Checkmate von ReverdeLune (Long live the King) ================================================================================ Kapitel 2: Second Move: Arrival ------------------------------- 18:56 Uhr, Fr. 22.02. Darebridge, Stratos City Ihre Augen huschten panisch zwischen Black und dem Ausgang der Seitenstraße hin und her. Wie hatte er sie so schnell wiedergefunden? Er war nicht in der U-Bahn gewesen. Er war verdammt noch mal nicht da gewesen! Aria versuchte sich einen Plan auszudenken, wie sie ihm entkommen konnte. Doch in ihrer derzeitigen Situation fiel ihr nur eines ein. Und das klappte wahrscheinlich sowieso nicht, da er sie die ganze Zeit nicht aus den Augen ließ. „Ich muss sagen, du bist echt hartnäckig“, begann Black wieder zu sprechen, doch sie ignorierte ihn. Er konnte sagen, was er wollte, sie würde nicht nachgeben. „Warum lässt du dich nicht einfach nach Hause bringen und obliviieren? Dann bist du raus aus der Sache.“ Aria hatte aufgehört zu zappeln, da es eh nichts gebracht hatte und überlegte angestrengt, wie sie ihn von sich bekommen konnte. Was faselte er da eigentlich? Raus aus der Sache, von wegen. Sie hatte ja gar nicht vor raus aus der Sache zu sein, nicht nachdem sie mitbekommen hatte, was sich hinter dem Namen „Rebellen von Einall“ verbarg und vor allem wer. Auf keinen Fall würde sie ihn einfach damit davonkommen lassen, dass Black Parker ihr ihre Erinnerungen stahl und dann weiter irgendwelche komischen Pläne schmiedete. Nicht, wenn sie es verhindern konnte. Ein Streifenwagen fuhr vorbei und lenkte sowohl ihre als auch Blacks Aufmerksamkeit für einen Moment auf sich. Sie hatte Glück. Aria schluckte. Jetzt oder nie. Ihre Idee war wahrscheinlich eher lebensmüde als hilfreich, doch sie wartete einen weiteren Moment der Unachtsamkeit von Black ab, dessen Aufmerksamkeit noch kurz dem Auto galt, dann biss sie ihm in die Hand, die immer noch über ihrem Mund lag. Gleichzeitig hob sie ihr Knie und rammte es ihm so stark sie konnte zwischen die Beine. Und dann rannte sie. Die Gassen waren rutschig vom Regen und Schnee und Aria musste aufpassen, dass sie nicht ausrutschte. Sie hörte Black hinter sich fluchen. Plötzlich war sie ihrer Turnlehrerin dankbar, dass sie sie so viel laufen ließ. Aria schlitterte um die nächste Ecke und um die danach. Wenn sie eins von ihren Verfolgungsjagden durch Stratos City an der Seite der Eastside Ravens gelernt hatte, dann zwei Dinge: nimm jede Ecke, die du kriegen kannst und blicke nicht nach hinten. Und genau das tat sie auch. Black musste unmittelbar hinter ihr sein, sie hörte seine Schritte auf dem matschigen Stein. Aria suchte verzweifelt nach einem Weg aus diesem Labyrinth aus Gassen zu entkommen und auf die größeren Straßen zu gelangen. Wenn Black sie hier fing, würde niemand etwas davon merken. Ihre Gedanken rasten, ihr Atem ging flach und sie hörte nur noch die Schritte hinter sich. Mülltonnen. Sie hechtete an ihnen vorbei und riss zwei davon im Vorbeirennen um. Aria wusste nicht, wie sie es schaffte, dass Black sie immer noch nicht eingeholt hatte, doch es musste wohl an ihrem kleinen Vorsprung und ihrer Ortskenntnis liegen. Und an dem Adrenalin, dass durch ihren Körper gepumpt wurde. Sie sah Licht am Ende der Straße und lief noch ein wenig schneller. Gleich war sie aus der Dunkelheit raus und hoffentlich waren ein paar Leute auf der Straße. Es war, als könnte sie Blacks Atem im Nacken spüren, doch sie schüttelte das Gefühl schnell wieder ab und schlitterte auf die Hauptstraße hinaus. Der breite Fahrstreifen war hell erleuchtet und Bäume säumten die Parkbuchten an den Seiten. Aria rannte über die Straße, ohne sich umzusehen. Sie hatte Glück, dass das Auto erst wenige Sekunden später um die Ecke bog und sie verfehlte. Aria rannte weiter. Harlem war nicht besonders groß und bot neben den Gassen und Seitenstraßen nicht viele Möglichkeiten sich zu verstecken. Sie blickte doch nach hinten und konnte Black erkennen, der nur wenige Meter hinter ihr über die Straße rannte. Er war so verdammt nah, dass sie einen kleinen erstickten Schrei unterdrücken musste. Konzentriere dich Aria, schalt sie sich selbst und richtete den Blick dann wieder nach vorne. Es war besser, sie würde sich nicht erwischen lassen. Warum war niemand auf den Straßen unterwegs, wenn sie ihn brauchte? Es war doch gerade mal sieben Uhr! Aria sprang über einen kleinen Zaun und verlor für einen Moment das Gleichgewicht, da sie ihre Arme nicht zum Ausbalancieren benutzen konnte, fing sich aber wieder und setzte ihren Weg fort. Sie waren in einem kleinen Park und das Gras war rutschig unter ihren Schuhen. Bloß nicht ausrutschen. Und endlich konnte sie jemanden erkennen. Es war eine Gruppe von etwa fünf Leuten, die um eine der Parkbänke herumsaßen. Durch das Licht der Laterne, die direkt daneben stand, konnte Aria deutlich den blauen Raben auf ihren Lederjacken erkennen. Die Ravens. Sie warf erneut einen Blick nach hinten. Black war so nah, dass er fast nach ihr greifen konnte und er legte noch einmal an Tempo zu. „Hilfe!