Racheengel von Little-Cherry (Du entkommst ihr nicht!) ================================================================================ Kapitel 4: Hurt --------------- 4.Hurt   Von der Fahrt ins Krankenhaus bekam Temari nicht wirklich viel mit. Sie saß auf der Rückbank von Asumas Wagen und starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Die Landschaft aber nahm sie nicht wahr. Ihre Gedanken waren die ganze Zeit nur bei Shikamaru und der Hoffnung, dass es ihm gut ging, auch wenn sie wusste, dass es nicht besonders gut um ihren Freund stand. Ihr blutgetränktes Kleid und ihre roten Hände waren Beweis genug …   Als der Wagen vor dem Krankenhaus hielt, lief sie sofort hinein und verlangte Informationen über Shikamaru. Die Empfangsdame sah sie unbehaglich an. Natürlich tat sie das, schließlich sah sie wahrscheinlich selbst so aus, als würde sie in großer Lebensgefahr schweben. Aber das interessierte Temari reichlich wenig. Sie wollte nur die erlösenden Worte hören. Doch erst, als Asuma hinter ihr stand und der Frau zunickte, gab sie Temari die Informationen, die sie haben wollte. Viel war es jedoch nicht. Sie verwies sie lediglich auf den Wartebereich, denn Shikamaru kämpfte im OP noch immer um sein Leben.   Niedergeschlagen schlug Temari zusammen mit Asuma den Weg in das Wartezimmer ein und setzte sich, ohne etwas ausrichten zu können. Lange aber konnte sie dort nicht einfach sitzen bleiben. Nervös lief sie die Gänge auf und ab. Es war für sie unerträglich nichts tun zu können, nicht zu wissen, wie es ihm ging und ob er das überlebte. Natürlich hatte sie sich bereits am Anfang ihrer Beziehung darauf vorbereitet, dass es passieren konnte, dass Shikamaru im Krankenhaus landete. Als Polizist trat er jeden Tag der Gefahr gegenüber. Dass es nun aber außerhalb seines Dienstes passierte und sie auch noch dabei war, warf sie vollkommen aus der Bahn. Immer und immer wieder sah sie vor ihren Augen, wie der fremde auf Shikamaru schoss. Sah nichts weiter als dunkelrotes Blut.   Während sie dort warteten, kamen immer mehr Kollegen Shikamarus, um zu erfahren, wie es ihm ging. Jeder neue Polizist betrachtete sie und ihre Kleidung mitleidig und bei jedem sah sie, wie nach ihrem Anblick die Hoffnung in den Augen der anderen erlosch. Als wäre das Blut an ihr Zeichen genug, um zu sagen, dass er das niemals überleben konnte. Und mit jeder erlöschenden Hoffnung starb auch ein Teil der Hoffnung in ihr und die Angst und die Verzweiflung erlangten die Oberhand. Yoshinos Reaktion aber war es, die ihr den Rest ihrer Zuversicht nahm.   Die ältere Frau, die eigentlich ihre Schwiegermutter werden sollte und sie wie ihr eigenes Kind in ihre Familie aufgenommen hatte, wurde von einem Officer und ihrem Mann begleitet. Ihre Augen waren rot und verquollen, trotzdem traten immer neue Tränen aus ihren Augen, die sie versuchte mit dem bereits durchnässten Taschentuch fortzuwischen. Es war offensichtlich, dass sie versuchte, die Starke zu spielen und sich keine Blöße zu geben. So wie es auch Temari versucht hatte.   Als Yoshino aber sie sah, sie in ihrem blutgetränkten Kleid mit ihren blutroten Händen, ließ sie jede Zurückhaltung fallen. Mit einem verzweifelten Schrei, der mehr in ein Schluchzen überging, warf sie sich ihrem Mann in die Arme.   „Ich werde mein Baby verlieren“, schluchzte sie und zerstörte damit Temaris letzte Hoffnung, dass sie ihren geliebten Shikamaru noch einmal lebend wiedersehen konnte, dass er das hier überleben konnte. So war auch sie kurz davor die Nerven zu verlieren, vor allem weil Yoshinos Anblick es ihr nicht gerade einfacher machte, an sich zu halten.   Es waren TenTen und Matsuri, die sie schließlich retteten. Temari wusste nicht, wie oder wieso sie hergekommen waren, sie vermutete, dass Asuma während der Fahrt ein wenig herum telefoniert hatte, aber sie war ihnen dankbar. Zusammen führten sie Temari vorbei an den ganzen Polizisten und den anderen Wartenden den Flur entlang zur Besuchertoilette. Zuerst halfen sie Temari aus dem blutigen Kleid heraus und packten es in eine Plastiktüte, so wie es ihnen Asuma gesagt hatte. Mit einem Schwamm entfernten sie sorgfältig das Blut von Temaris Körper und ihren Händen. Danach holten sie aus einer Tasche eine Hose, ein T-Shirt und einen Kapuzenpullover und halfen Temari dabei, sich wieder anzuziehen.   