Der Magier von Kodokuna_Senshi (In Dunkelheit gehüllt) ================================================================================ Kapitel 3 --------- Einen Moment dachte Laice darüber nach, den Befehl zu verweigern. Ich könnte zum Waisenheim gehen, schnappe mir da Kouhei und dann verstecken wir uns irgendwo. Doch ihm wurde schnell bewusst, dass dies keine gute Idee war. Er musste Kouhei offiziell adoptieren. Nur so konnte er ihm eine vernünftige Perspektive bieten. Dem Jungen war nicht geholfen, wenn er ihn ohne Papiere mit sich nahm und sie sich vor Kendra und den anderen, sowie den menschlichen Organisationen wie Polizei und Jugendamt verstecken mussten. So konnte er den kleinen nicht zur Schule schicken. Nicht mal zum Arzt konnte er mit ihm, sollte er mal krank werden. Also verwarf er die Idee schnell wieder und fügte sich seinem Schicksal. Die Quyrtha betreffend war es auch gar nicht so schlimm. Solange es sich nur darum handelte blieb ihm ja noch etwas Zeit sich etwas Besseres einfallen zu lassen. Auf jeden Fall musste er vor dem Ende daraus. Denn das Ende würde nicht nur seinen, sondern auch Kouheis Tod bedeuten. Damit war dem kleinen dann auch nicht geholfen. Zunächst machte er sich also auf den Weg nach Kerun. Kerun befand sich zwar in der Nähe von Rilthar, doch es war ziemlich abgeschottet. Es fuhr dort nur zweimal am Tag ein Bus. Und zwar unter der Woche. Heute war Samstag, da fuhr kein Bus. Er würde wohl einen Fußmarsch zurücklegen müssen. Immerhin konnte er durch den Wald etwas Weg abkürzen. Auf dem Weg durch Rilthar trug er seinen Umhang zusammengefaltet über den Arm. Zu seinem Stab sprach er ein paar fremd klingende Worte und er fing an zu schrumpfen. Auf Hosentaschenformat verkleinert, konnte er ihn nun problemlos einstecken. Laice wollte kein Aufsehen erwecken. Er wusste nicht, ob man ihn mal mit voller Montur morden gesehen hatte, aber er wollte es auch nicht herausfinden. Außerdem war es unabhängig davon eher ungewöhnlich, dass jemand einen Umhang trug und einen Stab bei sich hatte. Das war zwar gut als Tarnung, um nicht selbst erkannt zu werden, half aber nicht, wenn man einfach nur in Ruhe durch die Stadt wollte. Kaum, dass er aus der Stadt raus war, ließ sich bereits der Waldanfang erkennen. Er lief hinein und an der ersten Weggabelung blieb er vor einer Karte mit eingezeichneten Wanderwegen stehen. Sie hätten die ruhig etwas kontrastreicher gestalten können. Noch war der Wald nicht besonders dicht, doch auch hier schluckten die Bäume schon reichlich Licht. Laice musste einsehen, dass er so den Weg wohl nicht finden würde. Ein Blick in die Runde verriet ihm, dass gerade niemand anderes in der Nähe war. Er hob also seine Augenbinde ein wenig an, achtete aber darauf, dass nur sein linkes Auge freigelegt wurde. Am oberen Augenlid ließ sich eine Narbe erkennen. Jetzt versuchte er nochmal auf der Karte seinen Weg zu finden. Diesmal machte er ihn schnell aus, merkte sich, auf welche Zeichen er achten musste und zog dann seine Augenbinde wieder richtig, in der Hoffnung mit dieser nicht die Zeichen zu übersehen. An den Wegkreuzungen musste er eben einfach vorsichtig sein. So lief er langsam weiter. Er musste aufpassen, der unebene Boden und die Dunkelheit, waren für ihn das reinste Stolperparadies. Doch er hatte ja noch Zeit und hetzen war zum Glück unnötig. Am frühen Nachmittag kam er in Kerun an. Ihm blieb also noch Zeit. Er nutzte sie, um einmal durch Kerun zu laufen. Nach knapp einer Stunde hatte er alles von Kerun gesehen. Das Dorf bestand aus ein paar Wohnhäusern, die größtenteils aus Fachwerk waren. Im Dorfkern gab es einen kleinen Supermarkt, eine Wirtschaft mit Gasthaus und ein Café. Er beschloss sich erstmal in das Café zu setzen, um weitere Zeit totzuschlagen. „Was darf ich Ihnen bringen?