“, schrie Aria und hoffte damit die Aufmerksamkeit der Gangmitglieder auf sich zu lenken, die bisher nur einmal in ihre Richtung geblickt hatten, sich dann aber wieder ihrem Kartenspiel zugewandt hatten. Keine Reaktion. Also versuchte sie es erneut und rannte direkt auf die kleine Gruppe an der Bank zu. Aria spürte, wie Blacks Finger kurz an ihrer Kapuze rissen, dann krachte sie auch schon in einen der Männer hinein, die neben der Bank standen. Aria krachte zu Boden und spürte ihre Knie über die Steine schaben. Sie saß in der Mitte des kleinen Kreises der Gangster und blickte panisch um sich. Black, der vermutlich genauso verdutzt war, wie die Gangmitglieder, war stehen geblieben und betrachtete die kleine Gruppe. „Verdammt, was soll die Aktion, Mädchen! Kümmere dich selbst um deine Angelegenheiten“, fuhr einer der Ravens Aria an. Es war ein Teenager mit kurzen, schwarzen Haaren und grimmigen Gesichtsausdruck. Sie hörte seine Worte nur halb, da sie immer noch zu sehr auf Black fixiert war, der bis jetzt noch keinen Versuch gemacht hatte, sie aus der Mitte der Gangster herauszuholen. Doch sie fühlte sich noch nicht sicher. Ein anderer Raven kniete sich zu ihr hinunter und sie erkannte den roten Bart und die silberne Kreuzkette um seinen Hals nur zu gut. Falcon. „Sei still, Babyface“, begann Falcon mit ruhiger Stimme. Aria hätte über den Spitznamen wohl gelacht, wenn sie nicht gerade um ihr Leben gerannt wäre. „Du bist doch das Mädchen, das die gute alte Ellis immer mitgebracht hat. Aria ist dein Name, oder?“ Aria nickte leicht, immer noch zu sehr außer Atem, um zu sprechen. Ihr Blick haftete noch immer auf Black. „Hey, du da!“, wandte sich Falcon dann an eben diesen. „Gibt es ein Problem, dass du jemanden aus unseren Reihen in unserem Revier jagst?“ Black schien unschlüssig, was er tun sollte. Er würde es nicht mit fünf Leuten gleichzeitig aufnehmen können, ohne seine Identität zu offenbaren. Aria robbte ein Stück zurück. Wenn die Ravens sie weiter in Schutz nahmen, hätte sie es geschafft und wäre Black entkommen. „Nein, alles gut. Ich will keinen Ärger“, antwortete Black und hob beschwichtigend die Hände. Sein wütender Blick galt dabei einzig und allein Aria. Sie konnte ihn wegen der Sonnenbrille nicht sehen, wusste aber nur zu gut, dass er sie ansah, als würde er ihr gleich den Kopf abreißen. „Gut, dann mach, dass du verschwindest“, erwiderte Falcon und Aria konnte ein Messer in der Hand des Mannes neben ihm aufblitzen sehen. Black schien mit sich zu ringen. Schließlich trat er einen Schritt zurück, drehte sich um und ging davon. Aria atmete erleichtert aus und ihr kamen fast die Tränen. Sie war Black Parker entkommen! Sie spürte immer noch die neugierigen Blicke der anderen Ravens auf sich, doch es kümmerte sie nicht. So etwas nannte man dann wohl Glück im Unglück. „Willst du uns erzählen, was der Typ da von dir wollte?“, sprach Falcon und kniete sich abermals zu Aria hinunter. Sie war ihm unendlich dankbar, dass er ihr geholfen hatte. „Keine Ahnung, wer das war. Er hat mich plötzlich angefallen, als ich aus der U-Bahn gestiegen bin und hat irgendwas von ‚jetzt hab ich dich endlich‘ oder so gefaselt“, log Aria außer Atem und blickte dabei in die Richtung, in die Black verschwunden war. Sie wusste nicht, weshalb sie die Leute, die sie gerettet hatten, nun anlog und Blacks Identität verschwieg, doch es erschien ihr besser, wenn nicht jeder um den Flüchtling Bescheid wusste. „Komischer Typ“, bemerkte die Blonde neben Falcon. Aria erkannte sie als Cherry, eine gute Freundin von Ellis. „Du wolltest bestimmt zu Ellis, oder? Ich kann dich hinbringen.