Fliegen von phean (Alles für die Freiheit) ================================================================================ Kapitel 1: Angst – vor wem? --------------------------- Angst – vor wem? Schneller… Schneller… lauf doch schneller… trieb ich mich an, doch den Sturz konnte ich nicht so einfach weg stecken. Verdammte Teufelsfrucht! Fluchend rannte ich weiter. Von wegen mit einer Teufelsfrucht will ich fliehen. Wieso hast du mir so etwas erzählt? „Wo ist sie denn hin?“, hörte ich weit hinter mir die verärgerte Stimme meines Besitzers. Obwohl sie so weit weg klang, hielt ich nicht an. Ich kannte diese Insel nur von den Fenstern der großen Villa. Schneller… wieder trieb ich meine müden Füße an schneller zu laufen. Ich hatte mittlerweile das Dorf unterhalb der Villa erreicht. Wie ich hier weg kam, hatte ich mir noch nicht überlegt. Hauptsache weg von dem Anwesen! „Ah“, entfloh mir ein erstickter Laut. Ich war gegen etwas gerannt. Verdammt! Ein leises Knurren ließ meine Augen weiten. Verbissen starrte ich auf den Boden. Der Aufprall hatte mich taumeln lassen und ich war nach hinten gefallen. Zitternd stützte ich meine Hände am Boden ab. Erschöpft zog ich die Luft tief ein. Doch mein Herz wollte sich einfach nicht beruhigen. Vorsichtig wanderte mein Blick an den Boden geheftet nach vorn. Das war ein Mann, stellte ich überrascht fest. Stück für Stück sah ich höher. Er stand etwas breitbeinig vor mir, seine Hose hatte unten rote Fransen und war schwarz mit gelben Flecken. Als Gürtel diente ihm ein blaues Tuch. Sein Oberkörper war frei, wurde lediglich von einem Mantel verhüllt. Vor seiner Brust hatte er noch einen Dolch und einen Revolver in einer Halterung befestigt. Ängstlich schnappte ich nach Luft, als ich sein grimmiges Gesicht sah und rutschte ein Stück nach hinten. Seine Augen waren zusammengekniffen und seine Lippen bildeten eine dunkle Linie. Seine roten Haare wurden von einer Fliegerbrille nach oben gehalten, so schien es mir. Da hörte ich wieder meinen Herrn. Erschrocken drehte ich mich um, mein Puls raste. Ich konnte nur erahnen, dass sie ebenfalls das Dorf erreicht hatten. Ungeschickt stand ich auf und wollte an dem Mann vor mir vorbei. Doch wie durch einen stummen Befehl stand nun ein Maskierter vor mir. Erschrocken blieb ich stehen und schnappte nach Luft. „Wo steckst du, du kleines Miststück?“, schrie mein Herr wieder. Wieder beschleunigte sich mein Herz. Eilig wollte ich an ihm vorbei, doch er streckte seinen rechten Arm aus und hielt mich so auf. „Da vorn ist sie Vater“, hörte ich die eingebildete Tochter, „sie entkommt.“ „Keine Sorge, das passiert nicht.“ Kurz darauf vernahm ich einen Knall und schon sackte ich nach vorn und klammerte mich an den Arm. Stumme Tränen suchten sich einen Weg über meine Wangen. Vorsichtig wanderte meine linke Hand zu meinem Bein, doch es schmerzte. Verschwommen erkannte ich, dass es nur ein Streifschuss war. „Du hast getroffen“, jubelte die schrille Stimme. „Ja und jetzt kann sie was erleben – für ihren Ungehorsam!“ Zitternd wollte ich den Arm wegstoßen, wurde bei dem Versuch aber fester gepackt und umgedreht. Ein warmer Körper drückte sich an mich, sodass ich sah, wie sie näher kamen. Die Maske machte ich links von mir aus, er sah nach vorn und hielt mich fest, so konnte ich nicht einmal meine Arme bewegen. Der Mann den ich übersehen hatte, stand links vor mir. Leise schluchzend sah ich meinen Herrn näher treten. Verzweifelt versuchte ich mich frei zu kämpfen – doch es half nichts. „Du kleines Miststück, was fällt dir ein, einfach abzuhauen?“, bedrohlich veränderte sich alles an ihm, „könnte ich sie wieder haben?“, fragte er den Rothaarigen vor mir. Bei der Frage fing mein Körper noch stärker das Zittern an. Alles nur das nicht! Wobei mir auch diese Menschen Angst machten. Aus den Augenwinkeln betrachtete der Angesprochene mich misstrauisch. „Ich habe noch etwas mit ihr zu klären“, antwortete er kalt. „Sie hat nichts zu klären, sie gehört uns!“, ließ die Schreckschraube von Tochter von sich. Mein Körper spannte sich an. Bloß nicht! Der angsteinflößende Mann drehte sich zu mir und grinste finster. Erschrocken sah ich ihm mit offenem Mund in die Augen. Ich wollte schreien, doch es kam nichts raus. Kein Ton. Meine Augen weiteten sich, als er auf mich zu trat. Ich konnte nicht weg. Der Maskierte hielt mich immer noch fest. Langsam – wie in Zeitlupe – beugte er sich zu mir. Sein Gesicht war meinem so nah. Unsere Wangen berührten sich fast und sein Atem kitzelte an meinem Ohr. „Vor wem hast du mehr Angst? Vor ihm? Oder vor uns?“, flüsterte er mir leise zu. Nun entfloh mir doch ein erstickter Schrei. Er ging wieder etwas von mir weg und sah mir tief in die Augen. Mein Blick wanderte zu meinem Herrn – welcher die Arme verschränkte. Dann wieder der Mann, welcher mich skeptisch musterte. Mein Herr knurrte. Panisch schnappte ich nach Luft, sah ihn an und wollte mich befreien, doch der Maskierte hielt immer noch meine Arme fest. „Das ist doch mal eine Antwort“, grinste er und wandte sich wieder um, „das wird lustig.“ „Was?“, selbst mein Herr sah ängstlich aus. Aber auch ich verstand nicht. Der Rothaarige hob seine Arme und schon flog ihm die Pistole aus der Hand. Seine Tochter kreischte kurz auf und schon legte sich eine Hand über meine Augen. Ich hörte einen Schuss und der seltsame Mann lachte hysterisch. Die Tochter schrie. Der Maskierte legte seine Wange an meine – ich fühlte das kühle Material. Es war angenehm an meinem erhitzten Gesicht und beruhigte etwas meinen Puls und meinen Atem. Zudem hörte ich leise eine Stimme an meinem Ohr. Mein Körper entspannte sich und so wurde auch der Griff – der übrig gebliebenen Hand – lockerer. Tief atmete ich ein und aus, wie es mir die Stimme sagte. „Lass den Scheiß, Killer!“, ertönte die gruselige Stimme des Mannes, „sie ist ein Weib, so etwas muss sie aushalten.“ Ich vernahm ein leises Grummeln, dann entfernte sich die Hand langsam von meinen Augen. Ich blinzelte ein paar Mal, ehe ich den Rothaarigen vor mir erkannte. Meinen Herrn hörte ich nicht. Der Typ sah komisch zu mir. Mein Puls beschleunigte sich wieder. Langsam glitt mein Blick an ihm vorbei. Mit Entsetzen stellte ich fest, dass keines der Häuser mehr stand. Ich schnappte nach Luft, als ich die Tochter sah. Blutüberströmt. Und tot. Ich war über mich selbst erstaunt – ich fühlte keinerlei Bedauern. Die Hand löste sich von mir und ich fand mich plötzlich am Boden wieder. Ich war wohl doch nicht so gefasst gewesen wie ich dachte, meine Beine fühlten sich total weich an. „Kommt, gehen wir, hier gibt es nichts mehr zu holen“, der Rothaarige ging an mir vorbei. „Was machen wir mit ihr?“, fragte der Maskierte. „Nehmt sie mit, sie ist in mich reingelaufen.“ Verwirrt sah ich die Männer an, sie wollten mich mitnehmen? Fassungslos weiteten sich meine Augen, als mich der Maskierte hochzog und hinter sich her zerrte. Das ganze Dorf war zerstört und über die Trümmer davon liefen sie ungerührt hinweg. Wie konnten sie so einfach damit umgehen? Ich hatte zwar auch keine große Bindung damit, doch hier lebten Menschen. Gedankenverloren sah ich auf die Insel zurück, welche ich bisher mein Zuhause hatte nennen können – mehr oder weniger. Ich war nicht so weit, dass ich darum weinte, doch irgendwie war es seltsam. Ich hatte schließlich nicht vorgehabt diese Insel auf einem Piratenschiff zu verlassen. „So“, hörte ich die bedrohliche Stimme neben mir, „du bist in mich reingerannt.“ Ängstlich wich ich vor ihm zurück und sah ihm zittern in die Augen. Reflexartig hob ich meine Hände und faltete sie. „Kid, lass sie doch, sie ist ja völlig verängstigt“, der Maskierte trat neben mich. „Killer, auf mich sind keine 200 Millionen Berry ausgesetzt, weil ich zu allen Leuten nett bin und den Kindern Süßigkeiten schenke. Ich hoffe das ist dir klar.“ „Das hab ich auch nicht behauptet, aber das Mädchen ist doch völlig aufgelöst.“ Der Rothaarige grummelte und sah mich finster an, dann seinen Mitstreiter. „Na gut, aber sie bleibt vorerst an Bord“, damit wandte er sich von mir ab. „Komm mit“, er legte einen Arm um meine Schultern. Er führte mich in das Innere des Schiffes vorbei an vielen geschlossenen Türen. Dann blieb er vor einer dunkelgrünen stehen und öffnete sie. „Du kannst hier schlafen und dich jetzt erst einmal ausruhen. Käpt´n Kid wird sich morgen mit dir unterhalten – für heute hast du deine Ruhe“, er hatte mich in das Zimmer begleitet, „ich bring dir später noch was zum Essen vorbei.“ Ich hatte die Arme um meinen Körper geschlungen um das Zittern zu verstecken. „Danke“, murmelte ich leise. Es war überraschend, denn ich hatte gedacht, dass meine Stimme komplett versagt hätte. Doch sie klang ziemlich ruhig. Überrascht sah er mich an, dann bekam er seine Stimme wieder, „kein Problem.“ Damit verschwand er und ließ mich allein zurück. Immer noch etwas zurückhaltend blickte ich mich in dem Zimmer um. Es war nicht groß, ein Bett stand an der rechten Wand und gegenüber ein Schrank, welcher mir überdimensional vorkam. Jedoch viel kleiner als die Schränke in der Villa meines Herrn. Gegenüber der Tür stand ein Schreibtisch und ein Fenster, an der Deckte leuchtete eine gedämpfte Lampe. Auf allem lag eine dünne Staubschicht – es wurde wohl seit längerem nicht mehr genutzt. Und jetzt war ich hier. Aber ich war allein und weg von der Insel. Ich konnte es nicht fassen, sodass ich auf die Knie sank und meine Hände ans Gesicht hob. Tränen liefen meine Wangen entlang, sofort versteckte ich mein Gesicht in den Händen. Leise wurde die Tür geöffnet und jemand trat ein. Ich saß zwischen Bett und Schreibtisch in der Ecke. Die Knie hatte ich an meine Brust gezogen und meinen Kopf darauf gelegt. Meine rosa, glatten, langen Haare hatten sich wie ein Wasserfall über mein Gesicht und meine Beine gelegt. Meine Arme hatte ich darum geschlungen. Im Halbschlaf merkte ich, dass jemand näher trat. Leise wurde etwas vor mich gestellt und derjenige setzte sich zu mir. „Komm, iss etwas“, hörte ich die Stimme des Maskierten, ich glaube der Rothaarige hatte ihn Killer genannt. Langsam hob ich meinen Kopf und betrachtete die Schüssel voll Eintopf. „Da ist kein Gift drin“, lächelte er amüsiert. Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Eilig schnappte ich mir die Schüssel, da ich wirklich Hunger hatte. Kaum hatte ich mir den ersten Löffel voll in den Mund gesteckt, knurrte mein Bauch. Killer konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Verlegen senkte ich meinen Kopf wieder. „Keine Sorge, iss ruhig so viel du willst und später kannst du noch duschen gehen, wenn du willst.“ Ich schüttelte den Kopf und aß stumm weiter. „Gut, dann lass ich dich bis morgen in Ruhe, die brauchst du wahrscheinlich auch, denn keiner weiß, wie Kid morgen sein wird.“ Aufmerksam beäugte ich seine Bewegungen bis er zur Tür hinausgegangen war. Kapitel 2: Predigten – Gut oder Schlecht? ----------------------------------------- Predigten – Gut oder Schlecht? Verschlafen streckte ich mich und wartete auf das übliche Knacksen meiner Gelenke. Ohne eine Miene zu verziehen starrte ich an die Decke. Ich war weg. Die Insel würde ich nie wieder sehen. Endlich weg! Auch mein Herr war Vergangenheit. Leise kichernd schloss ich meine Augen. Dann kam das Andere… Erschrocken setzte ich mich auf. Ich war immer noch auf einem Piratenschiff. Und der Typ war mir mehr als unheimlich. Ach und wenn schon, dann sterbe ich halt, doch wenigstens nicht durch die Unterdrückung meines Herrn. Seufzend warf ich die Bettdecke beiseite und streckte meine Füße rechts am Bett raus. Leichtfüßig stand ich auf und ging zu meinen verdreckten Sachen. Vorsichtig hob ich mein schwarzes Kleid auf und sah dann an mir herunter. Mein Körper war auch verschmutzt. BH und Slip konnte man nur bei genauerem Hinsehen erkennen. Egal, ich wollte hier nicht duschen. Nicht auf diesem Schiff! Ein Klopfen an der Tür holte mich aus meinen Gedanken heraus. „Gleich“, rief ich und schlüpfte eilig in mein Kleid, doch anscheinend war es zu leise gewesen, denn der Maskierte stand schon im Raum, als ich noch das Kleidungsstück zurecht zupfte. „Tut mir Leid“, er versuchte verlegen zu klingen, doch das glaubte ich ihm nicht wirklich. Skeptisch hob ich eine Augenbraue und musterte ihn von oben bis unten. Er trug die gleichen Sachen wie gestern und zusätzlich noch ein Tablett. „Ich hab dir Frühstück mitgebracht“, meinte er und stellte es auf dem Bett ab. Ich wusste nichts zu sagen, da ich auch ein wenig eingeschüchtert war, doch meine Stimme holte ich schon wieder in die Realität zurück. „Bist du der Laufbursche der Mannschaft?“, ich klang nicht so sicher, ich zitterte und es war doch unterwürfig. „Nein“, lachte er amüsiert, „ich bin der Vize hier. Los setz dich, dein Kakao wird kalt.“ „Aber wieso kümmerst du dich dann um mich?“ „Käpt´n Kid hätte dich schon längst über Bord geworfen und die Anderen hätten sonst was mit dir gemacht. Ich kann es nur nicht mit ansehen, wenn Leute fertig gemacht werden, die sowieso schon am Ende sind. Ich will mich zwar nicht in deine Vergangenheit einmischen und es geht mich zwar auch nichts an, aber du solltest dich ausruhen, bevor du dir das anhören musst.“ Verwirrt legte ich den Kopf schief. Was redete er denn da für einen Schwachsinn? „Ich brauch das alles gar nicht“, murmelte ich und sah auf das Tablett. „Egal, jetzt komm“, er setzte sich aufs Bett und klopfte neben sich. Ich setzte mich hin und nun befand sich das Tablett zwischen uns. So etwas passte nicht zu mir, das war viel zu viel für mich. Früher hatte ich zwei Scheiben Brot mit Marmelade und – wenn es gut lief – ein Glas Saft, sonst Wasser. „Los iss“, befahl er. Sofort gehorchte ich und nahm reflexartig die Scheibe Brot mit Marmelade darauf. Ich biss hinein und kaute es schnell, ehe ich es runterschluckte. „Was ist denn nun los?“, er lachte amüsiert, „das war nur ein Spaß.“ Ruckartig hielt ich inne: „Wie?“ „Na los, es wird kalt“, er lachte immer noch. Die Maske störte, so konnte ich sein Gesicht nicht sehen. Es fiel einem verdammt schwer jemanden zu beurteilen ohne dessen Gesicht zu sehen. Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen und nahm die Tasse mit Kakao in die Hand. Zischend zog ich die Luft ein. Die Tasse war verdammt heiß. So stellte ich sie wieder ab und blies in meine Hände. Während ich versuchte meine Hände wieder auf Normaltemperatur zu bringen, lachte sich mein Gegenüber schlapp. Als alles wieder passte versuchte ich es erneut und vorsichtiger. Bevor ich einen Schluck nahm, blies ich auch noch etwas den Kakao kalt und trank. „Tut mir Leid“, warf er in den Raum, als ich die Tasse wieder absetzte. Aus lauter Trotz antwortete ich ihm nicht. „Wie heißt du eigentlich?“ Nun sah ich auf. Sein Tonfall hatte sich etwas verändert. „Surebi“, murmelte ich Kleinlaut. „Ich bin Killer.“ „Das ist doch kein Name“, platzte es aus mir heraus. Schnell schnappte ich nach Luft und hielt mir die Hand davor. Erschrocken sah ich ihn aus großen Augen an. „Tut mir Leid“, sagte ich schnell und ging auf dem Boden in die Knie. „Ganz ruhig“, er half mir hoch und setzte mich wieder mit aufs Bett. Mein Puls wollte sich trotz aller gesagten Worte nicht beruhigen. Die Angst hatte mich übermannt. Solch ein loses Mundwerk war nicht gut. Das passte nicht zu mir. Aber es war mir einfach so herausgerutscht. „Iss noch auf und dann gehst du noch duschen und dann gehen wir hoch.“ Nun schüttelte ich nur noch den Kopf. Ich traute mich fast schon gar nicht mehr, den Mund aufzumachen. „Du willst nicht duschen?“ Wieder schüttelte ich den Kopf. Ich nahm mir nochmal mein Brot und biss hinein. Genüsslich kaute ich und aß eilig den Rest. Auf dem Tablett war noch eine Schüssel mit einem Brei. Ich vermutete, dass es Grießbrei oder so etwas war. Vorsichtig und misstrauisch nahm ich den Löffel und stocherte in der Schüssel herum. Immer noch etwas skeptisch nahm ich einen Löffel voll in den Mund. Schmeckte gar nicht so schlecht. Für Piraten. Aber schon nach dem fünften Löffel merkte ich, dass ich satt war. „Schon fertig?