Camembert und Kekse von Bloonaa ================================================================================ Kapitel 24: Oder muss ich dich dazu zwingen? -------------------------------------------- „Nino, das wäre die Chance, die Wahrheit herauszufinden!“ Alyas Augen leuchteten und ein freudiger Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. Jetzt hatte sie mehr Ähnlichkeit mit einem Kind, das vor dem mit Geschenken vollgestellten Weihnachtsbaum stand, als mit einer jungen Frau. Sie tippte ein wenig auf ihrem Telefon herum und stellte begeistert fest, dass der Sichtungsort nicht allzu weit entfernt lag. Als ob er ihre Gedanken erraten hätte, hörte sie Nino fragen: „Und, wo müssen wir hin?“ Sie ließ das Handy sinken und starrte ihn einige Sekunden dankbar an, bevor sie sich ihm um den Hals warf und einen Kuss auf die Wange drückte. „Du bist der Beste!“ Mit einem Hauch von Rot um die Nase sah Nino sie verlegen an. Ihm war ja vollkommen klar gewesen, dass er Alya sowieso nicht aufhalten konnte, und so verbrachten sie wenigstens den Abend noch zusammen. Vielleicht würde sich das aktuelle Chaos um die beiden Helden heute tatsächlich aufklären lassen und mal ehrlich, wenn er nicht mitkam, würde sie sich doch nur wieder in Gefahr begeben. Zu Hause sitzen und sich Szenarien ausmalen, was ihr alles passieren konnte, würde er nicht aushalten. Schnell hatte sie das Handy wieder vor den Augen und die Daten in ihr Navigationsprogramm eingegeben. Dann packte sie ihn am Arm und zog ihn mit sich, wobei er es gerade so schaffte, den Colabecher festzuhalten und sich dank des Plastikdeckels nicht zu bekleckern. Sie rannten nicht, aber ihr Tempo war auch alles andere als gemütlich zu nennen. Zielstrebig zerrte Alya ihren Begleiter durch mehrere schmale Gassen und um den einen oder anderen Häuserblock. Über den Dächern konnte Nino bereits die Spitze des Eiffelturmes entdecken, dem sie somit immer näherkamen. Plötzlich blieb Alya stehen, den Kopf in den Nacken gelegt, und starrte wie gebannt in den Himmel. Erschrocken zog sie Luft ein und deutete auf eine Stelle über einem Dach etwas weiter links von ihnen. Nino folgte mit den Augen der Richtung, die ihr Finger vorgab und erstarrte ebenfalls vor Schreck. Eine Gestalt, getragen von einer Art schwarzen Wolke, schwebte über die Häuser, nicht direkt in ihre Richtung, aber ungefähr. Außerdem schien er immer wieder an Höhe zu verlieren oder etwas aufzusteigen. Jeglicher Versuch von der Person, sich aufzurichten, oder der Wolke abzuspringen, wurde sofort verhindert. Sie schien sich verändern und verformen zu können, um so auf seine Bewegungen zu reagieren und ihn aufzuhalten. Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass es keine Wolke sein konnte, denn das Gebilde bestand aus mehreren Einzelteilen und glich nun doch eher einem Schwarm. Aber was war das? Insekten oder… „Vögel…“, flüsterte Alya tonlos. Nun konnte auch Nino ausmachen, dass die Tiere tatsächlich einen Vogelschwarm bildeten und einen Menschen davontrugen. Ein lautes Niesen erschallte durch die Gassen der Stadt, selbst bis zu den beiden Teenagern, die wie angewurzelt auf der Straße standen. Für einen Sekundenbruchteil stoben die Tiere unter dem Aufwirbeln von ein paar Federn auseinander und gaben aufgeregte gurrende Laute von sich, bevor sie sich wieder formierten. Nun im freien Fall und ohne die Vögel, die wild um ihn herumwirbelten, erkannte Alya nun auch, wer es war, von dem die Tiere nicht weichen konnten. Cat Noir, Paris Superheld und Partner ihres Vorbildes Ladybug, war ein gutes Stück abgesackt ehe der Schwarm ihn wieder auffing. Das zweite Niesen, das durch den Federwirbel ausgelöst worden war, folgte dem Ersten. Diesmal reagierten die Tiere allerdings nicht mehr ganz so schreckhaft und behielten ihre Formation weitestgehend bei. „Wo ist Ladybug?