Camembert und Kekse von Bloonaa ================================================================================ Kapitel 9: Es tut auch gar nicht weh ------------------------------------ Dieser verdammte Idiot – Das war Ladybugs erster Gedanke, nachdem ihr Gehirn die Situation verarbeitet hatte. Zwischenzeitlich hätte sie sich gern kräftig in den Arm gekniffen, um zu überprüfen, dass sie wirklich wach und bei Bewusstsein war. Sie hätte ja auch genauso gut erneut von einem Pfeil getroffen worden und nun träumen oder gar fantasieren können. Vielleicht hatte sie sich auch bei dem Sturz in die Tiefe den Kopf angeschlagen und lag eigentlich noch bewusstlos unten auf der Straße. Aber nein, es fühle sich alles real an und sie bildete sich das nicht nur ein. Aber warum zum Teufel hatte Cat Noir nicht gewartet bis sie da war, um Black Nurse von zwei Seiten anzugreifen, wie es der Plan gewesen war? Der Plan, dem er noch vor wenigen Minuten zugestimmt hatte. Am liebsten hätte sie fassungslos mit dem Kopf geschüttelt oder sich mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen, aber sie war unfähig sich zu rühren. Sie war gänzlich zur Statue erstarrt, da sie fürchtete, nur eine falsche Bewegung könnte dazu führen, dass Black Nurse abdrückte und ihren Partner außer Gefecht setzen würde. Auf welche grausige Art auch immer. Sie wartete einige Herzschläge ab, um sich zu überlegen, wie sie ihn befreien konnte. Er hatte es schon wieder versaut. Selbst halb blind hatte sich seine Lady selbstlos in den Kampf gestürzt und gab sich alle Mühe. Derweil plagte Cat Noir das schlechte Gewissen. Er hätte nicht erwartet, dass dieser Tag noch übler werden würde. Aber anscheinend hatte er grade einen echten Lauf, was das anging. Auch wenn alle Welt behauptete schwarze Katzen würden Unglück bringen, hatte er das bisher in seiner Heldenlaufbahn nie so empfunden. Im Gegenteil, bisher hatten sie mit der ein oder anderen Portion Glück ihre Gegner immer besiegen können. Oder lag das nur an ihr? War das Glück verschwunden, weil sich zwischen ihm und seiner Lady eine Schlucht aufgetan hatte, die sie bisher nicht überbrückt hatten? Sein spontaner Einfall, vor ihr in das Zimmer zu platzen, um die Schurkin zu besiegen, war anscheinend keine gute Idee gewesen. Doch er hätte es heute einfach nicht mehr ertragen, zu sehen wie Black Nurse seine Lady verletzte. Erst getroffen von einem Pfeil und dann fast erschlagen von einem gigantischen Tisch. Doch er hatte die Gegnerin ziemlich unterschätzt. Es war offensichtlich, dass sie mit seinem Angriff gerechnet hatte. Er musste versuchen, selbst hier wieder herauszukommen. Diese Bürde konnte er Ladybug nicht auch noch auferlegen. Während Black Nurse ihre volle Aufmerksamkeit auf Ladybug gelenkt hatte, mit einem siegessicheren Ausdruck auf dem Gesicht, gelang es ihm unbemerkt seinen Kampfstab von seinem Rücken zu lösen. Er hielt ihn senkrecht in der Hand, so tief es ihm seine Körperhaltung erlaubte, darum bemüht, dass er nicht entdeckte wurde und sich so wenig und langsam wie möglich bewegte. Ladybug, die noch keine Idee hatte, wie sie ihren Partner befreien konnte, versuchte Zeit zu schinden, in dem sie mit der Gegnerin sprach. Das kam ihm zu Gute, so war diese weiterhin abgelenkt und das Überraschungsmoment auf seiner Seite. „Du wirst keines unserer Miraculous bekommen, Black Nurse. Dafür werde ich sorgen.