“ Aria nickte dankbar und rappelte sich dann auf. Sie war schmutzig und nass und ihre Fesseln schmerzten, doch ihre Jacke war auf wundersame Weise noch da. Cherry führte sie aus dem kleinen Kreis heraus und steuerte in Richtung Hamilton Alley. Ein weiterer Raven folgte ihr, doch Aria kannte ihn nicht. Wahrscheinlich hatte Falcon ihn mitgeschickt. Sie schwiegen, während sie durch die Straßen von Harlem gingen. Aria bemerkte Cherrys besorgte Blicke, die sie ihr immer wieder zuwarf, hielt sich aber daran sie zu ignorieren. Sie wollte nicht über ihr Aufeinandertreffen mit den Rebellen reden. Es dauerte nicht lange, bis das rote Backsteinhaus mit der auffälligen grünen Feuertreppe in Sicht kam, in dem Ellis van der Wood lebte. Die beiden Ravens brachten Aria noch bis zur Tür und sie versicherte ihnen, dass alles in Ordnung war und dass sie einen Schlüssel hatte. „Okay. Grüß Ellis von mir“, verabschiedete sich Cherry und stieg dann die Treppen hinunter, die zur Haustür führten. „Werde ich. Danke noch mal und sag auch Falcon danke von mir. Ihr habt was gut bei mir“, sagte Aria und schloss die Haustür auf. Als sie in den dunklen Flur trat und die Tür hinter sich schloss, sank sie kraftlos an dieser hinunter. Ihr Herz schlug immer noch rasend schnell und sie fühlte sich, als müsste sie sich gleich übergeben. So viel Angst hatte sie schon lange nicht mehr gehabt. Doch was viel wichtiger war: Was würde sie jetzt tun, da sie den Rebellen für den Moment entkommen war? * Es hatte nicht lange gedauert, bis Ellis ihr aufgemacht hatte, sie entgeistert angesehen und sie dann in die Küche gescheucht hatte. Sie hatte kein Wort geredet, bis der Wasserkocher ausgegangen war und sie zwei Tassen Zitronentee aufgegossen hatte. Erst dann war sie, an den Küchentisch gelehnt, vor Aria stehen geblieben und hatte diese fordernd angesehen. Aria blickte ein wenig verunsichert in das Gesicht ihrer besten Freundin, die die Augenbrauen verärgert zusammengezogen hatte, während sie Aria deutlich musterte. „Was ist mit dir passiert, dass du plötzlich hier auftauchst und aussiehst, als wärst du durch die ganze Kanalisation gejagt worden?“, erhob Ellis dann die Stimme und der konzentrierte Ausdruck auf ihrem Gesicht ließ nach. „Hast du deine Nase wieder in Dinge gesteckt, die dich nichts angehen?“ Aria wusste, worauf sie anspielte. Es war nicht selten vorgekommen, dass Aria sich auch nach Ellis „Austritt“ aus den Ravens in Gangangelegenheiten eingemischt hatte, die nicht immer nur die Eastside Ravens betrafen. Sie wollte dafür sorgen, dass New Castelia eine gangsterfreie Zone blieb, so wie es seit der Erbauung des Distrikts der Fall war. Keine der vier großen Stratos-Gangs sollte es für sich beanspruchen, da ansonsten wieder Revierkämpfe ausbrechen würden. Und somit hatte sie, wie Ellis es immer nannte, ein wenig „herumgeschnüffelt“ und hatte dabei eine kleine Menge über die Ganggeschäfte der ansässigen Gangs herausgefunden. Was sie dann der Polizei gesteckt hatte, da sie als normale Zivilistin nicht viel mehr machen konnte, ohne Stress mit den Gangstern zu bekommen. Aber das sie es im Westen mit dem Weißen Drachen, der aggressivsten Gang von Stratos City, zu tun hatte, die sich auch gerne mit der Polizei anlegten und Streit suchten, war bei ihren Versuchen, New Castelia vor ihnen zu bewahren, nur wenig herausgekommen. Trotzdem hatte sie keine Lust, dass man auch in New Castelia nicht mehr nach zehn Uhr allein auf die Straße gehen konnte, nur weil da irgendwelche Hooligans unterwegs waren. Und solche Verfolgungsjagden, ähnlich der mit Black, hatte sie sich schon mit kleineren Großstadtgangstern geliefert, die plötzlich nach Macht in New Castelia strebten. Doch dieses Mal hatte sie ein viel größeres Problem, als ein paar Typen, die sie beim sprayen an ihren Quartieren erwischt hatten. Sie hatte die Rebellen am Hals und die waren meilenweit entfernt von ungefährlich. Sie zuckte mit den Schultern. „Nur irgendein Irrer, der mich wohl entführen wollte. Die Ravens haben mir geholfen. Falcon und Cherry waren dabei.“ Ellis massierte sich den Nasenrücken. Aria wusste, dass sie es nicht guthieß, wenn sie sich in die kriminelle Szene von Stratos City einmischte, auch wenn sie selbst noch ein passives Mitglied der Ravens war. „Dann hast du noch einmal Glück gehabt. Irgendwelche Zeichen, die du erkannt hast? War er aus dem Westen?