“ Ich nickte. „Hättest zwar auch mehr essen können, aber gut“, er lächelte – meine ich zumindest – und fuhr dann fort, „dann komm. Gehen wir hoch.“ Er nahm das Tablett wieder an sich und stand auf. Zögerlich folgte ich ihm zur Tür und den gleichen Weg zurück wie am Vortag. Kurz darauf fand ich mich an Deck wieder. Auf dem Weg nach oben hatte Killer noch schnell das Tablett in die Kombüse geschafft. Etwas zurückhaltend sah ich mich um. Es sah hier so befremdlich aus. Das Schiff war dunkel gehalten, wie ich es mir gar nicht anders hätte vorstellen können. „Ach, da ist ja unser lieber Gast“, bedrohlich kam der Rothaarige auf mich zugeschritten. Ängstlich wich ich einen Schritt zurück. Killer legte einen Arm um mich und redete beruhigend auf mich ein. „Killer jetzt lass den Quatsch, los verschwinde, ich will mit ihr allein reden“, scheuchte er seinen Mitstreiter davon. Fast schon flehend sah ich dem Blonden nach. Er war der Einzige auf diesem Schiff gewesen der nett zu mir war. „So meine Liebe. Du bist gestern in mich rein gerannt. Niemand rennt ungestraft in mich hinein“, sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Eigentlich war es ganz schön, mal einen Menschen zu sehen, dessen Gesicht man erkennen konnte. „Normal hätte ich dich gleich umgebracht, doch irgendetwas war da, was mich davon abgehalten hat. Dieser Mann hat dich gejagt und er war widerlich. Daher wahrscheinlich. Auf jeden Fall hab ich beschlossen, dass du hier bleibst, ob du willst oder nicht, das ist mir total Schnuppe. Du musst deine Schuld abarbeiten, auch wenn du lediglich in mich hineingerannt bist. Aber ich kann das nicht ausstehen. Du hast ja bereits ein Zimmer, mach es sauber, wenn du willst, das ist mir egal und du wirst auch andere Dinge erledigen. Aber sollte es irgendwelche Probleme geben, wirst du mich kennen lernen“, drohend hob er einen Finger, seine Augen verengten sich und seine Lippen waren nur noch eine dunkle Linie. Ich schluckte schwer, aber nickte zustimmend. Vielleicht war mein Überlebenswille doch nicht ganz gestorben, wie ich eigentlich gedacht hatte. Und durch die Worte von Killer hatte ich eigentlich mit schlimmeren gerechnet, doch so gemein, kam mir der Käpt´n nun gar nicht vor. Er schien recht nett zu sein – wenn man das so behaupten konnte. „Wie heißt du eigentlich?“, er lehnte sich etwas zurück und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Surebi“, murmelte ich. „Oh, du kannst sprechen“, es klang sarkastisch, „gut, dann kannst du aber auch in einem Satz reden und vor allem höflich. ICH bin hier der Käpt´n und ich verlange Respekt von dir! ICH will Piratenkönig werden und somit brauch ich den Respekt und die Loyalität von den Männern hier an Bord… und deinen!“, bei seinen letzten Worten sah er herablassend auf mich hinab. „Ich heiße Surebi, mein Herr“, ich senkte den Kopf und deutete somit eine Verbeugung an. „Herr? Hahaha“, lachend kamen die anderen Mitstreiter der Mannschaft zu uns. „HÖRT AUF DAMIT“, schrie ihr Käpt´n. Sofort verstummten alle und stellten sich gerade hin. „Gut, Surebi reist ab heut mit uns, sie wird einige Arbeiten auf dem Schiff erledigen“, erklärte er kurz und knapp, „jetzt kannst du sie wieder haben Killer, zeig ihr alles. Aber rühr sie nicht an!“ Anrühren? Ich schluckte schwer, was meinte er damit? „Komm mit Surebi“, Killer legte einen Arm um mich, er stellte mir nicht die anderen Mitglieder vor, er führte mich wieder unter Deck. Nun liefen wir nicht den Gang einfach zu meinem Zimmer durch, nun zeigte er mir jedes Zimmer. Die Kombüse war ordentlich und recht aufgeräumt, von dort führte eine Wendeltreppe nach oben – vermutlich in ein Esszimmer, wenn man das auf einem Schiff so bezeichnen konnte. Ich kannte mich leider zu wenig mit Schiffen aus. Ich habe sie immer nur von einer Kajüte aus gesehen, in der ich eingesperrt gewesen war. In dem Esszimmer standen zwei Tische, wobei einer schon für die Mannschaft hier ausreichen würde. Denn wie ich schon mitbekommen hatte, bestand die Crew aus sechs Personen, was doch recht klein war, dafür war das Schiff umso größer. Danach zeigte er mir eine kleine Bibliothek. Was mich ziemlich erstaunte, sie kamen mir nicht so vor, als würden sie viel lesen, doch wahrscheinlich befanden sich hier auch die Karten und andere wichtige Unterlagen. Daraufhin kamen noch das Bad und noch der Lagerraum. Mehr musste ich seiner Meinung nach nicht kennen. Die Kajüten gingen mich schließlich nichts an, außer ich müsste sie putzen. Das sagte er mir mit vorgehaltener Hand. Ich hatte zum Glück keinerlei Probleme mir die Wege zu merken, da ich nichts anderes gewohnt war. „So, jetzt kennst du soweit alles, heut wirst du denk ich nichts mehr machen müssen, also kannst du dich ausruhen, ich bring dich noch zurück auf dein Zimmer“, meinte Killer zuvorkommend. Somit brachte er mich zurück in den verstaubten Raum, der von nun an … mein Zuhause war… stellte ich ernüchternd fest. Als wir zwei wieder im Raum standen, wollte er eigentlich gleich wieder gehen. Schnell packte ich ihn am Arm. „Wo find ich Eimer und Lappen? Ich würd hier gern… etwas aufräumen“, meine Stimme war immer noch leise und unsicher. „Komm, ich zeig dir alles“, ich glaubte wieder, dass er lächelte. Kapitel 3: Wasser – Zum Putzen und zum Duschen ---------------------------------------------- Wasser – Zum Putzen und zum Duschen „Los, raus aus den Federn!“ Unsanft fiel ich aus dem Bett und fand mich verheddert in meiner Bettdecke wieder. Mit einem leisen Grummeln suchte ich mir einen Weg in die Freiheit und starrte in das freche Grinsen des Rothaarigen. Kaum hatte ich mich aber aus der Zudecke befreit, schlang ich sie mir gleich wieder um den Körper. Schnell schielte ich zu meinem schwarzen Kleid, welches zusammengeknüllt vor dem Schreibtisch lag. „Genierst du dich?“, lachte Kid, „na los, auf, du kannst dich nützlich machen“, kurzerhand nahm er sich die Decke und zog sie mir weg. Ich schnappte nach Luft und hielt mir überflüssigerweise die Hände vor den Körper. „Mach dich nicht lächerlich, ich hab schon viel attraktiveres gesehen, als dich“, er ging zu dem Tisch und nahm das Stück Stoff in die Hand und warf es mir zu, „und jetzt zieh dich an!“ Seufzend suchte ich oben und unten und schlüpfte dann in das schmutzige Kleid. Ich sollte es eigentlich waschen, aber es war mir unangenehm und vor allem, hatte ich dann nichts mehr zum Anziehen. Etwas mühsam stand ich auf und fuhr mir durch die Haare, sodass sie über meine Schultern fielen. Mit einem schnellen Handgriff band ich sie zusammen und formte einen Dutt. Dann erst sah ich dem roten Teufel wieder in die Augen. „Komm mit“, damit drehte er sich um und führte mich zur Kombüse. Während es hier gestern noch recht ordentlich ausgesehen hatte, hatte hier wohl in der Zwischenzeit ein Krieg getobt. Jemand hatte ein Schlachtfeld hinterlassen. „Machs sauber“, waren seine einzigen Worte, dann ließ er mich allein. Schweinehund, ging es mir verärgert durch den Kopf. Ich hatte fliehen wollen, um mich vor so etwas zu drücken und so etwas nicht mehr tun zu müssen. Ich wollte doch nur meine Freiheit und nicht mehr so behandelt werden. Jedoch machte der Kerl mir Angst und ich wollte nicht heute noch im Bauch eines Seeungeheuers landen. Seufzend sah ich mich um, der Boden war überschwemmt, die Wände waren vollgespritzt mit etwas klebrigen. Angewidert rieb ich meine Finger aneinander, ich werde nie wieder diese Wand mit bloßer Hand anfassen. Töpfe lagen auch überall herum und teilweise war das Essen angebrannt. Aus dem Kühlschrank tropfte es heraus und das Spülbecken war – soweit ich das erkennen konnte – verstopft. Die zwei Bullaugen von gestern fand ich heute nicht mehr und die Wendeltreppe sollte man auch nicht unbedingt benutzen. Wieso waren Männer nur immer so erpicht darauf, auf See zu fahren, wenn sie doch so ein Chaos verursachten. Seufzend trat ich an die Töpfe heran, es blieb mir wohl nichts anderes übrig. Schnell hatte ich etwas Wasser in jeden gefüllt und mit etwas Spülmittel abgeschmeckt. Das durfte nun erst einmal etwas einweichen. Ich stellte die Töpfe in die Mitte des Raumes, sodass ich rundherum Platz hatte. Nun bräuchte ich nur etwas zum Wischen. Da war es ein glücklicher Zufall, dass mein erster Versuch ein Treffer war. Aus dem Schrank unter der Spüle holte ich einen Eimer, einen Lappen und etwas, was sich als Putzmittel identifizieren ließ, heraus. Ich rührte eine schön schäumende Brühe an und wandte mich der Treppe zu. Von oben nach unten, kamen mir seine Worte in den Sinn. So schrubbte ich die Stufen – eine nach der anderen – und war damit zügig fertig. Dabei konnte ich einen Blick auf das obere Stockwerk werfen. Dort war es sauber, doch mit ein paar Soßenspritzern verschönert. Sie hatten hier wirklich einen Blick fürs Detail. Erneut seufzend wechselte ich das Wasser in meinem Eimer. Das Alte hatte einen schönen orangenen Farbton angenommen. Als nächstes musste ich den Abfluss machen, sonst bekäme ich noch Probleme. Ohne große Umschweife streckte ich meinen Arm ins Wasser und suchte den Abfluss. Tatsächlich steckte etwas darin. Wahrscheinlich wollte die Mannschaft alles Essen daraus entsorgen. Ich packte das schlammige Etwas und zog daran, sofort floss das Wasser ab und zeigte die volle verdreckte Schönheit des Beckens. In der Hand hielt ich immer noch einen Brocken matschiger Nudeln mit Soße, was auch an den Wänden zu finden war. Das war mein nächstes Angriffsziel. Ich musterte kurz die verschmutzte Arbeitsfläche, zuckte mit den Schultern und kletterte leichtfüßig darauf. Nur nebenbei nahm ich das schmatzende Geräusch unter meinen Beinen wahr. Ich tauchte den Lappen in das Wasser und wrang ihn aus, ehe ich mich der Wand zuwandte. Mühsam versuchte ich Soße, Nudeln, Fleischbällchen und andere merkwürdige Sachen von ihr zu lösen. Während die Soße nach wenigen Zügen verschwunden war, wollten die Nudeln und das zerstückelte Fleisch nicht gehen. Grummelnd stieg ich von der Platte runter und schaute noch einmal in das Fach mit den Putzsachen. Nachdem alles halb draußen lag, fand ich eine Bürste. Schnell kniete ich wieder oben und nach einer halben Ewigkeit verabschiedeten sich auch die restlichen Verzierungen. Als ich mit der Wand fertig war, kümmerte ich mich um die anderen drei. Dadurch, dass ich die Bürste nun hatte, ging es zügiger und ich hatte die Wände nach kurzer Zeit sauber. Wieder tauschte ich das Wasser aus. Ich wischte noch kurz über meine Beine und begutachtete dann die Flächen. Die mussten als nächstes dran glauben. Da jedoch alles ziemlich flüssig war, war alles schnell sauber. Ich wische noch schnell die Schranktüren ab und drehte mich dann zu den Töpfen um. Mit einem stöhnen hievte ich den ersten in die Spüle. „Wow, nicht schlecht“, staunte Killer. Erschrocken drehte ich mich herum und senkte sofort den Kopf. „Es glänzt alles wieder. So während ich dann Heat davon abhalte wieder zu kochen, gehst du duschen, komm mit.“ Ich begutachtete noch einmal mein Werk und roch dann unauffällig an meinen Haaren. Sie rochen nach Spülmittel und Essen – eklig. Stumm folgte ich dem Blonden. Er führte mich mal wieder den Gang entlang, vorbei an meinem Zimmer und vorbei an einigen anderen Türen. Bis er schließlich vor einer blauen stehen blieb. „Leider kann man sie nicht wirklich verschließen, aber es wird dich auch niemand stören, alle sind beschäftigt genug“, ein amüsiertes Lachen entglitt seinen Lippen, „wenn du fertig bist, geh zurück zu deinem Zimmer, dann bring ich dir was zum Essen.“ Er ging wieder davon und ich verschloss die Tür hinter mir. Tatsächlich die Tür wackelte ziemlich, trotz Schloss. Scheint so, als hätte sie schon öfters jemand gewaltsam geöffnet. Ich wollte mir gar nicht ausmalen weswegen. Schnell schüttelte ich den Kopf. Ich begutachtete das Waschbecken links neben mir und die Dusche direkt hinter der Tür – rechts von mir. Eine Badewanne war auch noch in dem kleinen Raum. Die Toilette befand sich hinter einer kleinen Trennwand, welche mit Fließen verkleidet war. Unter einem kleinen Fenster stand ein Hüfthoher Schrank aus massivem Holz. Aus einem Schrank neben dem Waschbecken holte ich ein Handtuch hervor. Als ich vor dem Becken stand, sah ich unwillkürlich in den Spiegel. Meine Augen waren gerötet und meine Haare hingen schlaff herab. Mit einem unsicheren Blick zu der Tür zog ich zitternd mein Kleid aus und warf es in das Waschbecken. Sofort ließ ich Wasser darüber laufen und wusch es bis der ganze Schmutz weg war. Ich fand in dem Rauch auch Waschmittel, was ich sofort dazu tat. Schon bald roch mein Kleid nach einem frischen Tannennadel-Duft – seltsamer Geschmack. Das Kleid hängte ich über die Trennwand und zog daraufhin gleich meine Unterwäsche aus, welche ebenfalls gewaschen wurde. Während alles zum Trocknen über der Trennwand hing, ging ich in die Dusche und wusch den Staub von mir ab. Der Essensgeruch verschwand mit dem herrlich duftenden Shampoo. Es roch frisch, den Duft an sich konnte ich jedoch nicht zuordnen. Aber viel besser als mein Herr, dieser hatte sich immer einparfümiert, bis die Flasche leer war. Dampfende Luft drang in den Raum, als ich aus der Dusche ging. Sofort wickelte ich mich in das Handtuch ein, welches alle wichtigen Stellen bedeckte. Wieder stellte ich mich vor das Waschbecken und wischte über den beschlagenen Spiegel. Nun sah ich besser aus. Ich brachte sogar ein Lächeln zustande. Jetzt musste ich nur in mein Zimmer kommen, ohne entdeckt zu werden, denn mein Kleid war noch nicht trocken. Doch seltsamer Weise meine Unterwäsche schon. Ich trocknete mich ab und zog sogleich meine Unterwäsche an. „Nicht Käpt´n!“, rief jemand auf dem Gang. „Wieso sollte ich nicht in das Bad dürfen?“, schrie Kid zurück. Erschrocken schnappte ich nach Luft und sprang zu meinem Handtuch, doch da war schon die Tür offen. Mit einem lauten Knall krachte sie gegen die Duschwand und wäre beinahe wieder zu geschlagen. Meine Augen weiteten sich, während ich mich herum drehte und bereits dieses unheimliche Glitzern in seinen Augen sah. Langsam kam er herein und schloss die Tür hinter sich, bevor er seine Arme verschränkte und ein tiefes Lachen seiner Kehle entsprang. „Na wenn das nicht ein glücklicher Zufall ist“, grinste er breit, „da lässt man doch glatt eine Sklavin die Arbeit eines Hausmädchens erledigen – wie praktisch.“ Auch wenn es nichts mehr brachte, verdeckte ich das Brandmal auf meinem Rücken. Es war auf Hüfthöhe und hatte in etwa den Durchmesser einer Teetasse. Wie ich es hasste, da es alles symbolisierte was ich verabscheute und zu vergessen versuchte. Es stellte einen toten Vogel dar, in dem ein Messer steckte – mein Meister hatte einen wirklich lebhaften Sinn dafür, andere Menschen unter sich zu halten. Während er auf mich zukam, trat ich Schritt für Schritt zurück, ehe ich an den Schrank unter dem Fenster stieß. Sein Grinsen wurde noch breiter, als er meine ausweglose Situation erkannte. „Eine Sklavin muss man nutzen“, grinste er frech. Ich schluckte schwer und klammerte mich an den Schrank. Am liebsten hätte ich mich durch das kleine Fenster gezwängt und wäre davon gelaufen, doch da war Wasser. Und das war keine gute Idee. „Ach Liebes, du kannst hier nicht weg, außer du willst schwimmen gehen“, säuselte er, dabei stützte er seine Hände links und rechts von mir ab. Er lehnte sich weiter vor. Ich lehnte mich weiter zurück. „Kannst du schwimmen?“, wisperte er. Schwer schluckend schüttelte ich den Kopf. „Fabelhaft“, lachte er auf. Wie in Zeitlupe legte er seine rechte Hand auf meinen Oberschenkel und seine Linke auf meine Schulter. Mein Körper zitterte unter seinen Händen, da sie unerwartet warm waren. Mein Atem ging schneller und mein Herzschlag beschleunigte sich ebenso. Seine linke Hand fuhr durch mein feuchtes Haar und nahm mir dann das Handtuch von meinem Körper. In einem weiten Bogen landete es auf dem Boden. Seine rechte Hand wanderte langsam an meinem Bein hoch, sowohl an der Außenseite, als auch an der Innenseite. Dabei wurde mir mehr als warm, es wurde fast unerträglich. Ich wollte das nicht, nicht zugeben und mir selbst auch nicht eingestehen. Aber das fühlte sich unbeschreiblich an. Niemand hatte mich so angefasst. Dabei war er so gruselig und grob. „Na komm schon“, kurzerhand hievte er mich auf die Kommode und spreizte meine Beine. Dabei drückte er sich daran, sodass ich nicht wegkam. Er hielt meine Hände fest und strich mit seiner freien Hand weiterhin meinen Körper entlang. Damit verursachte er einen Funken auf meiner Haut und hinterließ ein Kitzeln. Ich wollte das alles nicht. „Weißt du wie einsam es auf hoher See sein kann?