“, sagte Ladybug drohend und ging leicht in die Knie. Ihr Körper war bis aufs Äußerste angespannt, bereit sofort zu reagieren, sobald sie angegriffen würde. Es stimmte was man sagte, stellte sie fest. Wenn einem ein Sinn genommen wird, schärfen sich die anderen. Sie vertraute nun so viel mehr auf ihr Gehör und vor allem aber auf ihre Instinkte. Ihr Blick huschte nervös umher, eifrig bemüht ihr so viele Hinweise wie möglich zu liefern. Sie versuchte für den Notfall eine Schutzmöglichkeit auszumachen. Das Einzige was neben ihr an der Wand stand, war allerdings ein hölzerner Raumteiler, in charakteristischer Ziehharmonikaform. So einen hatte sie zuhause auch. Der war perfekt, um dahinter in Deckung zu gehen. Die Zeit, in der Black Nurse als Antwort auf das von ihr Gesagte wie eine Wahnsinnige lachte, nutzte Cat Noir. Er ließ plötzlich seinen Kampfstab ausfahren, sodass das eine Ende auf den Boden stieß und das andere die auf ihn gerichtete Waffe nach oben wegdrückte, fort von seinem Kopf. Er duckte sich unter ihrem Griff heraus, den sie erschrocken gelockert hatte und verpasste ihr einen Hieb mit seinem Stab, bevor er hinter einem Bücherregal Schutz suchte. Black Nurse schrie vor Wut auf und begann blindlings das Feuer zu eröffnen, mit Ladybug als Ziel. Die Heldin allerdings, erleichtert über den Ausgang dieser Zwickmühle, hatte ihre Chance genutzt und war beiseite gesprungen. Allerdings trafen die Pfeile bereits in der Wand zwischen Tür und dem Raumteiler auf, sodass sie, ihren eigentlichen Plan über den Haufen werfend, in die andere Richtung auswich und hinter einem gigantischen Sofa in der Mitte des Raumes in Deckung ging. „Nun ist das Team also wieder komplett, ja? Das wird euch gar nichts nützen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.“, sagte die Schurkin mit höhnischer Stimme in Ladybugs unmittelbarer Nähe. Sie schnaufte wie ein wildgewordenes Nashorn. Von wegen, dachte das Mädchen und krabbelte ein Stück um die Couch herum, um den Abstand zu ihr zu vergrößern, hielt sich aber geduckt und nah am Boden. „Träum weiter!“, presste Cat Noir grimmig hervor, während er aus seinem Versteck kam, den silbernen Stab als Schutzschild in stetiger Bewegung vor dem Körper kreisend. Er schaute immer wieder kurz zu Ladybug hinüber, ohne Black Nurse lange aus den Augen zu lassen. Jetzt war es wichtig, dass er ihr Zeit verschaffte, den Akuma zu finden und ihren Glücksbringer zu benutzen. Eine andere Chance hatten sie nicht. Black Nurse warf den Kopf zurück und lachte kurz schrill auf, bevor sie sich sammelte und schwer atmend die Arme etwas ausschüttelte, wie ein gerade in den Ring gestiegener Boxer. Sie drehte den Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung, als würde sie eine Verspannung im Hals lösen wollen, winkelte die Ellenbogen etwas an und hob schussbereit die zu Waffen gewordenen Hände. „Du hast keine Chance. Der nächste Pfeil ist für dich.“ Ladybug, die die kurze Zeit des Verschnaufens im Schutz ihres Versteckes genutzt hatte, begann hektisch zu grübeln. Vor ihrem geistigen Auge sah sie Black Nurse vor sich, so wie sie sie noch mit voller Sehkraft das erste Mal betrachtet hatte. Sie musste wissen wo der Akuma steckte, bevor es zum Showdown mit Cat Noir kommen würde. Ihre verwandelten Hände waren es sicherlich nicht, mutmaßte sie. Die Kleidung war sehr eng und knapp. Soweit sie das beobachtet hatte auch weitestgehend schmucklos. Die Haube vielleicht? Sie war typisch für eine Schwester oder … Moment … der Gegenstand um ihren Hals. Bisher hatte sie ihn nicht identifizieren können, aber Schwester Lucie hatte da immer ihr Stethoskop getragen. Das könnte es sein und würde auch zu Black Nurse passen, denn das trug jeder Arzt und jede Krankenschwester fast immer bei sich. Da war der Akuma drin, das sagte ihr der Instinkt. Aber wie sollte die Heldin es ihr abnehmen? Sie schoss so schnell, dass man keinen Meter an sie heran kam. Der Kater beobachtete von seiner Position aus intensiv den Ausdruck auf Ladybugs Gesicht. Sie war tief in ihre Gedanken versunken gewesen. Ob sie schon eine Idee hatte? Diesen Moment nutzte die Gegnerin natürlich, um