“, flüsterte Alya besorgt und schaute für eine Sekunde zu Nino hinüber, bevor sie sich wieder dem Geschehen zuwandte und die Dächer in der näheren Umgebung mit den Augen absuchte. „Normalerweise ist sie nie weit entfernt“, antwortete er leise, während er sich ebenfalls nicht von der Szene abwenden wollte. Bevor Alya etwas sagen konnte, schwebte eine weitere Person, getragen von einem Taubenschwarm heran. Diesmal aufrechtstehend und nicht zurückgedrängt von den Tieren. Das musste dann wohl der Verursacher des Chaos sein. Als die beiden genauer hinsahen und den Neuankömmling intensiv beäugten, konnten sie nur mit dem Kopf schütteln. Zumindest für Nino ergab der soeben Aufgetauchte, dem Helden wie ein Ei dem anderen gleichende Mann, keinen Sinn. Seine Begleiterin hingegen hatte zumindest eine Idee. „Schon wieder ein Doppelgänger? So wie damals beim Cat Noir Raub? Wie geht denn das?“ „Ein Doppelgänger?“, echote Nino ungläubig. „Ja, weißt du nicht mehr? Er hat die Mona Lisa gestohlen, um Cat Noirs Ruf zu schädigen.“ Kurz überschlug sie für Nino den Fall, der schon eine gewisse Zeit zurücklag, zumindest so weit, wie sie informiert war, denn den Kampf selbst hatte keiner miterlebt und war auch von den Medien nicht weiter ausgeführt worden. Aber konnte es sein, dass er erneut verwandelt worden war? Oder war es eine andere Person, die diesmal wie der Pariser Superheld sein wollte? In ihren Augen wäre beides nicht auszuschließen, sie brannte darauf die Wahrheit zu erfahren und so blickte sie weiter wie gebannt nach oben zu dem Treiben über den Dächern. Copycat betrachtete mit enormer Genugtuung die vergeblichen Versuche von Cat Noir, sich zu befreien und genoss jeden Augenblick. In regelmäßigen Abständen blies er in die Pfeife um seinen Hals, die dann dieselben gurrenden Laute, wie die einer Taube, von sich gab. Daraufhin brauchte er nur zu denken, was die gefiederten Helfer für ihn tun sollten und schon geschah es. „Ich könnte das den ganzen Tag machen“, rief er seinem Opfer zufrieden zu. Das war besser, als er es sich je hatte ausmalen können und er hatte viel Zeit damit verbracht, sich zu überlegen, was er tun würde, wenn er noch einmal diese Gelegenheit bekommen würde. Aber erneut machte ihm die Zeit einen Strich durch die Rechnung und das viel früher, als er erwartet hatte. Viel zu spät erkannte er seinen Fehler. Die Vogelpfeife hatte ihren Dienst getan und verpuffte. Im selben Moment hörten die Tauben auf, sich beinahe synchron in ihrer Formation zu halten. Sowohl die, die Cat Noir trugen, als auch die, auf denen er selbst sich fortbewegte. Mit einem Mal ging es in freiem Fall für sie beide nach unten. Cat Noir hatte Glück und landete keuchend bäuchlings auf einem Dach. Das Gebäude selbst bestand aus dicken Ziegelmauern, aber das Dach war an den Rändern mit Wellblech belegt und in der Mitte, in der sich die beiden schrägen Seiten des Daches trafen, waren in regelmäßigen Abständen große Glasscheiben verbaut. Auf einer dieser Scheiben landete er und rutschte noch ein Stück daran herab, bis seine Füße auf der Kante zum Blech Halt fanden. Er atmete erleichtert aus und dankte seinen Schutzengeln dafür, dass das Glas ihn trug. Sein Gegner dagegen hatte weniger Glück, er traf viel weiter am Rand auf und rutschte ebenfalls noch etwas weiter in die Tiefe. Seine Beine und die Hüfte waren über die Dachkante geglitten, baumelten nun frei herab und zogen auch den Rest seines Körpers nach unten. Gerade so war es ihm gelungen die Krallenbestückten Hände so zu positionieren, dass er sich an einer Regenrinne festhalten konnte und nun von dieser herabhing. „Nein!“ Erschrocken wandte sich Cat Noir zu ihm um, so ein Schicksal hatte selbst er nicht verdient. Vorsichtig wollte er sich hinablassen, um Copycats Hand zu greifen und ihn zurück auf das Dach zu ziehen. Bevor er ihn erreichen konnte, musste dieser jedoch schon ungeduldig mit der freien Hand in seine Tasche gegriffen haben, um erneut einen Gegenstand hervorzuziehen. „Ich brauche deine Hilfe nicht!