Anti Faith von Kartoffelecke ================================================================================ Kapitel 20: ------------ Deidara blickte auf die Statuen der längst verstorbenen Tsuchikagen. Er fand sie alle samt hässlich. Wer auch immer sie gefertigt hatte, gehörte gefeuert. Sie hatten nichts mit wahrer Schönheit zu tun, fand Deidara und spielte kurz mit dem Gedanken, sie zu zerstören. Es wäre ein fabelhafter Anblick. Dem Ersten würde er den Schädel einschlagen, dem nächsten die Hüfte durchtrennen und so weiter. Bis sie Staub waren. Ein toller Moment. Die große Halle in der er sich befand war leer. Wenn er an den Statuen vorbei schritt, hallten seine Schritte. Er war hier allein und doch hatte er das Gefühl jemand würde ihn beobachten. Aber das hatte man in diesem großen Dorf immer. Alle Blicke ruhten auf ihm. Vor der Statue von Onoki blieb er stehen. Das fahle Mondlicht erhellte diese Halle nur spährlich, aber ein Lichtkegel tauchte das Gesicht seines Lehrmeisters in ein unheimliches Bild. Die Halle der Ältesten, wie man es in Iwagakure nannte, war in eine Steinwand der vielen Berge geschlagen worden. Wandte Deidara den Blick von den Statuen ab, so konnte er an dicken Säulen vorbei über das Dorf blicken, bis zur Mauer hin. In der späten Stunde zündeten die Wachen Feuer an, die nun in der Ferne flackerten. Er fragte sich, ob er nach Hause gehen sollte. Sein Vater würde ihn dort erwarten und sie würden kein Wort darüber verlieren, weswegen sie sich gestritten hatten. Deidara war anstatt zu einem Training mit Onoki, dem veehrten Tsuchikagen, daheim geblieben und hatte Tonfiguren geknetet. Sein Vater kam heim und wusste natürlich genau, wo sein Sohn zu sein hatte. Deidara schrie, sein Vater brüllte, Deidara machte die Biege. Es war nicht das erste Mal. Aber sein Vater kannte ihn gut genug und sah es nicht als nötig ihm nachzulaufen.Später strafte er ihn, indem er ihn ignorierte. Deidara gab es ungern zu, aber er hatte Angst vor seinem alten Herrn. Oft war er wütend auf ihn, aber meist beherrschte Angst und Kontrolle ihre Beziehung. Der Mann wurde bewundert, welch tollen Sprößling er großzog. Deidara klopfte man anerkennend auf die Schulter. Er würde viel erreichen, sagten sie immer. Was auch früher für ihn Ziel war, war heute nur ein Schloss mehr in seinem Vogelkäfig den er Leben nannte. Er hatte aufgehört freundlich zurück zu lächeln. Er hatte aufgehört sich zu bedanken. „Hier bist du!“, hörte er plötzlich und zuckte zusammen. Kurotsuchi kam herein und stemmte die Hände an die Hüfte. „Wir waren heut‘ Abend verabredet, vergessen? Und zum Training bist du auch nicht gekommen.“, sagte sie vorwurfsvoll. „Was ist die letzte Zeit bei dir los?“ Deidara grinste und sofort lockerte sich Kurotsuchis Haltung. Sie waren gute Freunde und sie war ihm selten wirklich böse. „Hatte einfach keine Lust.“, erwiderte Deidara lässig. „Du hast nie auf irgendwas Lust. Ich war bei dir zu Hause, Deidara. Dein Vater ist stinksauer. Mein Großvater übrigens auch. Du solltest sich mehr zusammen reißen.“ „Für was?“ „Wie?“ „Für was soll ich mich zusammenreißen? Ich hab keine Lust hier drauf. Dieser Ort macht mich krank.“, sagte Deidara und in seiner Stimme klang Abscheu und Frust. Mit der Hand winkte er ab. Kurotsuchi schaute ihn irritiert an. „Was meinst du?“, hakte sie nach, ein wenig besorgt. Sie trat einen Schritt auf ihn zu. „Deidara, du bist die letzte Zeit so komisch..“ Kurz schauten sich die beiden Freunde an, ohne etwas zu sagen. Deidara fixierte die Kunoichi und schien abzuwägen, ob es die Zeit wert war. „Findest du eigentlich, dass wir was Besonderes sind, Kuro?“, fragte er ins Blaue und erntete einen zuerst überraschten, dann aber nachdenklichen Blick seiner alten Freundin. „Klar. Sicher. Warum fragst du? Du bist ein besonderer Shinobi, genau wie ich. Allein unsere Familiennamen machen uns zu etwas Besonderem, findest du nicht?