Fliegen von phean (Alles für die Freiheit) ================================================================================ Kapitel 9: Alptraum – früher und auch heute ------------------------------------------- Gähnend öffnete ich die Augen. Verwirrt sah ich mich um. Es war brühend heiß. Und die Decke ließ sich nicht zurückschlagen. Ich konnte mich noch gar nicht so stark bewegen, als das ich das hätte tun können. Noch verwirrter machte mich ein Schnarchen das plötzlich erklang. Vor Schreck zuckte ich zusammen und drehte meinen Kopf. Mein Herz hörte ich laut hämmern und dann sah ich auch den Grund. Der Grund war zwei Meter groß, hatte rote Haare und umklammerte mich wie ein Klammeraffe kurz vorm Ertrinken – der Käpt´n. Mein Käpt´n. Er war nicht gegangen, auch er war anscheinend eingeschlafen und lag nun noch hier. Genervt seufzte ich und versuchte mich aus dem Griff zu befreien, doch er packte mich nur fester. „Lass mich los“, entfuhr es mir. Grummelnd öffnete das rothaarige Etwas die Augen und starrte mich verschlafen an. „Was?“, warf er mir schon wieder vor, „lass mich schlafen.“ „Gut“, stimmte ich ihm zu, „dann schlaf ich auch weiter und halte heute nicht Wache.“ Sofort nahm er den Arm weg und entließ mich der Freiheit. „Arsch“, zischte ich leise und stand auf. „Was hast du gesagt?“, schrie er. „Ach nichts“, säuselte ich weiter und schnappte mir ein paar Klamotten. Ich drehte mich von ihm weg und zog mich in Windeseile um. Dann huschte ich blitzschnell aus dem Zimmer, da er schon wieder zu schnarchen begann – er hatte ja kein eigenes Bett oder so. Mein Bauch ließ mich aber auch schneller laufen, ich brauchte was zu Essen. Den Tag verschlafen und seit über 24 Stunden nichts mehr gegessen. Mein erster Weg führte mich demnach in die Kombüse, tatsächlich, Heat hatte einen Teller auf der Arbeitsfläche stehen lassen und ein kleiner Zettel lag daneben: Iss endlich was du kleiner Engel! Klein? Ich war mindestens 1,80. Grummelnd fand ich es aber süß von ihm. Er hatte an mich gedacht. Genüsslich biss ich in das Fladenbrot, es schmeckte nach einem Stück Fleisch, Salat, Tomate und einigen Kräutern – vermutlich war das eine Soße. Weiter kauend lief ich an Deck. Die Jungs saßen in einem Kreis zusammen und lachten plötzlich laut auf. „Hey“, grüßte ich sie. „Hi Liebes“, winkte mich Rock her und klopfte neben sich. Rock war ein großer Mann, hatte einen blonden Irokesenschnitt und trug meist Jeans, ein orangenes Shirt und eine blaue Jacke darüber. Sein Gesicht war mit zwei Strichen von seinen Haaren bis zu seinem Kinn bemalt. „Danke“, murmelte ich mit vollem Mund und setzte mich zwischen Heat und Rock. „Kein Ding.“ „Ist Engelchen ausgeschlafen?“, zog mich Killer auf – wahrscheinlich hatte er den Zettel gelesen – denn es klang etwas spöttisch. „Lass das“, knurrte ich und sah zu Heat – er hatte es süß gemeint und nun wurde er verspottet. „Was geht denn mit dir?“, lachte Wire. Ich antwortete nicht darauf, sondern aß weiter. Sollten sie doch reden. Das Brötchen schmeckte mehr als gut. Bald schon hatte ich es aufgegessen. „Was machst du eigentlich hier?“, fragte mich Heat dann. „Nachtwache“, mir fiel auf, dass ich das erste Mal so richtig bei ihnen saß und mit ihnen redete. Ganz normal. „Ach schon wieder?“ „Ja, aber ich könnte gerade so gut weiterschlafen“, gähnend legte ich meinen Kopf an seine Schulter. „Du musst nicht aufpassen“, grinste Rock. „Ich weiß, hier kommt niemand her.