“ „Nein. Keine Ahnung, er gehörte jedenfalls zu keiner Gang, die ich kenne“, antwortete Aria. Außer seinem Gesicht hatte er kein Zeichen bei sich, fügte sie noch im Stillen hinzu. Sie wagte es nicht einmal, ihrer besten Freundin von ihrem Zusammenstoß mit den Rebellen und der darauffolgenden Entführung zu erzählen. Es war wie eine Blockade, die kein Wort über die Organisation über ihre Lippen kommen ließ. Aria schob es auf ihre erst einige Minuten zurückliegende Flucht und ihre Angst vor dem, was nun passieren würde. Stratos City war nicht mehr sicher für sie. Aria ging nicht davon aus, dass Black seine Suche einfach so aufgeben würde und wenn sie Pech hatte, würde Lauro noch mehr Rebellen nach Stratos City schicken und nach ihr suchen lassen. Sie musste die nächsten Wochen und den Rest ihres Lebens irgendwie überstehen, ohne, dass sie sie fassen konnten. Bis sie die Rebellen enthüllen konnte oder Team Plasma sich dazu entschied, endlich etwas zu unternehmen. Ellis wirkte immer noch ein wenig skeptisch, beließ es aber dabei und gab Aria eine der beiden Teetassen. „Ich würde sagen, du schläfst heute hier. Ich werde Luke Bescheid sagen, damit er sich keine Sorgen macht. Und du…geh am besten duschen. Du siehst schrecklich aus.“ Erst jetzt bemerkte Aria das Brennen in ihren Knien und die blauen Flecken an ihren Ellenbogen und Schürfwunden an ihren Händen, mit denen sie sich an den Mauern der Seitenstraßen abgefangen hatte, während sie versucht hatte, auf dem rutschigen Boden nicht auszugleiten und hinzufallen. Ihre Schuhe waren braun und matschig und ihre Hose hatte kleine Löcher an den Knien. Außerdem rieselte bei jeder Bewegung Sand aus Arias Kleidung, den sie versuchte auf dem Tisch mit den Handflächen zusammenzufegen. Sie blickte unsicher zu Ellis hoch, die ihren kleinen Sandhaufen mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. „Und die Klamotten lässt du bitte im Flur“, merkte sie an, dann ging sie aus der Küche und ließ ihren Tee nicht angerührt stehen. Aria nahm seufzend einen Schluck von ihrem und verbrannte sich die Zunge. Heute war echt nicht ihr Tag. Nach kurzem Überlegen stand sie ebenfalls auf und trottete in den Flur, um sich auszuziehen. Zuerst entledigte sie sich ihrer Schuhe, die nasse Abdrücke auf dem Parkett hinterließen, dann zog sie ihre Jeansjacke unter ihrem Pullover hervor. Sand rieselte zu Boden. Da sie nun wusste, dass die Rebellen ein Quartier – sie vermutete stark, es gab noch mehr als bloß das eine in der Wüste – im Wüstenresort hatten, was nicht sehr weit von Stratos City war, hatte sie zumindest einen Anhaltspunkt. Aria war sich sicher, dass hinter dem, was heute in der Stratos Bank geschehen war, mehr stecken musste, als bloß ein Überfall, um Geld zu beschaffen. Es musste sich etwas Wertvolles in dem Gebäude befinden, das die Rebellen unbedingt brauchten, wenn sie sich so nah an Team Plasma heranwagten. Sie musste nur noch herausfinden, was. Kurz glitten Arias Gedanken zu ihrem Zwillingsbruder, der wahrscheinlich schon zu Hause war und sich fragte, wo sie blieb. Ihr Handy. Aria wühlte in ihrer Jacke nach dem Gerät und konnte es sicher in einer der Innentaschen finden. Ein Stein fiel ihr vom Herzen. Zum Glück war es nicht verlorengegangen, so wie ihre Tasche, wie sie bemerkte. Darüber hatte sie gar nicht nachgedacht, doch jetzt, da sie außer Gefahr war, fiel ihr auf, dass ihr Schultasche wohl schon seit der Entführung durch die Rebellen nicht mehr bei ihr war. Sie musste sie auf dem Central Place verloren haben. Vielleicht hatte die Polizei sie ja gefunden und die wussten nun, dass sie entführt worden war. Dann wäre wenigstens eine Suchaktion gestartet worden, wenn Aria Black nicht allein entkommen wäre. Wenn die Polizei oder Team Plasma ihre Entführung bemerkt hatte, würden sie den Fall ganz sicher nicht so einfach fallen lassen, wie alles andere, was mit den Rebellen in Verbindung gebracht werden konnte. Und dann würde das Quartier in der Wüste früher oder später entdeckt werden müssen. Aria musste lächeln. Sie wäre nicht Aria Connor, wenn sie die Rebellen einfach so damit davonkommen lassen würde. Auch nicht, wenn sie innerlich vor dem Bevorstehenden zitterte. * 15:23 Uhr, Fr. 22.02. Midtown, Stratos City White runzelte die Stirn. Ihr Blick huschte immer wieder zwischen dem Bankdirektor und den Zetteln, die er ihr gegeben hatte, hin und her. Das war mehr als merkwürdig. „Sie sind sich sicher, dass wirklich nichts gestohlen wurde? Einbrecher gehen selten ohne etwas, vor allem nicht, wenn sie so professionell vorgehen, wie hier beschrieben“, bemerkte sie und deutete auf das Geschriebene. „Vielleicht gab es eine zweite Gruppe, die am Einbruch beteiligt war.