“, hörte Cat Noir seinen Gegner noch rufen, bevor er ungläubig auf die Stelle starrte, an der Copycat hing. Tatsächlich sah der Held nur noch wie sich die Hand, die an der Regenrinne klammerte, sich in Rauch aufzulösen begann. Was würde jetzt nun wieder auf ihn zukommen? Er musste langsam einmal anfangen etwas gegen den Schurken zu unternehmen und Ladybug zu Hilfe zu eilen. Plötzlich wurden seine Gedanken durch ein metallisches Knirschen unterbrochen und die Erde erbebte leicht, sodass die Mauern des Gebäudes wackelten und Staub aus den Fugen der Ziegel hinab rieselte. Dann hob sich ein riesiger Kopf über die Kante des Häuserdaches, dicht gefolgt von einem dünnen Hals und einem wuchtigen Oberkörper, der im Licht des Mondes metallisch schimmerte. Auf dem schwarz lackierten Kopf saßen zwei große dreieckige Katzenohren und aus dem Nichts begannen zwei grüne Lampen zu leuchten, die wohl die Augen darstellen sollten. Ein leises, dumpfes Lachen erschallte, das durch den Körper des Riesen blechern klang. Oh nein, dachte sich Cat Noir, er hat nicht wirklich den Roboter des Gamers bekommen. Zumindest fast, denn dieser hier sollte wohl an eine Katze erinnern. An einen Cat Noir um genau zu sein, denn auch diesmal zierte eine goldene Glocke den Hals des Gegners in seiner verwandelten Form und ruhte auf der ebenfalls schwarzen Beschichtung des Oberkörpers. Schneller, als er es dem Ungetüm aus Blech und Metall je zugetraut hätte, waren seine beiden Hände auf ihn zugeschossen und hatten ihn gepackt und in ihrem Inneren eingeschlossen. „Und wieder bist du zu langsam!“, rief Copycat triumphierend. Verzweifelt versuchte Cat Noir mit seinem Stab auf sein Gefängnis einzudreschen, aber vergeblich. Nicht mal einen Kratzer hinterließ er in dem blanken Stahl. Im Gegenteil, es schien, als kämen die Wände immer näher und drohten ihn zu zerquetschen. Doch das hatten sie nicht vor. Die dicken, klobigen Finger packten ihn an den Oberarmen, so dass er vor das Gesicht des Roboters gehalten wurde, ihm direkt in das starre Gesicht sehen musste und seine Füße frei in der Luft baumelten. Seinen Kampfstab hatte er glücklicherweise festhalten können, aber da seine Arme fixiert wurden, war es ihm nicht möglich, ihn einzusetzen. Mit verzerrter und verstärkter Stimme sprach Copycat nun aus seinem sicheren Cockpit. „Bist du langsam soweit und gibst mir freiwillig dein Miraculous? Oder muss ich dich dazu zwingen?“ Cat Noir hatte den Kopf gesenkt, wenn nicht ein Wunder geschah, dann saß er tatsächlich gewaltig in der Patsche. Ladybug würde genug mit Storyteller zu tun haben und so schnell nicht hier sein können, wenn sie es überhaupt alleine schaffte und sonst gab es niemanden, der dem Ungetüm gewachsen wäre. Sollte er wirklich einfach so aufgeben? Kurz überlegte er, den Kataklysmus zu aktivieren, um so den Roboter zu zerstören, doch auch dafür waren seine Arme zu stark fixiert, um einen der metallischen Finger mit der Hand berühren zu können. Seine einzige Chance bestand wie bereits vorhin darin, Zeit zu schinden. Er bezweifelte nur, dass es ein zweites Mal klappen würde und er sollte Recht behalten. Mit zunehmender Ungeduld wuchsen die Kräfte, die auf Cat Noirs Oberarme wirkten und er biss vor Schmerz die Zähne zusammen. „Ich werd langsam etwas ungeduldig. Diesmal verlieren wir keine Zeit. Gib mir dein Miraculous oder ich reiß dir den Ring samt Arm heraus!“ Die letzten Worte schrie er ihm mit allem Abscheu entgegen, den er aufbringen konnte. Der Held wusste, dass er Ernst machen würde, schloss die Augen und überlegte verzweifelt, ob er noch irgendetwas tun konnte, außer bedingungslos zu kapitulieren. „Hättest du wohl gerne“, nuschelte er zwischen zusammengebissenen Zähnen, während ihm der Schweiß ausbrach. „Also gut, wie du willst!“, rief die Stimme aus dem Roboter und er begann langsam dosiert an den Armen des Superhelden zu ziehen. Ein erstickter Schrei entfuhr Cat Noir und er kämpfte verbissen dagegen an, doch was sollte er schon gegen die Kräfte der modernen Technologie ausrichten können? Selbst ihm als Superheld waren irgendwo Grenzen gesetzt. Es fühlte sich an, als würde jede Faser in seinem Körper auseinandergerissen und sein Brustkorb jeden Moment gesprengt. Das Atmen fiel ihm immer schwerer, aber er wusste tief in seinem Inneren, dass er trotz allem nicht aufgeben würde. Lieber würde er sterben, als sein Miraculous freiwillig herzugeben, das stand nun für ihn fest. Je lauter seine Schreie wurden, desto lauter lachte Copycat. Bis auf einmal die Zugkraft nachließ. Cat Noir atmete hastig und tief ein und aus, um die Panik niederzuringen, die in ihm aufgestiegen war. Er öffnete langsam die Augen, gleichzeitig verwundert und erleichtert darüber, dass Copycat aufgehört hatte, ihn zerteilen zu wollen. Was passierte hier nur? *** „Was an -Nimm ihm den Ring ab, aber verletze ihn nicht!