“, fragte ihn kurz darauf ein  junger Kellner. „Eine Eisschokolade“, antwortete  Laice. „Sehr wohl.“ Der Kellner nickte leicht und verschwand dann. Ein paar Minuten später kehrte er mit der Eisschokolade zurück. „Bitte sehr.“ Er stellte sie vor Laice ab. „Vielen Dank.“ Der Kellner ließ Laice wieder alleine und dieser trank genüsslich ein paar Schlucke. Still saß er da und ließ die Zeit verstreichen. Zwischendurch kam der Kellner und fragte, ob alles in Ordnung war. Laice bestellte noch ein Stück Pflaumenkuchen und ein Glas Mineralwasser, da es ihm unangenehm war, alleine so lange sitzen zu bleiben, obwohl die Eisschokolade bereits leer war. Eine Weile später ließ er sich die Rechnung bringen. Er beglich sie und zahlte dem jungen Mann ein gutes Trinkgeld. Nun war es langsam an der Zeit seine Zielpersonen ausfindig zu machen. Bei seinem vorherigen Rundgang durch das Dorf ist ihm niemand aufgefallen. Er beschloss deshalb in der näheren Umgebung um das Dorf herum nachzusehen. Am Rande des Dorfes legte er seinen Umhang um und zog die Kapuze tief ins Gesicht. Auch seinen Stab ließ er wieder die ursprüngliche Größe annehmen. Nach einer Weile vernahm er aus dem Wald stimmen. Eine der Stimmen kam ihm bekannt vor. Er konnte sie zwar nicht zuordnen, doch er verband nichts Gutes mit ihr. Sein kompletter Körper wechselte in Alarmbereitschaft. Seinen Stab fest umklammernd näherte er sich zügigen Schrittes und möglichst lautlos den Stimmen. Im Laufen nahm er seine Augenbinde ab, um in dem dunklen Wald sehen zu können, wo er langlief. Er achtete aber darauf, dass seine Augen Großteils von der Kapuze verdeckt blieben und blinzelte unter ihr hindurch. Die Stimmen wurden immer lauter. „Wir müssen den Jungen unbedingt finden!“, sagte eine tiefe Männerstimme, die Stimme, die Laice bekannt vorkam. „Caleb, wie konntest du ihn entkommen lassen?!“ „Ich, ich weiß es nicht… Ich weiß nicht wie das passieren konnte… Er hat mich ausgetrickst…“ „Man, du bist so doof, du würdest ersticken, wenn atmen nicht automatisch ablaufen würde!“, mischte sich nun eine raue, weibliche Stimme dazu. „Ich… Es tut mir wirklich Leid…“ „Ja, ja… tss. - Warum haben wir den eigentlich genommen?“ „Weil wir jeden nehmen, der Interesse hat“, antwortete die tiefe Männerstimme gelangweilt. „Aber das ist doch doof! Was wollen wir mit so unfähigen Nichtsnutzen?!“ „Frag das nicht mich“, kam die Antwort mit einem seufzen. In der Zwischenzeit erreichte Laice die Personen. Er hielt sich versteckt hinter einem Baum. Seinen Stab richtete er, am Baum vorbei, zunächst auf eine der Personen, die nicht in das Gespräch involviert waren. Sie standen ein wenig abseits von den drei kommunizierenden Personen. Damit schienen sie innerhalb der Organisation weiter unten zu stehen, als die anderen. Die sprechenden Personen waren für ihn interessanter, um sie über ihre Vorgesetzten und die Aufenthaltsorte auszufragen. Also galt es nun erstmal das einfache Fußvolk auszulöschen, damit es in später nicht mehr stören konnte. „Brenne!“, flüsterte er energisch. Seinem Stab entwich eine Flamme. Sie wurde von einem Windzug gezielt zu dem Mann getragen auf den der Stab zeigte. Ehe er irgendwie reagieren konnte, war er schon zu Staub zerfallen. Die Gruppe in seiner Nähe sah sich panisch um. „Was war das?“ „Wo kam die Flamme her?