ihn zu attackieren, in der Hoffnung ihn genauso kalt zu erwischen wie vorhin Ladybug auf der Straße. Doch Cat Noir hatte sich vorgenommen heute keinen Fehler mehr zu begehen, reagierte blitzschnell und wich ihr mit flinken Sprüngen durch das Zimmer aus. Eine Spur, aus in der Wand steckenden Pfeilen, markierte dabei seinen Weg hinter ihm. Er versteckte sich kurz hinter dem dunklen, hölzernen Raumteiler. Doch als mit mehreren ploppenden Geräuschen auch in dem dünnen Holz Pfeile steckten und er auf seiner Seite die durchgedrungenen Nadeln entdeckte, floh er weiter. Jetzt hieß es nicht nachlassen, dachte Cat Noir verbissen. Ladybug konnte nichts tun, außer zu hoffen, dass er schnell genug war. Sie war erleichtert, als sie hörte, dass die Pfeile nur dumpf in der Wand oder in der Einrichtung aufschlugen. Ebenso verriet ihr Black Nurse wütendes Gekreische, dass sie ihn noch nicht erwischt hatte. „Du kannst dich nicht ewig vor mir verstecken. Halt still, es tut auch gar nicht weh!“, sagte die Schurkin mit einem bösen Lächeln auf den Lippen und schoss erbarmungslos weiter. Den Moment, in dem sie sich mit Cat Noir beschäftigte und Black Nurse Aufmerksamkeit voll und ganz ihm galt, nutzte Ladybug. „Glücksbringer“, rief sie und warf dabei ihr Jojo in die Luft. Einen Sekundenbruchteil später, hatte sie ein großes, elastisches Stofftuch in der Hand. Sie untersuchte es mit den Händen und hielt es sich nah ans Gesicht um es zu identifizieren. Was war das denn, ein Bettlaken? Passend in einem Hotel, aber was sollte sie damit? Es hatte dieselbe Farbe wie ihr Anzug, inklusive der schwarzen Punkte, so wie eigentlich jeder verwandelte Glücksbringer, den sie erhielt. „Und jetzt?“, flüsterte sie etwas verärgert und leicht panisch. Der Glücksbringer war auf den ersten Blick wenig hilfreich, das waren sie nie. Ruckartig atmete sie einmal durch die Nase aus, dann schaute sie sich um. Alles war so verschwommen, dass machte es nicht gerade einfacher. Sie dachte an das offene Fenster, durch das sie beim ersten Anlauf hereingekommen war. Was hatte sie noch zur Verfügung? Den Glücksbringer und das Jojo, das sie immer noch in der Hand hielt. Da kam ihr eine Idee. Entschlossen spannte sie das Betttuch zwischen dem Fensterrahmen auf und machte sich auf den Weg zur entgegengesetzten Wand, an der der Raumteiler stand. Sie betete inständig, dass die angespannte Stimmung zwischen ihr und ihrem Partner den Plan jetzt nicht zum Scheitern verdammte. „Cat Noir, ihre Hände!“, rief sie hektisch und mehr brauchte sie zum Glück nicht zu sagen. Der Kater reagierte sofort. Er schlug bei seiner Flucht durch den Raum einen schnellen Haken und Black Nurse blieb verwundert stehen um zu sehen, was er tat. „Was zum …?“, kreischte sie überrascht. Blitzschnell aktivierte er seine Superkraft, den Kataklysmus, und stieß sich mit seinem Stab vom Boden ab, machte einen Satz durch die Luft und war im nu über der Gegnerin. Diese streckte grinsend ihre Arme nach oben, um den Beschuss fortzusetzen. Jetzt hatte er sich selbst ins Aus geschossen, dachte sie zufrieden. „Das war ein großer Fehler“, knurrte Black Nurse, doch die Schnur von Ladybugs Jojo wickelte sich auf einmal um ihre nach oben gerichteten Arme und die Pistolenförmigen Hände schlugen klappernd aneinander, als sich das Seil straffzog. Erschrocken weiteten sich ihre Augen. Im selben Moment schlug Cat Noir mit seiner rechten Hand gegen die Waffen und diese rieselten als Staub zu Boden, zurück blieben zwei ganz normale menschliche Hände. Cat Noir rollte sich bei der Landung ab und kam in hockender Haltung zum Stehen, auf ein Knie gestützt. Noch in der Bewegung verharrend, verfärbte sich seine Haut dunkelblau und er kippte leblos zur Seite. In seiner Brust steckte ein Pfeil. Währenddessen