich glaube, dass du verletzt wurdest als du Liebe suchtest. Ich kann dich nicht heilen, aber ich möchte ein Wanderer sein, der die Blume sieht, ihr etwas von seinem Wasser an die Wurzel gießt, damit sie sich wieder aufrichten kann. Obwohl ihr ein Blütenblatt fehlt kann sie für ihn in ihren schönsten Farben leuchten. Du bist keine Distel und keine Eiche aber ohne dich ist die Welt nicht mehr so schön wie sie sein könnte. Du hast ein Stück deiner Schönheit verloren. Doch du kannst die bunte Blume werden, die stolz zeigt, dass sie auch mit einem Blatt weniger wunderschön ist. 5. Zum Abschluss mein Ratschlag, wenn sich ein Wanderer zu dir beugt ist es nicht immer um dir noch ein Blatt aufzureißen. Manchmal will er dich auch gießen.   Angelus Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)