Aus dem Leben einer Eislaufbahn von NaokoSato ================================================================================ Kapitel 1: Aus dem Leben einer Eislaufbahn ------------------------------------------ Jeden Morgen die gleiche Prozedur: Erst kommt die Eisbearbeitungsmaschine, dann die Kufen. Wirklich jeden Morgen. Jetzt. Bis vor ein paar Monaten war noch alles gut. Okay, es war besser als es jetzt ist. Da kam die Maschine zwar zur gleichen Zeit, aber ich hatte mehr Zeit das Gefühl danach zu genießen. Ich glaube, Menschen kennen dieses Gefühl auch. Sie nennen es nur Massage und es macht keine große Maschine sondern ein anderer Mensch. Tiefenentspannt sollen sie dann angeblich sein. Ja, das trifft es auch bei mir ganz gut. Tiefenentspannt. Massage und Peeling in einem und eine schöne, glatte Oberfläche, wenn sie fertig sind. Früher dauerte es dann ein paar Stunden, bis die ersten Läufer kamen, manchmal ein paar Familien am Wochenende, unter der Woche ein oder zwei Schulklassen, jeweils zweimal die Eishockeymannschaften der drei Altersklassen, Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Ich habe die letzten fünf Jahre ein relativ entspanntes Leben geführt... Dann kam er zurück. Yuri Katsuki. Es begann gemächlich. Er hatte zugenommen, war mit dem Eislaufen durch, fuhr nur für sich allein. Bis zum Tag, der mein trauriges Schicksal besiegelte... die Kür. DIE Kür. Ich wusste nicht, was es bedeuteten würde. Ich ahnte nicht, dass dieser Tag der Anfang vom Ende meiner Ruhe war. Er hatte sie geübt, allein, meistens abends. Er ist oft gefallen und mehr als einmal dachte ich, er gibt auf. Er gab nicht auf. Er murmelte viel vor sich hin. „Viktor würde das locker schaffen.“ „Diesem blöden Yuri zeige ich es!“ „Ich gebe nicht auf!“ Er meinte keinen Satz ernst, die Stärke spielte er sich selbst nur vor. Ja, ich kann das einschätzen und darf das sagen, schließlich stand er mit vier Jahren das erste Mal auf mir, bei einem Ausflug seiner Kindergartenklasse. Er fiel hin und weinte, dann stand er wieder auf und lief und fiel und stand auf und lief und fiel... Bis er es konnte. Ein oder zwei Jahre später war er wieder da, hatte ein bisschen Ballett gelernt und fuhr bis er seinen ersten Sprung probierte. Ein Hüpfer, und er fiel, aber Yuko half ihm hoch und zeigte es ihm. Er war anfangs nicht besser als sie in seinem Alter, aber er hatte verdammt viel Ehrgeiz. Irgendwann, nach vielen Sprüngen und vielen blauen Flecken, war er plötzlich weg. Sie sagten, er sei in Detroit, wo auch immer das sein möge. Vielleicht gibt es da bessere Trainer, besseres Eis gibt es da sicher nicht. Als er weg war, redeten sie vom Grand Prix, von den Vier-Kontinente-Meisterschaften und der Weltmeisterschaft. Nie sprachen sie vom Sieg. Zuletzt sprachen sie von Versagen, vom letzten Platz, von Karriereende. Er kam wieder, aß zu viel, übte DIE Kür und zeigte sie Yuko. Natürlich habe ich die Drillinge bemerkt, aber so als Eisbahn, die noch dazu gerade mal wieder brutal zerkratzt wird, kann man ja nicht wirklich was sagen. Ich beobachtete also einfach, wie sich die Sache entwickeln würde. Ein paar Tage später war dann ER da. Der von dem Yuko und Yuri früher immer geschwärmt haben, der Russe mit der komischen Haarfarbe. Und nicht nur er. Plötzlich stand noch ein zweiter Russe auf der Matte. Das sind für unsere Gegend ziemlich viele Ausländer auf einmal, vor allem wenn man die Reporter mitzählt, die sich plötzlich für unsere kleine Eishalle interessierten. Die schöne Ruhe war endgültig vorbei. Die morgendliche Prozedur begann. Eismaschine, Yuris Kufen, Viktors Kufen, Kinderkufen während des Kraft- und Balletttrainings, Yuris Kufen, Eishockeykufen, Viktors und Yuris Kufen und erst spät am Abend wieder Ruhe. Ein paar Mal am Tag die Eismaschine, doch wirklich Entspannung bringt die auch nicht, wenn man den ganzen Tag von geschliffenem Metall traktiert wird. Die Bande beschwert sich immer über Viktor, der sie besonders fest drückt, wenn Yuri einen neuen Sprung ausprobiert, und über die Eishockeyspieler, die mit Vollgas in sie brettern. Ja, das ist beides nicht angenehm, aber mal unter uns: Die Bande ist ein Weichei. Ich schweige mich zu meiner zerkratzten Oberfläche lieber aus, weil ihr sonst etwas noch schlimmeres widerfährt. Ich beobachte lieber die Funken, die zwischen Viktor und Yuri fliegen, selbst wenn die beiden es selbst nicht sehen. In ein paar Tagen reisen sie ab, zum Grand Prix. Die Musik ist ausgewählt, die Programme stehen. Wenn ich meine bescheidene Meinung dazu äußern darf: Ich würde die Sprungreihenfolge etwas ändern, aber ich kenne die Jury auch nicht, vielleicht stehen die ja drauf. Jedenfalls wird es bald wieder ruhiger. Endlich. Viel zu früh. Ich bin viel zu romantisch veranlagt, um nicht wissen zu wollen, ob aus dem Knistern zwischen den beiden mehr wird. So ein kleiner Kuss in den nächsten Tagen sollte also noch drin sein, oder ist das zu viel verlangt? Ich mag die beiden schließlich, auch wenn sie mich mit Füßen treten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)