“ „Nein, ich sollte Wache halten“, korrigierte er mich. „WAS?“, ich drehte meinen Kopf mit einem Ruck zu ihm herum – es knackste. Schmerzend fasste ich mir an den Nacken und zog zischend die Luft ein. Innerlich kochte ich wieder. Der Arsch von Käpt´n hatte mir umsonst 3 Tage aufgebrummt. So ein Idiot. Dafür wird er jetzt aus dem Bett geschmissen. Wütend sprang ich auf. „Was ist los? Wo willst du hin?“, Killer schien verwirrt. „Ich muss Müll entsorgen“, knurrte ich. Eilig machte ich mich auf den Rückweg zu meinem Zimmer. Immer noch schnarchend fand ich ihn vor. So lief ich einmal um das Bett herum und stellte mich vor ihn. Ich schnaubte kurz und packte ihn dann an Schulter und Bein und zog. Ich musste viel Kraft aufwenden um ihn herumzudrehen. Leider konnte ich ihn nicht aufhalten, so flog er vom Bett, ich verlor mein Gleichgewicht und landete quer auf ihm. Schnell wollte ich aufstehen, doch ich wurde festgehalten. „Was soll das?“, erklang seine tiefe Stimme klar. „Ich muss gar nicht Wache halten“, hielt ich ihm vor. „Nun ja, vier Augen sehen besser als zwei.“ Er ließ mich immer noch nicht los, sondern zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. Also nahm ich mal wieder meinen Mut zusammen: „Sich alleine zu vergnügen während der Wache ist ja auch nicht das Wahre, geht zu zweit auch besser.“ Er packte mich fester am Oberarm und drehte mich mit einem Ruck unter sich. Wütend funkelte er mich an. „Sag das nochmal und ich lass dich nie mehr aus diesem Zimmer raus!“ Ängstlich starrte ich ihn an. Mein Mund war leicht geöffnet. Ein eiskalter Schauer jagte mir einer nach dem anderen den Rücken runter. Schweiß drang aus jeder meiner Poren. Ich dachte er schlägt mich gleich. Doch er starrte mich nur weiter finster an. „D-Da…“ „Ruhe!“, keifte er mich an, „das ist nicht witzig, du bist nicht zu ihrem Vergnügen hier. Du bist eine Piratin. Ihre Mitstreiterin. Nicht mehr. Nicht weniger. Deine Loyalität gilt allein mir, ein bisschen nur den Anderen – wir wollen ja nicht, dass du sie abstichst.“ „A-Ab…“ „Nein!!“, er hielt mir den Mund zu, „du bist jetzt still.“ Ich wusste schon, wieso ich ihn nicht mochte. Schaukelpferd! – wurde für mich immer mehr zu einer Beleidigung. Er jagte mir unheimliche Angst ein und machte mich gleichzeitig wütend. Aber ich gehorchte. Zu meiner Verwunderung stand er auf, ließ mich am Boden liegen und ging zur Tür. Er sperrte zu. Kam zurück, hob mich hoch und legte mich ins Bett. Immer noch verwirrt und ein bisschen verängstigt, beobachtete ich jede seiner Bewegungen. Ich hatte Angst, dass er wieder die Hand gegen mich erhob. Doch er legte sich lediglich neben mich, zog mich an sich und sagte keinen Ton. Vorsichtig hob ich meinen Kopf und sah zu seinem Kopf hoch. Er starrte finster die Decke an. In seinen Armen konnte ich mich nicht wirklich rühren, so hob ich unter größtem Kraftaufwand und mit größter Vorsicht den Kopf und rutschte zu ihm hoch. Ich lächelte ihn an und gab ihm einen Kuss auf die Wange, dann legte ich mich – damit er nicht auf böse Gedanken kam – wieder an seine Brust und schloss die Augen. Er tat nichts, zumindest spürte ich nichts, so schlief ich ein. Der Himmel war strahlend blau und lachend rannte ich über die Wiese vor unserem Haus. Meine beste Freundin rannte vor mir her. Ich erinnerte mich kaum an ihren Namen, noch an ihr Gesicht. Ich sah nur ihre blonden Haare im Wind wehen. Wir spielten Fangen, wie jeden Nachmittag, wenn es schön war. Bis die Sonne unterging oder