“ „Was ist mit Juan geschehen?“ So riefen alle durcheinander. Eine Frau weinte bitterlich, sie schien die Freundin des Mannes zu sein. Keine Sorge, du leistet ihm bald Gesellschaft. Nun richtete Laice seinen Stab auf eben diese Frau. „Brenne!“ Wenige Sekunden nachdem er dies ausgesprochen hatte verfiel auch sie zu Staub. So eliminierte er einen nach dem anderen von der Gruppe. Damit jedoch zog er allmählich die Aufmerksamkeit der drei anderen Personen auf sich. Die Frau mit der rauen Stimme entdeckte Laice hinter dem Baum. Laice, der merkte, dass er entdeckt wurde, trat nun aus dem Schatten des Baumes heraus. Seine Augen waren nicht zu erkennen, doch sein Mund verriet, dass er vollkommen ernst und sich seiner Sache sicher war. Er wollte sie alle umbringen, daran gab es keinen Zweifel. Er richtete seinen Stab auf die Frau. Doch sie war schneller als er und zog an seinem Stab. Laice hielt ihn nun mit beiden Händen fest und konnte so verhindern, dass sie ihm den Stab wegzog. Die zwei Personen, die aus der anderen Gruppe noch übrig waren, starrten einen Moment mit Angstverzerrten Gesichtern, dann erkannten sie ihre Chance zur Flucht liefen um ihr Leben. Die Frau jedoch gab so schnell nicht nach. Sie zog immer wieder heftig an dem Stab. „Caleb, du Blödmann! Siehst du nicht, dass ich hier Hilfe brauche?!“, wandte sie sich nun an den jüngeren Mann. „Äh… ja, sorry…“ Der Jüngling trat nun zügig neben sie und zog ebenfalls an dem Stab. In der Rangelei, flog Laice die Kapuze vom Kopf und legte sein Gesicht frei. Die beiden schraken kurz zurück, als sie Laices Augen sahen. Oder das, was von ihnen übrig war. Das linke Auge existierte so gut wie gar nicht. Das Augenlid, sowie die Haut in Augennähe waren komplett vernarbt und nur ein kleines Stück des Auges lag frei. Das rechte Auge konnte Laice offen halten, doch auch hier war das Augenlid vernarbt. Während Laice zusah seine Kapuze wieder überzustreifen, sichtlich gepeinigt, dass seine Augen nun frei lagen, fing sich die Frau wieder und zog erneut an dem Stab. Laice ließ instinktiv die Kapuze wieder fallen und wollte seinen zweiten Arm zu Hilfe nehmen, doch die Frau hatte den Stab bereits. War ja klar… Ich hätte wirklich mehr in meine körperliche Ausbildung investieren sollen… Momentan ist irgendwie nicht meine Zeit… Das hat alles schonmal besser funktioniert… Nun sah sich Laice mit den beiden konfrontiert und auch der dritte trat nun zu den beiden anderen. Seinen Stab hatte die Frau hinter sich geworfen. Laice betrachtete die drei Gestalten näher. Die Frau wirkte sehr kampfbereit und bei dem Gerangel zuvor hatte er gemerkt, dass sie durchaus Kraft besaß. Mit ihr zu kämpfen war riskant. In einem eins gegen eins Kampf könnte er es vielleicht schaffen, aber sie würde es ihm sicher nicht leicht machen. Der Jüngling, Caleb war recht schmächtig. Außerdem wirkte er ein wenig unbeholfen und neben der Spur. Dennoch durfte man ihn nicht unterschätzen. Er hatte ganz schön kräftig am Stab gezogen. Blieb noch der Mann. Laice erschrak, als er ihn nun zum ersten Mal richtig ansah. Die Stimme, nun wurde ihm klar, warum er sie erkannte. Der Mann grinste ihn wissend an. Offensichtlich erkannte er auch ihn. Nun, seine Augen waren auch mehr als verräterisch. Laice zitterte am ganzen Körper. Er schluckte schwer. Niemals würde er die dunkelbraunen, fast schwarzen Augen vergessen. Das markante Gesicht mit dem stets ernsten Ausdruck und der grimmig in Falten gelegten Stirn. Es schienen über die Jahre ein paar Falten dazugekommen zu sein. Auch sein blondes Haar trug er nun länger und hatte es zu einem Zopf gebunden. Und dennoch war er unverkennbar. „Na…, Magier? So wie es aussieht kannst du ja wieder sehen“, er grinste hämisch. Laice biss sich auf die Unterlippe. Sein ganzer Körper war angespannt, die Hände zu Fäusten geballt. Vor seinem geistigen Auge war er wieder in seinem fünfzehnjährigem ich. Er rannte durch sein lichterloh in Flammen stehendes Heimatdorf. „Kisho? Kisho, wo bist du?