Camembert und Kekse von Bloonaa ================================================================================ Kapitel 10: Schlaf gut, Dornröschen ----------------------------------- Adrien lief aufgeregt und freudig angesichts des neuen Schultages, für dessen Erlaubnis er lange gekämpft und die er eben erst erhalten hatte, den Gang zum Klassenzimmer entlang. Es war alles noch sehr neu für ihn. Nicht das erste Mal, aber er war diesen Flur noch nicht oft entlanggegangen. Die Tür des Klassenzimmers geriet in sein Blickfeld. Sie stand weit offen und eine ihm bekannte Stimme schrie wütend: „Ihr habt euch wohl im Platz geirrt. Na los, weg da!“ Es war eindeutig Chloé. Er ging unbeirrt noch ein paar Schritte weiter, bis seiner Freundin aus Kindertagen eine selbstbewusste, helle Stimme im gelassenen Tonfall antwortete: „Das Böse kann nur triumphieren, wenn keiner etwas dagegen unternimmt.“ Er blieb einen Moment verdutzt stehen und lauschte der Auseinandersetzung, die aus dem Inneren des Zimmers drang, denn er wusste, mit wem Chloé gerade sprach. Es versetzte ihm einen Stich und bremste seine Vorfreude ein wenig. Etwas belustigt und herablassend, in einem genervten Tonfall, erwiderte die Tochter des Bürgermeisters: „Was soll denn das bedeuten?“ „Das bedeutet, ich lass mir von dir nichts befehlen Chloé und das gilt auch für die anderen hier. Also mach nicht so ein Theater, setzt dich. Na los!“ Diese energische Ansprache wurde von dem Gelächter der ganzen Klasse begleitet. Adrien konnte sich lebhaft vorstellen, wie seine alte Freundin vor Wut zu kochen begann. Zu oft hatte er das schon selbst miterlebt. Mit einem verschmitzten Lächeln betrat er schließlich das Zimmer und grinste noch breiter, als er sah, dass hinter seinem und Ninos Tischreihe nun Marinette und Alya saßen. Chloé und Sabrina hatten sich auf die Plätze verzogen, auf denen am Vortag das Kaugummi-Komplott Anlass für Streit gegeben hatte. Gut gelaunt begrüßte er seinen neuen Kumpel und wollte auch freundlich und ein wenig versöhnlich in Marinettes Richtung winken. Aber sie drehte sich mit einem Ruck entschlossen von ihm weg. Mit demselben Sturkopf, mit dem sie sich soeben ihren Platz zurückerobert hatte, ignorierte sie ihn jetzt hartnäckig. Ihm entfuhr ein leiser Seufzer, bevor er sich neben Nino auf die Bank fallen ließ. Er war ja selber daran schuld, weil er Chloé in Schutz genommen hatte.     „Adrien! Ich hab Hunger!“, plärrte Plagg laut in unmittelbarer Nähe seines Ohres. Daraufhin stöhnte der Junge schwach und begann sich minimal zu regen. Sein Körper fühlte sich merkwürdig taub an, bis auf eine Stelle direkt auf der Brust. Da gab es einen Punkt, der fühlte sich an, als hätte jemand mit Hammer und Meißel darauf eingedroschen. In seinem Kopf hämmerte und pochte es ebenfalls unerbittlich. Solche Kopfschmerzen hatte er noch nie gehabt. War er tot und in seiner persönlichen Hölle gelandet? Das würde erklären, warum dieser verdammte, schwarze Kwami schon wieder seine Nerven strapazierte. Oder schlief er einfach nur? Schließlich hatte er einen merkwürdigen Traum gehabt. Er war in der Schule gewesen. Da waren Chloé und Nino, auch Marinette hatte er reden hören. Sie hatte sich gegen Chloé behauptet und war ungewöhnlich selbstbewusst gewesen. Halt…er stutzte verwundert. Das war nicht wirklich ein Traum. Nein, das war