Arbitrium von Istyar ================================================================================ Kapitel 4: Midnas Idee ---------------------- Eine kräftige Hand packte Benjen am Kragen und presste ihn gegen die Mauer. "Was bildest du dir ein?!" Im Halbdunkel der Waffenkammer erkannte er Arks Gesicht, wutverzerrt und keine Armeslänge von seinem entfernt. "Wie kommst du dazu, einfach deinen Posten zu verlassen?! Deinen Kameraden deinen Teil der Arbeit aufzuhalsen?! Ich habe euch allen klar gemacht, wie wichtig dieses Treffen ist, wie viele wichtige Menschen versammelt sind, hast du nicht zugehört? Was, wenn etwas passiert wäre?! Und wofür?! Ein nettest Stelldichein gehabt?!" Benjen rang nach Luft. "I... Ihre Majestät... Midna..." Ark schnaubte. "Natürlich, deine hündische Ergebenheit für ihre Hoheit entschuldigt natürlich alles." Aber er lies Benjen los. "Ist dir klar, dass, falls es einen Angriff gegeben hätte, es deine Schuld wäre, wenn deine Kameraden getötet worden wären,  weil du gefehlt hast?" Benjen fragte sich zwar, wer bitte angreifen sollte, aber er hielt es für klüger, das Ark gegenüber nicht zu erwähnen. Stattdessen sah er betreten zu Boden. "Es... es tut mir Leid. Es wird nicht wieder vorkommen." Ark drehte ihm den Rücken zu. "Natürlich tut es dir Leid. Das sollte es auch." Er ging zur Tür, doch im Rahmen hielt er inne, ein Scherenschnitt gegen die aufgehende Sonne. "Du bist nicht blöd, und bis jetzt hast du dir kaum etwas zu Schulden kommen lassen. Ich würde es vorziehen, wenn es dabei bleibt. Dieses Mal kommst du mit einem blauen Auge davon." Damit verschwand er durch die Tür. "Ich erwarte dich beim Training.", war das letzte, was Benjen von ihm hörte. Benjens Arme brannten, Schweiß lief ihm in die Augen. Keuchend wischte er sich durch das Gesicht, Schwert und Schild hingen wie Blei an seinen Händen. Irgendwo vor sich hörte er Ark etwas rufen, er hatte ihn schon den ganzen Morgen auf dem Kieker. Benjen vermutete, dass Ark ihn trotz seiner Worte auf diese Weise dafür bestrafen wollte, dass er am Vorabend seinen Posten verlassen hatte. Wieder rief Ark etwas zu ihm hinüber, und diesmal drang es zu ihm durch. Über seinen eigenen, keuchenden Atem verstand er die Worte kaum, doch Ark schien endlich genug davon zu haben, ihn zu foltern. „Benjen, das reicht für heute.“ Erleichtert lies Benjen das Schwert sinken. Seine Kameraden hatten das Training längst beendet, nur er war noch hier, da Ark ihn nicht hatte gehen lassen. Doch nun war auch er entlassen, unwillkürlich seufzte er auf, als das Schwert seinen Fingern entglitt. Was Ark einen erbosten Ausruf entlockte. „Hey! Geh wenigstens vernünftig mit deiner Ausrüstung um, wenn du schon deine Pflichten nicht erfüllen kannst!“ Eine undeutliche Entschuldigung murmelnd bückte Benjen sich, und hob das Schwert auf. Eine tadelnde, aber auch amüsierte Stimme lies ihn herum wirbeln. „Tse, Benjen, wie gehst du nur mit Waffen um...“ Er spürte, wie ihm die Röte in das Gesicht schoss. Am Rand des Übungsplatzes stand Midna, die ihn frech angrinste. Betreten senkte er den Kopf. „Bitte verzeiht, Euer Majestät.“ Aber Midna achtete nicht mehr auf ihn. Mit festen Schritten ging sie auf Ark zu, in ihrer Stimme schwang nun Zorn anstelle von Heiterkeit mit. „Ark, ich hatte dir gesagt, dass er gute Gründe hatte, seinen Posten zu verlassen! Und dass du ihn nicht bestrafen sollst!