Camembert und Kekse von Bloonaa ================================================================================ Kapitel 15: Gute-Nacht-Gespräche -------------------------------- Cat Noir fühlte sich leicht und frei wie noch nie zuvor in seinem Leben. Die Nacht war noch angenehmer geworden als er gedacht hätte. Beschwingt flog er förmlich von Dach zu Dach, schlug Räder, vollführte Saltos und Rollen bis er durch das extra dafür offen gelassene Fenster zurück in sein Zimmer schlüpfte. Er löste die Verwandlung und Plagg wurde aus seinem Ring geschleudert. Der Kwami stöhnte gotterbärmlich auf und sank theatralisch auf den Boden, wo er reglos liegen blieb. Das hatte Adrien erwartet und stellte ihm gleich zwei Käseräder bereit. Zur Abwechslung war ihm der Gestank mal völlig egal. Plagg, plötzlich wieder auferstanden, stürzte sich auf den Käse und fraß sich hindurch, wie eine Made in einen Apfel. Adrien tanzte derweil förmlich durch den Raum und ließ sich glücklich mit dem Bauch voran auf sein Bett plumpsen. Er hatte schon von Anfang an gewusst, dass diese Verwandlung in Cat Noir für ihn eine tolle Sache war, aber er hätte nie gedacht, dass sich dieses Glücksgefühl noch steigern ließ. Marinette und er hatten noch eine ganze Weile geplaudert, über den einen oder anderen Kampf von Ladybug und ihm gegen die Bösewichte Hawk Moths und auch ganz banale Sachen wie die Schule. Ganz normal, ohne Stottern ihrerseits und ohne blöde Sprüche seinerseits. Abgelenkt von seinen Gedanken merkte er erst nicht, wie sich ein mit Käse verschmierter Plagg vor ihm aufbaute, eine Augenbraue fragend nach oben gezogen, die kleinen Ärmchen in die nicht vorhandene Taille gestemmt und mit zuckendem Schwanz. „Sag mal, worüber hatten wir nochmal gesprochen, bevor du dich verwandelt hast?“ Adrien lachte ausgelassen und antwortete wie aus der Pistole geschossen und gut gelaunt: „Das es besser wäre, mir etwas anzuziehen?“ Er zog schwungvoll ein Kissen zu sich heran und stützte die verschränkten Arme darauf. Anschließend legte er den Kopf schief und schaute Plagg mit ungetrübter, ausgelassener Laune an. Der Kwami lachte nicht, sondern schaute weiter nachdenklich und erwiderte mit vor Sarkasmus triefender Stimme: „Und du sagst immer, ich nerve dich.“ Adrien rollte mit den Augen und wandte sich verlegen aus der Affäre. „Ja, ich weiß, was du mir sagen willst. Aber es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt.“ „Das behauptest du.“ Er deutete vorwurfsvoll mit seiner kleinen Pfote auf Adriens Nase. „Du hättest es ihr jederzeit sagen können.“ „Plagg, das ist nicht so einfach, wie du denkst.“ Schuldbewusst zog Adrien eine Schnute und das Strahlen auf seinem Gesicht nahm langsam ab, der Kopf fiel auf seine von dem Kissen gestützten Arme. „Hatten wir das Thema heute nicht schon? Bist du nicht deshalb als Cat Noir zu ihr gegangen?“ Der kleine, schwarze Kater flog noch ein Stück näher an ihn heran und setzte sich direkt vor ihm hin. Adrien konnte Plaggs Einwände durchaus verstehen, denn er missbrauchte ja dafür schließlich seine Kraft und nach dem, was er erfahren hatte, musste er es ihr irgendwann und irgendwie sagen. „Komm schon, versau mir jetzt bitte diesen Moment nicht. Ich hab den Abend mit Marinette wirklich genossen. Sowohl den Teil, bei dem ich noch nicht wusste, wer sie wirklich ist, als auch den mit dem Wissen“, sagte er etwas wehleidig und schaute Plagg bittend an. Er dachte zurück an den Tanz und die Röte stieg ihm in die Wangen, während ihm wohlig warm wurde. Hätte er da schon gewusst, wer sie wirklich war, dann hätte er sie womöglich nie mehr losgelassen. „Und außerdem hab ich versprochen, mal wieder vorbeizuschauen. Dann sag ich ihr alles!