“, raunte er, „sehr, da sind die Frauen an Land eine schöne Abwechslung, aber es ist noch besser eine Frau an Bord zu haben“, lachte er bedrohlich. Ich schluckte schwer und während ich noch über seine Worte nachdachte, glitt seine Hand in meinen Slip und massierte mich, ehe ein Finger in mich eindrang. Erschrocken schnappte ich nach Luft. Er glitt rein und wieder raus, dann spürte ich einen weiteren Finger. Er ließ meine Hände los und öffnete seine Hose, auch seine andere Hand verschwand und ich sank etwas in mich zusammen. Er nestelte kurz an seiner Hose herum und schon zog er meinen Slip nach unten. Er presste mir seine Hand auf den Mund und drang mit einem Stoß in mich ein. Ich wollte schreien, doch ich durfte nicht. Ich wollte wegrennen, doch ich konnte nicht. Ich wollte ihn beißen, doch es ging nicht. „Nicht schreien, wir wollen doch nicht, dass die anderen etwas hören“, flüsterte er mir ins Ohr. Mit kräftigen Stößen wurde er immer schneller. Um seinen Blicken auszuweichen, schloss ich meine Augen. Mit einem leisen, tiefen Grollen – so hörte es sich an – kippte er leicht nach vorn. Sein Kopf lag auf meiner Schulter und er atmete ruhig. Mit seinen Händen stützte er sich auf der Kommode ab. Tief sog ich die Luft ein. Er räusperte sich und richtete sich wieder auf, „du kannst ja doch noch ganz nützlich sein“, er zog seine Hose wieder hoch und ging dann zur Tür. Hinter ihm fiel die Tür wieder laut ins Schloss. Eine Träne fand den Weg über meine Wange, eilig wischte ich sie weg, zog meinen Slip hoch und sprang von der Kommode. Ich wickelte mir das Handtuch um, schnappte mir mein Kleid und sah vorsichtig aus dem Bad. Keiner war zu sehen, doch ich hörte die tiefe Stimme Kids, welcher gerade jemanden zurechtwies. Meine Tür war nicht weit entfernt. Schnell lief ich den Gang entlang und huschte – kurz bevor jemand aus der sich öffnenden Tür treten konnte – in mein Zimmer. Erschöpft sank ich an der Tür runter. Das konnte doch nur ein Traum sein. In Wahrheit war ich wohl noch bei meinem Herrn. Ich zog die Knie ran und schlang meine Arme darum, das konnte alles nicht wahr sein. Leise schluchzend rannen ein paar Tränen meine Wange hinab. Kapitel 4: Freier Fall – Loslassen oder schneller Sprung? --------------------------------------------------------- Freier Fall – Loslassen oder schneller Sprung? „Los raus aus den Federn“, brüllte jemand durch das Zimmer. Mehrmals blinzelnd richtete ich mich auf. Ich hatte immer noch das Handtuch um mich geschlungen. Ich rieb mir die Augen und robbte aus dem Bett. Mein Kleid hing sauber und trocken über dem Stuhl, schnell schlüpfte ich hinein und merkte, dass ich allein war. Der Besitzer der Stimme war schon wieder verschwunden. Oder war nie jemand da gewesen? Eilig zog ich meine Schuhe an und tapste leise zur Tür. Vorsichtig sah ich hinaus und erkannte noch den Rücken, der an Deck verschwand. Schnell ging ich ihm hinterher, darauf bedacht keinen Ton zu machen. So kam ich an Deck und stand plötzlich neben einem aus der Mannschaft. Erschrocken machte er einen Satz nach rechts. Über das Schauspiel amüsiert, drehte sich Kid um, „das Prinzesschen ist also aufgestanden.“ Unterwürfig senkte ich den Kopf. „Käpt´n die Insel ist nicht mehr weit.“ „Gut“, lachte der Käpt´n. Eine Insel? Schwer schluckend sah ich mich vorsichtig um. Während sich die Mannschaft freute und schon ihre teilweise gezückten Waffen belächelte, kam in mir eher Panik auf, aber auch ein Funken der Hoffnung erstrahlte. Vielleicht könnte ich von hier fliehen. „Wir gehen an Land“, rief der Rothaarige seinen fünf Gefolgsleuten zu. Ich hatte mich unauffällig neben die Tür gesetzt, welche unter Deck führte. „Was machen wir mit ihr?“, fragte jemand. Der Kerl hieß Heat, das hatte ich mittlerweile mitbekommen. Er sprach nicht viel, genauso wie die anderen auch. „Wir können sie nicht hier lassen, wer weiß was sie macht“, der Käpt´n legte seinen Kopf schräg. Ängstlich sah ich hoch. Ich sah verschiedene Szenarien vor mir. Er sperrte mich in einen Raum und ließ mich verhungern. Er kettete mich an einen Stuhl oder gar auf eine Folterbank. Dabei schüttelte ich den Kopf, da er sich dort auch noch was anderes überlegen konnte. „Steh auf“, herrschte er mich an und zerrte mich kurz darauf auf die Beine, „du kommst mit. Wire du gibst auf sie acht, wir wollen ja nicht, dass sie abhaut“, bei seinen Worten ist er mir mit seinem Gesicht immer näher gekommen. Er schubste mich zu einem Mann, welcher mich mit einer Hand abfing und meinen Oberarm fest umfasste. Er war groß und trug einen dunklen Umhang. Besonders faszinierte mich seine Kette mit den zwei Axtklingen. Ein Jolly Roger war vorn an seinem Oberteil angebracht, welches nur aus einem Netz bestand. Sah so etwa die Flagge der Piraten aus? Es war ein Totenkopf der eher gelangweilt drein blickte und etwas wie eine Blume war um seinen Kopf. Sah ziemlich seltsam aus, aber laut äußern würde ich mich dazu nicht. Piraten war ihre Flagge heilig. Eilig sah ich weg, während er mich noch musterte und mich dann hinter sich herzog. Wir gingen an einer Stelle an Land, wo sich nichts befand, bis auf einige Bäume. Wir liefen durch den Wald und dann fand ich mich auch schon in einer kleinen Stadt wieder. Die Kinder spielten auf der Straße, Frauen kauften ein und die Männer arbeiteten. Alles in einem ruhigen Verhältnis und vollkommen harmonisch. Bis sie uns entdeckten. „Bist du dir sicher, dass wir es hier finden werden?“, Killer sprach nur leise mit seinem Käpt´n, doch wir konnten es alle verstehen. „Ja, ziemlich sicher! Ich will diese Karte haben, schließlich ist sie ziemlich wertvoll“, er verzog keine Miene, sondern lief einfach weiter, „schauen wir uns ein bisschen um.“ So liefen wir nun den halben Tag in der Stadt herum und suchten nach Hinweisen, nach einer Karte. Wieso kann er diese Karte nicht selber Zeichnen? Ein paar Kritzeleien und ich könnte jedes meiner Bilder als Karte verkaufen. Wie sollte ich da fliehen können? „Käpt´n, ich hab die Karte“, Heat war auf eigene Faust losgezogen. „Wo ist sie?“ „Naja, ok ich hab sie nicht direkt, die Slider-Piratenbande hat sie.“ „Also war deine Aussage falsch“, zischte der Rothaarige gefährlich, „wo sind diese Aasgeier?“ „Sie sind oben auf der Klippe und suchen dort noch einen Schatz, hier heißt es irgendetwas von Perle des Jahrtausends“, erklärte der Weißhaarige. „Na dann“, frech grinsend war Kid´s Motivation wieder zurück. Der Weg zur Klippe war einfach. Der Weg war ein Pfad aus Kies und plattgetretener Erde. Wie eine Karawane liefen wir den Berg hoch. Zwischen den großen Männern lief ich leicht eingequetscht. Ich hatte zwar noch keine Fesseln um, doch trotzdem war es mir unangenehm. „Dort vorn sind sie“, verkündete einer seiner Männer überflüssigerweise. „Ja, ich hab ja keine Augen im Kopf“, Eustass verdrehte genervt die Augen. „Dann holen wir uns mal die Karte“, Killer ließ seine Sichel-Schwerter nach vorn schnellen und rotieren. Fasziniert sah ich ihm dabei zu. „Gut, sie haben sowieso keine Chance“, Kid verschränkte seine Arme. „Wer hat keine Chance?“, fragte ein kleiner Junge, welcher plötzlich neben dem Gruselkäpt´n stand. Nein, es war kein kleiner Junge. Er müsste genauso alt sein wie ich, jedoch war er wirklich klein. Was wohl wichtiger war, wo kam er plötzlich her? Die anderen der Mannschaft waren schneller als ich und hatten bereits ihre Waffen gezückt. Doch hatte er das auch so laut gesagt, dass er auf sich aufmerksam gemacht hatte. Die anderen hatten uns bemerkt. Vor Schreck wich ich einen Schritt zurück und spürte einen Baum hinter mir. „Wir haben schon auf euch gewartet“, grinste ein Blondschopf mit langen Schlangenhaaren. Es waren keine Schlangen, doch es sah aus wie Würstchen. Sie waren verfilzt und zu einem Pferdeschwanz zurück gebunden. Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Dann schreckte ich erneut zurück. Der Kerl zog ein langes Samuraischwert aus seiner Halterung am Gürtel. Schwer schluckend weiteten sich meine Augen. „Ihr könnt schon mal zu den Fischen schwimmen gehen“, lachte der kleine Junge. Während sich die großen Jungs bereits den anderen großen Jungs zugewandt hatten, behielt ich eher den Kleinen im Auge. „Bleib hinter mir“, flüsterte mir Heat zu. Skeptisch überlegte ich, wie ich das machen sollte. Vor allem wenn der Junge neben mir stand. Wenn die schon so gruselig war, bei denen ich gelandet war, wie bösartig waren dann diese hier? Schweiß rann meine Stirn herunter. „Ihr habt etwas was mir gehört“, knurrte der Rothaarige verärgert. „Wer es findet darf es behalten und wir waren nun einmal schneller“, lachte der Schlangenkopf auf. Grummelnd erhob Kid seine Arme. Lange blieb es still, doch dann klapperten die Schwerter der anderen Mannschaft und wollten aus ihren Halterungen fliegen. Kurz darauf sah ich über uns eine graue Wolke. Bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass es sich um Waffen, Besteck und Werkzeugen handelte. Aufgeregte Schreie drangen von der Stadt an mein Ohr – als würden sie direkt neben mir stehen. Verblüfft starrte ich nach oben und schnell wich ich zurück, als sie herabrauschten. Sie sammelten sich um die Arme von dem Gruselkäpt´n. Unförmig und scharf und spitz – wie die Dinge waren – formten sie zwei Hände. Mit einem siegessicheren Grinsen holte er einmal kräftig aus und schlug zu. Drei Gegner wurden dabei nach hinten geschleudert und blieben bewusstlos liegen. Sofort stürzten sich einige der anderen Mannschaft auf meine Horror-Crew. Killer ließ seine Schwerter rotieren und fing die ersten ab. Heat stand immer noch vor mir und stürzte sich nicht so wie die anderen auf die Gegner. Er blieb stur dort stehen. Ich versteckte mich unterdessen weiter hinter ihm und versuchte nicht aufzufallen, doch der Junge musterte mich aufmerksam. Er war kein Kämpfer, aber gehörte dennoch zu der Piratenbande. Auch wenn ich noch gern weiter über ihn nachgedacht hätte, so holte mich Heat wieder zurück. Zwei Männer kamen auf ihn zugestürmt. Doch er scherte sich nicht groß darum, holte tief Luft und spie Feuer. Um ein Kreischen zu unterdrücken, hielt ich mir den Mund zu. Der Mann vor mir taute auf und kämpfte gegen die Zwei, da sie durch das Feuer nicht völlig außer Gefecht gesetzt wurden. So entfernte er sich immer ein Stückchen mehr von mir. „Ihr werdet bei uns nichts finden“, grinste Schlangenkopf. „Käpt´n, dort drüben“, rief der Mann namens Wire. Aus Reflex drehte auch ich mich um, er zeigte auf das offene Meer. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich ein kleines Boot mit einem einzigen Mann an Bord. „Gehört der zu euch?“, knurrte Kid gefährlich und drehte sich zu dem Blonden um. „Nein, wieso sollte er?“, grinste der Angesprochene. Der Grummelkäpt´n murmelte und fluchte vor sich hin. Nervös biss er auf seine Unterlippe. Es ging ihm gegen den Strich, dass er nicht an das Boot konnte. Er hatte ebenso eine Teufelsfrucht gegessen wie ich auch. Und keinen seiner Mannschaft konnte er entbehren. „Na Süße? Du willst mir doch nicht erzählen, dass du zu den Waschlappen gehörst“, hörte ich eine rauchige Stimme neben mir. Erschrocken drehte ich mich um und fiel dabei auf den Hintern. Der Kerl war riesig und hielt mir einen Säbel unter die Nase. Eilig versuchte ich etwas Abstand zwischen ihn und mich zu bringen. Blanke Panik hatte mich erfasst. „Hab keine Angst, ich tu dir nichts“, grinste er breit, „komm mit, dann spieln wir etwas zusammen.“ Als ob ich da mitgehn würde. Schockiert öffnet sich mein Mund und schließt sich, ohne ein Wort zu sagen. Dämliche perverse Kerle. Ich versuchte den Klos aus meinem Hals zu bekommen, doch er wollte nicht weggehn. „Na los, nimm meine Hand“, immer noch grinsend streckte er mir die Hand entgegen. Schnell biss ich mir auf die Lippe und verdrängte das, was mir einfiel. Doch, eigentlich konnte ich sagen was ich wollte. Ich war nicht mehr bei meinem Herrn. Ich schluckte erneut und versuchte mir Mut zu machen. „A-Als… ob“, meine Stimme zitterte, ich biss mir erneut auf die Lippe, und mahnte mich zur Ruhe, „ihr seid doch alle schwanzgesteuert“, zischte ich ihm entgegen, „nichts anderes als perverse Männer, die immer nur Sex wollen und dabei auch über Leichen gehen und andere deshalb verletzen“, meine Augen hatten sich zu Schlitzen verengt und ihm die Wörter verachtend entgegen gespuckt, „und NIE IM LEBEN WÜRDE ICH DEINE HAND ANFASSEN“, wurde ich extrem laut, „DU WICHSER.“ Schnaubend starrte ich ihn an. Mein Gedächtnis kam gerade meinem Mund mit den Gedanken nach. Mir wurde klar, was ich gesagt hatte. Mir wurde klar, dass ich mich nicht gegen diesen Kerl wehren konnte. Mir wurde klar, dass mir niemand helfen würde. Schweiß trat mir auf die Stirn und eiskalt lief es mir den Rücken runter. Ich zitterte. Ich hatte Angst. „Du. Kleines. Miststück“, seine Wut kochte. Bedrohlich hob er den Säbel und ließ ihn herunterschnellen. Alles lief in Zeitlupe ab. Ich sah mein Leben förmlich an mir vorbeiziehen. Mein mickriges, erbärmliches und nichtsnutziges Leben. Ich schloss reflexartig die Augen und hob meine Arme über meinen Kopf. Doch das Schwert erreichte mich nicht. Als es auch nach einigen Sekunden mich noch nicht zerteilt hatte, blinzelte ich vorsichtig und erkannte die Silhouette von Killer vor mir. Mit seinem linken Schwert – welches an seinem Arm zu rotieren begann - hatte er die gegnerische Waffe aufgehalten. Überrascht öffnete sich mein Mund leicht. „Keine Angst, wir beschützen dich“, murmelte er leise über seine Schulter hinweg zu mir, „wir erledigen das noch schnell, dann greifen wir uns den Kerl da draußen auf der Walnussschale.“ Ich drehte meinen Kopf Richtung Meer. Den Typen konnten sie nicht einholen. Dafür wäre er zu schnell. Ich schluckte und meine Hand wanderte zu meinem hämmernden Herzen, was sich einfach nicht beruhigen wollte. Dann sah ich wieder zu dem Kämpfer vor mir und begutachtete nacheinander die komplette Mannschaft – zum Schluss den rothaarigen Käpt´n. Sie waren alle noch in einen Kampf verwickelt. Mit zitternden Beinen erhob ich mich mühsam vom Boden und stand nach einer halben Ewigkeit wieder auf meinen zwei Beinen. „I-ich hol sie“, stammelte ich. „Was?“, er verpasste dem Kerl eine Wunde, welche von seiner Schulter zu seinem Bein reichte. Stöhnend fiel dieser um. Killer drehte sich um. „Ich hol die Karte“, nun klang meine Stimme fester. Immer noch verwirrt betrachtete er mich, wurde aber von zwei anderen unterbrochen, welche sich schreiend auf ihn stürzten. Ich sah aufs Meer, schluckte meine Angst hinunter und ging in meinem Kopf ein Mantra durch – welches hoffentlich wirkte. `Mach es einfach, alles wird gut. Du wirst nicht abstürzen wie beim letzten Mal. Dieses Mal schaffst du es. Du musst nur an dich glauben. Denk daran für wen du das alles auf dich genommen hast. Wenn du genug daran glaubst, kannst du alles schaffen. Auch die Piraten glauben an sich und sieh nur was sie alles können. Dann wirst du doch das schaffen. Glaub an dich, Mädchen. Su, vertrau auf deine Kraft.