war Black Nurse weiter in Bewegung, gezogen von Ladybugs Jojo. Die Heldin schleuderte sie mit den gefesselten Armen durch den Raum, direkt auf das aufgespannte Bettlaken im Fensterrahmen zu. Da es in demselben rot wie ihr Anzug leuchtete, war es einfach in dem hell gestrichenen Raum auszumachen. Das Jojo löste sich und ehe Black Nurse etwas unternehmen konnte, wurde sie von dem elastischen Tuch umfangen und zurückgeschleudert. Genau auf Ladybug zu, die die gewonnene Zeit nutze und lässig den Raumteiler neben der Tür so umdrehte, dass Black Nurse Bekanntschaft mit den Nadeln ihrer eigenen Pfeile machte, die noch in dem Holz steckten. Ihr Körper nahm sofort mehrere verschiedene Farben an. Sie war augenblicklich bewusstlos geworden und regte sich nicht, ob von den Medikamenten oder dem Aufprall, war schwer zu sagen. Ladybug sah erleichtert, dass ihr Plan aufgegangen war, nahm ihr das Stethoskop ab, schmiss es auf den Boden und trat es mit aller Gewalt in zwei Teile. Das Mädchen atmete einmal tief durch, als sie den kleinen schwarzen Schmetterling entdeckte, der sich unschuldig flatternd aus dem Staub machen wollte. „Deine dunklen Zeiten sind vorbei.“ Sie aktivierte ihr Jojo in dem sie es antippte. Daraufhin teilte sich die obere Hälfte in der Mitte und ein helles Leuchten ging von ihm aus. Sie schwang es vor sich hin und her: „Gleich musst du nicht mehr böse sein!“, prophezeite sie dem kleinen Insekt. Zum Glück hob sich das Tier mit seinen violett schimmernden Flügeln und den raschen Bewegungen gut von der Umgebung ab und sie konnte in dem hell erleuchteten Raum sehen in welche Richtung er sich bewegte. Sie warf ihre Waffe aus und der Akuma wurde vom Licht eingefangen, das Jojo schloss sich um ihn herum, er konnte nicht mehr entkommen. „Hab dich!“, rief Ladybug triumphierend. Zurück in ihrer Hand, tippte sie erneut auf die Oberfläche ihrer Waffe und diese öffnete sich bereitwillig. Aus dem hellen Licht im Inneren des Jojos entschwebte ein ebenso weißes, reines Wesen in die Lüfte. „Tschüss, kleiner Schmetterling“, verabschiedete sich das Mädchen glücklich und unglaublich erleichtert. Ihr Körper entspannte sich merklich. Es war geschafft. Fast hätte sie es nicht mehr für möglich gehalten, aber es war zu Ende. Sie drehte sich grinsend um, in der Erwartung die Fäuste mit Cat Noir zusammenzuschlagen, wie sie es immer taten. Doch er stand nicht hinter ihr. Panisch schweifte ihr Blick durch das Zimmer. Bis sie auf dem Boden etwas Dunkles ausmachen konnte. Er lag in der Mitte des Raumes, grotesk verfärbt von den Medikamenten, die Black Nurse verschossen hatte, regungslos. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, während ihr Angst die Kehle zuschnürte. Entsetzt stürzte sie zu ihm hinüber, sank neben ihm auf die Knie und schüttelte ihn, sodass das Glöckchen an seiner Jacke leise klingelte. Aber er kam nicht zu sich. Nein, nein, nein, dachte sie verzweifelt. Sie tastete verwirrt über seinen Körper und fand den Pfeil, zog ihn heraus, obwohl sie wusste, dass es nun nichts mehr half und drehte Cat Noir auf den Rücken. Panisch legte sie ihren Kopf auf seine Brust. Sie hörte einen gleichmäßigen Herzschlag und spürte, wie sich seine Brust leicht hob und senkte. Gott sei Dank, er atmete. Ein Schlafmittel vermutete sie. Ein paar Freudentränen konnte sie sich einfach nicht verkneifen. Sie lehnte sich erleichtert etwas zurück, während ihr Körper nach wie vor leicht zitterte. „Gleich geht es dir wieder gut…Versprochen…Gib mir nur eine Sekunde“, sagte sie leise schluchzend zu ihm. Ladybug atmete ein paar Mal tief durch, um sich zu beruhigen und die rasant in ihr aufgestiegene Panik niederzuringen. Für einen Moment hatte sie tatsächlich geglaubt er wäre tot. Sie hätte sich es nie verziehen, wenn