unsere Eltern uns zurückriefen. Mit einem leisen Aufschrei überschlug sie sich glucksend und blieb lachend im Gras liegen. Kichernd stand ich neben ihr und ließ mich in das weiche Gras fallen. Völlig in Gedanken riss ich ein paar Halme ab und zupfte an ihnen herum. Dann ließ ich sie auf meine Freundin herabrieseln. Ein Schrei schreckte uns aus unserer kleinen heilen Welt. Erschrocken und verwirrt sprangen wir auf die Beine. Tiefe Stimmen erschallten. Aufgeregtes herumrennen der Dorfbewohner und höllisches Lachen. Die Frauen und Männer, Mädchen und Jungen wurden gepackt. Gefangen. Verschleppt. Sie warfen Schlingen nach ihnen, welche sich am Hals zuzogen. Wir wollten nach Hause, doch da hatten uns diese Männer gefasst. Sie zerrten uns weg. Unsere Eltern sahen wir nur in weiter Ferne, wie auch sie mitgeschleppt wurden. Wir wurden auf ein Schiff gebracht und dann sahen auch wir uns nicht mehr… Seit Tagen waren wir auf hoher See. Das Schiff schaukelte. Mir war schlecht. Keine frische Luft. Nichts Richtiges zu Essen. Wenig Wasser. Keinen richtigen Schlaf gehabt. Als wir nach einer Ewigkeit wieder Tageslicht sahen, blendete es und ich wäre wieder zurück. Doch wir waren mittlerweile mit Ketten aneinandergebunden. Die Insel war riesig. Meterhohe Bäume standen dicht an dicht. Aus dem Boden stiegen Blasen in die Höhe. Immer wieder hörte man ein „Plop“. Es kam von oben. Die Männer führten uns weiter über die Insel. Wir liefen über Brücken, an Häuser vorbei. Viele Menschen starrten uns an. Wie gern hätte ich mich abgewandt. Wäre für immer verschwunden. Meine Knie und Ellbogen waren von dem ständigen Sitzen und Liegen Wund gerieben. Sie hatten uns herumgescheucht uns zu Arbeiten auf ihrem Schiff gezwungen. Dabei hatte ich gesehen, dass es drei Schiffe gab. Meine Familie hatte ich auf einem der anderen vermutet… Die Männer brachten uns zu einem großen Haus. Wir liefen aber nicht vorn rein, wir gingen um das Haus herum und traten durch einen kleinen Seiteneingang ein. Riesige Gitter ragten vor uns empor. Dann schubsten sie uns hinein. Sperrten hinter uns zu. Die Männer feilschten und bekamen letztendlich einen dicken Sack – mit Berry vermutete ich. Traurig zog ich meine Beine an den Körper und so gut es mir möglich war, legte ich meine Arme herum. Ich weiß nicht lange wir dort saßen, doch bald schon wurden die Ersten mitgenommen. Ich hörte laute Stimmen. Rufe. Zahlen. Einen Hammer. Kurz darauf zerrten sie auch mich auf die Beine und schleiften mich mit. Grelles Licht blendete mich und ich war fast blind. Wieder hörte ich wildes Gemurmel und Rufe. Alles sprach durcheinander. Dann schlug der Hammer und ich wurde weitergezerrt. Ein Sack wurde getauscht und ein Mann nahm mich in Empfang. Er grinste breit und nahm mich mit… „Ich will nicht“, schrie ich. Seit ein paar Tagen lebte ich bei dem Mann. Er hatte mir sein Haus gezeigt und mir ein Zimmer zugewiesen, welches ich mit einem Jungen teilte. Er war etwas älter als ich. Er hatte mir gezeigt was ich zu tun hatte und hatte mir auch erklärt, dass ich eine Sklavin war. Nun hatte mich mein Herr in den Stall bringen lassen. Zwei seiner Männer hielten meine Arme fest und ich wurde zu einem Tisch gezerrt. Er war aus Stein und sie legten mich bäuchlings darüber – damit ich noch auf dem Boden stehen konnte. Sie zerrten mein Shirt nach oben. Währenddessen liefen mir unaufhörlich Tränen übers Gesicht. Der Junge hatte mir gesagt, was sie mit mir tun wollten. Jedoch