` In meinem Kopf hallten die Worte wieder und mit der Zeit dachte ich wirklich, es könnte klappen. Ich atmete ruhig ein und aus und ging etwas in die Knie. Bevor ich es mir anders überlegen konnte, spurtete ich los und sprang von der Klippe. Die entsetzten Blicke von Killer und den anderen spürte ich noch in meinem Rücken. Ich hingegen stellte mit Entsetzen fest, dass ich weiterhin hinab stürzte. Ich faltete meine Hände. `Bitte. Bitte. Bitte`, flehte ich förmlich dem Himmel entgegen und versuchte mich zu konzentrieren. Ich spürte – wie beim letzten Mal – das bekannte kribbeln in meinem Rücken. Mein Kleid zog es am Rücken etwas nach unten und bevor ich durch die Baumkronen fiel, schwebte ich in der Luft. Fassungslos vor Glück lachte ich leise auf und betrachtete meine strahlendweißen Flügel. Wie ein Engel und wie ich sie mir vorgestellt hatte. Ich konnte es nicht fassen, es hatte geklappt und sie sind noch nicht wieder verschwunden. Die Karte. Mein Blick schnellte zum Meer. Ich musste die Zeit nutzen, die mir blieb. Wenn die Flügel verschwinden, weiß ich nicht, ob ich je wieder den Mut dafür fände. Ich will mich dafür revanchieren, dass sie mich gerettet hatten. Ohne groß über die Bedienung nachzudenken, flog ich Richtung Meer. Landung hin oder her, das wurde überbewertet. Mit wenigen kräftigen Schlägen war ich über dem Wasser. Mit flauem Gefühl im Magen schaffte ich es in kürzester Zeit zu dem Bott. Verwirrung las ich in dem Gesicht des Mannes, das nutzte ich aus. Die Karte hielt er in seiner rechten Hand. So schnell es mir möglich war, schnappte ich sie mir und bevor er reagieren konnte drehte ich – mit einer uneleganten Bewegung und einem halben Salto – um. Kurz darauf befand ich mich wieder an Land. Erschöpft und laut schnaufend saß ich im warmen Sand. Er fühlte sich angenehm unter meinen Füßen an und gab mir allmählich meine Kraft zurück. Die Karte lag zusammengerollt vor mir. Links und rechts stützte ich mich mit meinen Armen ab. Ich hatte es geschafft. Von der Klippe zu dem Boot und zurück zum Strand. Dann waren sie verschwunden und ich war über den Sand gerollt. „Du hast von einer Teufelsfrucht gegessen?“ Mein Herz setzte kurz aus, dann erhob ich langsam meinen Kopf und sah in Kidds Gesicht. Er war nicht wütend – seine Stimme klang wohl immer so, egal was er sagte. Seine Miene war genauso wenig zu deuten. Seine Arme waren verschränkt und er schaute von oben auf mich herab – mit zusammengepressten Lippen. Langsam nickte ich. Mit zitternder Hand nahm ich die Rolle und hielt sie ihm entgegen. Ich traute mich nicht, ihn anzusehen. Es gruselte mich zu sehr. „Danke.“ Die Spur eines Lachens war zu hören. „Surebi?“, er kniete sich vor mich, was ich nur merkte, weil der Sand knirschte und der Schatten sich über mich legte. Ich sah immer noch auf den Sand zwischen meinen Händen. „Su? Sieh mich an“, plötzlich klang er … nett. Eher weil ich neugierig auf seinen Gesichtsausdruck war, als auf das was er mir zu sagen hatte, sah ich auf. Seine Augen schimmerten und wirkten warm. Zumindest etwas. Er sah kurz die anderen Mitglieder an, dann wieder mich und grinste, „ach ist doch scheiß egal, was die anderen sagen“, verwirrt legte ich den Kopf schräg, „komm in meine Mannschaft.“ Meine Augen weiteten sich und mein Mund klappte auf. Seine Mannschaft stand gleichgültig hinter ihm. Als würde es sie nichts angehen. Tausend Gedanken rasten mir währenddessen durch den Kopf. Und die unterschiedlichsten Antworten kamen mir. Von `nein`über `niemals`bis hin zu `ja`oder einfach einem völlig banalen … Ich nickte langsam. Wir waren wieder auf dem Schiff. Erst auf dem Rückweg wurde mir klar, auf was ich mich eingelassen hatte. Scheiße! Ich war einer Piratenbande beigetreten! Verdammt! Aber wieso nicht, sieht toll aus in meinem Lebenslauf. Nachdem ich bei meinem Herrn weg war, drehte mein Gehirn durch. Ich dachte Dinge, von denen ich früher einmal nicht zu träumen gewagt hätte sie zu denken. Was mir ein Rätsel blieb, war jedoch die Frage … wieso hatte er mich gefragt? Er wusste, dass ich eine Sklavin war. Und ich konnte nicht kämpfen. Ich konnte mich nicht wehren. Ich war doch völlig nutzlos und stünde nur im Weg … wie heute. Seufzend ließ ich mich an der Reling hinabsinken und legte meine Arme um meine Beine. Meinen Kopf senkte ich auf meine Knie. „Geht’s dir nicht gut?“, hörte ich die dumpfe Stimme Killers, er lehnte sich neben mir an das Geländer und betrachtete das Schiff. „Wieso hat er mich gefragt?“ Er zuckte lediglich mich den Achseln, „wer weiß das schon“, lachte er eher zu sich selbst. Es wurde still zwischen uns. Keine unangenehme Stille, aber auch keine, über die man sich freuen würde. Ich seufzte kaum hörbar. Ein Blitz zuckte durch meinen Kopf und die Glühbirne darin erwachte zum Leben. Vorsichtig hob ich den Kopf und sah etwas verschüchtert zu dem Mann hoch. Er sah schon aus wie ein gnadenloser Killer, mit den zwei Schwertern an seiner Seite, dazu die Maske und dann diese Stimme. Unheimlich. Wenn man so genau darüber nachdachte. Aber dann war er doch wieder so nett. Ein Schmunzeln umspielte meine Lippen und schenkte mir den Mut. „Killer?“, trotz allem klang das, was aus meinem Mund kam mickrig und kläglich. „Mh?“, er drehte seinen Kopf etwas in meine Richtung. Ich war mir nie wirklich sicher, wohin er sah. Scheiß Maske. „Würdest…“, ich stockte. Reiß dich zusammen! „Würdest du mir das Kämpfen beibringen?“ Kapitel 5: Training – Blanker Unsinn oder Fortschritte? ------------------------------------------------------- Training – Blanker Unsinn oder Fortschritte? Langsam öffnete ich meine Augen und streckte mich. Kurz setzte ich mich auf und ließ mich leise kichernd in die Kissen fallen. Plötzlich riss ich meine Augen wieder auf. Ich war eine Piratin. Die Worte brannten sich wie mein Brandmahl in meinen Körper. In meinen Kopf. Erneut saß ich kerzengerade im Bett. Dazu kam noch, dass ich Killer gebeten hatte, mir das Kämpfen beizubringen. Eilig versuchte ich mich aus meiner Decke zu befreien und landete am Ende auf dem Boden. Mit einem frustrierten Schnauben befreite ich mich und wollte nach meinem Kleid greifen, welches noch über der Stuhllehne hängen sollte, doch es fehlte. Verwirrt hob ich den Kopf und war eilig auf den Beinen. Stattdessen lagen auf dem Tisch ordentlich zusammengelegte Kleidungsstücke. Ein Klopfen drang von außen an mein Ohr. Schnell streifte ich mir das weiße Top über und schlüpfte in die weinroten Shorts. „Ja“, antwortete ich noch auf das Klopfen. Ich zupfte noch alles zurecht und dann stand Killer auch schon im Raum. „Gut, du bist fertig, dann können wir ja anfangen“, er begutachtete mich von oben bis unten, „bist du sicher, dass du das willst?“ „Ich musste mich zunächst einmal daran erinnern, dass ich Piratin bin. Aber wenn ich jetzt schon hier bin und bleibe, muss ich kämpfen können“, meine Stimme zitterte, auch wenn sie ruhig sein sollte, „ich habe nicht vor jetzt zu sterben, dann hätte ich gleich zuhause bleiben können. Aber ich hatte mich entschieden wegzugehen und wenn ich die Gelegenheit habe, muss ich sie nutzen.“ „Ist das dann eine Strafe für dich, oder für mich?“ Er klang amüsiert, schaffte es durch seinen belustigten Ton, mich zum Lachen zu bringen. „Komm, gehen wir“, er trat beiseite. Ich nickte, nahm das weinrote Band vom Tisch und band meine Haare zu einem Dutt. Ich grinste in den Spiegel und dann Killer an, ehe ich voraus ging. Auf dem Gang trat er an mir vorbei und wir gingen auf Deck. Neugierig sah ich mich um, die anderen waren nicht hier, vermutlich schliefen sie noch. „So, wir fangen ganz einfach an“, er drehte sich zu mir um, „wir probieren es einmal mit Nahkampf, ehe du eine Waffe in die Hand nimmst.“ „Du hast doch nur Angst, dass ich dir deine Maske vom Kopf reiße und dabei auch noch deine Brust aufschlitze“, ich verwendete mit Absicht diese Ausdrucksweise, da ich das niemals schaffen würde. Ein leiser amüsierter Laut kam über seine Lippen. Unsicherheit breitete sich in mir aus. Mein Wille bröckelte, wie könnte ich jemals das Kämpfen lernen. Wir standen nur etwa drei Meter voneinander entfernt. Schwer schluckend richtete ich meinen Blick langsam auf. Von seinen Füßen, über Knie, seine schmalen Hüften, bis zu seinem sich stetig hebenden, muskulösen Oberkörper und seinem Kopf mit der Maske. Er war die Ruhe selbst, gab weder einen Laut von sich, noch bewegte er sich. Ich war mir sicher, dass er auf eine Reaktion von mir wartete. Ungeduldig verlagerte ich mein Gewicht auf mein anderes Bein. Einen Wimpernschlag später klammerte ich mich an seine Oberarme und schnappte hörbar laut nach Luft. Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte ich ihn an und versuchte zu verstehen was passiert war. Wie in Zeitlupe verlagerte ich mein Gewicht und sah wie Killer die Lücke zwischen uns überbrückte. Er zog mir mein Bein weg, schlug mir zusätzlich mit der Handkannte in die Taille und damit knickte ich endgültig ein. Schon war es vorauszusehen, dass ich auf dem Boden landen würde. Eilig griff der Blonde jedoch um mich herum und fing mich auf. Wie automatisch legte ich meine Hände auf seine Arme und krallte mich in den Stoff und damit auch in die Haut darunter. „Du musst genau auf deinen Gegner achten“, erklärte er mir schon zum fünfzigsten Mal heute. Wir standen nun seit sechs Stunden hier. Meine Gelenke schmerzten, meine Füße schmerzten, sogar Stellen schmerzten von denen ich das nie gedacht hätte. Mein Po, meine Ohren und meine Brüste. Er war fies! Er legte mich jedes Mal flach, egal was ich versuchte. Auch wenn ich mich an seine Anweisungen hielt. Er hatte mir die Schwachstellen am Körper gezeigt. Nicht der Bereich zwischen den Beinen – wie es manch einer vermutete. Das lenke nur kurz ab, hatte er gesagt. Die wahren Schwachstellen waren die Kniekehle, da der Gegner dort unfreiwillig einknickte, ebenso auch an der Taille, an der Kehle litt er kurz unter Atemproblemen und ein Schlag auf die Ohren störte den Orientierungssinn. Ebenso leicht verletzbar – erklärte er mir – seien kräftige Schläge in den Nacken oder ein fester Tritt in den Bauch. Mein Kopf qualmte leicht. Er schmerzte ebenfalls, aber mehr von den Informationen, welche ich erhielt. „Wir machen eine kurze Pause“, er lief zur Reling und reichte mir eine kleine Flasche mit Wasser. Er selbst lehnte sich an und sah mir beim Trinken zu. Eilig drehte ich mich weg und sah auf das Meer hinaus. Das wird nie was mit dem Kämpfen. Seufzend ließ ich die Flasche sinken. Mein Blick leerte sich etwas und ich starrte gedankenverloren vor mich hin. „Alles in Ordnung?“ Erschrocken drehte ich mich zur Seite. Der Vize stand direkt neben mir. Da mich die Worte im Stich ließen, nickte ich nur leicht. „Anstrengend?“ „Nein…“, kam das Wort übereilt über meine Lippen, „… ja, vielleicht ein bisschen… aber…“ „Was ist es?“ Seufzend holte ich dann Luft und hob meinen Kopf etwas, „denkst du ich werde es irgendwann hinbekommen? Kann ich wirklich kämpfen? Ich hatte nie so etwas vor, ich kann niemandem Schmerzen bereiten. Das ist nicht meine Art…“, meine Augen wurden etwas feucht. „Du kämpfst nicht wirklich, was du tust, ist mehr Selbstverteidigung“, ein leises belustigtes Grunzen drang durch die Löcher seiner Maske. Er meinte es nur lieb. „Ich schaff das nicht“, kopfschüttelnd ließ ich den Kopf wieder sinken. „Doch“, er wandte sich kurz ab und starrte nach vorn. Weiterhin nachdenklich folgte ich seinem Blick. Kid beobachtete uns. Sein Blick war streng und angestrengt. Stand er dort schon länger und sah uns zu? Eine Gänsehaut zog sich meinen Rücken hinauf. Mein Körper begann zu zittern und meine Hände schwitzten. Mein Kopf zerbarst beinahe vor Hitze. Er sah etwas grimmig aus. „I-ist er sauer?“, kam es stotternd über meine Lippen. „Nein, mach dir keine Gedanken“, er klang nun auch etwas distanziert und kühl, „er ist immer so.“ Wie du wahrscheinlich auch, ging es mir durch den Kopf. Seine Stimmungsschwankungen waren mir auch schon aufgefallen. Die gesamte Bande hatte etwas Dunkles an sich. Sie konnten sowohl nett sein, als auch sehr grausam. Als ein weiterer Schauer über meinen Rücken lief, schüttelte es meinen gesamten Körper. „Alles in Ordnung?“, nun klang er wieder besorgt. „J-ja geht schon.“ „Komm, wir machen Schluss für heute“, er nahm mir die Flasche aus der Hand, „geh duschen, danach essen wir was. Beim nächsten Mal wird’s besser.“ Seine Worte klangen nicht sehr aufbauend, manchmal fehlte mir doch die Mimik bei ihm. Nickend machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer. Vielleicht fand ich ja mein Kleid, damit ich was zum Wechseln hatte. Zu meinem Glück traf ich niemand anderen, alles schien wie ausgestorben. Verwirrt legte ich den Kopf schief, als ich vor meinem Zimmer stand. Was machte man den ganzen Tag auf einem Piratenschiff? Kopfschüttelnd ging ich hinein und setzte mich erschöpft auf mein Bett. Wo könnte mein Kleid sein? Ich sah mich im Raum um und schon schlug ich mir mit der Hand auf die Stirn. Der Schrank. Aber wer sollte an meinen Schrank gehen? Verblüfft wich ich zurück. Der Schrank enthielt Klamotten und das auch noch in meiner Größe. Aber wo kamen die denn her? Mein Kleid hing ebenfalls dabei. Daneben waren noch drei Röcke und ein weiteres Kleid. Zusammengelegt waren Hosen – lang und kurz -, Pullis, T-Shirts und Tops. Verschiedene Accessoires und Unterwäsche fanden sich in zwei Schubladen. Kopfschüttelnd suchte ich mir frische Sachen raus. Ich huschte in das kleine Badezimmer und duschte schnell. Zu viele Erinnerungen. Eiskalt lief es mir den Rücken hinunter. Nachdem ich mich abgetrocknet hatte zog ich den blauen Minirock und ein weißes, enges Top an. Zudem hatte ich mir hohe Schuhe rausgesucht. Meine Haare band ich mit einem ebenso blauen Band zusammen, einige Strähnen fielen noch nach vorn und umrahmten mein Gesicht. Ein kurzes Lächeln und ich brachte die schmutzigen Sachen zurück in mein Zimmer – bei Gelegenheit würde ich sie waschen. Ich machte mich auf den Weg zu der Küche, aus der es bereits herrlich roch. Ich hatte schon vorher mit viel Verwunderung feststellen müssen, dass die Jungs hier gut kochen konnten, auch wenn sie nicht so aussahen. Als ich das Zimmer betrat, stand Heat vor dem Herd und rührte in einem Topf. „Oh Su, hi“, grüßte er mich verblüfft, „willst du was haben? Ist gerade fertig geworden, die anderen sitzen schon oben.“ „Gern“, lächelte ich, er gab mir eine Schüssel voll, reichte mir noch einen Löffel und etwas Brot dazu, „danke.“ Ich mochte Heat, er war ein angenehmer Zeitgenosse. Dennoch eilte ich schnell nach oben. Ohne ein weiteres Wort setzte ich mich gegenüber von Killer hin und fing auch gleich an zu essen. Ich war tierisch hungrig – wie ich feststellte. Es war scharf und kräftig gewürzt, gleichzeitig hatte er etwas süß-fruchtiges hineingeschnitten. In mir zog sich fast schon etwas zusammen, es war einfach zu stark gewürzt. Schnell aß ich etwas Brot, doch es nützte nichts, da schob mir Killer sein Glas Wasser her. Kurz sah ich ihn an – verdammt, wie konnte er mit der Maske essen? – dann trank ich es in einem Zug leer. Ich presste die Augen zu. Der Geschmack war immer noch da. Die Würze brannte sich mir in die Zunge. Es war unangenehm. Dabei amüsierten sich die Anderen. Als ich die Augen – in denen sich die Tränen sammelten – wieder öffnete, hatten alle ein breites Grinsen aufgesetzt – selbst Kid. Beleidigt aß ich weiter. Ich machte mich auch nicht einfach über sie lustig. Aber etwas dagegen unternehmen konnte ich auch nicht. Sie waren alle viel stärker als ich und konnten mich mit einem Finger zum Schweigen bringen. Daher lieber Mund halten. Ich brachte meine Sachen nach unten und lief zurück in mein Zimmer. Ich schmiss mich aufs Bett und merkte zum ersten Mal seit Tagen - im gesamten Ausmaß - meine schmerzenden Knochen, Gelenke, Muskeln und alles was sonst noch wehtun könnte. Gähnend rollte ich mich ein und musste wohl bald eingeschlafen sein. „Hey, Schlafmütze, aufstehen!“ Grummelnd setzte ich mich auf und rieb mir die Augen. Gähnend sah ich mich um und wusste nicht wo oben und unten war. „Na, im hier und jetzt angekommen?