real. Eine Erinnerung an einen Tag, der schon lange zurück lag. Es war nicht seine erste Begegnung mit der dunkelhaarigen Klassenkameradin gewesen, denn diese war wegen Chloés Kaugummi, den sie auf Marinettes Schulbank deponiert hatte, äußerst mies gelaufen. Und das nur, weil er Angst hatte, seine bis dato einzige Freundin zu verpfeifen. Hätte er vorher gewusst, dass er am Ende dieses Tages gleich mehrere neue Freundschaften schließen würde, dann hätte er die Sache gleich klargestellt. Seither war Nino sein bester Kumpel und er war unglaublich froh darüber. Einen Freund wie ihn hatte er vorher noch nie gehabt. Außerdem war es der Tag, nachdem er und seine geliebte Ladybug ihren ersten Kampf gefochten hatten. Wenn er an die Anfänge seines Lebens als Superheld zurückdachte, schien es, als bildete sich ein Glücksballon in seinem Inneren, oder waren es doch Schmetterlinge im Bauch? Immerhin hatte er dadurch die clevere Heldin Ladybug kennengelernt, für die er seitdem schwärmte. Er stutze einen Moment über seine eigenen Gedanken. Da gab es etwas, dass ihm vorher nie aufgefallen war. Beide Mädchen, Marinette und Ladybug, waren innerhalb kürzester Zeit in sein Leben getreten. Beide konnte er mit einem guten Gefühl als „Freundin“ bezeichnen. Erst Ladybug, die nahezu schüchtern und unsicher ihren ersten Kampf bestritt und ihn tollpatschig mit ihrem Jojo am Kopf traf, dann Marinette, die ihn anfangs energisch mit Ablehnung strafte. Aber danach war alles irgendwie anders gewesen. Ladybug hatte sich herausgemacht, phänomenal gekämpft und eine bewegende Ansprache vor dem Eiffelturm gehalten, während Marinette stotternd unter dem Vordach der Schule stand, nachdem er sich bei ihr für den Vorfall am ersten Schultag entschuldigt hatte. Den Schirm, den er ihr als indirektes Friedensangebot reichte, über sich zusammen klappend, ebenso schusselig, wie er sie seither kennen gelernt hatte. Ein schwaches Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Er schaffte es zu blinzeln und schlug schließlich die Augen auf. Das Licht der Deckenlampen blendete ihn und er schirmte seine Augen mit der Hand ab. Alles drehte sich. In seinem Kopf herrschte Chaos. Was war passiert und vor allem, wo war er? Es fiel ihm schwer sich zu erinnern, denn sein Kopf brummte immer noch gnadenlos und er begann, sich die Schläfen zu massieren. „Soll ich es dir Buchstabieren! K-Ä-S-E!“ Plagg tauchte in seinem Blickfeld auf und schaute ihn vorwurfsvoll an. Das konnte er wirklich gut. Die kleinen Ärmchen hatte er vor der Brust verschränkt und die giftgrünen Augen funkelten angriffslustig. Moment mal, warum war er nicht in seinem Ring, hatte er nicht gekämpft? Panisch schaute Adrien sich um und betastete hecktisch seinen Körper, der nicht mehr in dem schwarzen Kampfanzug, sondern in seiner Alltagskleidung steckte. Warum war er schon zurückverwandelt? Okay, er lag auf einem Sofa, allein, in einem luxuriös eingerichteten Hotelzimmer. Langsam kehrte seine Erinnerung zurück. Natürlich, er hatte den Kataklysmus eingesetzt und musste sich somit zwangsläufig zurückverwandelt haben. Er richtete sich vorsichtig auf und stützte sich dabei an der Rückenlehne ab. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Etwas fiel zu Boden. Dann erkannte er, dass es ein zusammengefaltetes Blatt Papier war, das neben dem Sofa lag. Neugierig und auch etwas verwundert faltete er es auf und las. Wurdest von einem Schlafmittel umgehauen. Keine Zeit mehr. Akuma gefangen. Schlaf gut, Dornröschen.     