“ Eine Ahnung machte sich in ihr breit. Das hier war kein normaler Einbruch gewesen, nicht, wenn sich der Dunkelstein in der Stratos Bank befand. Die Rebellen hatten ihre Chance also wirklich genutzt. „Nein, es ist alles an seinem Platz. Sowohl das Geld, als auch der Dunkelstein. Die Gruppe ist in den Tresorräumen gefunden worden, bevor sie irgendwelche Aktionen starten konnte. Dann sind sie leider geflüchtet“, antwortete der rundliche Mann und betrachtete besorgt ihren beunruhigten Gesichtsausdruck. Wahrscheinlich fürchtete er irgendeine Strafe. White seufzte und ließ den Stapel Blätter sinken. „Und Sie sagen, dass ihr Spur in der Kanalisation verschwand?“ „Ja spurlos. Die Rüpel haben nichts mehr von ihnen gefunden. Wie ein Geist.“ Wieder seufzte sie leise. Zum Glück war nichts abhandengekommen und der Stein noch da. Wenigstens das konnte sie G-Cis erzählen, wenn sie sich wieder eine Standpauke anhören musste, dass die Rebellen jetzt schon in ein hochgesichertes Gebäude wie die Stratos Bank eindringen konnten. Vielleicht würde ihn der Fakt, dass alles noch an seinem Platz war, etwas milde stimmen. Sie hoffte es zumindest. Es war schlimm genug, dass sie sich jetzt damit herumschlagen musste, dass keine falschen Informationen an die Öffentlichkeit gelangten und diese ganze Rebellengeschichte nicht publik gemacht wurde. Da brauchte sie nicht auch noch G-Cis, der ihr im Nacken saß. „Gut. Ich werde das weiter untersuchen und Sie über das weitere Verfahren mit dem Dunkelstein in Kenntnis setzen. Achten Sie vorerst darauf, die Presse zu beruhigen“, sagte White, schüttelte noch einmal kurz die Hand des Bankdirektors und machte sich dann auf den Weg nach draußen. Sie verschwand im Treppenhaus und machte sich auf den Weg nach oben, wo ein Hubschrauber auf sie wartete. Der junge Mann neben ihr schwieg und hielt ihr bloß die Türen auf. White hatte es schon immer gehasst, dass die Rüpel sie begleiteten, auch wenn es manchmal hilfreich war. G-Cis sagte immer, dass es zu ihrem eigenen Schutz war, doch sie wusste, was wirklich dahintersteckte. Überwachung. Er traute ihr genauso wenig, wie sie ihm und deshalb ließ er sie auch nie allein irgendwo hin. Die Tür nach draußen machte White selbst auf, vielleicht ein wenig zu energisch und trat dann hinaus aufs Dach. Der Wind rüttelte an ihrem Mantel und sie zog ihren Schal enger um sich, bevor sie darauf wartete, dass ihr die Tür geöffnet wurde. Der schwarz gekleidete Rüpel, der zu ihrem Schutz abbestellt war, verschwand im Cockpit, sodass White allein dem sorgenvollen Blick der Muse, die auf einem der hinteren Sitze saß, ausgesetzt war. White ignorierte den Rüpel, der ihr beim Einsteigen helfen wollte und setzte sich neben Anthea. Sie zog den Gurt fest und bedeutete dem Piloten abzuheben. Dann setzte sie sich den Lärmschutz auf. Es herrschte unangenehmes Schweigen im Helikopter und White starrte aus dem Fenster. Sie hatte fliegen schon immer gehasst. „Und?“, fragte Anthea über den Lärm hinweg, die sich anscheinend nicht mehr an sich halten konnte, nachdem sie schon eine Weile in der Luft waren. Gerade zog der Weiße Wald unter ihnen vorüber und White betrachtete nachdenklich die hohen Bäume. Dann sah sie die Muse an. „Es ist alles noch da. Die Rebellen wurden erwischt, bevor sie starten konnten, was auch immer sie vorhatten“, berichtete White und wandte dann den Kopf wieder zum Fenster. „Ich wusste, dass es eine schlechte Idee war, die Gala so nah beim Stein abzuhalten...“ „Die Rebellen? Bist du dir sicher, dass sie es waren?“, hakte Anthea nach. „Wer denn sonst? Sie waren bestimmt hinter dem Dunkelstein her, warum sonst sollte jemand in die Stratos Bank einbrechen, wenn es noch zig andere Banken in Stratos City gibt?“, gab White zurück und betrachtete unzufrieden ihre Hände. Dass sie es so nah an den Stein heran geschafft hatten, gab ihr zu denken. „Du hast Recht. Aber na ja, es war nun mal das 50. Jubiläum, was sollen wir da schon machen? Und es ist ja glücklicherweise noch alles da“, stellte die Muse beschwichtigend fest, doch sie konnte White nicht beruhigen. Es war schließlich nicht sie, die dafür hätte herhalten müssen, wenn der Stein gestohlen worden wäre. „Und wie wird jetzt weiter mit dem Stein verfahren?“ „Ich werde versuchen, G-Cis davon zu überzeugen, dass er ihn ins Schloss bringen lässt. Dort ist er momentan am sichersten.