“, fragte mich Killer mit einem Schmunzeln in der Stimme. Ich nickte träge und sah an mir herab. Ich trug immer noch die Sachen vom vorherigen Tag, selbst die Schuhe. Auch er bemerkte das mit einem langen Blick, denn mein Rock war hochgerutscht – zumindest schien das für mich so. Seine Maske nervte! „Zieh dich um, dann können wir anfangen“, er drehte sich um ließ mich allein. Eilig stand ich wackelnd auf, zog mich um und erschien in bequemer Kleidung an Deck. Sofort wurde ich erneut von Killer herum gehetzt, obwohl mein gesamter Körper immer noch schmerzte, quälte ich mich durch den Tag und auch durch die nächsten. Mein Wille sank immer weiter. Doch ich hatte es mir vorgenommen und allein schon um es all den Männern hier zu beweisen hielt ich durch. Außerdem musste ich mich wehren können. Ich wollte ihnen in nichts nachstehen. So verging ein Tag nach dem Anderen. Wir waren ewig auf See unterwegs – so kam es mir vor – wobei es lediglich zwei Wochen waren – trotzdem genug. Erschöpft ließ ich mich an der Reling nieder und zog die Knie an. Killer reichte mir eine Flasche und lehnte sich neben mir an. „Hat es überhaupt einen Sinn, weiter zu machen? Ich lande ja sowieso nie einen Treffer“, redete ich vor mich hin, ohne ihn wirklich anzusprechen. „Merkst du deine eigenen Fortschritte nicht?“, lachte er. Verblüfft sah ich ihn an. „Ja, du wirst besser“, beruhigte er mich, „du musst abwarten, jeder kann Kämpfen lernen. Hast du nicht schon bemerkt, dass deine Muskeln von Tag zu Tag weniger Schmerzen?“ „Stimmt“, jetzt wo er es sagte, nach dem Training fühlte ich mich nicht mehr ganz so erschöpft. „Wie sieht es eigentlich mit deiner Teufelsfrucht aus? Kannst du sie schon richtig kontrollieren? Als du sie eingesetzt hast, sah es nicht so aus“, die Frage war ernst gemeint, doch er machte sich auch über mich lustig. Er hatte auch gut lachen, er musste sich nicht mit Teufelskräften rumschlagen. Er war ein starker Kämpfer, lediglich von seiner Loyalität Kid gegenüber besessen und würde für ihn sterben – so wie ich ihn einschätzte. Verlegen biss ich mir auf die Unterlippe und ein Lachen war aus seiner Maske zu hören. Natürlich machte er sich jetzt wieder über mich lustig. „Das wird schon, Kleines“, meinte er und stieß sich ab, „wir machen morgen weiter, auch mit deiner Teufelskraft, aber jetzt gibt’s erst mal was zu Essen.“ Na, das kann ja noch heiter werden… Kapitel 6: Waffen - scharf und schnittig ---------------------------------------- Waffen - scharf und schnittig „So, wir brauchen neuen Proviant und werden uns hier mal etwas umsehen. Die Stadt, hier auf der Insel, ist sehr beliebt. Viele Menschen geben viel aus, was uns nur zugutekommt. Doch dadurch sind auch viele Piraten hier. Was uns ebenfalls interessieren könnte. Theoretisch könnten wir dich sehr gut einsetzen, Surebi“, grinste Kid hinterhältig, „schließlich kennt die Marine dich nicht und so könnten wir ihre Kopfgelder kassieren. Aber um ehrlich zu sein, mir ist das zu umständlich.“ „Aber wieso denn Käpt´n?“, wollte dann Wire wissen, „es wäre eine gute Investition.“ „WEIL ICH UMSTÄNDLICHE AKTIONEN HASSE!! Und ich sie dann doch lieber fertig mache“, zuckte der Rothaarige mit den Achseln. Schwer schluckend trat ich ein paar Schritte zurück. „Ihr arbeitet die Liste ab und ihr kommt mit“, wild gestikulierend teilte er uns in zwei Gruppen auf. Staunend lief ich durch die Straßen, hinter mir Wire, neben mir Heat und vor mir die zwei Emotionsschaukelpferde von Käpt´n und Killer. „Du bist noch nicht so weit rumgekommen oder?“, fragte mich Heat. Der Grauhaarige sah etwas grimmig drein, sonst aber wie immer. Seine Haare reichten bis zu seiner Hüfte – was ich ziemlich erstaunlich fand. Auf meiner Insel sahen alle irgendwie gleich aus. Immer derselbe Haarschnitt und vor allem kurz. Doch die Menschen auf See unterschieden sich sichtlich von ihnen. Piraten wollten wohl auffallen, weshalb Heat vermutlich auch mit einem Netzoberteil, welches Stoffteile hatte, die einer Weste glichen. Seine Oberarme und sein Hals waren tätowiert und seine Hose ging zu seinen Knien. Darunter trug er noch etwas wie eine Leggins. Wire im Gegensatz zu ihm trug - als einziger der ganzen Mannschaft - den Jolly Roger. Auffällig war aber auch er. Sein knappes, Sixpackfreies – schließlich war es nicht nur Bauchfrei – Oberteil, das auch nur aus einem Netz bestand und seine Shorts, sowie die Netzstrümpfe wurden von dem Umhang verborgen. „Sieht man mir das so stark an?“, wieder senkte ich meinen Kopf und sah den Pflasterboden an. „Darauf willst du keine Antwort.“ „Los, iss schon.“ Etwas angeekelt sah ich mich um. Wir saßen in einer Kneipe und aßen. Die Männer um mich herum schlangen alles herunter – wie die Schweine. Während meine Mannschaft – konnte ich das so sagen oder denken? – sich zwar auch nicht vornehm benahm, aber immer noch zivilisierter als die anderen. Zurückhaltend machte auch ich mich an mein Stück Fleisch heran. Die Teller stapelten sich auf dem Tisch, während es bei mir lediglich Zwei wurden, türmten die Anderen bis zu 15 Teller auf. „Hey, ihr habt mir mein Essen geklaut“, zischte ein Kerl neben mir. Er hatte seine Hände auf die Tischplatte runtergeschlagen und ließ somit das Geschirr klirren. Das manche wegen Essen so ausrasten konnten. Erstaunlich. „Dann bestell dir was neues“, meinte Kid sachlich und aß weiter. Der Kerl knurrte und wollte sich abwenden, blieb dann aber erneut stehen. „Hey Süße, was machst du bei solchen Rüpeln?“, er beugte sich zu mir runter, „du willst doch nicht bei solchen Memmen sitzen, oder? Komm doch mit mir mit, ich zeig die das Schöne an der Welt.“ Ich atmete genervt aus, sah zu Killer – welcher mir zunickte – und schluckte dann schwer. Kid zog schon eine Augenbraue wegen des Kerls hoch, sein Blick wurde von Sekunde zu Sekunde angsteinflößender. Genauso ängstlich war ich gerade, aber Killer hatte gemeint, dass ich schon recht gut sei, also wollte ich es probieren. Wobei ich mir keine Chancen gegen den Mann ausmalte. Schließlich war er drei Köpfe größer als ich. Schnell trank ich noch einen Schluck Met, den sie mir trotz Proteste vorgesetzt hatten und stand dann langsam auf. Ich zwang mich dazu ein zuckersüßes Lächeln aufzusetzen, passende Kleidung trug ich schon – ein mintgrüner, kurzer Rock, hohe, weiße Sandalen und eine weiße Bluse, welche eng anlag und mit Ärmeln bis zu den Ellenbogen. Ich öffnete ganz nebenbei einen weiteren Knopf der Bluse, was der Kerl mit einem tiefen Blick und einem lustvollem Knurren kommentierte. Eklig. Innerlich verzog es mich und mein Unterleib verkümmerte. Schließlich waren meine bisherigen Erfahrungen nicht glücklich. Dabei hätte ich das fast vergessen. Egal, ich werde es ihnen zeigen, dass ich mich selbst wehren konnte. So trat ich nun an den Kerl heran und streckte ihm meine Brust entgegen. Er roch nach Alkohol und Urin. Widerlich. Wie in Trance starrte er mir in den Ausschnitt und streckte lüstern grinsend seine Hände nach meinen Brüsten aus. Bevor er sie berühren konnte, packte ich sie. Ich zeigte ihm noch meine strahlend weißen Zähne und zog ihn dann in meine Richtung, während ich mich gleichzeitig wegdrehte und er dann durch den Raum schlitterte. Als er an die Theke knallte blieb er liegen, da eine Flasche von der Arbeitsfläche fiel und auf seinem Kopf landete. Grinsend drehte ich mich zu Killer um, welcher mir beeindruckt zunickte. Er war es nicht wirklich, das wusste ich, aber für meine Leistung nicht schlecht. Das war mein erster Kerl, mit dem ich den Boden aufgewischt hatte. Aber man war der schwer gewesen. Meine Handgelenke fühlten sich an, als wären sie ausgekugelt. „Hör auf zu Grinsen, Prinzesschen“, knurrte Kid, „wir sind Piraten, lass dir nicht anmerken, dass das dein Erstes Mal war.“ Mein Grinsen verflog und ich nahm nochmal einen Schluck. Er gönnte einem aber auch gar nichts. „Los kommt, wir gehen“, meinte Käpt´n Freudlos dann. Er stand auf, wartete bis wir ebenfalls standen und trat dann zu mir, während er die anderen bereits hinausgingen. „Gut gemacht“, flüsterte er mir zu, klopfte mir kurz auf die Schulter und lief dann ebenfalls hinaus. Solch eine zarte Berührung von einem Mann mit seinem Format. Unvorstellbar. Wir schlenderten noch etwas durch die Stadt, trafen aber keine weiteren Menschen mit einem Kampfeswillen oder Feindseligkeit gegen uns. Dann entdeckte ich ein Schmuckstück. Staunend blieb ich vor einem Geschäft stehen und sah durch die Glasscheibe. Ein herrliches Stück stand dort. Fasziniert musterte ich das gute Stück. Eine Sense. Der Stab war aus Holz und war somit nicht ganz gerade. Am unteren Ende schlang sich ein rotes Band um das Holz und die Enden hingen hinunter. Die rote Schneide oben war schön und gleichmäßig gebogen und lief sehr spitz zu. Die stumpfe Kannte oben zum Griff hin lief auf eine Spitze hinaus und machte dann einen Bogen, bevor es mit dem Stab verschmolz. Auf der anderen Seite des Griffs hatte sie auch noch ein kurzes Messer, welches kunstvoll wie ein kleiner Flügel aussah. Der kleine Flügel lief an dem Stab schön aus, sodass dort auch ein Bändel angebracht war. Er war als Grenze gedacht, in der man die Sense hielt. An der Spitze des Stabes war auch noch einmal ein rotes Band angebracht, welches – im Vergleich zu den Anderen um einiges Länger war. „Gefällt sie dir?“, hörte ich die tiefe Stimme Kids an meinem Ohr. Er stand dicht hinter mir, so machte ich einen kleinen Satz nach vorn und drehte mich dann etwas zu ihm um. Ich sah ihm in die Augen und merkte, wie er mich genau musterte. Ich senkte meinen Kopf, da mir sein Blick unangenehm war. Auf seine Frage antwortete ich nicht, sondern sah noch ein letztes Mal zu der schönen Waffe. Ich prägte sie mir genau ein und drehte mich dann gänzlich zu dem Käpt´n um. „Es tut mir Leid, ich hab dich aufgehalten“, ich verbeugte mich leicht und trat dann an ihm vorbei und ging zu Heat. Kid folgte mir. „Hier nimm den Stab“, Killer warf mir einen Holzstock zu. Wir hatten schon ein paar Mal mit den ‚Schwertern‘ trainiert, es war ziemlich schwer, da ich noch nicht so flink in den Bewegungen war. Bei den ersten Malen hatte er mir viele blaue Flecke zugefügt. Ich griff ihn mit beiden Händen und stellte meinen rechten Fuß weiter hinter, meine Arme hob ich in eine Angriffsposition, doch auch gleich so, dass ich in die Verteidigung übergehen konnte. Killer blieb wie immer still stehen, jedoch auch in einer Kampfposition. So blieb es wie immer an mir hängen. Ich kannte seinen Bewegungsablauf und so sprang ich auf ihn zu und schlug von rechts zu. Er parierte ohne große Mühe und wollte mir wie immer auf den Hintern schlagen – da ich mich seitlich zu ihm hingedreht hatte. Schnell machte ich einen Schritt nach vorn, führte die Drehung weiter und parierte seinen Schlag. Ich duckte mich hinweg und ging auf seine Kniekehlen los, doch er wich aus. Ich versuchte wieder auf die Füße zu kommen, doch er war flinker und stürzte sich auf mich. Erschrocken und schwer atmend lag ich auf dem Rücken, stützte mich auf die Unterarme und starrte seinen Stock an. Er war auf meinen Hals gerichtet und Killer saß auf mir. Mein Blick wanderte weiter, bis ich meinte in seine Augen zu sehen. „Du wirst besser“, er richtete sich auf und half auch mir zurück auf die Beine. „Das glaubst du doch selbst nicht“, etwas beleidigt sah ich weg. „Doch, das heute in der Kneipe war gar nicht so schlecht.“ „Ich dachte meine Handgelenke würden brechen“, ich sah ihn mit offenem Mund an. Lachend schlug er mir auf die Schulter, dann sollten wir jetzt aufhören. Verwirrt sah ich ihn an. Mir ist jetzt an diesem Tag erst klar geworden, dass ich trainieren muss, da ich sonst nie eine Chance gegen Kerle haben würde. Ich wollte es nicht beenden. „Wir machen morgen weiter.“ „Aber…“ „Nein, du musst hier zwar nicht aus den Handgelenken kämpfen, aber beim Verteidigen spürst du sie. Und du wirst auch nicht ohne mich weitermachen.“ Seufzend gab ich nach, da ich keine Chance auf Diskussionen mit ihm hatte, „darf ich dann auf die Insel und etwas joggen?“ Meine Ausdauer war nicht so gut und auf dem Schiff hatte ich keine Möglichkeit gehabt etwas dafür zu tun. Ich hatte mich am Abend mit Sit Ups, Liegestütze und Beweglichkeitstraining begnügt. Mit positivem überraschen hatte ich schon festgestellt, dass ich mich von Tag zu Tag weiter verbiegen konnte. „Gut, aber geh nicht in die Stadt“, Killer hatte das letzte Wort, da Kid noch einmal weg war, „bleib in der Nähe der Bucht hier und im Wald.“ Strahlend dankte ich ihm und sprang dann vom Schiff. Vor lauter Begeisterung knickte ich am Fußgelenk um und landete auf meiner linken Schulter. Ich hörte wie Killer mich glucksend betrachtete. „Alles ok?“ „Ja“, gab ich murrend zurück. Ihm war das noch nie passiert oder wie? Ich klopfte mir den Staub von den Klamotten und stand wieder auf. Meinem Fuß ging es gut, war also nichts passiert. Ich winkte ihm noch kurz zu, dann drehte ich mich um und lief los. Sie wussten, dass ich nicht abhauen würde. Ich wusste, dass sie mich verfolgen würden, sollte ich abhauen. Gemütlich joggte ich durch den Wald und schlug die zur Stadt entgegengesetzte Richtung ein. Der Wald war sehr schön. Der Duft der Nadelbäume beruhigte mich. Bald schon musste ich mit Seitenstechen stehen bleiben. Meine Ausdauer eben! Hustend und stark nach Luft schnappend lief ich langsam weiter und fand bald eine Lichtung. Viele Blumen tummelten sich darauf. Die Wiese war bunt und glich einem Regenbogen. Das Rauschen von Wasser drang an mein Ohr, so sah ich weiter in die Ferne und erkannte einen Wasserfall und einen See, der sich in einen Fluss auflöste. Gedankenverloren lief ich zu dem See, schlüpfte aus den geschlossenen Schuhen raus und streckte meine Beine in das kühle Nass. Ich merkte wie mich etwas die Kraft verließ, doch es war auszuhalten. Mir war schon zuvor aufgefallen, dass zwischen Süß- und Salzwasser ein Unterschied war. Der Kraftverlust bei Süßwasser war nicht so stark wie bei dem Meerwasser. Bei Salzwasser verlor man völlig das Bewusstsein und sank wie ein Stein. Bei Süßwasser konnte man nicht mehr schwimmen, jedoch immer noch im Wasser laufen, auch wenn Teufelskraftnutzer nicht zu lange drin sein sollten. ich streckte mein Bein weiter hinein und merkte, dass das Wasser bis zu meinen Shorts reichte, bis ich den Boden fühlen konnte. Es war Süßwasser – das stand ohne Zweifel fest. Wenn ich Kleidung zum Wechseln dabei hätte, könnte ich meine momentanen Trainingsklamotten waschen, doch leider hatte ich keine Möglichkeit gehabt, da könnte ich auch gleich noch etwas trainieren. Verstohlen blickte ich mich um, entdeckte Killer nicht und so grinste ich. Auf der Lichtung stand nicht nur ein vom Blitz getroffener Baum, es war auch sehr viel Platz. Schnell rannte ich zu dem Baum, streckte meine Hände dem Boden entgegen und vollführte mehr oder weniger elegant einen Radüberschlag. Ich lief weiter und trat mit voller Wucht seitlich gegen den Baum. Ätzend fiel ich auf mein anderes Knie und hielt mein rotes Schienbein. Das tat mehr weh als wie es bei anderen immer aussah. Zischend zog ich die Luft ein, mit zusammengebissenen Zähnen stand ich wieder auf und beschloss weiterzumachen. Das werde ich aushalten, egal was kommen mochte. Immer wieder hatte ich auf den Baumstamm eingeschlagen. Mit Füßen und Händen. Dabei wich ich den unsichtbaren Schlägen seinerseits aus und konterte mit weiteren Schlägen. Bald fand ich einen Ast und benutzte ihn als Schwert. Damit machte ich weiter, während ich immer noch Hand und Fuß einsetzte. Erschöpft lag ich auf der Wiese. Mit geschlossenen Augen bemerkte ich zum ersten Mal meine schmerzenden Glieder. Der Unterschied zu den vorherigen Schmerzen war der, dass ich mir diese Wunden selbst zugefügt hatte und nicht von Killer bekommen hatte. Mit meinen allerletzten Kräften hievte ich mich auf die Beine, zog mir mit großer Mühe das Top und das T-Shirt – was ich locker darüber getragen hatte - vom Körper und streifte mir Schuhe und Shorts ab. Die Unterwäsche folgte daraufhin auch ohne große Sorgen. Wie gebannt trat ich an das Wasser und stieg hinein. Ich hatte mich nicht erneut umgesehen, da den gesamten Tag niemand vorbeigekommen war. Entspannend nahm ich die kühle war und merkte, wie sie meine Muskeln stimulierte. Mein Atem wurde mit jeder Minute ruhiger und so lehnte ich mich zurück und betrachtete den orangeroten Himmel über mir. Mir war gar nicht aufgefallen, dass es schon Abend war. Erschrocken kletterte ich aus dem Wasser und sah mich panisch um. Ich sollte zurück. Sonst würden sie sauer werden und nach mir suchen. Doch ich hatte nichts zum Abtrocknen. Mein Blick fiel auf das weiße T-Shirt. Ich musste das nehmen, es wäre durchsichtig und dann würden sie das Mal sehen. Schnell schnappte ich es mir und trocknete mich notdürftig damit ab. Zog mir Unterwäsche und alle anderen Sachen wieder an. Das T-Shirt knäulte ich etwas zusammen und dann joggte ich wieder los. Mit einem Mal wurden mir wieder meine Muskeln bewusst, doch ich hielt bis zum Schiff durch. „Wo warst du so lange?