“ Er blickte sich nach allen Seiten um, während er weiter rannte. Immer wieder entdeckte er dabei eine Leiche. Es waren alles Dorfbewohner. Manche kannte er besser, andere schlechter, aber am Ende waren sie alle ihm freundlich gesonnen. An ihrer Seite ist er aufgewachsen, sie sollte er mal beschützen. In ihm stieg Wut hoch. Er wollte die Verantwortlichen dafür büßen lassen. Das Dorf, die Bewohner. Er wollte Rache. Aber jetzt musste er erstmal seinen Bruder finden. Und dann seine Eltern. Zuerst musste er sie sicher wissen. Plötzlich erstarrte er. Da war Kisho. Er hatte ihn gefunden und er lebte noch. Aber bei ihm war ein Mann, den er bisher noch nicht gesehen hatte. Er blickte in fast schwarze Augen. Der Mann hatte einen Dolch in seiner Hand. Er war im Begriff den kleinen damit zu erstechen. Kisho wehrte sich mit allem, was er hatte, dagegen. Doch der zehnjährige war keine große Herausforderung für den muskulösen Mittdreißiger. Laice eilte ihm zur Hilfe. Aber er war körperlich nie besonders stark gewesen. In dem Gerangel erlangte der Mann sehr schnell die Überhand. Die beiden Jungen kämpften verbittert weiter. Mehr zufällig als wirklich geplant landete Laice einen schmerzvollen Treffer unter der Gürtellinie. Der Mann schrie vor Schmerz auf. „Na warte, jetzt ist Schluss mit lustig!“ Während die Jungen für einen Moment aufgrund der Freude über den kleinen Erfolg abgelenkt waren, nutzte der Fremde die Gelegenheit und zielte mit dem Dolch auf Kishos Herz. Im letzten Moment gelang es Laice seinen Bruder aus der Gefahrenzone zu schubsen. Dafür hatte er den Dolch nun in seinem Arm. Vor Schmerz biss er die Zähne zusammen. Dann blickte er zu Kisho. Er war nun ein wenig entfernt von dem Fremden. „Lauf!“, schrie Laice ihm zu. „Lauf so weit weg vom Dorf wie du kannst!“ „Aber…“, antwortete der Kleine weinerlich. „Kein Aber! Lauf! Ich finde dich später. Aber jetzt Lauf!“ Kisho nickte und stand zögerlich auf. Dann rannte er so schnell er konnte weg. Nicht einmal blickte er noch zurück. Der Mann lachte nur. „Glaubst du, das bringt euch irgendetwas?“ Er stieß Laice feste auf den Boden und trat ihm ins Kreuz. Laice flossen Tränen über das Gesicht. Ihm wurde bewusst wie machtlos er war, ohne seinen Stab war er nichts. Er schwor sich künftig niemals mehr ohne den Stab irgendwo hinzugehen. Doch nun musste er erstmal überhaupt aus der Situation wieder herauskommen. Er versuchte aufzustehen, doch der Mann trat ihn immer wieder zu Boden. Verbittert kämpfte Laice mit zunehmend schwindender Kraft immer weiter. Er durfte hier einfach nicht sterben. Er hatte Kisho versprochen, dass er ihn später finden würde. Außerdem wollte er in seinem Leben noch so viel tun. So viel noch hatte er vor sich. Der beste Magier wollte er werden. Er wollte das Dorf als künftiges Oberhaupt stolz machen. Sie alle wollte er beschützen. Er biss die Zähne zusammen, bei dem Gedanken daran, dass ihm jetzt gerade das beschützen überhaupt nicht gelang. „Laice?!