“ „Nein. Ich denke, wir sind alle ersetzbar. Wäre ich nicht, würde jemand anderes an meiner Stelle stehen. Genau wie bei dir oder den Wachen da draußen auf der Mauer. Eine Nummer. Mehr nicht. Solange wir hier sind, Kuro, sind wir nichts besonderes. In ein paar Jahrzehnten wird keiner nach uns fragen.“ „Deidara, sag mir endlich was du hast oder lass uns zurückgehen!“, Kurotsuchi klang ungeduldig. Ihr Partner sah an ihr vorbei, wieder über das Dorf. War er das Problem? Er fühlte sich gefangen in seinem Leben und sie war ein Teil davon. Sie würde es nie verstehen. Schlaflose Nächte, in denen er so oft daran dachte einfach abzuhauen und das alles hinter sich zu lassen. Sein Leben könnte so perfekt sein, so beneidenswert, wäre da nicht dieser Wunsch nach mehr. Er sollte froh sein, aber er war es nicht. Er fühlte schwere Ketten auf seiner Brust, die der Tsuchikage, sein Vater, das ganze Dorf in den Händen hielten und zuzogen, wenn er mal querschlug. Diese Erkenntnis war mehr zufällig zu ihm gekommen. Er hatte aus Versehen eine seiner Lehmvasen fallen lassen. Sie zerbrach und in Deidara passierte etwas. Plötzlich hatte sich alles zusammengefügt. Er fing an mehr herumzuprobieren und landete schnell bei Explosionssiegeln. Vergänglichkeit wie diese machten ihm deutlich, dass er sein Leben verschwenden würde, würde er weiter auf alle hören. Er müsste selbst sein Leben in die Hand nehmen und wollte sich ganz und gar diesem schönen Gefühl widmen, was er verspürte, wenn er diese Kunst schuf. „Tut mir leid, Kuro. Ich wollt mir nur die Visage von deinem Opa anschauen, bevor ich mal daneben steh. Ich glaub' ich brauch Urlaub oder so.“, scherzte er dann. Seine Freundin schaute ihn zuerst skeptisch an, schien dann aber zufriedengestellt und boxte ihm sachte gegen die Schulter. „Urlaub? Komm schon, Deidara. Wir haben morgen 'ne Mission.“ „Ich weiß.“ „Wehe du sagst, du bist krank, klar? Den alten Mann halt ich alleine nicht aus.“ Deidara nickte. Kurotsuchis Blick wurde kurz besorgt. Sie hatte schon länger das Gefühl, etwas würde mit ihrem besten Freund nicht stimmen. Sie hatte mitbekommen, dass er manchmal in sich gekehrt war, wenn er dachte, niemand kriegt es mit. Sein Blick wirkte oft distanziert. Er redete oft davon, wie groß die Welt sei und wie hässlich dieses Dorf im Vergleich. Aber noch etwas, was ihren Freund verändert hatte: Kunst. Deidara hatte Kunst für sich entdeckt. Für Kurotsuchi war das Quatsch was er da redete, aber etwas in Deidaras Augen begann zu leuchten, wenn er von Feuerwerken erzählte oder Explosionssiegel nutzte, um seine schönen Lehmfiguren zu sprengen. Er sagte, so müsse sich wahre Freiheit anfühlen. Kurotsuchi hatte nie verstanden, was er damit meinte. Sie fand es schade, dass er seine Töpferfähigkeiten derart verschwendete. Aber es schien ihn glücklich zu machen und so rang sie sich manchmal ein anerkennendes Kommentar ab.Was aber als nette Abwechslung begann, entwickelte sich bereits zu einer wahren Manie. Wenn Deidara könnte, würde er den ganzen Tag nur über Kunst reden. „Komm, du kannst heut nach bei mir schlafen, wenn du Stress mit deinem Alten hast.“, bot sie ihm an, aber Deidara winkte ab. „Nein, ich gehe zurück.“ „Warum kannst du dich nicht einfach ein wenig mehr zusammen reißen? Dann hättet ihr nicht ständig Streit. Du musst dich von dem nicht so auf die Palme bringen lassen.“ Deidara runzelte die Stirn. „Kuro, du lebst mit diesem Mann nicht unter einem Dach. Stell dir vor, jemand plant jeden Schritt, jeden Moment in deinem Leben, für dich.“, erwiderte er, Unmut in seiner Stimme. „Er will doch nur das Beste für dich, Deidara.“, versuchte sie es ihm schonend beizubringen, aber Deidara wurde zornig. „Das Beste?!“, wurde er lauter. Kurotsuchi hob die Hände und versuchte ihn zu beruhigen. „Deidara, bleib locker. Die Älteren haben schon Recht, wenn sie meinen, dass du dein Können verschwendest, wenn du dich nicht manchmal mehr zusammen nimmst, das ist alles. Sagt Onoki doch ständig. Manchmal kannst du ganz schön.. undankbar sein. Das ganze Dorf schaut auf dich und deine Zukunft. Selbst ich könnte da neidisch werden.