“, knurrte Kid. Wie erstarrt blieb ich stehen und wandte meinen Kopf langsam in seine Richtung. „Ich … war nur etwas … unterwegs und … ich … bin ja wieder … da“, stotterte ich, schluckte und nahm all meinen Mut zusammen, „du dachtest doch nicht, dass ich abhauen würde.“ „Man kann nie wissen“, er nahm einen kräftigen Schluck von seinem Krug – Met oder Rum. „Ich hab es ihr erlaubt, sie wollte etwas ihre Ausdauer trainieren und wollte joggen, vermutlich hat sie sich etwas verlaufen“, half mir Killer. „Ja… genau“, stimmte ich ihm eilig zu. Man war der wieder freundlich. Langsam stand Kid auf und trat zu mir, er beugte sich runter, „ich hab dich gesehen, siehst schon viel durchtrainierter aus, vielleicht bist du dann das nächste Mal aktiver – beim Dankeschön sagen.“ Erschrocken und verwirrt musterte ich ihn. Er grinste hinterhältig und ging weiter. Auch Killer wusste nicht um was es ging. Gähnend betrachtete ich den Vieze und hielt mir schnell die Hand vor den Mund. „Hast du noch was anderes gemacht, außer Joggen?“, er verschränkte missbilligend die Arme. „Natürlich nicht“, antwortete ich ihm viel zu schnell. „Surebi“, knurrte er gefährlich. „Tschuldige.“ Er seufzte, „los, ab ins Bett, morgen machen wir weiter.“ „Ich geh nur noch schnell unter die Dusche.“ Er winkte mich beiseite und lief in den Gemeinschaftsraum. Ich lief währenddessen unter Deck, ich war etwas dehydriert und landete etwas von Schwindel geschüttelt an meinem Türrahmen. Als ich mein Zimmer betrat lehnte an meinem Schrank etwas Großes. „Oh Roger“, kam es mir entsetzt über die Lippen. Vor mir lehnte die Sense an dem Stück Holz. „Gefällt sie dir?“, hörte ich an meinem Ohr. Erschrocken drehte ich mich um und erblickte Kid hinter mir. „Ich hab dir ja gesagt du könntest dich bedanken“, grinste er fies. Eilig machte ich einen Satz nach hinten und meine Augen musterten ihn entsetzt. Angst überkam mich. Ein tiefes Lachen drang aus seiner Kehle, „jage ich dir solch eine Angst ein?“ Kraftlos sankt ich an der Wand hinter mir hinunter. „Du bist ja völlig fertig“, lachte er, „ach kleine“, er strich mir über den Kopf und kniete sich zu mir herab, „schlaf dich lieber aus“, er gab mir einen Kuss auf die Stirn und verschwand. Ängstlich sah ich ihm nach. Ich schüttelte den Kopf, es brachte nichts, wenn ich darüber nachdachte. Also ab unter die Dusche. Kapitel 7: Sieg - fair oder geschenkt? -------------------------------------- Sieg - fair oder geschenkt? Wie neugeboren wachte ich am nächsten Morgen auf. Meine Muskeln spürte ich etwas und der vergangene Tag kam bei einem Blick auf die Sense zurück. Oh Mann. Was hatte ich da nur wieder angerichtet. Seufzend stand ich auf, holte mir neue Unterwäsche raus und zog schwarze Shorts und ein blaues Top an. Wie trage ich die Sense eigentlich herum? Verwirrt stand ich vor der Waffe. Ich nahm sie in die Hand und stellte entsetzt fest, dass sie gar nicht so leicht war. Killer hatte mir bereits gesagt, dass ich mich auf eine Waffe spezialisieren sollte. Dann sollte ich mich daran gewöhnen, um richtig mit ihr umgehen zu können. Die ganze Zeit in der Hand halten konnte ich sie nicht, da blieb mir nur die Möglichkeit sie auf den Rücken zu schnallen. Verunsichert betrachtete ich sie, da sie sehr gefährlich aussah – jetzt wo sie wirklich vor mir stand. Da sie mir nicht ganz geheuer war, schnappte ich mir meine Schuhe und schlich mich von Bord. Ich sollte zwar wieder mit Killer trainieren – schließlich hatte ich ihn darum gebeten – doch allein kam ich besser voran, so schien es mir. Ich joggte wieder durch den Wald. Zu der Lichtung. Doch dieses Mal lief ich eine längere Strecke. Ich wurde erst langsamer, als ich erneut Seitenstechen bekam. Das beste Aufwärmtraining. Seit einer Stunde trainierte ich Bewegungsabläufe, erst dann wollte ich wieder zu dem Baumstumpf um meine Kraft zu stärken. Nebenbei versuchte ich mein Gehör zu stärken und mich genau umzuhören. Wenn Kid mich am vergangenen Tag beobachtet hatte, konnte es gut sein, dass jemand gesehen hatte, wie ich mich vom Schiff geschlichen hatte. Wo ich so darüber nachdachte, kannte ich dessen Namen gar nicht. Es war ja überall bekannt, dass jedes Schiff einen Namen hatte. Immer wieder schlug ich auf den Baumstumpf ein, dem der Blitz sein Leben genommen hatte. Ich knurrte leise und schlug mit voller Kraft ein und tatsächlich, zum ersten Mal bröckelte die Rinde ab. Schon im nächsten Moment hielt ich inne und sah zum Waldrand. Das Knacken des Astes war nicht zu überhören gewesen. „Du wirst wirklich besser“, lobte mich Killer. Aufmerksam beobachtete ich ihn. „Und bemerkt hast du mich auch noch.“ „Der Ast hat geknackt.“ „Du bist gerade Mal zum zweiten Mal hier und viel besser geworden. Wieso?“, die Frage war nicht an mich gerichtet, „bin ich so ein schlechter Lehrer?“ „Äh… nein, natürlich nicht“, stammelte ich, „es ist nur…“ „Ja, ich weiß“, lachte er, „willst du es nochmal probieren?“ Ich nickte grinsend. „Du willst die Sense benutzen oder?“ Ich streckte ihm frech die Zunge raus, „mit der kann ich doch noch gar nicht umgehen.“ „Wenn wir wieder auf dem Meer sind, machen wir uns an die Arbeit, aber unterschätze den Feind nicht, Nahkampf und Schwertkampf bleiben bestehen.“ „Was hattest du denn sonst noch vorgesehen?“, kam es mir erschrocken über die Lippen. „Es gibt viele Waffen“, fasste er sich kurz und stürmte auf mich zu, „benutze alles in deiner Umgebung.“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich duckte mich weg, indem ich mich um den Baumstamm herumdrehte und sofort mit dem Fuß nach ihm trat. Er sprang in die Luft und zielte mit seiner Faust auf mich. Unglücklicherweise war ich zu langsam und er traf meine Schulter. Ein lautes Kacken ließ mich aufstöhnen und nach hinten taumeln. Doch Killer setzte gleich nach. Mit einer Abfolge von Faustangriffen drängte er mich nach hinten, immer weiter zum Wasser. Ich holte Luft und sprang beim nächsten Schritt nach hinten ab und vollführte einen misslungenen Salto, mit welchem ich Abstand und vor allem Zeit zwischen uns schaffte. Ich schaffte es rechtzeitig hochzuspringen als er bei mir war und schon flog ich in der Luft. Strahlend bemerkte ich, dass es geklappt hatte. Die Flügel auf meinem Rücken bestanden aus wunderschön weißen Federn und erstrahlten in der Sonne wie magisch. Ich flog etwas nach hinten und mit Schwung auf ihn zu. Mit dem Fuß voraus traf ich seine Maske. Er taumelte nach hinten, daher holte ich gleich mit der Faust aus und schaffte es, dass er auf dem Hintern landete. Verblüfft hielt ich inne und landete auf ihm. Wie du mir, so ich dir. Ich legte meinen Unterarm an seine Kehle und versuchte durch seine Maske zu sehen. „Das war Absicht“, war die einzige Schlussfolgerung davon. „Was?“ „Du bist absichtlich nach hinten gefallen“, ich lehnte mich zurück, saß aber immer noch auf ihm drauf. Wie gebannt sah ich ihn weiterhin an. Auch er wandte sich nicht ab. „Wenn du willst, kannst du gern noch weiter gehen“, amüsierte er sich und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. Durch seine beschissene Maske konnte ich sein Gesicht nicht erkennen. Doch er sah mehr als besser meine Röte. Erschrocken stand ich auf. Besser gesagt, ich flog vor ihm in der Luft. „Reg dich ab“, lachend setzte er sich auf und sah zu mir hoch. Stumm musterte ich ihn. Irgendwie hatte ich ja gewusst, dass er das nicht ernst gemeint hatte. Doch er war genauso von Emotionsschwankungen befallen wie der perverse Käpt´n des Kahns. „Wieso sind deine Flügel eigentlich weiß?“ „Was?“ „Von welcher Frucht hast du gegessen?“, er zog ein Knie an und stützte gemütlich seinen Arm darauf. Ich sank wieder auf den Boden und setzte mich. Mein Herr hatte den Namen einmal erwähnt. Doch ich wusste nicht mehr wirklich, wie er ging. Es war ein paar Tage bevor ich floh. An dem Tag hatte er sie von dem fremden Mann bekommen. Ich sollte ihnen nur kurz etwas zu trinken bringen und hatte es so zufällig mitbekommen. „Von der Flug-Frucht“, antwortete ich ihm in Gedanken versunken, „ich habe gehört, dass man dadurch fliegen kann und sich auch Flügel wachsen lassen kann, um mit diesen zu fliegen. Wenn man keine Flügel auf dem Rücken hat, kann man es sich so erklären, dass sie unsichtbar sind.“ „Interessant“, er fuhr sich durch die Haare, „also kannst du dir auch andere Flügel wachsen lassen?“ „Ich denke ja“, mit schräggelegten Kopf sah ich ihn an. „Probier es“, ermunterte er mich. Ich schluckte schwer und stand auf dem Boden. Ich wusste gar nicht, wie ich das anstellen sollte. Bisher hatte ich mir vorgestellt, wie die Flügel wuchsen. Mit aller Ruhe stellte ich mir vor, wie die einzelnen Federn zu Boden fielen. Bald war der Boden gespickt von den weißen Federn. Killer schnappte sich eine und spielte mit ihr, während er mich weiterhin beobachtete. „Kennst du die Flügel von Dämonen? Sie sind schwarz und ledrig“, er klang ruhig und seine Anweisungen waren klar vorgegeben, „mach das.“ Schwarz und ledrig. Ich erinnerte mich an ein Buch, welches ich einmal entstaubt hatte. Auf dem Einband war eine dämonische Figur dargestellt gewesen. Die Flügel glichen Fledermausflügeln. Fledermausflügel. „Beeindruckend.“ Erschrocken riss ich meinen Kopf nach oben. Ich hatte meine Augen geschlossen gehabt. Vorsichtig sah ich um mich herum und erkannte tatsächlich die Flügel einer Fledermaus oder eines Dämons? „Kannst du damit auch fliegen?“ Mit Leichtigkeit erhob ich mich in die Luft. „Experimentier weiter, das lässt sich bestimmt gut fürs Kämpfen umsetzten.“ „Wie meinst du das?“ „Wie es aussieht kannst du aus allem Flügel machen, perfekte Verteidigung und perfekter Angriff.“ Überlegend versank ich wieder in Gedanken, wenig später lag ich mit dem Rücken auf dem Boden. „Immer schön aufmerksam bleiben“, sein Grinsen war nicht zu hören. Er richtete sich auf und half dann auch mir wieder auf die Beine. „Gehen wir zurück.“ Er legte einen Arm um mich und führte mich selbstsicher durch den Wald, zurück zu dem Schiff. „Wie heißt das Schiff eigentlich?“, rutschte es mir einfach heraus. Der Blonde verfiel in schallendes Gelächter, „du bist seit Tagen, Wochen auf dem Schiff und kennst nicht einmal seinen Namen?“ Betrübt schüttelte ich den Kopf. „Soldier.“ Killer hatte mich mit meinen Gedanken wieder allein gelassen. Zuvor hatte er mich natürlich noch ausgelacht und wir hatten was gegessen. Ich saß in meinem Zimmer, auf dem Bett und an die Wand gelehnt. Ich dachte über einiges nach, während ich die Sense wie gebannt anstarrte. Er hatte Recht, ich war schon lange auf dem Schiff und schaffte es immer noch nicht den Abend mit den Anderen zu verbringen. Meine anderen Gedanken kreisten um das was Killer heute gesagt hatte. Wenn ich tatsächlich aus allem Flügel machen könnte, aus was könnte ich dann welche machen. Federn – wie Vögel, Fledermausflügel. Er meinte Angriff und Verteidigung. Die zwei Arten dienten eher zum Fliegen selbst. Normale Schilde waren aus Metall, doch konnte ich damit noch fliegen? Für den Angriff gibt es Schwerter, Elemente und jegliche Art von Waffen, doch damit kann man nicht fliegen, da würde ich abstürzen. Experimentieren war das richtige Stichwort. Probieren geht über Studieren – aber erst morgen. Kapitel 8: Aufpassen – auf mich oder auf das Schiff? ---------------------------------------------------- Lachend lehnten sich Killer, Heat, Wire und die Anderen zurück. Ich hatte soeben probiert mit Flügeln aus Stoff zu fliegen. Doch mein Hintern hatte hart den Holzboden des Schiffes geküsst. Heute Morgen hatten wir abgelegt und waren zur nächsten Insel unterwegs. Eine Sommerinsel, soweit es Kid gesagt hatte. Er stand vorn an Deck und behielt den Kurs im Auge, aber musterte auch uns. Er gab es zwar nicht zu, doch auch er fand es amüsant. „Gut, als nächstes Blumen“, schlug Heat vor. „Blumen?“, verwirrt sah ich ihn an, „wieso?“ „Nicht fragen, machen“, gab er nur zurück. Seufzend stand ich auf und konzentrierte mich. Bunte Blumen wuchsen mir aus dem Rücken, damit sie hielten rankten sich grüne Pflanzen darum, aus denen sie sprießen. Mit großer Mühe erhob ich mich in die Lüfte, sank aber gleich wieder auf den Boden zurück und die Blumen verstreuten sich in alle Richtungen. Lachend richtete sich Heat auf und holte tief Luft. Wenig später fingen die Blumen Feuer und sanken verbrannt zurück aufs Schiff oder auch ins Wasser. Erschrocken wich ich von einigen zurück, bevor sie mich trafen. „Es sieht einfach schön aus, wenn etwas in Flammen aufgeht“, war seine einzige Erklärung. Flammen. Flammen waren eine gute Angriffsmöglichkeit. Doch damit konnte ich nicht fliegen. Aber wenn ich mit normalen Flügeln in die Luft aufstieg, meine Flügel umwandelte, angriff und sofort wieder wechselte könnte es gehen. „Hey, Su“, holten mich die Jungs aus meinen Gedanken. „Mh?“ „Was ist los?“ „Ich hatte gerade nur eine Idee“, grinste ich. „Und die wäre?“, interessiert beugte sich Heat vor. „Auf dem offenen Meer viel zu gefährlich“, frech streckte ich ihm die Zunge raus. „Gut, übermorgen erreichen wir die nächste Insel, zeig es dann“, meinte Kid und widmete sich wieder dem Kurs, „ach ja, Surebi“, er drehte nur etwas den Kopf in meine Richtung, „du passt heute Nacht hier auf.“ Aufpassen? Wie geht das denn? Gähnend strich ich mir die Haare aus dem Gesicht. Keine Ahnung wie spät es war, doch ich wollte eigentlich nur ins Bett. Ich spitzte über den Rand des Krähennestes und erkannte … Nichts. Es war eine langweilige Nacht in der überhaupt gar nichts passierte. Wieso musste ich das überhaupt machen? Ich war eine Frau. Noch gar nicht so lange in der Mannschaft. Und von meiner Kampfkunst wollte ich schon gar nicht reden. Seufzend wickelte ich mich enger in die Decke. Ich sah nicht runter, also spitz dein Gehör, ermahnte ich mich. Ich horchte auf das Rauschen des Meeres, Vögel, welche kreischend übers Meer zogen. Das Schiff, wie es schneidend die Wellen durchbrach. Eine Tür, welche leise ins Schloss fiel. Eine Tür? Erschrocken stand ich auf und musste mich erst sammeln. Schwindelig klammerte ich mich an das Geländer. Blöder Kreislauf. Ich hielt mich auf den Beinen und sah auf das Deck runter. Das Holz schimmerte weiß in dem fahlen Licht des Mondes. Langsam wanderte ein Schatten über das Schiff. Neugierig beobachtete ich ihn weiter. Was machte Kid da? Konnte er etwa nicht schlafen? „Träum nicht vor dich hin“, knurrte er. Erschrocken lief es mir eiskalt über den Rücken. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich meinen Kopf auf meinen Arm abgestützt hatte. „Aye“, murmelte ich schnell, aber konnte meinen Blick nur sehr widerstrebend von ihm nehmen. „War alles ruhig bisher?“ Verwirrt darüber, dass er erneut eine Frage stellte und dann auch noch so eine, nickte ich. Wenn etwas passieren würde, würde ich doch sofort zu ihm oder einem der anderen rennen. Als ob er das nicht wüsste. „Also?“ Er klang auffordernd. Hatte mein Nicken in der Dunkelheit wohl nicht gesehen. „Ich habe dein Nicken nicht gehört.“ Erstaunt lief ich rot an. Wie machte der Mann das? „Nein, nichts.“ „Dacht ich mir schon. Braves Mädchen. Was sollte hier auch passieren.“ Sein freches Grinsen – welches er der Gallionsfigur schenkte – war nicht zu übersehen oder zu überhören. Verärgerung keimte in mir auf. Also hatte er mich hier ganz umsonst aufpassen lassen? Völlig umsonst? Ich sprang mit einem sicheren Griff über das Geländer und fing mich mit den Flügeln ab. „Warum sollte ich dann hier aufpassen?“ Ich schwor, wenn ich nicht immer noch Angst vor ihm hätte und ich meine Sense sicher führen könnte, dann … „Weil ich es kann“, er beugte sich immer noch grinsend zu mir runter, „Gänseblümchen.“ „Bitte was?