“ Es war eine Ausrede und eine Miese noch dazu. Ja, natürlich hätte er es ihr gleich sagen sollen. Aber es gab da einen Gedanken, der ihn behinderte. Marinette liebte ihn als Adrien, wobei sie Cat Noir nicht sonderlich gut leiden konnte. Das verwirrte ihn, fühlte er sich als schwarzer Kater doch viel mehr wie er selbst. Was, wenn sie es nicht würde akzeptieren können, dass diese Seite zu ihm gehörte, zu Adrien? Ein bisschen hatte er Angst davor, obwohl es wahrscheinlich lächerlich war. Denn immerhin stelle auch Ladybug eine Seite an Marinette dar, die er vorher nicht in ihr gesehen hätte. Rätselraten brachte da jetzt aber nicht viel. Es gab nur einen möglichen Weg und das wusste er. „Dein Optimismus in allen Ehren...“ Plagg schaute ihn von oben herab an, dann wurde seine Miene weicher. „Na gut, ich nehm dich beim Wort!“, sagte der Kwami und deutete dann grinsend auf die leeren Schachteln auf dem Schreibtisch. „Ich bin fertig mit der Vorspeise, wo bleibt der Hauptgang?“ Adrien seufzte ergeben, stand träge auf und ging zum Schrank. „Memo an mich selbst: Eine Käserei kaufen. Wird auf Dauer wahrscheinlich billiger.“   *** „Ich versteh dich nicht, Marinette.“ Sobald das Mädchen die Treppe heruntergekommen war, kam Tikki herbeigeflogen und schaute sie mit großen Augen an. Hatte sie etwa gelauscht? Marinette war sich nicht sicher. „Was denn?“, fragte das Mädchen unschuldig und setzte sich im Schneidersitz auf ihr Sofa. Gedankenverloren spielte sie mit einer Haarsträhne. Ihr Blick galt abwesend der Decke, die Gedanken kreisten in alle Richtungen, nur nicht zu dem Gespräch, welches sie gerade führte. „Ich dachte, du magst Adrien?“, kam es sofort von dem kleinen Kwami, der nicht zur Ruhe kommend vor Marinette auf und nieder schwebte. „Tu ich doch auch“, erwiderte sie mechanisch, versunken in ihren eigenen Überlegungen, während sie ihre Zöpfe löste, die Haare mit den Fingern auflockerte und schließlich zu einer Bürste auf ihrer Kommode griff. „Und warum flirtest du dann mit Cat Noir?“, fragte Tikki prompt. Den schwachen Vorwurf konnte man deutlich heraushören. Sie hatte also doch gelauscht. Auf einmal hatte der Kwami ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. „Hab ich gar nicht!“, rief Marinette etwas empört. „Wir haben uns unterhalten. Er hat geflirtet, aber da er das ja immer tut, ist das wohl nicht relevant für dich“, verteidigte sie sich entschlossen. Sie hatte schließlich nichts getan. Er war aufdringlich, wie immer, gewesen und sie hatte ihn, wie üblich, abblitzen lassen. Worauf wollte Tikki bloß hinaus? Ihre Freundin schüttelte langsam den Kopf. „Du hast gar nicht mitbekommen, wie anders er sich verhalten hat, oder?“ „Nein, wie denn?“ Nun war sie doch interessiert daran, was ihrer Freundin aufgefallen war, auch wenn sie es ihr schon ein klein wenig übel nahm, dass sie ihr nachspioniert hatte. „Ich weiß auch nicht, wie ich es beschreiben soll. Er wirkte nervös und unsicher.“ Tikki verschränkte die Arme und stützte mit einer Hand ihr Kinn. Sie überlegte angestrengt. „Sonst will er immer gleich mit dem Kopf durch die Wand. Man könnte ihn heute fast als zurückhaltend beschreiben.“ Der Kwami schwebte immer noch in der Luft, aber so wie ihre Gedanken kreisten, schwankte auch ihre Flugbahn. „Naja, er sagte, er wäre gekommen, um sich für meine Hilfe zu bedanken.