“, vernahm er plötzlich die beängstigt klingende Stimme seiner Mutter. „Mama…“, kam es kläglich zurück. Er drehte seinen Kopf so, dass er sie sehen konnte. Neben ihr tauchte gerade sein Vater auf. Laice atmete innerlich auf. Die beiden hatten ihre Stäbe dabei. Und sie waren gute Magier. Nun würde alles gut werden. So dachte er zumindest. Doch tauchten nun auch weitere Feinde auf. Fünf Männer. Sie gingen alle auf seine Eltern los. Es war ein erbitterter Kampf. Seine Eltern sprachen mächtige Zaubersprüche aus. Die Männer dagegen waren körperlich sehr Kampferprobt. Sie waren kräftig, wendig und flink. Geschickt wichen sie den Zaubern aus, während sie versuchten näher an die beiden heranzukommen. Der Mann der bei Laice war, erkannte, dass die fünf anderen Schwierigkeiten hatten, mit den beiden Magiern fertig zu werden. Er griff in seine Tasche und holte eine kleine Glasflasche hervor. Mit einem breiten Grinsen warf er diese mit voller Wucht Laice in Gesicht. Sie zerbarst auf Höhe seiner Augenbrauen. Die Flüssigkeit verteilte sich vor allem über sein linkes Auge. Doch auch sein rechtes bekam etwas ab und ein kleiner Rest lief ihm über die linke Wange herunter. Einen Moment lang war Laice verdutzt und Verstand nicht, was das sollte, dann schrie er vor Schmerz. Am Aufschlagpunkt des Glases blutete er. Doch das war nicht das, was ihm die großen Schmerzen bereitete. Überall dort, wo die Flüssigkeit ihn berührte, löste sich seine Haut auf. Er weinte und schrie wie am Spieß. „Ah! Meine Augen! Ich, ich sehe nichts mehr…!“ Er hatte Angst. Das lenkte seine Eltern ab. Sie konzentrierten sich nun auf den Mann, der bei ihrem Sohn war. Beide richteten ihren Stab auf ihn und sprachen einen Zauber aus. Der Mann, der erkannte, dass er nun in akuter Gefahr war, ergriff die Flucht. Die fünf anderen dagegen nutzten die Chance, dass Laices Eltern abgelenkt waren und überwältigen diese nun. „Laice, renn weg!“, rief seine Mutter ihm zu, die merkte, dass es nun nur noch eine Frage der Zeit war, bis ihr Mann und sie sich nicht mehr zur Wehr setzen konnten. Die fünf waren nun viel zu nah und hatten ihnen bereits ihre Stäbe abgenommen. Doch Laice bewegte sich nicht. Er war wie paralysiert vor Schmerz und vor Angst. Seine Eltern schrien noch einige Male auf ihn ein. „Lauf weg!“ „Laice, nun mach schon!“ Plötzlich schoss in seinen Kopf, wie er zuvor Kisho weggeschickt hatte und seine Eltern drangen zu ihm durch. Fast blind stolperte er, so schnell er konnte, weg. Dann blickte sein jetziges Ich dem blonden Mann wieder ins Gesicht. Er schluckte schwer. Sein größter Feind stand vor ihm und er war wehrlos — schon wieder. Instinktiv stolperte Laice ein paar Schritte rückwärts. Der blonde Mann lachte überlegen und trat sogleich ein paar Schritte auf Laice zu, um wieder den alten Abstand einzunehmen. Mit einem noch breiteren Grinsen trat er nach einem kurzen Stopp noch näher an Laice heran. Laice lief nun schneller zurück. Der blonde trat immer näher an ihn heran. Auch die Frau kam langsam näher. Der Jüngling schien sich noch unsicher zu sein, ob er dem Beispiel der beiden Anderen folgen möchte oder soll. Die beiden Anderen nahmen mittlerweile mehr Geschwindigkeit auf. Laice hatte sich mittlerweile umgedreht, vorwärts laufend, war er ein ganzes Stück schneller. Dennoch war er kein Athlet. Er war von Natur aus ein recht schneller Sprinter, doch war es nur eine Frage der Zeit, bis ihm die Puste ausging. Er versuchte in dieser Zeit so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die Anderen zu bringen. Und er hatte Glück, die beiden Anderen konnten mit seiner Maximalgeschwindigkeit nicht mithalten. Er achtete darauf möglichst oft irgendwo abzubiegen, in der Hoffnung, dass sie ihm nicht folgen