Darunter war schwungvoll ein Marienkäfer gemalt. „Ich weiß, von wem der ist“, sagte Plagg mit seiner nervigsten Besserwisserstimme. Er schwebte neugierig um seinen Schützling herum und grinste frech. Adrien verdrehte die Augen und antwortete trocken: „Das ist ja auch wirklich nicht schwer.“ „Ich versteh euch beide nicht. Sie hätte nicht lang warten brauchen und schon hätte sie herausgefunden, wer du bist.“ Plagg war schon wieder in Höchstform. Er konnte es einfach nicht lassen, ihm jede Offensichtlichkeit förmlich ins Gesicht zu spucken, kaum, dass er die Möglichkeit dazu hatte. „Aber nein, sie verfrachtet dich hierher und verschwindet“, erläuterte der Kwami fassungslos, als verstünde er die Welt nicht mehr und als müsse jeder so neugierig sein, wie er selbst. „Weil ich es damals auch nicht getan habe. Ganz einfach. Das nennt man Vertrauen“, sagte Adrien überlegen und verschränkte die Arme vor der Brust. Plagg tat es ihm gleich, allerdings übertrieben theatralisch, inklusive des genervten Augenrollens, während er in einem abwertenden Singsang: „Das nennt man Vertrauen“ echote. Plötzlich hatte Adrien realisiert, was Plagg nebenbei noch erwähnt hatte und er blinzelte verwundert. „Was hat sie? Mich hier rein gebracht?“ Es fiel ihm doch schwer sich das vorzustellen. Obwohl, wenn sie verwandelt waren, hatten sie doch erhebliche Fähigkeiten zur Verfügung. Etwas beschämt erinnerte er sich an den Kampf gegen Dark Cupid, bei dem Ladybug ihn mit beiden Händen gepackt und auf den verwandelten Kim geschleudert hatte. Möglich war es ihr also. „Jep“, meinte Plagg, der sich wieder eingekriegt hatte knapp und flog ihm auf die Schulter. „Sag bloß, du weißt auch diesmal was passiert ist?“ Adrien staunte nicht schlecht. Sein Kwami packte in letzter Zeit Fähigkeiten aus, von denen er nichts geahnt hatte. Obwohl er sich in den vergangenen Tagen erstaunlich interessiert an ihm und seinem Leben gezeigt hatte. Das musste er ihm nun doch zugestehen. „Nicht so deutlich wie bei Dark Cupids Pfeil, aber ein paar Ausschnitte sind hängen geblieben“, gab er mit einer Spur Selbstzufriedenheit zurück. „Was war los, nachdem ich getroffen wurde?“ Natürlich war er jetzt neugierig, denn mittlerweile hasste er diese Blackoutmomente. Allerdingt hasste er es nahezu ebenso sehr, Plagg alle interessanten Informationen aus der Nase ziehen zu müssen. Das konnte jetzt länger dauern. „Komm schon, ich hab echt ein tierisches Loch im Bauch“, stöhnte Plagg genervt im Ton eines quengeligen Kleinkindes. Wie ein nasser Sack hing er mit ausgestreckten Ärmchen über der Schulter seines menschlichen Partners. „Bitte und ich sorge dafür, dass du so viel Käse essen kannst, bis du platzt.“ Adrien wusste, wie er ihn Ködern konnte. Es war zwar nicht ganz fair und grenzte an Erpressung, aber der Kwami spielte ja auch nicht immer mit sauberen Mitteln. Plagg ergab sich erstaunlich schnell und erwachte prompt aus seinem gespielten Koma. „Naaa gut. Aber nur die Kurzfassung. Ladybug hat Black Nurse gegen das Brett geschleudert hinter dem du dich vorhin kurz versteckt hast. Das in dem noch ein paar ihrer Pfeile steckten. Danach war sie von ihren eigenen Medikamenten ausgeknockt und deine Traumfrau…“, er setzte mit den Pfoten Gänsefüßchen in die Luft, „…konnte den Akuma fangen. Dann war sie ganz schön geschockt, hat wahrscheinlich gedacht du bist tot oder so. Sie hat fast geheult. Warte …“ Er hielt einen Moment inne. „…doch sie hat geheult. Danach hat sie noch mit dir geredet, warum eigentlich? Du hast ja geschlafen.