“ Sie dachte, er würde wütend werden. Er würde sie sicher anschreien. Deidara tendierte dazu, laut zu werden und schnell die Fassung zu verlieren. Er war berühmt für seine Ausraster. Aber ihr Freund fing an zu lachen. Sein Lachen hallte in der Halle wider, erstickte dann jedoch zu einem vergnügten Glucksen. Kurotsuchi erkannte Deidara kaum wieder. Sein Blick hatte etwas Irres, aber auch Apathisches angenommen. Zum ersten Mal war er ihr unheimlich. „Ich verschwende hier wirklich mein Können, Kuro. Geh nach Hause. Wir sehn uns morgen bei der Mission.“ „Ich gehe, wenn du dich wieder mit deinem Alten verträgst.“ Um sie nicht noch mehr anlügen zu müssen, schenkte er ihr nur ein Lächeln und sie nahm seine Hand und drückte sie kurz. Kurz verschwand das Lächeln aus Deidaras Gesicht, so irritiert war er über diese Geste. Die letzten Wochen waren vor allem von Streit geprägt gewesen. Frust hatte sich in Deidara breit gemacht und schnürte ihm die Kehle zu.   Deidara schlug die Augen auf und starrte die dunkle Decke seines kleines Zimmers an. Er war verschwitzt und hatte seine rechte Hand zur Faust geballt. Er konnte Kurotsuchis Berührung noch deutlich spüren. Es war mitten in der Nacht und ein leichter Regen klopfte gegen seine Scheibe. Er versuchte tief durchzuatmen, aber das Gefühl auf seiner Brust lag schwer. Entnervt seufzte er auf. Der Traum war noch klar vor seinem inneren Auge und er hatte keine Lust mehr. Wieso jetzt?, fragte er sich und schwang die Beine über die Bettkante. Sein Blick ruhte müde auf der Fensterscheibe, wo kleine Tropfen sich zu dünnen Rinnsalen zusammenfanden und das Glas hinabrutschten. Er würde Sasoris Schlafmedizin auf jeden Fall brauchen, wenn er jemals wieder eine erholsame Nacht erleben möchte. Zurzeit hatte er einfach zu viel im Kopf. Er streckte den Rücken durch und sein Blick fiel auf seinen Ring, den er noch immer am Finger trug. „Du bist jetzt ein anderer“, dachte er. „Lass es einfach hinter dir.“ Er wollte nicht mehr der Junge aus Iwagakure sein, der für sein Dorf sein Leben geben würde und der Angst vor seinem Alten hatte. Aber wie er es drehte und wendete, seine Vergangenheit hing an ihm wie eine Eisenkette am Fußgelenk eines Gefängnisinsassen. Er erinnerte sich an das Gespräch aus dem Traum. Es war die Nacht in der er beschloss die Schriftrolle zu stehlen. Damals hatte er oft darüber nachgedacht, dem Dorf den Rücken zu kehren. In dieser Nacht sah er keinen anderen Ausweg mehr. Wenn er jemals wieder glücklich sein wollte, wenn er wirklich sein Leben der Kunst widmen wollte, dann müsste er gehen. Aber er ging nicht, ohne etwas sehr Wichtiges dem Dorf wegzunehmen. Er wusste nicht genau, warum seine Leidenschaft für Explosionen und Kunst überhaupt erweckt wurde. Deidara hatte immer gerne getöpfert, es machte ihm Spaß Dinge nach seinem Kopf zu formen. Er hatte sich auch immer gewünscht, diese kleinen Kreaturen zum Leben zu erwecken. Noch faszinierender fand er es jedoch, wenn er eines dieser Tiere zerstörte. Was alle anderen als Schade und Verschwendung ansahen, empfand er als wunderschön. Er erinnerte sich dann immer an den ganzen Schaffungsprozess, die vollkommene Form, die am Ende aber nichts bedeutete. Denn alles war vergänglich. Alles würde früher oder später sterben. Diese Tatsache wird einem Shinobi spätestens auf dem Kampffeld bewusst und sie begleitete Deidara seit jeher. Der Künstler stand auf und öffnete das Fenster, ließ die kalte Nachtluft hinein. Ja, nichts ist für die Ewigkeit gemacht. Dessen war er sich sicher. Doch er fand diesen Gedanken alles andere als traurig oder deprimierend. Vielmehr gab es ihm Antrieb, das Beste aus seiner Zeit zu machen. Er wollte, dass alle anderen das genauso sehen und ihn verstehen. Explosionen wurden zu seiner Art des Ausdrucks. Kunst wurde sein einziges Ziel, alles andere nebensächlich. Die