ihm etwas zugestoßen wäre. Nicht nach diesem Tag, nach dem so viel unausgesprochen zwischen ihnen stand. Sie konnte und wollte sich nicht vorstellen, wie es ohne ihn wäre. „Tut mir leid, dass ich dich so angeschnauzt habe“, fuhr sie entschuldigend fort. Auch wenn sie wusste, dass er sie nicht hören konnte, hatte sie das Bedürfnis, es ihm jetzt zu sagen. „Ich hoffe, wenn du wieder aufwachst, ist alles wieder in Ordnung. Du hast mir heute echt gefehlt… ich meine deine Art… ich meine…“, sie brach erschöpft ab, ihre Stimme versagte ihr den Dienst. Ein Piepsen an ihrem Ohr verriet ihr, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten. Sie hielt noch einen Moment inne, um sich zu sammeln. „Okay, dann suchen wir dir mal einen Ort, an dem du dich in Ruhe zurückverwandeln kannst. Dann muss ich auch wirklich los. Ich bin noch auf eine Party eingeladen.“ Sie lächelte schwach über ihren halbherzigen Witz und wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht, bevor sie aufstand und das Tuch vom Fenster entfernte, um es in die Luft zu werfen: „Miraculous Ladybug!“, rief sie dabei und ein riesiger Schwarm von abertausend kleinen, magischen Marienkäfern schoss in die Luft, teilte sich dann in mehrere Gruppen, die in alle Himmelsrichtungen ausschwirrten und das verwüstete Zimmer wieder herrichteten. Ein Schwarm umkreiste auch sie selbst. Sie war erleichtert, als sie alles wieder gestochen scharf sehen konnte. Es war jedes Mal wieder ihr kleines persönliches Wunder, wenn der Glücksbringer nach getaner Arbeit alles wieder in den Ursprungszustand zurücksetzte. Sie sah immer gern dabei zu und es schien als wäre diese Magie ansteckend, in Form von Glück, dass ihren Körper durchströmte, erwärmte und für einen Moment jegliche Sorgen von ihr zu nehmen schien. Jetzt würde alles gut werden. Sie griff dem immer noch bewusstlosen, aber nicht mehr blau gefärbten, Cat Noir unter die Arme und schleifte ihn in ein angrenzendes Zimmer. Dort kritzelte sie etwas auf einen kleinen Zettel und legte ihn in seine schlaffe Hand. Sie verschloss das Zimmer mit einem letzten Blick auf den schlafenden Kater und hing ein „Bitte nicht stören“-Schild des Hotels an die Klinke. „Gern geschehen“, flüsterte sie grinsend und ging anschließend kurz zu der zurückverwandelten Schwester Lucie, die soeben zu sich kam. „Ladybug?“, fragte diese verwundert. „Was tust du hier?“ Verwirrt schaute sie sich um. „Was tue ich hier?“ „Es ist alles gut. Bleiben Sie hier, ich schicke ihnen jemanden“, sagte Ladybug freundlich, während ihr Ohrring zum letzten Mal piepte. Eine Minute noch. Sie schlüpfte rasch durch die Tür und wies den erstbesten Hotelmitarbeiter an, der Frau im Zimmer zu helfen, bevor sie im Treppenhaus verschwand. Gerade noch rechtzeitig. Sie verwandelte sich zurück und Tikki flog aus ihren Ohrringen direkt auf ihre Hand. Der kleine Kwami war völlig fertig. „Gut gemacht“, sagte sie matt und abgekämpft, trotzallem mit einem breiten Grinsen und hielt ihr das kleine Ärmchen hin. Marinette musste lachen und tippte sacht, nicht ohne einen wehmütigen Stich im Herzen verspürend, mit der Fingerspitze dagegen. „Du auch.“ Während sie die Treppen hinunter stieg, sorgfältig darauf bedacht, dass sie niemand sehen konnte, fragte Tikki leise: „Sag mal, Cat Noir ist ja ganz scharf drauf zu wissen, wer du wirklich bist. Weil er verknallt in dich ist. Aber willst du es denn gar nicht wissen?“ Marinette war klar worauf sie anspielte. Er hatte seine Kraft fast zur selben Zeit wie sie aktiviert und hätte sich kurz nach ihr zurückverwandelt. Wäre sie dageblieben, hätte sie seine wahre Identität erfahren.   Ja warum eigentlich nicht? Sie überlegte kurz. „Weist du Tikki. Ich mag ihn… wirklich. Mal mehr und mal weniger.