“ „Das wäre für den Moment die beste Lösung, das stimmt. Aber du weißt, dass G-Cis nicht will, dass der Stein so nah bei dir ist“, warnte Anthea und strich sich eine magentafarbene Haarsträhne aus den Augen. White schnaubte kurz und drehte sich zu ihr. Sie konnte die beiden Musen, seit sie im Schloss war nicht besonders gut leiden, weil sie nichts gegen G-Cis unternahmen, wo sie doch deutlich ihr Unbehagen bei seinen Plänen spüren konnte. Der einzige Grund, weshalb sie bisher auf sie gehört und ihnen vertraut hatte, war, dass sie momentan ihre einzigen Verbündeten waren und dass sie sich in seiner Kindheit um N gekümmert und ihn vor G-Cis bewahrt hatten. Ansonsten konnten sie ihr genauso gestohlen bleiben, wie der Rest von Team Plasma. White war schließlich nicht hier, weil sie plötzlich anfangen wollte, G-Cis Ideale anzupreisen. Es kostete sie auch nach zehn Jahre immer noch einiges an Überwindung, jeden Morgen in diesem verdammten Schloss aufzuwachen. „Mir ist egal, was G-Cis will und was er nicht will. Es geht hier um die Verwirklichung seines Plans und das ist nun einmal der einzige Weg, den Stein sicherzustellen. Das wird er einsehen müssen“, sagte sie. „Außerdem ist es irrelevant, ob sich der Stein in meiner Nähe befindet oder nicht. Zekrom hat mich aberkannt, es wird nicht zu mir zurückkehren, da muss er sich keine Sorgen machen.“ Anthea schwieg. White beobachtete noch einen Moment ihren nachdenklichen Gesichtsausdruck, dann wandte sie sich ab. Unter ihnen lag schon die Siegesstraße. Das Höhlensystem war verwahrlost, nachdem nun keine Trainer mehr auf Herausforderer der Pokemonliga warteten oder zu eben jener gelangen wollten. Selten kam kaum noch jemand hier vorbei und es wimmelte von wilden Pokemon, die sehr vehement ihr Revier verteidigten. White hatte mitbekommen, dass G-Cis einen Trupp Rüpel losgeschickt hatte, vor nicht allzu langer Zeit, um das Gelände auszukundschaften und nach möglichen Stützpunkten der Rebellen zu suchen. Lediglich einer der fünf Männer kam zurück und auch er war verwundet. Er berichtete von einem Angriff eines Schwarms wilder Fermicula, die über sie herfielen. Es war schrecklich gewesen, ihn zu sehen und seine Geschichte zu hören. Aber noch schrecklicher war das, zu was Team Plasma die Pokemon gemacht hatte. Zu wilden Bestien, die Menschen hassten und sie angriffen. Natürlich war es auch schon vor der Befreiung der Pokemon dazu gekommen, dass wilde Pokemon Menschen angegriffen hatten und natürlich waren sie wild und manche den Menschen feindselig gesinnt gewesen. Doch das alles hatte niemals das Ausmaß, das es jetzt hatte. Es schien, als hätten die Pokemon endgültig ihren Glauben in die Menschen verloren. White dachte an ihren Gang durch die Siegesstraße zurück. Sie hatte sich mit allerhand Trainern und wilden Pokemon herumschlagen müssen, ihre Pokemon und sie selbst hatten fast schlapp gemacht und kurz vor dem Ausgang hatte dann auch noch Cheren auf sie gewartet und gemeint, er müsse sie nach ihrem Marsch auch noch herausfordern. Sie hätte ihn dafür köpfen können. White dachte ungern an ihre Reise zurück. Zu viel war passiert und ihre alte Gruppe war auseinandergerissen worden von den Ereignissen. Sie hatten alle einen anderen Weg gewählt. Das Schicksal hatte es einfach nicht gut mit ihnen gemeint. White riss ihren Blick von dem Höhlensystem los und starrte in den Himmel. Sie durfte nicht daran zurückdenken. Das war Vergangenheit. Und sie hatte genug Probleme, mit denen sie sich in der Gegenwart herumschlagen musste. Dazu zählten nun auch die Rebellen, die es allem Anschein nun wirklich darauf anlegten, sich mit Team Plasma anzulegen. White lehnte sich zu Anthea herüber. Sie wollte nicht, dass einer der Rüpel vorne im Cockpit ihr Gespräch mitbekam. „Irgendetwas Neues?“ Die Muse schüttelte den Kopf. „Nein. Momentan führt G-Cis die Konferenzen nur mit den Sieben Weisen. N und ich sind nur selten dabei. Na ja, es könnte auch daran liegen, dass Natural viel damit beschäftigt ist, mit Reshiram nach den Top 4 zu suchen, die vor kurzem bei ihrer Verlegung nach White Forest entkommen sind. Astor und Anissa sind noch immer auf freiem Fuß.“ „Da ist doch irgendwas faul. G-Cis und seine verdammte Heimlichtuerei. Dass er nicht einmal dich mit einbindet“, Whites Ärger auf den zynischen alten Mann verstärkte sich nur noch. Er plante doch schon wieder irgendetwas. „Ich weiß es nicht. G-Cis ist manchmal sehr eigen, was seine Planung betrifft“, verteidigte Anthea ihren Vorgesetzten und Ziehvater. White erwiderte darauf nichts mehr. Das war einer der Gründe, weshalb sie die Musen ebenfalls nicht leiden konnte. Sie standen genauso hinter G-Cis, wie N es tat und das störte sie. Sollten sie doch machen, was sie wollten. Das Schloss kam in Sicht und White konzentrierte sich darauf, wie sie G-Cis den Raubversuch beibringen sollte, ohne dass er ausflippte. Sonst würde sie ihn niemals davon überzeugen können, dass