- hast du nicht verstanden?!“ Wutentbrannt schrie Hawk Moth seinen Zorn laut heraus, während er hart mit seinem Gehstock auf den Boden aufstampfte und eine Vielzahl von reinweißen Schmetterlingen, die in seiner Nähe gesessen hatten, flog erschrocken auf. Das Gesicht stark verzerrt und die Stirn in Falten gelegt, bündelte er seine gesamte Konzentration auf seinen Diener und versuchte die Kontrolle, die ihm offenbar kurzzeitig entglitten war, wiederzuerlangen. Ihm stand der Schweiß auf der Stirn vor Anstrengung, denn noch nie zuvor hatte er gleichzeitig zwei Personen beeinflusst und schon gar nicht zwei so Willensstarke. Er hatte offensichtlich ihre mentale Stärke unterschätzt. Mit vollem Einsatz seiner Macht gelang es ihm, die Kontrolle über ihn zurückzugewinnen und ihn davon abzuhalten, Cat Noir ernsthaft zu verletzen. Eigentlich hätte es ihm ja egal sein können, aber dieser eine Gedanke ließ ihn einfach nicht los. Die Angst, versehentlich seinem Sohn schaden zu können, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit dafür weniger als ein Prozent betrug, war einfach zu groß, nachdem er bereits seine Frau verloren hatte. Auch ihr war ihr Miraculous zum Verderben geworden und er würde auf jeden Fall zu verhindern wissen, dass es Adrien ebenso ergehen könnte. *** Der gigantische Roboter wirkte für einen Moment wie gelähmt, sein Oberkörper krümmte sich ein wenig nach vorn, der Kopf war leicht gesenkt und waren die Lampenaugen schmaler geworden? Verwundert betrachtete Cat Noir den Riesen und sein Blick blieb an der Glocke hängen. Da regte sich eine Erinnerung, die sein Gehirn erst vor wenigen Augenblicken abgespeichert hatte. Seine Lady hatte ungewöhnliches Interesse an dem Schmuckstück gezeigt. Mit einem Mal riss er die Augen auf, als ihn die Erkenntnis traf, wie ein Blitz, der in einen Baum einschlug. Konnte es das Versteck des Akumas sein? War es das, was sie ihm hatte sagen wollen, bevor der Elefant ihn erwischt hatte? Es war besser als nichts zu tun, beschloss er und schaffte es sich aus dem Griff des Roboters zu winden, der immer noch keine Regung zu zeigen schien. Mit einem Salto flog der Held durch die Luft, aktivierte dabei den Kataklysmus und wollte gerade die Glocke am Hals des Roboters berühren, als das Leben in diesen zurückkehrte. Die Arme begannen wie wild zu rudern, als wollte Copycat mit ihnen eine lästige Fliege verscheuchen. Doch mit seiner neu gewonnen Hoffnung und Motivation, stieß sich Cat Noir an einem der Arme nach oben ab, landete zwischen den Ohren des Giganten, ließ sich dann im Sturzflug durch die Luft zwischen den umher sausenden Armen hinabgleiten und tippte die goldene Glocke mit seiner zerstörerischen Hand an. Prompt verschwand sie und mit ihr ein zusammengefaltetes Stück Papier, das violett verfärbt war. Ein kleiner schwarzer Schmetterling entwich den auseinanderbröckelnden Gegenständen und begann seinen Fluchtversuch. Der Held schnappte ihn mit einer Hand, da er ihn definitiv nicht entkommen lassen durfte, stieß sich mit Hilfe seines Stabes vom Rumpf des Roboters ab und wollte sicher auf dem Dach des Lagerhauses landen, vor dem der Kampf stattgefunden hatte. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass der Roboter mit seiner letzten Handlung, bevor er sich aufzulösen begann, ihn mit einem wuchtigen Schlag am Rücken traf, der ihm die Luft aus den Lungen presste und ihn härter auf dem Dach aufschlagen ließ, als er es normalerweise beabsichtigt hatte. Erneut bremste eine Scheibe seinen Aufprall, bevor er das leise Knarzen unter sich vernahm. Das war das Letzte, das er hörte, bevor ihm von der Wucht des Schlages schwarz vor Augen wurde und er in einem Splitterregen aus im Mondschein schimmerndem Glas zu Fallen begann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)