konnten. Bald zwang ihn seine fehlende Ausdauer sein Tempo drastisch zu reduzieren. Im Schatten eines Baumes blickte er den Weg zurück. Niemand war zu sehen. Einen Moment blieb Laice still stehen und horchte. Aber er konnte nur sein rasendes Herz, sowie seine schwere Atmung hören. Keine Schritte. Beruhigt lief er im Schatten der Bäume langsam weiter. Bald war er wieder am Anfang des Waldes in der Nähe von Kerun. Laice beschloss, dass es nun langsam an der Zeit war, endlich seine Augenbinde wieder umzulegen, bevor er in das Dorf ging. Seinen Umhang legte er dafür wieder ab. Dann lief er zu dem Gasthaus. Er wollte sich für die Nacht erstmal dort einquartieren und am nächsten Tag überlegen, was nun zu tun war. Das ist ja gründlich schief gelaufen… Die Hauptpersonen habe ich entkommen lassen — nein, vielmehr, sie haben MICH entkommen lassen. Zumindest hoffe ich das… Aber ich hoffe einfach mal, dass die nicht so blöd sind mich vor Zeugen anzugreifen… Dazu ist mein Stab jetzt auch weg… Ohne den kann ich keine Magie ausführen. Vorerst checkte er im Gasthaus ein. Man führte ihn auf sein Einzelzimmer. Er legte seinen Umhang weg und warf sich auf das Bett. Sich alleine wissend nahm er seine Augenbinde wieder ab. Er starrte blank an die Zimmerdecke. Momentan war wirklich nicht seine Zeit. Alles schien schief zu gehen. Seufzend schloss er die Augen. Er war deprimiert und erschöpft. Morgen wollte er sich darüber Gedanken machen, wie es weitergehen würde, doch nun brauchte er erstmal etwas Schlaf. Es dauerte nicht lange und er fiel in einen unruhigen Schlaf. Er träumte immer wieder von dem Mann. Wie er ihm als Kind gegenüberstand und wie er ihm nun wieder gegenüberstand. Außerdem von seinem kleinen Bruder. Schließlich ließ ihn das Bild seines Blutüberströmten Bruders aufschrecken. Halt, stop. So war das nicht. Kisho ist weggerannt! Aber was ist danach passiert?… Er fragte sich, ob der Traum ihm die Wahrheit erzählte, wie es mit Kisho weiterging. Inständig hoffte er, das dem nicht so war. Laice wusste, dass die Chance, dass sein Bruder noch lebte nicht besonders groß war. Er verstand manchmal selbst nicht, wie er es da lebend hinausgeschafft hatte. Dass sie beide ein solches Glück hatten war doch eher unwahrscheinlich. Und dennoch hoffte er noch immer. Von Tag zu Tag, den er seinen Bruder nicht sah wurde die Hoffnung geringer, doch noch war sie da. Und deshalb wollte er den Traum vergessen. Laice stand noch etwas vom Traum benommen auf, lief ins Bad und warf sich vorm Waschbecken kaltes Wasser ins Gesicht, als könne er den grausamen Traum damit einfach wegspülen. Mit aufgerissenen Augen und pochendem Herzen blickte er tief in den Spiegel. Er sah sich, sein jetziges Ich und rief sich damit in den Kopf, dass er gerade nur geträumt hatte. Langsam beruhigte er sich. Und was nun? Er seufzte. Ein Blick aus dem kleinen Badezimmerfenster verriet ihm, dass bereits die Morgendämmerung eingesetzt hat. Sich erneut hinzulegen erübrigte sich damit. Außerdem wollte er einen weiteren Traum vermeiden. Noch immer in den Spiegel blickend durchzog plötzlich ein leichtes Grinsen sein Gesicht. Sieh dich vor. Jetzt hört der Spaß auf, Blondschopf. Kendra ist zwar ein Problem was ich auch noch Lösen muss, aber erstmal kann ich sie mir zu Nutze machen. Etwas Anderes macht sie mit mir schließlich auch nicht. Sie hat bestimmt Leute unter sich, die kämpfen können. Und dann wünsche ich dir viel Spaß, Blondie! Mit sich selbst zufrieden und voller Tatendrang trat er nun den Rückweg an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)