“, ich wich einen Schritt zurück. Ich versuchte seinen Augen standzuhalten, doch mein Blick wanderte gen Boden. Oft bemerkte ich, dass ich mich stark verändert hatte. Ich war nicht mehr so unterwürfig wie früher. Doch ab und an brach die Sklavin in mir noch durch. „Du bist Piratin, also wehr dich“, knurrte er. „Aber wie“, ich klang wie ein verletztes Kind. „Was dir einfällt“, er zuckte mit den Schultern. Ich ballte meine zitternden Hände zu Fäusten und schluckte jegliche Furcht runter. Zögernd hob ich Hände und Kopf und schubste Kid mit aller Kraft nach hinten. „Sag so etwas nochmal und meine Faust ziert dein Gesicht“, meine Stimme klang weniger wie ein Kind, aber auch nicht wie ein gefürchteter Pirat. „Naja fast“, lachte er über mich, aber es verschwand kurz darauf, „und jetzt ab über die Planke mit dir. Niemand schubst den Käpt´n“, knurrte er. „Was?“, meine Augen weiteten sich, „nein“, ich sank auf die Knie. Doch er packte mich nicht. Er kniete sich vor mich. „So machte man jemandem Angst“, meinte er und klopfte mir auf die Schulter. Den Schmerz – der doch kraftvollen Bewegung – ignorierend, verarbeitete ich seinen Scherz. Arschloch. „Wo ist die Selbstsichere hin? Die, die letztens den Kerl in der Bar flachgelegt hat? Such die raus und hol sie nach vorn. Von hier nach hier“, er tippte mir auf den Kopf und … „Nimm deine Hand da weg“, zischte ich. „Mein Bonus“, grinste er frech. „Nimm sie weg oder ich schneid sie dir ab“, ich schlug seine Hand von meiner Brust, stand auf und ging ein paar Schritte rückwärts. „Jetzt hast dus“, auch er erhob sich, „trotzdem mag ich es nicht herumgeschubst oder angeschnauzt zu werden also machst du die nächsten zwei Tage Nachtwache“, er drängte mich zum Mast, „Schätzchen“, er umfasste mein Kinn und drückte mir seine Lippen auf, „viel Spaß.“ Der Käpt´n drehte sich um und verschwand wieder im Inneren des Schiffes. „Hey, Morgen“, grüßte mich Killer und spähte ins Krähennest. Müde sah ich nach oben. Ich war fertig. Nervlich und körperlich. Aber ich hatte durchgehalten. „Kann ich ins Bett?“, krächzte ich. Er lachte und nickte, „willst du nicht noch was essen?“ „Nein“, ich schüttelte den Kopf, „nichts und niemand kann sich zwischen mich und mein Bett stellen.“ Ich hievte mich hoch und landete mit einem eleganten Sprung unten. Kurz nach mir fand auch Killer runter. „Gute Nacht“, ich winkte ihm kurz zu schlurfte dann zu meinem Geliebten. Murrend setzte ich mich auf. Welches Arschloch von Idiot war so laut? Grummelnd schlug ich die Decke zurück und stand auf. Ich schnappte mir Shorts und Top und zog sie an. Dabei lief ich zur Tür und verfluchte denjenigen, der auch immer dort oben so laut auf Deck war. Der Stand der Sonne verriet zwar, dass es bereits Mittag war, womit ich in etwa 5 Stunden geschlafen hatte, aber ich hatte es mir – mehr oder weniger – angewöhnt verärgert zu sein, sollte ich nicht genug schlafen. Wütend schlug ich die Tür auf und trat ins Freie. „Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“, scherzte Heat und musterte mich. „Hat dich ein Blitz getroffen?“, machte Wire weiter. „Schnauze“, giftete ich und lief an ihnen vorbei. Ich wusste bereits, wer Schuld an dem Lärm war. Denn er versteckte sich nicht sonderlich. Grinsend stand Kid an Deck, kratzte weiter mit Metall über den Boden und freute sich seines Lebens – wie es schien. „Willst du eine Typveränderung machen?“, lachte Killer leise. Finster funkelte ich ihn an und schritt weiter. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und knurrte leise, während ich den Käpt´n von oben bis unten musterte. „Dein neuer Look steht dir“, grinste er. Nur um es mir zu demonstrieren, hielt er ein Stück Blech in die Höhe. Meine Haare waren – nicht anders zu erwarten – völlig durcheinander und standen teilweise von meinem Kopf. Das Top war noch nicht ganz runtergezogen. Meine Augen waren gerötet und die Schuhe hatte ich komplett vergessen. Erneut knurrte ich. Er war so ein Arsch. „Ach Kleines. Hab dich nicht so. Ich würde zwar noch ein paar Verbesserungen vornehmen, aber bald schon kommst du an eine gefürchtete Piratin ran, Gänseblümchen.“ „Nenn mich nicht so“, schrie ich ihn an. „Oh, du hast wieder Mumm. Verschwindet er gleich wieder?“, grinsend beugte er sich vor. Erschrocken wich ich kurz zurück, fing mich aber gleich und funkelte ihn erneut finster an. Er war so ein blöder Sack. Wusste genau wie er mich aus der Fassung bringen konnte und nutzte das natürlich schamlos aus, egal wie oft, jedes Mal klappte es. Das musste ich ändern. „Du weißt ganz genau, dass ich müde bin und meinen Schlaf brauch.“ „Ich halte dich doch nicht davon ab“, kam es unschuldig zurück. Genervt kreischte ich auf und drehte mich um. Soll er doch zur Hölle fahren. Aber für ihn war das vielleicht sogar der Himmel. Ach er soll einfach nur verrecken. Ich würde auf jeden Fall wieder ins Bett gehen. Erst als ich vor meinem Zimmer stand, beruhigte ich mich wieder und atmete tief durch. „Ich könnte mich natürlich auch zu dir ins Bett legen und damit könnte ich dich vom Schlafen abhalten. Oder du fesselst mich, dann wärst du sicher“, flüsterte mir das Arschloch ins Ohr. Doch dumm wie ich war, erschreckte ich mich und landete mit einem dumpfen Aufprall an der Tür. Mit einem genervten Seufzen rutschte ich an ihr runter und blieb – mit der Stirn an die Tür gelehnt – sitzen. Ich spürte wie auch er auf die Knie ging. Sanft fuhr seine Zunge von meiner linken Schulter zu meinem Hals entlang und jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. An meinem Hals angekommen knabberte er vorsichtig daran. „Wieso machst du das?“, wollte ich mit zitternder Stimme wissen, aber rührte mich nicht oder hielt ihn davon ab. „Es macht Spaß dich zu ärgern, außerdem will ich keinen von meinen Männern flachlegen. Bin nicht so drauf“, lachte er leise und biss in meinen Hals, die Stelle küsste er sofort, schob meine Haare zur Seite und knabberte weiter, „außerdem schmeckt deine Haut so süßlich. Das macht süchtig.“ „Was?“, verwirrt drehte ich mich um, knallte aber mit dem Kopf gegen seinen, „autsch“, jammerte ich und hielt mir die Stirn. „Du bist echt schrecklich“, er lehnte sich zurück. Ich musterte ihn, „danke, aber das hätte ich eher über dich gesagt“, ich versuchte nach oben zu sehen, ob es bluten würde. Er lachte und strubbelte mir durch die Haare, „was bist du nur für eine?“ „Was?“ „Ach nichts“, er stand auf und hielt mir die Hand hin. Dankend nahm ich sie an und er zog mich hoch „Gut, ich geh schlafen“, murmelte ich und drehte mich um. „Wirklich?“ „Willst du mich etwa immer noch davon abhalten?“, wieder genervt sah ich die Tür an und wartete auf seine – höchstwahrscheinlich – zynische Antwort. „Du kannst dir nur sicher sein, dass ich dich nicht davon abhalte, wenn ich mit dir in diesem Raum bin“, lachte er leise, „entweder unter dir, über dir oder vielleicht sogar gefesselt, aber selbst dann kann ich gefährlich sein“, raunte er mir ins Ohr. „Lass mich schlafen“, grummelte ich und schlurfte zu den weichen Wolken, die mich im Traum erwarteten. Ohne ihn weiter zu beachten ließ ich mich ins Bett fallen und kuschelte mich in die Decke, sollte er doch machen was er wollte, mich ärgern durfte er nicht! Aber wenn man sich zu früh freute, passierte das Gegenteil. Die Tür flog zu und die Luft wurde mir aus den Lungen gequetscht, während ich weiter im Bett versank. „Rrrunter“, brummte ich. „Wie?“ „D-du bist zu sch-schwer“, ich bäumte mich mit aller Gewalt auf und er rutschte von mir runter. Erschöpft sackte ich zusammen. Zu müde. Zu verärgert. Zu schläfrig. Ich bekam schon gar nichts mehr mit. Ob er ging oder nicht. Mir war es egal. Die Müdigkeit überfiel mich und ich ließ mich einfach nur noch fallen. Kapitel 9: Alptraum – früher und auch heute ------------------------------------------- Gähnend öffnete ich die Augen. Verwirrt sah ich mich um. Es war brühend heiß. Und die Decke ließ sich nicht zurückschlagen. Ich konnte mich noch gar nicht so stark bewegen, als das ich das hätte tun können. Noch verwirrter machte mich ein Schnarchen das plötzlich erklang. Vor Schreck zuckte ich zusammen und drehte meinen Kopf. Mein Herz hörte ich laut hämmern und dann sah ich auch den Grund. Der Grund war zwei Meter groß, hatte rote Haare und umklammerte mich wie ein Klammeraffe kurz vorm Ertrinken – der Käpt´n. Mein Käpt´n. Er war nicht gegangen, auch er war anscheinend eingeschlafen und lag nun noch hier. Genervt seufzte ich und versuchte mich aus dem Griff zu befreien, doch er packte mich nur fester. „Lass mich los“, entfuhr es mir. Grummelnd öffnete das rothaarige Etwas die Augen und starrte mich verschlafen an. „Was?“, warf er mir schon wieder vor, „lass mich schlafen.“ „Gut“, stimmte ich ihm zu, „dann schlaf ich auch weiter und halte heute nicht Wache.“ Sofort nahm er den Arm weg und entließ mich der Freiheit. „Arsch“, zischte ich leise und stand auf. „Was hast du gesagt?“, schrie er. „Ach nichts“, säuselte ich weiter und schnappte mir ein paar Klamotten. Ich drehte mich von ihm weg und zog mich in Windeseile um. Dann huschte ich blitzschnell aus dem Zimmer, da er schon wieder zu schnarchen begann – er hatte ja kein eigenes Bett oder so. Mein Bauch ließ mich aber auch schneller laufen, ich brauchte was zu Essen. Den Tag verschlafen und seit über 24 Stunden nichts mehr gegessen. Mein erster Weg führte mich demnach in die Kombüse, tatsächlich, Heat hatte einen Teller auf der Arbeitsfläche stehen lassen und ein kleiner Zettel lag daneben: Iss endlich was du kleiner Engel! Klein? Ich war mindestens 1,80. Grummelnd fand ich es aber süß von ihm. Er hatte an mich gedacht. Genüsslich biss ich in das Fladenbrot, es schmeckte nach einem Stück Fleisch, Salat, Tomate und einigen Kräutern – vermutlich war das eine Soße. Weiter kauend lief ich an Deck. Die Jungs saßen in einem Kreis zusammen und lachten plötzlich laut auf. „Hey“, grüßte ich sie. „Hi Liebes“, winkte mich Rock her und klopfte neben sich. Rock war ein großer Mann, hatte einen blonden Irokesenschnitt und trug meist Jeans, ein orangenes Shirt und eine blaue Jacke darüber. Sein Gesicht war mit zwei Strichen von seinen Haaren bis zu seinem Kinn bemalt. „Danke“, murmelte ich mit vollem Mund und setzte mich zwischen Heat und Rock. „Kein Ding.“ „Ist Engelchen ausgeschlafen?“, zog mich Killer auf – wahrscheinlich hatte er den Zettel gelesen – denn es klang etwas spöttisch. „Lass das“, knurrte ich und sah zu Heat – er hatte es süß gemeint und nun wurde er verspottet. „Was geht denn mit dir?“, lachte Wire. Ich antwortete nicht darauf, sondern aß weiter. Sollten sie doch reden. Das Brötchen schmeckte mehr als gut. Bald schon hatte ich es aufgegessen. „Was machst du eigentlich hier?“, fragte mich Heat dann. „Nachtwache“, mir fiel auf, dass ich das erste Mal so richtig bei ihnen saß und mit ihnen redete. Ganz normal. „Ach schon wieder?“ „Ja, aber ich könnte gerade so gut weiterschlafen“, gähnend legte ich meinen Kopf an seine Schulter. „Du musst nicht aufpassen“, grinste Rock. „Ich weiß, hier kommt niemand her.“ „Nein, ich sollte Wache halten“, korrigierte er mich. „WAS?“, ich drehte meinen Kopf mit einem Ruck zu ihm herum – es knackste. Schmerzend fasste ich mir an den Nacken und zog zischend die Luft ein. Innerlich kochte ich wieder. Der Arsch von Käpt´n hatte mir umsonst 3 Tage aufgebrummt. So ein Idiot. Dafür wird er jetzt aus dem Bett geschmissen. Wütend sprang ich auf. „Was ist los? Wo willst du hin?“, Killer schien verwirrt. „Ich muss Müll entsorgen“, knurrte ich. Eilig machte ich mich auf den Rückweg zu meinem Zimmer. Immer noch schnarchend fand ich ihn vor. So lief ich einmal um das Bett herum und stellte mich vor ihn. Ich schnaubte kurz und packte ihn dann an Schulter und Bein und zog. Ich musste viel Kraft aufwenden um ihn herumzudrehen. Leider konnte ich ihn nicht aufhalten, so flog er vom Bett, ich verlor mein Gleichgewicht und landete quer auf ihm. Schnell wollte ich aufstehen, doch ich wurde festgehalten. „Was soll das?“, erklang seine tiefe Stimme klar. „Ich muss gar nicht Wache halten“, hielt ich ihm vor. „Nun ja, vier Augen sehen besser als zwei.“ Er ließ mich immer noch nicht los, sondern zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. Also nahm ich mal wieder meinen Mut zusammen: „Sich alleine zu vergnügen während der Wache ist ja auch nicht das Wahre, geht zu zweit auch besser.“ Er packte mich fester am Oberarm und drehte mich mit einem Ruck unter sich. Wütend funkelte er mich an. „Sag das nochmal und ich lass dich nie mehr aus diesem Zimmer raus!“ Ängstlich starrte ich ihn an. Mein Mund war leicht geöffnet. Ein eiskalter Schauer jagte mir einer nach dem anderen den Rücken runter. Schweiß drang aus jeder meiner Poren. Ich dachte er schlägt mich gleich. Doch er starrte mich nur weiter finster an. „D-Da…“ „Ruhe!“, keifte er mich an, „das ist nicht witzig, du bist nicht zu ihrem Vergnügen hier. Du bist eine Piratin. Ihre Mitstreiterin. Nicht mehr. Nicht weniger. Deine Loyalität gilt allein mir, ein bisschen nur den Anderen – wir wollen ja nicht, dass du sie abstichst.“ „A-Ab…“ „Nein!!“, er hielt mir den Mund zu, „du bist jetzt still.“ Ich wusste schon, wieso ich ihn nicht mochte. Schaukelpferd! – wurde für mich immer mehr zu einer Beleidigung. Er jagte mir unheimliche Angst ein und machte mich gleichzeitig wütend. Aber ich gehorchte. Zu meiner Verwunderung stand er auf, ließ mich am Boden liegen und ging zur Tür. Er sperrte zu. Kam zurück, hob mich hoch und legte mich ins Bett. Immer noch verwirrt und ein bisschen verängstigt, beobachtete ich jede seiner Bewegungen. Ich hatte Angst, dass er wieder die Hand gegen mich erhob. Doch er legte sich lediglich neben mich, zog mich an sich und sagte keinen Ton. Vorsichtig hob ich meinen Kopf und sah zu seinem Kopf hoch. Er starrte finster die Decke an. In seinen Armen konnte ich mich nicht wirklich rühren, so hob ich unter größtem Kraftaufwand und mit größter Vorsicht den Kopf und rutschte zu ihm hoch. Ich lächelte ihn an und gab ihm einen Kuss auf die Wange, dann legte ich mich – damit er nicht auf böse Gedanken kam – wieder an seine Brust und schloss die Augen. Er tat nichts, zumindest spürte ich nichts, so schlief ich ein. Der Himmel war strahlend blau und lachend rannte ich über die Wiese vor unserem Haus. Meine beste Freundin rannte vor mir her. Ich erinnerte mich kaum an ihren Namen, noch an ihr Gesicht. Ich sah nur ihre blonden Haare im Wind wehen. Wir spielten Fangen, wie jeden Nachmittag, wenn es schön war. Bis die Sonne unterging oder unsere Eltern uns zurückriefen. Mit einem leisen Aufschrei überschlug sie sich glucksend und blieb lachend im Gras liegen. Kichernd stand ich neben ihr und ließ mich in das weiche Gras fallen. Völlig in Gedanken riss ich ein paar Halme ab und zupfte an ihnen herum. Dann ließ ich sie auf meine Freundin herabrieseln. Ein Schrei schreckte uns aus unserer kleinen heilen Welt. Erschrocken und verwirrt sprangen wir auf die Beine. Tiefe Stimmen erschallten. Aufgeregtes herumrennen der Dorfbewohner und höllisches Lachen. Die Frauen und Männer, Mädchen und Jungen wurden gepackt. Gefangen. Verschleppt. Sie warfen Schlingen nach ihnen, welche sich am Hals zuzogen. Wir wollten nach Hause, doch da hatten uns diese Männer gefasst. Sie zerrten uns weg. Unsere Eltern sahen wir nur in weiter Ferne, wie auch sie mitgeschleppt wurden. Wir wurden auf ein Schiff gebracht und dann sahen auch wir uns nicht mehr… Seit Tagen waren wir auf hoher See. Das Schiff schaukelte. Mir war schlecht. Keine frische Luft. Nichts Richtiges zu Essen. Wenig Wasser. Keinen richtigen Schlaf gehabt. Als wir nach einer Ewigkeit wieder Tageslicht sahen, blendete es und ich wäre wieder zurück. Doch wir waren mittlerweile mit Ketten aneinandergebunden. Die Insel war riesig. Meterhohe Bäume standen dicht an dicht. Aus dem Boden stiegen Blasen in die Höhe. Immer wieder hörte man ein „Plop“. Es kam von oben. Die Männer führten uns weiter über die Insel. Wir liefen über Brücken, an Häuser vorbei. Viele Menschen starrten uns an. Wie gern hätte ich mich abgewandt. Wäre für immer verschwunden. Meine Knie und Ellbogen waren von dem ständigen Sitzen und Liegen Wund gerieben. Sie hatten uns herumgescheucht uns zu Arbeiten auf ihrem Schiff gezwungen. Dabei hatte ich gesehen, dass es drei Schiffe gab. Meine Familie hatte ich auf einem der anderen vermutet… Die Männer brachten uns zu einem großen Haus. Wir liefen aber nicht vorn rein, wir gingen um das Haus herum und traten durch einen kleinen Seiteneingang ein. Riesige Gitter ragten vor uns empor. Dann schubsten sie uns hinein. Sperrten hinter uns zu. Die Männer feilschten und bekamen letztendlich einen dicken Sack – mit Berry vermutete ich. Traurig zog ich meine Beine an den Körper und so gut es mir möglich war, legte ich meine Arme herum. Ich weiß nicht lange wir dort saßen, doch bald schon wurden die Ersten mitgenommen. Ich hörte laute Stimmen. Rufe. Zahlen. Einen Hammer. Kurz darauf zerrten sie auch mich auf die Beine und schleiften mich mit. Grelles Licht blendete mich und ich war fast blind. Wieder hörte ich wildes Gemurmel und Rufe. Alles sprach durcheinander. Dann schlug der Hammer und ich wurde weitergezerrt. Ein Sack wurde getauscht und ein Mann nahm mich in Empfang. Er grinste breit und nahm mich mit… „Ich will nicht“, schrie ich. Seit ein paar Tagen lebte ich bei dem Mann. Er hatte mir sein Haus gezeigt und mir ein Zimmer zugewiesen, welches ich mit einem Jungen teilte. Er war etwas älter als ich. Er hatte mir gezeigt was ich zu tun hatte und hatte mir auch erklärt, dass ich eine Sklavin war. Nun hatte mich mein Herr in den Stall bringen lassen. Zwei seiner Männer hielten meine Arme fest und ich wurde zu einem Tisch gezerrt. Er war aus Stein und sie legten mich bäuchlings darüber – damit ich noch auf dem Boden stehen konnte. Sie zerrten mein Shirt nach oben. Währenddessen liefen mir unaufhörlich Tränen übers Gesicht. Der Junge hatte mir gesagt, was sie mit mir tun wollten. Jedoch konnte ich mich nicht dagegen wehren. Aus vor Schreck geweiteten Augen sah ich das glühende Eisen. Es war kreisrund und hatte einige Ornamente. Ein erstochener Vogel. Schnell presste ich die Augen zu. Dann spürte ich das Brandeisen auf meiner Haut. Sie drückten es hart auf meine Hüfte. Jegliche Kraft schwand aus meinem Körper. Der Schrei raubte sie mir. Die Männer ließen mich los und so blieb ich ohne eine Regung liegen. Mein Rücken brannte und nun fühlte es sich unnatürlich kühl an. Mit einem Schrei fuhr ich in die Höhe. Meine Augen waren aufgerissen und ich spürte den leichten Schweißfilm auf meiner Haut. Mein Körper zitterte und mein Herz raste. Mein Atem ging stockend und dann rührte sich etwas neben mir. „Alles in Ordnung?