“ Adrien sah ihm an wie er über Sinn und Unsinn dieser Aktion nachdachte, bevor der Kwami fortfuhr. „Egal, sie hat wie immer die Schäden beseitigt und ist los. Und jetzt bitte, gib mir was zu essen!“ Theatralisch rutschte er von seiner Schulter herunter und sank vor dem Jungen auf den Boden. Plagg dachte eben nur an das eine. Und er selbst hatte eigentlich auch nur eines, an das er dachte - Ladybug. „Sie war traurig?“, fragte er ehrlich betroffen und berührt, die Sorgen seines Partners überhörend. Er war ihr also doch nicht egal. Dieses Wissen und ihre Notiz waren eine unglaubliche Erleichterung für ihn und sein unfassbar schlechtes Gewissen, welches ihn den ganzen Abend sowohl gequält als auch behindert hatte. Sie hatten es geschafft und sie war nicht sauer auf ihn. Er hatte sich solche Vorwürfe gemacht und schämte sich ein wenig dafür, dass er so wortkarg gewesen war und für sein dummes, unüberlegtes Verhalten. Idiot - schalt er sich selbst. Glücklich nahm er sich vor, das beim nächsten Einsatz unbedingt noch einmal mit ihr zu klären. Wüsste er doch nur, wer sie wirklich war, dann könnte er es gleich tun. Aber zumindest würde er sich jetzt nicht permanent Sorgen und Gedanken darüber machen. Abrupt riss ihn Plagg aus seinen Überlegungen. „Wenn wir uns beeilen, können wir nochmal bei Alya vorbei. Noch ist nicht Mitternacht und dort gibt es Essen!“, bettelte der kleine Kwami hoffnungsvoll. Diesmal drangen auch die anderen Worte zu dem Jungen durch. Er hatte Recht. Adrien warf einen Blick auf die Uhr. Wenn er sich beeilte, blieb ihm noch eine gute Stunde. Er machte sich auf den Weg, die Notiz drückte er dabei noch einmal liebevoll an die Brust und verstaute sie dann zusammengefaltet in der Tasche seines Hemdes.   *** Tikki schaute das Mädchen erwartungsvoll an, während Marinettes Augen gedankenverloren in eine andere Richtung blickten. Sie war mit ihren Gedanken ganz woanders, das erkannte ihre kleine Freundin sofort. So richtig hatte sie ihre Frage noch nicht beantwortet. Vielleicht wusste sie nicht wie? Oder sie wusste selbst noch nicht, was sie eigentlich wollte. „Es ist einfach besser so“, schloss sie nach ein paar Minuten Grübelei. Und ihr Kwami, der sie immer noch aufmerksam musterte, fragte nicht noch einmal nach. Nachdem Marinette das Treppenhaus verlassen hatte, war Tikki wieder in ihre kleine Tasche geschlüpft, um sich auszuruhen und ihren Energiespeicher aufzuladen. Das Mädchen sprintete währenddessen schnell zu Alyas Wohnung, blieb aber unschlüssig vor der Tür stehen und atmete ein paar Mal tief durch, um ihren Puls wieder etwas herunter zu fahren. Ohje, eins hatte sie nicht bedacht. Sie tippte sich nachdenklich mit den Fingern an die Stirn. Was um Himmels willen sollte sie sagen, wo sie die ganze Zeit gewesen war? Langsam gingen ihr wirklich die Ausreden aus. Gerade Alya war chronisch misstrauisch und hinterfragte auch mal eine schwache Geschichte. Vielleicht könnte sie sagen, sie sei von einem Pfeil getroffen worden und von