“ Marinette gluckste kurz bei der Erinnerung daran wofür. Ob das wirklich der wahre Grund war, würde ihr wohl ein Rätsel bleiben. „Vielleicht war er deswegen so?“, sagte sie während sie sich aus ihrer Kleidung schälte und nach ihrem Pyjama griff. „Mh …möglich“, meinte der Kwami schulterzuckend. „Worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist dein Verhalten ihm gegenüber.“ Jetzt grinste sie vielsagend, flog zu ihr und tippte sie an der Nasenspitze an, gerade als sich ihr Kopf durch das Schlafshirt geschoben hatte. Marinette zuckte überrascht zusammen und zwinkerte verblüfft. „Spann mich nicht auf die Folter. Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.“ Hektisch zog sie den Saum des Shirts herunter und zupfte es mit der einen Hand zurecht, während sie mit der anderen ihre Haare aus dem Halsausschnitt strich. Vielleicht wusste sie es doch, aber das würde sie nicht so schnell zugeben. Die Röte, die ihr unwillkürlich in die Wangen stieg, verriet sie jedoch und jeglicher Versuch, es vor ihrer kleinen Freundin zu verstecken, scheiterte. „Ich hab dich noch nie so mit ihm sprechen hören, weder als Ladybug, noch als Marinette.“ Tikki schaute ihre Freundin verschmitzt von der Seite an, das Lächeln dabei immer breiter werdend. Jetzt stutze Marinette. Ihr Kwami hatte eine gute Beobachtungsgabe. Es stimmte, sie war heute weitaus freundlicher und vor allem gnädiger mit ihm gewesen als sonst. Na gut, dass mochte daran liegen, dass sie sich als Marinette noch nie länger als fünf Minuten mit ihm unterhalten hatte. Andererseits war es nicht unerheblich, dass sie sich heute Abend fast ununterbrochen Sorgen um ihn gemacht hatte. Vielleicht hatte er sie schlicht und einfach überrumpelt, denn einfach auf ihrem Dach zu erscheinen, nur um mit ihr zu plaudern, hatte er vorher noch nie getan. Seine Worte kamen ihr in den Sinn. - Ok, du hälst mich für einen Katz-anova ohne Rückgrat, hab ich Recht?- Genau so hatte sie vor diesem Tag über ihn gedacht, aber heute hatte sich alles ein wenig geändert. Es war ein seltsames Gefühl. Wieder begannen ihre Wangen zu glühen. „Nein, ich weiß nicht was du meinst“, sagte sie schließlich, krabbelte rasch die Treppe hinauf und kroch schnell unter die Bettdecke. „Gute Nacht!“ „Dir auch eine gute Nacht.“ Tikki war es nicht entgangen, wie Marinette ins Grübeln gekommen war. Sie würde sich einfach überraschen lassen, was passieren würde, wenn er das nächste Mal erschien, denn das er das tun würde, stand für sie außer Frage.   *** Der nächste Morgen brach an, doch wie üblich strafte Marinette ihren Wecker mit Ignoranz. Tikki, die befürchten musste, dass ihr Schützling wieder zu spät kommen würde, wenn sie jetzt nicht aufstand, beschloss einzugreifen. „Marinette! Aufstehen! Die Schule fängt gleich an.“ Als Antwort bekam sie ein unverständliches Gemurmel, das unter der Bettdecke hervordrang. Klar war es spät geworden letzte Nacht, aber daran war Marinette selbst schuld gewesen. Sie hätte ja nicht so lange draußen bei Cat Noir sitzen müssen. Erneut klingelte ihr Handy, aber diesmal war es nicht der Wecker, sondern ein eingehender Anruf. Mit einer Hand tastete sie nach dem aufgeregt piepsenden und vibrierenden Telefon, nahm den Anruf entgegen und hielt es sich schließlich ans Ohr. „Bist du schon aufnahmefähig?“, ertönte die aufgeregte Stimme von Alya an ihrem Ohr. In dem Zustand hielt sie sich nicht mit Begrüßungsfloskeln auf. „Nein“, sagte Marinette verschlafen und gähnte herzhaft. „Dann komm in die Puschen! Ich hab unglaubliche Neuigkeiten, da fällst du aus den Latschen!