Schönheit von vielen Augenblicken, dem Krach, der alles in seinem Kopf verstummen ließ, wurde sein wichtigster Lebensinhalt. Das Ergebnis seiner hart erkämpften Freiheit. Deidara lehnte sich mit den Unterarmen auf die Fensterbank und schloss die Augen. So sehr er sich auch wünschte, sich nur seiner Kunst widmen zu können, etwas war immer. Er wollte seine Gefühle immer so kontrollieren können wie andere, er wollte ihnen nicht immer so ausgeliefert sein. In Gedanken spann er die Erinnerung weiter: Nachdem Kurotsuchi gegangen war, verblieb Deidara nicht lange in der Halle, sondern machte sich direkt zur Kagevilla auf. Er wusste genau, wo im Keller die verschlossene Truhe mit den verbotenen Jutsu versteckt war. Onoki hatte sie ihm gezeigt und erklärt, dass es durchaus eine Verschwendung sei, dass man sie nicht benutzen werde. In der Sache waren sie sich wenigstens einig gewesen. An die Rolle ranzukommen war nicht schwer gewesen, sie war nicht streng bewacht und Deidara genoss als Schüler des Tsuchikagen durchaus gewisse Privilegien, sodass er in die Villa hinein spazierte, sich dann unbemerkt in den Keller stahl und dort die Fallen ausschaltete, bevor er die Schriftrolle in den Händen hielt. Er setzte sich hin und eignete sich die Fähigkeit an, die ihm als Tor in die freie Welt dienen sollte. Es war ein schwieriges Jutsu gewesen und Deidara brauchte eine Weile um es rauszuhaben. Umso erschreckender war es, was es mit seinem Körper anstellte. Den Moment, als er die Siegel beendet hatte, durchfuhr ihn ein Stechen. Schmerzvoll war die Bildung der Münder. Seine Hände brannten und er dachte es zerreißt ihm die Brust. Er biss die Zähne zusammen um nicht laut loszuschreien. Er krümmte sich auf dem Boden und Panik paarte sich mit der Angst erwischt zu werden. Als die Transformation beendet war, lag er zusammengekrümmt auf dem Boden und rang nach Atem. Ab da wusste er, es gab kein Zurück mehr. Als er sich aufrappelte, fühlte er sich noch ein wenig wacklig auf den Beinen, aber dieses Gefühl verschwand, als ihm sein Erfolg bewusst wurde.   Deidara stützte sich auf die Fensterbank und ihm entwich ein triumphierendes Grinsen. Danach ließ er die Dinge wohl ein wenig eskalieren, wenn er sich recht erinnerte. Kurotsuchi war ihm heimlich gefolgt, konnte aber ihren Augen nicht glauben. Obwohl Deidara ihr den Rat gab, einfach heimzugehen, stellte sie sich ihm in den Weg. Es entbrannte ein Kampf, aber Deidara war ihr, auch ohne die neue Technik, haushoch überlegen gewesen. Er ließ sie zurück, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie nicht zu schwer verletzt war. Anschließend ging allerdings der Alarm los und er machte die Biege. Es tat ihm leid, seiner alten Freundin den Rücken kehren zu müssen, aber ihm blieb ab da nichts anderes mehr übrig. „Und dann.. Pow.“, murmelte er, während er die Hand aus dem Fenster streckte und eine Explosionsbewegung nachahmte. Ja, Deidara hatte eine Menge Schaden angerichtet, denn zum einen wollte er unbedingt ausprobieren, was er nun alles anstellen könnte mit seiner neuen Fähigkeit, aber er hatte sich auch grob verschätzt mit der Menge Chakra in seinen Klumpen Lehm. Er hinterließ Trümmer und tötete viele von denen, die er mal seine Kameraden nannte. Aber Deidara war in einen Rausch geraten und kein Gedanke der Reue hatte Platz. Niemand hatte mit so einem Desaster gerechnet und in dem ganzen Chaos schaffte es der selbstgeschaffene Künstler aus dem Dorf heraus und in die weite Ferne. Und nun stand er hier und musste doch tatsächlich darüber schmunzeln, dass ihm seine Vergangenheit ab und an den Schlaf raubt. Vielleicht war es ein kleiner Preis für das, was er nun besaß. Las es ihm am offenen Fenster fröstelte, schloss er es wieder und schaltete das Licht an. An Schlaf konnte er nun nicht mehr denken und überlegte, ob er einen Spaziergang machen sollte. Er erinnerte sich noch genau, wo Chinatsu wohnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)