er den Dunkelstein ins Schloss bringen ließ. * 15:46 Uhr, Fr. 22.02. Stratos Central Station, Midtown, Stratos City Die Menge strömte Richtung Haupteingang und Grace hatte Mühe, den Westausgang, Jordan und ihren Koffer gleichzeitig im Blick zu behalten. Menschen in Anzügen mit Koffern und Taschen und Touristen wuselten um sie herum und ließen sie nicht selten glauben, sie hätte ihren Partner im Getümmel verloren. Doch Jordan schien immer wieder seinen Weg zu ihr zurückzufinden. Zumindest darum musste sie sich keine Gedanken machen. Viel wichtiger war ihr Koffer, ohne den sie gleich wieder nach Hause fliegen konnte. Nach vier Stunden Flug und einer zweistündigen Zugfahrt von Marea City, war ihr nach noch mehr Stress gar nicht zumute und sie war froh, als sie endlich den Westausgang erreichten, der nicht an der Stratos Street, sondern einer wesentlich ruhigeren Seitenstraße lag. Grace wollte nur raus aus dem überfüllten Bahnhof, der aus allen Nähten platzte. Ihr fragender Blick galt Jordan, der neben ihr zum Stehen kam und sich auf der Straße umsah. „Das Taxi müsste hier irgendwo sein. Guck nach einem Schild mit ‚La Grande‘“, sagte er und suchte dann weiter den Straßenrand nach besagtem Fahrzeug ab. Grace blickte sich ebenfalls um und fand das Taxi ein Stück die Straße runter am Bordstein parken. Sie tippte ihren Partner an und deutete dann wortlos in die Richtung. Dann ging sie auf das Taxi zu. Der Fahrer wartete daneben und hielt halbherzig sein Schild mit dem Schriftzug „La Grande“ hoch, ließ es jedoch sinken, als er Grace und Jordan sah. Er nahm ihnen ihre Koffer ab und verstaute sie im Kofferraum, während Grace sich auf die Rückbank sinken ließ. Sie hatte seit sie in Sonnewik losgefahren waren, kein Auge zugemacht und hoffte, dass sie das Hotel so schnell wie möglich erreichten. Jordan nahm auf dem Beifahrersitz Platz und Grace war dankbar, die gesamte Rückbank für sich zu haben. Das Taxi setzte sich in Bewegung und Grace blickte aus dem Fenster. Stratos City war eine große Stadt, eine sehr große. Größer als Jubelstadt, der größten Stadt Sinnohs. Und obwohl sie selbst in einer Großstadt aufgewachsen war, war ihr der Koloss Stratos City nicht ganz geheuer. Vor allem da sie von einigen Agenten aus Einall viel über die Kriminalität innerhalb der Metropole gehört hatte. Es herrschte Schweigen im Taxi, denn weder Grace noch Jordan schienen das Bedürfnis zum Reden zu haben und sie war glücklich über ein wenig Stille. Die Kinder im Zug hatten sie noch ihren letzten Nerv gekostet. Der Stau, in dem sie nun standen, gab Grace Zeit zum Nachdenken. Wenn sie im La Grande angekommen waren, würde sie wahrscheinlich erst einmal schlafen, da ihr Jetlag wirklich schrecklich war und dann würde sie damit beginnen, sich über ihren Fall umzuhören. LeBelle hatte ihr genug Informationen gegeben, dass sie zumindest einen Anhaltspunkt hatte, den sie mit Giovanni in Verbindung bringen konnte. Die Gangs von Stratos City. Zwischen ihnen und dem ehemaligen Team Rocket Anführer bestand irgendeine Verbindung. Das hatte Grace nach stundenlanger Recherche herausgefunden und es war endlich ein Fortschritt in ihrer jahrelangen Suche. Ihr Blick glitt über die stehenden Autos und die vorbeiziehenden Menschen und sie fragte sich, wie die Menschen hier lebten. Sie hatte, wie alle anderen, genug davon gehört, dass Einall das Trainerdasein und die Verbindung zu Pokemon aufgegeben hatte, nachdem es einen Wechsel in der Regierung gegeben hatte. Einzelheiten waren jedoch nicht bekannt und bisher hatte es Grace auch nicht gestört, so normal ihr das Leben mit Pokemon auch vorkam. Sie betrachtete ihre eigenen sechs Pokebälle an ihrem Gürtel. Wenn sie ihre Pokemon abgeben müssten, hätte sie ein ziemliches Problem. Doch da sie und Jordan undercover in Einall unterwegs waren, müsste sie wohl auf ihre Freunde verzichten. Jedenfalls solange sie in der Öffentlichkeit war. Grace blickte wieder nach vorne. Jordan Lancster war vor nicht allzu langer Zeit ihrem Ermittlungsteam im Fall Giovanni Cicalla zugeteilt worden und hatte sich bisher nur als nützlich erwiesen. Wie sie selbst stammte er aus einer Polizei-Familie, seine beiden Eltern waren ebenfalls in der Internationalen Polizei und er war ihrem Beispiel gefolgt. Das Einzige, was Grace noch mehr an ihm störte als seine Art, die Dinge spontan anzugehen, war, dass er sich ihr gegenüber irgendwie überlegen sah. Ja, sie war gerade einmal zwanzig Jahre alt und viele in der Internationalen Polizei zweifelten