Temari selbst ließ all das einfach über sich ergehen, als wäre sie eine Puppe. Sie hob oder beugte nur dann und wann ein Arm oder ein Bein, wenn eine der beiden sie dazu aufforderten. Ansonsten starrte sie in den Spiegel und betrachtete ihr Spiegelbild. Zumindest sollte es das sein. Doch die Frau, die ihr dort wie in Trance entgegen sah, war nicht sie. Diese Frau war leichenblass, ihre Augen waren rot und verquollen. Sie sah aus als wäre sie in dieser einen Nacht zwanzig Jahre älter geworden. Am meisten aber störte es sie, dass ihre Augen tot waren. Es war kein Leben mehr in ihnen zu sehen, genauso wie sie sich gerade fühlte.   Nachdem sich Matsuri und TenTen vergewissert hatten, dass kein Blut mehr an Temari klebte, führten sie sie wieder aus der Toilette heraus zurück in den Warteraum. Während der gesamten Zeit hatte keine der Frauen etwas gesagt. Von kurzen Aufforderungen abgesehen. Weder Matsuri noch TenTen hatten gewusst, was sie hätten sagen sollen. Auch für sie war die Situation einfach nur grauenvoll. Sie konnten sich gut vorstellen, dass es für Temari noch viel schwieriger war, schließlich war sie dabei gewesen.   Das Schweigen um Temari herum wurde erst gebrochen, als sie wieder im Wartezimmer angekommen waren. Dort wurde sie gleich von Kankuro in den Arm genommen, der sie ganz fest hielt und flüsterte: „Es tut mir so unendlich leid für dich, Temari.“ Gleich darauf verstärkte er die Umarmung noch einmal. Gaara stand dahinter und betrachtete sie mit demselben mitleidigen Blick wie schon Kankuro.   Etwas an ihren Blicken und an der Art, wie Kankuro diese Worte gesprochen hatte, sagten ihr, dass es vorbei war, dass all das Hoffen nichts mehr brachte. Aber nicht nur dies sprach dafür, sondern auch, dass Yoshino auf einem der unbequemen Stühle saß, an Shikaku gelehnt, während eine Schwester ihr eine Spritze verabreichte. Eine Beruhigungsspritze. Etwas, was sie auch gerne hätte. Etwas, das ihr half, all das nicht sehen zu müssen. Nicht sehen zu müssen, wie die traurigen, wütenden und mitleidigen Blicke der Polizisten auf ihr und Shikamarus Eltern lagen. Alle die Blicke, die ihr sagten, dass Shikamaru seinen Kampf verloren hatte, dass er niemals sein Versprechen halten konnte.   Ja, eine Beruhigungsspritze klang gut. Sicher hätte sie nur danach fragen müssen oder die Nerven vollkommen verlieren, dann hätte sie auch eine bekommen. Aber sie tat es nicht. Temari wusste nicht woher sie die Kraft nahm, doch sie strafte ihre Schulter und löste sich aus der Umarmung ihres Bruders. All die Blicke ignorierend, die auch ihr sicher den letzten Rest gegeben hätten, schritt sie auf Yoshino zu. Vor der zerbrechlichen Frau, die sie sonst immer wegen ihrer Stärke so bewundert hatte, blieb sie stehen. Gerne hätte sie etwas Tröstendes gesagt. Irgendwas. Aber sie wusste, dass es nichts in dieser Welt gab, das ihr den Schmerz nahm, den sie gerade spürte, schließlich hatte derselbe Schmerz ihr Herz fest in den Griff genommen …   Yoshino blickte auf und betrachtete sie. Ihre Augen waren genauso leer, wie die der Frau, die sie aus dem Spiegel heraus betrachtet hatten. Leer und tot. Sie schien genauso gerne etwas sagen zu wollen, aber zu wissen, dass es absolut nichts brachte. Trotzdem war es so als würden sie sich durch ihre Blicke gegenseitig ihr Beileid aussprechen. Dabei wanderten Yoshinos müde Augen zu dem Ring an Temaris Finger und ihr Blick wurde noch ein wenig trauriger, mitleidiger. Shikaku folgte dem Blick seiner Frau und auch sein Blick trübte sich.   „Es tut mir sehr leid für dich, Temari“, sagte er und streckte ihr seine Hand entgegen. Temari aber schüttelte den Kopf und murmelte: „Mir tut es leid …“, doch durch den Klos in ihrem Hals war ihre Stimme kaum zu hören. Shikaku aber hatte sie trotzdem gehört.   Gaara trat hinter seine Schwester und legte seine Hand auf ihre Schulter. Stumm forderte er sie so zum Gehen auf. Es gab hier nichts mehr für sie zu tun. Nichts, das sie noch ausrichten konnte. Nichts, das einen von ihnen half. Diese Atmosphäre sorgte nur dafür, dass sie sich mehr und mehr verlor. Verlor in ihrer Trauer und ihrer Verzweiflung. Darum sah Gaara es als seine Pflicht an, Temari von diesem Ort fort zu schaffen. Doch bevor sie das Wartezimmer verlassen konnten, stellte sich Asuma ihnen in den Weg.   „Temari, dein Verlust tut mir leid und ich verstehe, dass du Zeit brauchst, aber wir benötigen dringend deine Aussage, um den Mann zu finden, der Shikamaru das angetan hat. Ich würde dich also bitten, in den nächsten Tagen im Revier vorbei zu schauen“, sagte er bedacht.   „Wir werden dafür sorgen, dass sie kommt, wenn es ihr besser geht“, antwortete Kankuro für Temari, als wäre sie gar nicht anwesend. Aber so wirklich war sie das auch nicht. Sie stand zwar da, aber ihre Augen waren leer. Sie zeigten, dass sie nichts mehr um sich herum wahrnahm, dass sie eine gefangene ihrer eigenen Trauer war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)