Ladybug gerettet? Ja vielleicht. Marinette war zu geschafft, um länger darüber nachzudenken, ließ schicksalsergeben die Hände sinken, zuckte mit den Schultern und beschloss, es darauf ankommen zu lassen. Sie stapfte die Treppen hoch. Hoffentlich war den anderen nichts passiert und hoffentlich hatte sich Chloé, die mittlerweile wieder auf den Beinen sein musste, nicht zu sehr an Adrien rangeschmissen. Das wäre jetzt noch der Höhepunkt des Abends. Dann würde sie sich gar nicht die Mühe machen und gleich auf dem Absatz umdrehen. Dieses Mädchen ertrug sie heute einfach nicht mehr. Sie klopfte an die Tür und Alya öffnete sie. „Wo warst du so lange?“, fragte ihre Freundin prompt und stürzte auf sie zu, um sie erleichtert in den Arm zu nehmen. Kurz darauf ließ sie sie abrupt los und hielt ihr vorwurfsvoll eine Standpauke. „Ich hab mir verdammt nochmal Sorgen um dich gemacht!“ Ihr Tonfall war scharf, aber zwischen der Sorge klang deutlich auch die Erleichterung heraus. Schuldbewusst senkte Marinette leicht den Kopf und blickte immer wieder verstohlen zu ihren Füßen hinunter. „Ich hatte vom Balkon aus nach unten geschaut, um zu sehen was los ist und mich hat so ein blöder Pfeil getroffen. Dabei wäre ich fast abgestürzt, aber Ladybug hat mich noch gerettet. Bin vorhin erst auf dem Dach aufgewacht, also geh ich davon aus, sie war mal wieder erfolgreich.“ Sie redete immer schneller und gestikulierte viel mit den Händen, damit Alya nicht so genau auf ihre Story achten konnte. Das Alibi war ganz und gar nicht perfekt. Sie flehte inständig, dass ihre Freundin sie nicht gleich über die Details löchern würde und somit auffliegen könnte, dass alles nur eine Schwindelei war. Fast sofort bereute sie es, sich nicht doch ein paar mehr Gedanken darüber gemacht zu haben, als sie in das Gesicht ihrer besten Freundin blickte. „Auf dem Dach?“ Etwas ungläubig schaute Alya sie an, eine Augenbraue hochgezogen. Einerseits klang es nach etwas, dass Marinette typischerweise passieren würde, andererseits aber auch nicht. Skeptisch wollte sie nachhaken, kam aber nicht dazu. „Geht es den anderen gut?“, fragte Marinette hastig um sie abzulenken. Ihr war der Zweifel in Alyas Miene nicht entgangen. Es funktionierte glücklicherweise tatsächlich. Auch wenn Alya kurz verwirrt dreinblickte, setzte sie schließlich ein schiefes Lächeln auf und unterdrückte einen Lachanfall. „Ja, alle sind wohl auf. Aber du glaubst es nicht, Chloé hat die ganze Zeit nur gekotzt. Auch wegen einem dieser Pfeile. Verdammt heftiges Zeug war das. Als es ihr wieder gut ging, ist sie wie wild durch die Wohnung getigert und hat Adrien gesucht, aber ihn nicht gefunden. Und naja, danach ist sie mit Sabrina im Schlepptau abgezogen.“ Glucksend beendete Alya ihren Report und grinste noch  breiter. Für Marinette war es eine Erleichterung zu hören, dass die Tochter des Bürgermeisters gegangen war. Aber das auch Adrien schon weg war, dämpfte die Euphorie des gewonnen Kampfes und die Freude über die Abwesenheit ihrer Klassenkameradin doch erheblich. Und da war noch diese andere Sorge, die seit dem Verlassen des Hotels an ihr nagte. Alya sah sofort die Veränderung in der Mimik ihrer Freundin. Augenblicklich schwang ihre Stimme von einem begeisterten Erzählton stark um und wurde etwas leiser und einfühlsamer. Sie konnte sich schon denken was gerade im Kopf ihrer Freundin vorging. „Tut mir echt leid. Vielleicht musste er schon gehen, du weißt ja wie sein Vater ist. Sobald ihm Gefahr droht, würde er seinen Sohn doch am liebsten einmauern.