oft an ihr. Doch sie konnte auf sich selbst aufpassen und das hatte sie mehr als einmal bewiesen. Warum sonst, sollte LeBelle sie mit diesem Fall betrauen? Grace hatte nicht bemerkt, dass sie frustriert die Stirn gerunzelt hatte, bis sie ihr Gesicht wieder entspannte. Solange sie ihren Job machen konnte, war alles in Ordnung. Dafür war sie schließlich hergekommen. * Der Wagen hielt abrupt und riss Grace somit aus ihrem Dämmerzustand. Grace sah sich überrascht um und stellte fest, dass sie auf der Fahrt wohl eingenickt sein musste. Jetzt standen sie auf einem riesigen Platz vor einem pompösen Hotel mit weißer Außenwand. Sie blinzelte ein paar Mal gegen die untergehende Sonne, die die Straße in ein weiches Rot tauchte, richtete kurz ihren silbernen Dutt, dann stieg sie aus. Zuerst konnte sie weder den Taxifahrer, noch Jordan sehen und war unschlüssig, was sie nun tun sollte, da sie allein neben dem Taxi stand. Doch dann hörte Grace es Rumpeln und sie konnte den Fahrer sehen, der gerade ihren Koffer aus dem Kofferraum hievte. Sie blickte wieder zum Hotel, an dessen Front in großen goldenen Buchstaben der Schriftzug La Grande prangte und fragte sich unwillkürlich, warum sie noch mal in so ein dermaßen aufwendiges und teures Hotel ziehen wollten. Zum Glück wurde ihr Aufenthalt von der Internationalen Polizei bezahlt. Grace machte sich auf den Weg zum Eingang, den ein Band von vorbeieilenden Menschen von ihr trennte und quetschte sich vorsichtig durch die Menschenmenge. Direkt im Zentrum zu wohnen hatte wohl auch seine Nachteile. Sie schaffte es schließlich doch durch die große, mit Gold eingerahmte Tür und trat in die Lobby. Grace hatte ja schon vieles gesehen, doch ein so schickes Hotel noch nie. Die Decke lag einige Meter über ihrem Kopf und der Boden bestand aus poliertem Marmor. Überall waren purpurne Sitzgelegenheiten verteilt und in der Mitte des Raums stand sogar ein Springbrunnen. Den Blick von all dem Luxus losreißend, ging Grace zur Rezeption, wo sie Jordan sehen konnte, der gerade zwei Schlüssel gereicht bekam. „Miss Willows“, er reichte ihr einen davon mit einem Nicken, dann verschwand er wieder nach draußen zu den Koffern. Grace blickte ihm einen Moment nach. Er hielt sich wirklich an stark an die Decknamen und hatte sie noch kein einziges Mal mit ihrem richtigen Namen angesprochen, seit sie Einall betreten hatten. Eins musste man ihm lassen, er war wirklich sehr professionell. Sie folgte Jordan nach draußen und zog ihren Koffer ins Hotel, während ihr Partner den Taxifahrer bezahlte. In den kleinen goldenen Anhänger an ihrem Schlüssel war eine dunkle 538 eingraviert und nach einem kurzen Blick auf die Schilder neben den Fahrstühlen, wusste Grace, dass ihr Zimmer im 5. Stock lag. In diesem Hotel würden sie während ihrer Ermittlungen wenigstens ungestört sein und für die Leute hier galten sie als Geschäftsleute, die auf Geschäftsreise in Stratos City waren. Und da Giovanni in Einall nicht mehr bekannt war, als er in Kanto gesucht war, würde sich auch niemand wundern, wenn sie und ihr Partner ihn festnehmen würden, wenn die Zeit gekommen war. Doch jetzt musste sie sich erst einmal Gedanken um seinen derzeitigen Aufenthaltsort machen, bevor es dazu kommen konnte. Der Fahrstuhl kam mit einem Klingeln und Grace stieg allein ein. Sie drückte den Knopf zur 5. Etage und lauschte der Fahrstuhlmusik. Hoffentlich würde ihr Team dieses Mal erfolgreich sein und den Fall abschließen können, der schon seit über zehn Jahren bei LeBelle auf dem Schreibtisch lag. Das Zimmer war nicht weniger schick als der Rest des Hotels und Grace wunderte es auch nicht, als sie die Karte des Zimmerservices auf ihrem Bett liegen sah. Ein Blick aus dem Fenster sagte ihr, dass sie direkt auf den Platz vor dem Hotel blicken konnte, den Milleniumsplatz. Grace ließ sich erschöpft aufs Bett fallen und schloss die Augen. Hoffentlich würden sie Giovanni endlich fangen. Ein Klopfen an ihrer Tür holte Grace erneut aus dem Traumland und sie versuchte nicht allzu genervt auszusehen, als sie Jordan die Tür öffnete. „Ich wollte nur sagen, dass wir uns heute Abend mal umhören sollten, was in Stratos City so vor sich geht. Ich würde sagen, wir treffen uns so um acht Uhr, wenn das für dich okay ist“, sagte Jordan, nachdem er wohl gemerkt hatte, dass sie nicht auf ein Gespräch aus war. Grace nickte. „Klingt gut.“ Dann schloss sie die Tür wieder und holte sich endlich ihren langersehnten Schlaf zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)