konnte ich mich nicht dagegen wehren. Aus vor Schreck geweiteten Augen sah ich das glühende Eisen. Es war kreisrund und hatte einige Ornamente. Ein erstochener Vogel. Schnell presste ich die Augen zu. Dann spürte ich das Brandeisen auf meiner Haut. Sie drückten es hart auf meine Hüfte. Jegliche Kraft schwand aus meinem Körper. Der Schrei raubte sie mir. Die Männer ließen mich los und so blieb ich ohne eine Regung liegen. Mein Rücken brannte und nun fühlte es sich unnatürlich kühl an. Mit einem Schrei fuhr ich in die Höhe. Meine Augen waren aufgerissen und ich spürte den leichten Schweißfilm auf meiner Haut. Mein Körper zitterte und mein Herz raste. Mein Atem ging stockend und dann rührte sich etwas neben mir. „Alles in Ordnung?“, fragte mein Käpt´n verschlafen und griff nach mir. Immer noch zitternd rutschte ich ein Stück von ihm weg. Verwirrt setzte er sich auf und musterte mich. „Fass mich nicht an“, meine Stimme klang so, wie mein Körper sich anfühlte – sie zitterte. „Was ist denn los?“ „Nichts, mir geht’s gut, aber fass mich nicht an“, murmelte ich recht schnell. Mein Rücken schmerzte und die Narbe brannte. Es war, als wäre ich dort gewesen, als hätte er mir das Eisen ein zweites Mal an den Rücken gepresst. „Es war nur ein Traum“, redete er beruhigend weiter und streckte vorsichtig die Arme nach mir aus. Wieder rutschte ich etwas weg, „nein“, Tränen rollten mir über die Wange. „Sch… es war nur ein Traum und ich tu dir nicht weh“, vorsichtig legte er mir seine rechte Hand auf die Beine, die andere griff um mich herum und strich beruhigend über meine linke Schulter, „komm her.“ Er hatte Abstand zu mir gehalten, um mich nicht zu verängstigen. Immer noch aufgewühlt sah ich ihn an. Ich entspannte mich etwas und auch mein Körper verkrampfte sich nicht mehr so sehr. Das war ein Zeichen, dass er näher heranrutschte und mich in den Arm schloss. Beruhigend redete er auf mich ein und drückte meinen Kopf an seine Brust. Sein Herzschlag beruhigte mich und so schloss ich die Augen und fing mich wieder. Es war nur ein Traum. Seufzend schmunzelte ich. Roger sei Dank. Er drückte mich etwas von sich, küsste mich aber noch aufs Haar und sah mir dann in die Augen, „alles wieder in Ordnung?“ Ich nickte leicht. „Meine Narbe schmerzt etwas“, gestand ich noch. Sein Blick glitt an meiner Seite hinab. Dann sah er nach draußen. Es dämmerte und im Raum war es ziemlich dunkel. Schnell suchte er das Licht. Mit sanfter Gewalt drückte er mich auf das Bett und drehte mich auf den Bauch. Ich sträubte mich und protestierte. Er sollte sie nicht anfassen. Zu meiner Verwunderung merkte er es und nahm den Saum an meiner anderen Hüfte und zog von dort aus hoch. Damit er die Narbe nicht berührte. „Was ist denn das?“, hörte ich ihn. Er klang nicht normal. Er war misstrauisch und skeptisch. Etwas Ekel schwang mit und er klang erschrocken. „Was ist“, wimmerte ich schon fast. „Da sind ein paar kleine Bläschen – wie Brandblasen, aber die gibt’s wenn gleich danach. Deins ist eigentlich schon eine verheilte Narbe.“ Ich merkte einen Luftzug – er kam ihr näher – das spürte ich. „Nicht“, rief ich und wollte mich wegdrehen. Doch da berührte er sie schon. Ein Schmerz durchzuckte meinen Körper und ich biss die Zähne zusammen. Ein schmerzerfülltes Keuchen und ein kleiner Schrei fanden dennoch den Weg aus meinem Mund. „Tschuldige“, meinte er schnell, „warte hier und rühr dich nicht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)