“ „Ja wahrscheinlich.“ Mehr bekam Marinette nicht über die Lippen, außer einem schwachen Lächeln, um ihre Freundin nicht zu beunruhigen. Ihr Mund war trocken und ihre Glieder wurden bleischwer. Die kleine Hoffnung ihren Schwarm heute noch einmal zu sehen, die sie sich eisern bewahrt hatte, war nun verflogen, ebenso wie die Wirkung des Adrenalins in ihrem Körper. Zurück blieb Erschöpfung und die anhaltende Angst um Cat Noir, die partout nicht verschwinden wollte. „Da war ja ganz schön was los hier“, ergänzte sie noch mühsam, um nicht zu lange zu schweigen. Plötzlich änderte sich Alyas Tonfall erneut ein wenig, ihre Augen leuchteten und ihre Stimme überschlug sich fast, als sie weiter sprach. „Das kannst du aber laut sagen. Und ich hab tolle neue Aufnahmen für meinen Blog gemacht. Ich muss dir unbedingt das Video zeigen, dass ich aufgenommen habe. Ladybug und Cat Noir, wie sie aus dem obersten Stock des Hotels fallen. Das war mega knapp gewesen.“ Sie hielt kurz inne und beobachtete Marinette eindringlich. „Die zeig ich dir vielleicht lieber morgen, oder? Du siehst ziemlich geschafft aus.“ Alya unterdrückte ihre Begeisterung aus Rücksicht auf ihre Freundin. Es war nicht zu übersehen, dass sie ganz schön fertig war. „Moment, was?“, fragte Marinette plötzlich etwas munterer und ehrlich verwirrt darüber, woher Alya das schon wieder wusste und wie zum Teufel sie das gefilmt hatte? Hatte sie ihr als Ladybug nicht gesagt, sie soll die Wohnung nicht verlassen? Nino erschien hinter Alya in der Tür und legte lässig den angewinkelten Ellenbogen auf ihrer Schulter ab. „Was denkst du denn Marinette? Als ob ich Alya hier hätte halten können, wenn Ladybug da draußen einen Kampf bestreitet. Nicht einmal wenn sie selbst ihr sagt, dass sie in der Wohnung bleiben soll. Du weißt ja, wie sie ist.“ Sie verdrehte genervt die Augen. „Du hast dir völlig umsonst Sorgen gemacht. Es ist gar nichts passiert. Nachdem Ladybug und Cat Noir zurück in das Hotel gegangen sind, haben wir unten auf der Straße nichts mehr von dem Kampf mitbekommen. Erst als wie immer der ganze Schaden begann sich aufzuräumen, war klar, dass alles vorbei war und ich bin wieder nach Hause gefahren.“ Leise murmelnd fügte sie noch hinzu. „In das Hotel hat uns die Polizei leider nicht gelassen.“ Sie zog kurz eine kleine Schnute, lachte aber dann. Nino neben ihr schüttelte nur ungläubig den Kopf. Hilflos sackte Marinette ein wenig in sich zusammen. Natürlich hatte ihre beste Freundin mal wieder nicht auf sie gehört und musste dabei sein. Stimmt eigentlich, was hatte sie erwartet? Da konnte sie nur von Glück reden, dass sie noch ein paar Minuten im Hotel verbracht hatte, um sich um Cat Noir zu kümmern. Sonst hätte tatsächlich die Gefahr bestanden, dass Alya sie entdeckt hätte. Sie wollte gerade etwas erwidern, als Adrien die Treppe heraufgestürzt kam. Mit großen Augen schaute sie ihn an und als auch er seine Freunde bemerkte, wurde er auf der Treppe immer langsamer und blieb schließlich stehen. Verdutzt schaute er zu Nino und den beiden Mädchen, während er sich verlegen am Hinterkopf kratzte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)