“ Sie lächelte in sich hinein, als sie an ihn dachte. „Aber er ist mehr ein liebgewonnener, guter Freund als jemand, in den ich mich verlieben könnte. Er ist nun mal nicht Adrien“, schloss sie mit bemüht fester Stimme, konnte aber, zu ihrer eigenen Überraschung, ein winziges Gefühl des Bedauerns nicht unterdrücken. Sie kannte Cat Noir schon so lange, sie hatten so viel schon gemeinsam erlebt und durchgestanden. Nun ertappte Marinette sich dabei, wie sie an ihr erstes Treffen zurück dachte. Das war von ihrer Sicht betrachtet ganz schön peinlich gewesen. Sie wollte zeitgleich im Boden versinken und herzhaft darüber lachen. Cat Noir mit wildem, ungestümen Temperament und Tatendrang, der von einer Dummheit in die andere stürzte und von ihr gebremst und zur Vernunft gebracht werden musste. Und sie selbst unsicher und tollpatschig, viel mehr Marinette und noch nicht wirklich die Ladybug, die sie jetzt war. „Okay, ich habe Superkräfte und außerdem noch dieses komische Jojo.“ Die soeben zum ersten Mal verwandelte Ladybug stand immer noch ein wenig ungläubig, ob es nicht doch ein Traum war, und unschlüssig auf der kleinen Terrasse über der Bäckerei und warf halbherzig, weniger mit dem Ziel irgendetwas zu treffen, das Jojo von sich. Unerwartet wickelte es sich um eine Statue an einem mehrere hundert Meter entferntem Gebäude und beim lustlosen Versuch es wieder zu lösen, wurde sie mit übermenschlicher Kraft vom Boden weggeschleudert und hob ab. Sie flog in einem hohen Bogen durch die Luft und riss dabei den verdutzen schwarzen Kater von den Beinen, der seinen silbernen Stab zwischen zwei Gebäuden aufgespannt hatte und gerade in Katzenmanier darüber balancierte. Das Jojo verhedderte sich am Stab, der Faden wickelte sich um diesen und die beiden ungeübten Superhelden. Wie beim Bungeejumping schwangen die zwei nun kopfüber, Bauch an Bauch, nur wenige Meter über einer Straße. Das fing ja gut an. Wo war die Reset-Taste, wenn man sie mal brauchte? „Was für eine nette Begrüßung, du bist bestimmt die Partnerin, die mein Kwami erwähnt hat.“ Er plapperte, nachdem sie sich befreit hatten, aufgeregt und gut gelaunt vor sich hin, mit einer für Ladybug unerklärlichen Selbstverständlichkeit. „Ich bin …“ Er überlegte kurz. Das war die Gelegenheit für einen coolen Superheldennamen. „Cat Noir. Ja, das klingt gut. Und du?“ Anschließend hätte sie sich fast verplappert, denn sie war im Begriff gewesen ihm ihren wahren Namen zu verraten. „Ich bin Ma …Ma…“, begann sie stotternd und kämpfte nebenbei mit dem verhedderten Jojo. Wenn sich dieses nicht im selben Moment gelöst hätte und schwungvoll auf dem Kopf des Katers gelandet wäre. „Ich bin Mega-Tollpatschig …“, schloss sie nüchtern und auch ein wenig niedergeschlagen. Warum tat sich nie ein Erdboden zum darin versinken auf, wenn man mal einen brauchte. „Nicht so schlimm, ich übe auch noch.“ Hatte er grinsend erwidert bevor ein Beben die Straße unter ihnen ins Schwanken gebracht hatte. Nur wenige Straßen weiter, stürzte krachend ein Haus ein. Sofort machte sich Cat Noir auf den Weg. „Was machst du denn da?“, fragte sie panisch. Auf dem Dach eines Hauses angekommen, blickte er sich noch einmal zu ihr um: „Paris retten, was sonst?“, rief er enthusiastisch und mit dem Tonfall, als wäre es das normalste auf der Welt, bevor er verschwand. Na toll, er ging anscheinen wirklich in der Aufgabe auf und schien wie geboren dafür, während sie sich furchtbar deplatziert fühlte. Konnte sie nicht endlich aufwachen? Sie erinnerte sich an die Worte des kleinen roten Wesens: „Vertraue dir.“ Na gut, sagte sie sich schicksalsergeben. Ein Versuch. Sie warf erneut das Jojo aus und flog über die Dächer davon, nicht ohne dabei noch einmal ängstlich zu schreien. 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