“ Abwehrend hob Ark die Hände. „Ich habe ihn nicht-“ „Ach nein?“ unterbrach Midna ihn und zeigte auf Benjen. „So gehst du also mit deinen Adepten um, ja? Was soll das? Er kann ja kaum noch stehen!“ Benjen fühlte sich, als würde sein Gesicht brennen. „Euer Majestät, bitte… so schlimm ist es nicht...“ Er verstummte, als er merkte, das Midna ihm nicht zuhörte, sondern mit immer lauter werdender Stimme auf Ark einschrie, der sich davon jedoch wenig beeindruckt zeigte. Erst wollte Benjen einfach still gehen, da ihm die Situation mit jedem Wort von Midna unangenehmer wurde, doch dann blieb er. Irgendwie kam es ihm so vor, als sei er Midna schuldig, zu warten, bis sie fertig war, außerdem konnte es sein, dass sie noch etwas von ihm wollte. Oder sollte sie etwa nur gekommen sein, um Ark zu beaufsichtigen? Die Tatsache, dass sie dafür verantwortlich war, dass Ark ihn nicht normal bestraft hatte, war ihm unangenehm. Er sollte sie schützen, nicht anders herum. Es waren kaum zwei Minuten, in denen Midna sich in Rage redete, aber Benjen kam es vor wie eine Ewigkeit. Als sie endlich fertig war, Ark zusammen zu schreien, drehte dieser sich kommentarlos um und stapfte Richtung Waffenkammer. Unter anderen Umständen hätte Benjen sich geärgert, dass Ark sich Midna gegenüber so respektlos benahm, doch jetzt war einfach froh, dass er sich nicht mehr anhören musste, wie Midna ihn verteidigte. Diese drehte sich jetzt zu ihm, das Gesicht erhitzt, und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Einige dünne Haarsträhnen lösten sich aus ihrer Frisur. „Tut mir Leid, wegen Ark. Es ist ja meine Schuld, dass du deinen Posten verlassen musstest, da habe ich gar nicht dran gedacht.“ Benjen hob die Hand. Er wollte nicht hören, wie sie sich bei ihm entschuldigte. „Majestät, bitte. Das... das war doch selbstverständlich. Das… ich Euch begleite.“ Entschuldigend und mit einem schiefen Lächeln zuckte Midna mit den Schultern. „Vielleicht hätte ich Ark sagen sollen, das du mit mir unterwegs warst. Aber ich fand, dass es ihn nichts angeht.“ Einen Moment herrschte Stille, bis Midna wieder das Wort ergriff. „Ich hab nach dir gesucht, weil ich deine Meinung hören wollte. Deine ehrliche Meinung“ Fragend sah er sie an. „Ich hab die Idee schon, seit wir heute früh zurück gekommen sind. Ich… ich habe gemerkt, dass ich kaum etwas über die Leute weiß, über die ich regiere. Und gestern hat einer von den Alten“, es dauerte einen Augenblick, bis ihm aufging, dass sie die Generäle meinte, „dass auch mein Vater engeren Kontakt zu den Menschen in den Bergen hatte als ich, und na ja… Sie hatten ja Recht, ich habe diese Menschen vernachlässigt. Außerdem“, Sie grinste schief, „Hab ich diesen bekloppten Rat der Drei heute früh aus dem Schloss geworfen.“ Benjen unterdrückte mit Mühe ein überraschtes Aufkeuchen. Eigentlich war es typisch für Midna, dass sie jemanden aus dem Schloss warf, nur weil er ihr auf die Nerven ging. Ab und zu wunderte es ihn, dass die Generäle noch alle hier waren. „Und… Eure Idee?“ fragte er vorsichtig nach. Überrascht sah Midna ihn an. „Ist das nicht klar? Ich hab gedacht, es wäre doch am Besten, sie zu besuchen. Eine Art Inspektion, und damit sie wissen, dass ich sie nicht vergessen hab.