“, sprach sie energisch und ein Tuten verriet, dass sie schon aufgelegt hatte. Mühsam zog sich Marinette hoch und blinzelte in die hellen Lichtstrahlen, die durch das Dachfenster über ihr hereinfielen. In aller Seelenruhe stand sie auf, zog sich an und ging hinunter zum Frühstück. Ihre Mutter schaute sie verdutzt an. „Marinette, ich dachte du bist schon los?“, sagte sie mit einem Blick auf die Küchenuhr. Das Mädchen folgte ihrem Blick und riss panisch die Augen auf. Sie schnappte sich ein belegtes Brötchen vom Tisch und verschwand durch die Tür. Danach rannte sie wie um ihr Leben, denn es waren nur noch fünf Minuten bis zum Stundenbeginn. Direkt vor dem Schultor streifte sie ausversehen ein brünettes Mädchen mit einer getönten Sonnenbrille, das in eine Zeitung vertieft schien, besser gesagt, sie regelrecht wütend anstarrte, während ihre Hände sie fest umklammerten, sodass das Papier sich stark kräuselte. Marinette drehte sich schuldbewusst um und entschuldigte sich flüchtig. Dabei kam sie ihr durchaus bekannt vor, aber sie wusste nicht wirklich woher. Da sie es eilig hatte, dachte sich nicht weiter darüber nach und rannte weiter. Sie schlitterte den Gang entlang, blieb abrupt vor der Tür zum Klassenzimmer stehen, atmete kurz durch und betrat den Raum. Nochmal Glück gehabt, noch kein Lehrer in Sicht. Erleichtert atmete sie aus. Ihr erster Blick galt wie immer der vordersten Bankreihe. Doch bis auf Nino, der mit den Kopfhörern auf den Ohren gedankenverloren mit dem Kopf nickte, war sie leer.  Wo war Adrien? Abgelenkt von ihrem nächtlichen Besucher, hatte sie sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht, wie er wohl heute mit ihr umgehen würde. Nach dem Tanz und noch viel wichtiger nach dem Gespräch auf Alyas Feier. Ihre Aufmerksamkeit wurde schlagartig auf etwas anderes gelenkt. Sie entdeckte Alya, die ihr aufgeregt winkte und setzte sich rasch zu ihr. Jetzt da sie einige Sekunden verschnaufen konnte, beschloss sie, an diesem Abend definitiv zeitiger ins Bett zu gehen. Diese Hektik am Morgen war eindeutig kein Zustand mehr. „Was ist los? Du klangst am Telefon als ginge es um Leben und Tod“, fragte Marinette etwas belustigt, als sie begann, ihre Schulsachen aus ihrer Tasche auf den Tisch zu räumen. „Ist auf deiner Feier noch was passiert? Ich dachte, die anderen wären dann auch nach Hause gegangen.“ Kurz überlegte sie, ob sie ihre Freundin auch nach Adrien fragen sollte, doch sie beschloss das später zu tun, wenn sie in der Pause etwas abseits und ungestört plaudern konnten. „Sind sie ja auch, es ist ja immerhin Schule heute. Nein, darum geht es nicht. Aber das hier…“, hektisch wühlte Alya in ihrer Tasche, „… glaubst du mir nie. Das wird mein großer Durchbruch. Schau!“ Alya hielt ihr aufgekratzt ihr Handy vor die Nase und hüpfte fast wie ein Flummi auf ihrem Platz herum. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie strahlte bis über beide Ohren. Sie hatte die Seite ihres Ladybug-Blogs aufgerufen. Es war ihr neuester Beitrag mit einem dazugehörigen Foto. Marinettes Augen wurden groß, als sie das Bild betrachtete und den Artikel las, der direkt darunter stand. Ihre Augenbrauen schossen nach oben und einer ihrer Mundwinkel zuckte. Das Alya immer gleich voreilige Schlüsse zog, wusste sie ja bereits, aber das ging eindeutig zu weit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)