“ Nachdenklich nickte Benjen. Es machte Sinn, was sie sagte, aber außerhalb der Mauern der Hauptstadt, ja schon außerhalb des Schlosses brachte sie sich in Gefahr, war ein zu einfaches Ziel. "Majestät, das..." Midna grinste breit. "Wie wär's, du machst kurz Pause, erfrischt dich, und in einer Stunde treffen wir uns im Kartensaal, in Ordnung?" Benjen nickte nur wortlos, ihm wurde bewusst, dass er verdreckt und völlig verschwitzt vor seiner Königin stand. Midna grinste, als wüsste sie, was er dachte, und drehte sich um. Erst klopfte Benjen leise an die hohe, schmale Tür zum Kartensaal, dann, als keine Antwort kam, lauter. Gedämpft durch das Holz der Tür drang Midnas Stimme. "Ja? Benjen, bist du das? Komm rein." Langsam öffnete er die Tür. Der Kartensaal überwältigte ihn jedes mal auf neue, auch, wenn er nicht wirklich beeindruckend war. Vielleicht lag es an dem Wissen, das hier gelagert war. Der Raum war weniger ein Saal, als ein hoher, schmaler, laggezogener Korridor voller Regale, gefüllt mit Pergamentrollen, Karten hingen an den Wänden und lagen auf den Tischen, zu viele für diesen Raum. An einem davon stand Midna, über eine der Karten gebeugt. Jetzt winkte sie ihn zu sich. "Komm her, ich will dir was zeigen." Vorsichtig bewegte Benjen sich zwischen den Tischen auf sie zu, bemüht, nichts umzustoßen. Ungeduldig winkte sie ihn näher. "Guck, hier." Sie zeigte auf einen Punkt auf der Karte, an dem sich das Schloss befand und fuhr eine schmale Linie mit dem Finger entlang, die nach Norden führte. "Das ist eine Straße, die wir kaum benutzen. Die könnten wir nehmen, damit kommen wir bis zu den ersten zwei Dörfern," sie zeigte auf zwei winzige Punkte, die Benjen ohne ihren Hinweis übersehen hätte, "und von da aus werden wir den Rest schon finden. Wir gehen bis hier", ein Punkt, der auf der Karte kaum drei Finger breit von den ersten Dörfern entfernt lag und für Benjen keinerlei Besonderheiten aufwies, "und von da aus aus den Bergen raus und über die Ebenen zurück zur Hauptstadt." Lächelnd sah sie zu ihm, Begeisterung und Eifer glitzerten in ihren Augen. "Nun..." Benjen legte nachdenklich den Kopf schief. "Es liegt mir fern, Eure Reiseplanung zu kritisieren, aber... denkt Ihr, es ist klug, Euch so weit außerhalb der Hauptstadt irgendwo in den Bergen herrum zu treiben?" Midna lachte. "Was soll den passieren? Falls tatsächlich irgendein verirrter Bandit auftauchen sollte, kann ich mich schon wehren. Außerdem werde ich ja nicht allein gehen." Fragend sah Benjen sie an. "Nun, denkst du, die Generäle werden mich ohne eine Hundertschaft Soldaten vor die Tür lassen? Natürlich nehm ich nicht so viele mit. Aber du wirst dabei sein." Ihre Stimme war voller Vertrauen, als würde seine Anwesenheit eine Hundertschaft Soldaten aufwiegen. Verlegen senkte er den Kopf. "Majestät, ich... ich danke Euch." Sie grinste. "Wofür? Das ich dich durch Matsch, Schlamm und schlechtes Wetter schleifen werde? Dabei ist das noch nicht alles." Benjen hob den Kopf. "Wie kann ich Euch noch helfen?" Midna zuckte die Schultern. "Reisevorbereitungen. Ich will nicht als Prinzessin reisen, sondern... normal." Benjen nickte. "Ich... glaube, ich kann Euch verstehen. Ich werde sehen, was ich tun kann." Midna lächelte, wirkte seltsam erleichtert. "Danke. Dann will ich dich nicht noch länger aufhalten. Nicht, dass Ark dich doch noch zu Hackfleisch verarbeitet." Unwillkürlich grinste Ark. "Ach ja!" rief sie ihm hinterher, als er ging. "Ich will dich zu meinem Schatten ernennen." 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