“, fragte mein Käpt´n verschlafen und griff nach mir. Immer noch zitternd rutschte ich ein Stück von ihm weg. Verwirrt setzte er sich auf und musterte mich. „Fass mich nicht an“, meine Stimme klang so, wie mein Körper sich anfühlte – sie zitterte. „Was ist denn los?“ „Nichts, mir geht’s gut, aber fass mich nicht an“, murmelte ich recht schnell. Mein Rücken schmerzte und die Narbe brannte. Es war, als wäre ich dort gewesen, als hätte er mir das Eisen ein zweites Mal an den Rücken gepresst. „Es war nur ein Traum“, redete er beruhigend weiter und streckte vorsichtig die Arme nach mir aus. Wieder rutschte ich etwas weg, „nein“, Tränen rollten mir über die Wange. „Sch… es war nur ein Traum und ich tu dir nicht weh“, vorsichtig legte er mir seine rechte Hand auf die Beine, die andere griff um mich herum und strich beruhigend über meine linke Schulter, „komm her.“ Er hatte Abstand zu mir gehalten, um mich nicht zu verängstigen. Immer noch aufgewühlt sah ich ihn an. Ich entspannte mich etwas und auch mein Körper verkrampfte sich nicht mehr so sehr. Das war ein Zeichen, dass er näher heranrutschte und mich in den Arm schloss. Beruhigend redete er auf mich ein und drückte meinen Kopf an seine Brust. Sein Herzschlag beruhigte mich und so schloss ich die Augen und fing mich wieder. Es war nur ein Traum. Seufzend schmunzelte ich. Roger sei Dank. Er drückte mich etwas von sich, küsste mich aber noch aufs Haar und sah mir dann in die Augen, „alles wieder in Ordnung?“ Ich nickte leicht. „Meine Narbe schmerzt etwas“, gestand ich noch. Sein Blick glitt an meiner Seite hinab. Dann sah er nach draußen. Es dämmerte und im Raum war es ziemlich dunkel. Schnell suchte er das Licht. Mit sanfter Gewalt drückte er mich auf das Bett und drehte mich auf den Bauch. Ich sträubte mich und protestierte. Er sollte sie nicht anfassen. Zu meiner Verwunderung merkte er es und nahm den Saum an meiner anderen Hüfte und zog von dort aus hoch. Damit er die Narbe nicht berührte. „Was ist denn das?“, hörte ich ihn. Er klang nicht normal. Er war misstrauisch und skeptisch. Etwas Ekel schwang mit und er klang erschrocken. „Was ist“, wimmerte ich schon fast. „Da sind ein paar kleine Bläschen – wie Brandblasen, aber die gibt’s wenn gleich danach. Deins ist eigentlich schon eine verheilte Narbe.“ Ich merkte einen Luftzug – er kam ihr näher – das spürte ich. „Nicht“, rief ich und wollte mich wegdrehen. Doch da berührte er sie schon. Ein Schmerz durchzuckte meinen Körper und ich biss die Zähne zusammen. Ein schmerzerfülltes Keuchen und ein kleiner Schrei fanden dennoch den Weg aus meinem Mund. „Tschuldige“, meinte er schnell, „warte hier und rühr dich nicht.“ Kapitel 10: Der skrupellose Käpt´n – für mich, für andere, für alle ------------------------------------------------------------------- Seufzend stand ich an Deck. Der Verband um meinen Bauch störte mich. Aber sonst würde der Stoff meines Shirts die ganze Zeit an der Narbe reiben. Kid war vergangene Nacht aus dem Zimmer gerannt und war kurz darauf wiedergekommen. Er hatte mir etwas auf die Narbe geschmiert, mich aufrecht hingesetzt und einen Verband herumgewickelt. Ich hatte ihn gefragt, ob er etwas von Medizin verstehe, doch er verneinte. Was er draufgeschmiert hatte, kommentierte er mit ‚eine Salbe halt‘. Er erklärte mir, dass Rock sie gemacht hatte. Er war ein Schiffsarzt. Das hatte ich davor auch noch nicht gehört. Heute Morgen hatte er mich zwar festgehalten, aber nicht wie zuvor kochen wollen. Einfach nur einen Arm um mich gelegt. Ich war sogar richtig gut aufgewacht und hatte dann schön geschlafen. Von ihm war seither auch keine weitere blöde Bemerkung gekommen und so konnte ich den Tag bisher genießen und mich erholen. Das Training hatte er mir verboten und ich sollte auch möglichst viel im Bett liegen. Doch der Kerl konnte mir die frische Luft nicht entziehen. Wäre ja auch noch zu schön um wahr zu sein. „Dürfen wir heute wieder an deiner Comedy-Show teilhaben?“, Killer lehnte sich mit dem Rücken zur Reling neben mich. „Nein, heute nicht.“ „Was ist denn mit dir los?“ Ob das nun besorgt klang oder nicht – ich hatte immer noch keine Ahnung. Wieso musste der Kerl auch immer eine Maske tragen? „Nix“, meine Stimme verklang im Nichts. „Sicher, Kleines?“, er beugte sich zu mir rüber. „Mh“, antwortete ich ihm kurz und stieß mich von der Reling ab, langsam bekam ich Hunger. Ich wollte zur Kombüse. Heat machte Frühstück und ich hoffte er war bereits fertig. Schon seit ein paar Stunden hatte ich Hunger, aber ich wollte nicht selbst etwas machen. Trotz Sklavin war ich keine besondere Köchin. Ich hatte es nie gelernt und sonst hatte ich auch nur immer als Servierkraft alles gemacht. Ich durfte meinem Herrn hinterher rennen und Sachen nachtragen. Putzen. Und Dinge, die ich vergessen wollte. „Hey, Schatz“, begrüßte mich der Grauhaarige. Langsam hatte ich mich an die Kosenamen gewohnt, auch wenn sie mir nicht wirklich gefielen. „Bist du schon fertig? Ich hab Hunger“, grinste ich und schaute an ihm vorbei, obwohl er versuchte mir den Blick zu verwehren. „Gleich, ich brings dir hoch.“ „Werd ich jetzt bedient?“ „Aber sicher doch Prinzesschen.“ „Dummkopf“, scherzhaft streckte ich ihm die Zunge raus und ging dann schnell nach oben. Seufzend setzte ich mich auf einen der Stühle. Meine Narbe schmerzte. Stöhnend verschränkte ich meine Arme auf dem Tisch und legte meinen Kopf darauf. Grüne Wiese, Blumen, Vögel, Hundebabys, Wattewolken, weiche Kissen, … „Was machst du?“, der Feuerspucker kam mit zwei Tellern die Treppe hoch. „Ach, nichts“, ich setzte mich schnell aufrecht hin. Geholfen hat die Ablenkung sowieso nicht. Heat stellte mir den einen Teller vor die Nase und setzte sich mir gegenüber hin. Verblüfft sah ich darauf herab. Der Teller war fast schon überladen voll. „Was ist das?“, ich zeigte auf die drei Brotscheiben in der einen Ecke. „Ich hab Brot in einer Eiermilch eingeweicht und dann angebraten. Danach hab ich Zucker und Zimt drüber gestreut.“ „Ah.“ Es klang lecker, obwohl ich mir nichts unter dem Geschmack vorstellen konnte. Der Rest des Tellers war mit Obst überschüttet. Trauben, Erdbeeren, Apfelschnitze, Ananasstücke – kunterbunt. „Du brauchst Vitamine, du siehst etwas krank aus“, grinste er mich an. „Danke“, schon steckte ich mir einen Apfelschnitz in den Mund. Köstlich sauer und knackig. So liebte ich Äpfel. Ich hatte früher fast ausschließlich mehlige essen können. Welche, die nicht mehr ganz so gut waren. Das Beste vom Schlechten eben. Nach weiten kleinen Häppchen in der Obstabteilung wagte ich mich an das Brot. Ich nahm Messer und Gabel und schnitt etwas davon ab. Kurz bevor ich es mir in den Mund stecken konnte, kamen Wire, Rock und Killer zur Tür hinein gestürmt. Abrupt bremsten sie ab und musterten uns finster. „Euer Essen steht unten – holts euch selbst“, kommentierte Heat und biss von seinem Wurstbrot ab. „Na super“, brummten die drei und machten sich auf den Weg. Meine Laune sank in den Boden. Wenn der Tag so anfing, wollte er keinen Spaß machen. Schnell schob ich mir den Bissen in den Mund und versuchte die drei zu ignorieren. Das Brot schmeckte überraschend gut. Schnell war die erste Scheibe verschwunden. Ich versuchte mich zu beeilen, ich wollte so wenig wie möglich von ihrer Stimmung mitbekommen. Doch die drei aßen relativ ruhig. „Heute gibt’s keine Lacher?“, wollte Rock breit grinsend wissen. „Nein, gibt’s nicht“, Kid hatte die Tür hart aufgestoßen, die knallte gegen die Wand dahinter, „ihr geht’s nicht gut und eigentlich sollte sie im Bett bleiben“, böse funkelte er mich an. „Das sollte ich als Arzt aber wissen“, er musterte mich skeptisch. „Es ist nichts ernstes“, ich erwiderte den Blick des Käpt´n. „Du gehst zurück ins Bett“, knurrte er. „Das werd ich nicht“, trotzig stand ich auf und nahm meinen leeren Teller. Eilig räumte ich meinen Teller in die Kombüse und verschwand. Würde diese Diskussion länger anhalten, würde ich einknicken – wie jedes Mal. Aber zurück in mein Zimmer wollte ich nicht. Und an Deck dürfte ich mir das gleiche wieder anhören. Ziellos schlenderte ich durch das Schiff. Am Ende des Ganges war eine Tür, die meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Die zwei Zimmer der Jungs waren in einem anderen Teil des Schiffes, das wusste ich. Heat hatte mir gesagt, dass in den beiden Zimmern momentan je vier Betten standen. Killer schlief momentan allein in einem Raum. Der Rest besetzte das andere. Ängstlich sah ich mich um. Gut möglich, dass Kid mir gefolgt war. Aber der Gang hinter mir war leer, so traute ich mich näher an die Tür heran und legte meine Hand auf die Klinke. Die war doch recht verstaubt. Ich erwartete schon eine Gefängniszelle mit einigen Skeletten und zwei vermoderten Leichen. Als ich die Tür aber öffnete, breitete sich vor mir ein großer Raum vor mir aus. Er hatte einige Fenster mir gegenüber und an den übrigen Wänden waren hohe Regale. Stutzend blieb ich stehen. Ich erinnerte mich. Killer hatte mir die Bibliothek gezeigt, doch da hatte sie kleiner ausgesehen und nicht so verstaubt. Oder hatte ich das falsch in Erinnerung? Ich fand es schade. Bücher einfach so ihrem Schicksal zu überlassen. Verstauben lassen. Nicht mehr nutzen. Bücher waren zum Lesen da. Ich würde sie gerne lesen, wenn ich es denn könnte. „Was machst du hier?“, ertönte die tiefe Stimme von Kid. Er stand im Türrahmen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich in den Raum gelaufen war. „A-ach nichts“, traurig senkte ich den Blick. „Willst du was lesen?“, er trat neben mich und sah sich um, „die haben den Raum ziemlich verstauben lassen“, brummte er, „also“, er drehte sich zu mir, „möchtest du?“ „Ich kann nicht lesen“, erklärte ich. „Was?“, grinsend sah er mich an. Ich konnte in seinen Augen deutlich lesen wie er überlegte und sich einen Scherz ausdachte. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Bald würde die nächste Erniedrigung folgen. Darauf konnte ich verzichten. „Na los. Mach deine Scherze, dann hab ich‘s hinter mir“, ich war auf alles gefasst. „Soll ich‘s dir beibringen?“ Auf wirklich alles … aber nicht auf das!! Mein Kinn fiel wie eine Klappe nach unten. Ich konnte es nicht fassen. Meine Augen weiteten sich ungläubig. „W-wie bitte?“, brachte ich nach fünf langen Minuten raus. „Du hältst mich für den skrupellosen Käpt´n nicht wahr?“ „Wer bist du sonst?“, ich zuckte mit den Schultern. „Ich will, dass die anderen mich für den skrupellosen Käpt´n halten.“ „Für was soll ich dich dann halten?“ „Für einen verrückten Käpt´n … vielleicht“, sein Blick wanderte an die Decke und er grinste breit. Verwirrt zog ich die Nase graus und versuchte mit den Gedanken hinterher zu kommen. Doch mein Kopf wollte nicht so richtig. „Su“, er sah mich an. Ich schüttelte meinen Kopf um wieder klar denken zu können und auch klar sehen konnte. Er legte seine Hände auf meine Schultern und sah mich direkt an. „Solange meine Mannschaft hinter mir steht, kann ich der liebevolle Käpt´n für alle sein. Sollte sich aber einer gegen mich stellen, werd ich zum grauenhaften Monster für alle. Wobei das erste eher unwahrscheinlich ist. Ich bin weniger liebevoll, ich bin mehr … ähm … sagen wir doch eher, wir kommen miteinander aus“, er streckte mir kurz die Zunge raus. „Äh …“ „Hat‘s dir jetzt die Sprache verschlagen?“ „Aber…“ „Find dich damit ab. Du gehörst jetzt zu unserer Mannschaft. Zu meiner Mannschaft. Ich hab bisher noch nichts von der kleinen Sklavin gesagt. Aber ich kann das gerne ändern – wenn du magst. Also nimm es jetzt einfach mal hin.“ Mir blieb wirklich die Sprache weg. Also nickte ich. Ich verstand es einfach nicht. „Du bist keine Sklavin mehr. Du gehörst jetzt hierher, auch wenn du dich noch nicht wirklich ein Teil der Mannschaft fühlst. Wir helfen uns, auch wenn wir nicht so aussehen. Überleg es dir, Kleines.“ „Der Sinneswandel kommt so plötzlich“, brachte ich nur noch fast tonlos heraus. Er lächelte: „Du hast auch eine schlechte Nacht hinter dir. Und ich schwöre, wenn du dich überanstrengst in den nächsten Tagen, dann bin ich der erste der sagt: ‘Ist deine eigene Schuld‘.“ Unwillkürlich musste ich kichern. DAS wiederum konnte ich mir gut vorstellen. „Käpt´n“, Rock kam den Gang entlang gerannt. Schnell ließ Kid von mir ab und drehte sich um: „Was denn?“ Jetzt klang er wieder verärgert und eigentlich wie immer. „Land in Sicht.“ Kapitel 11: Schiffbewacherin – stark und passt nicht auf -------------------------------------------------------- Eustass Kid rannte in Windeseile nach oben an Deck. Rock und mich ließ er einfach stehen. Verwirrt sahen wir uns an und sahen ihm dann nach. „Was habt ihr hier gemacht?“, fragte er mich, als er bemerkt hatte, wo wir uns befanden. Mein Mund öffnete sich, doch ich wusste nicht wirklich eine Antwort darauf. Also schloss ich ihn wieder und grübelte. Wie konnte ich mich da raus reden? „Sollten wir nicht mit hoch? Wer weiß, was auf der Insel ist?“ „Die Marine“, antwortete er gleichgültig. Ich ging an ihm vorbei und betete, dass er nicht weiter nachfragte. „Du weißt, dass du dich nicht rausreden kannst?“, rief er mir hinterher. Verflucht! Ich kniff die Augen zusammen und gerade noch rechtzeitig öffnete ich sie wieder, denn Rock lief an mir vorbei. Die Narbe schmerzte etwas, wenn sich die Haut herum spannte – also lief ich langsam weiter. Als ich an Deck ankam, machten sich die Jungs bereit in einer Bucht anzulegen. Wire sprang als erstes von Bord, während Heat der Anker ins Wasser warf. Gemütlich schlenderte ich zu ihnen. „Was macht ihr?“ „Wir gehen an Land. In die Stadt.“ „Ok“, ich stellte mich neben Killer. „Falsch“, der Vize schob mich zurück. „Du bleibst hier“, wies mich der Käpt´n an. „Wieso?“ „Hier auf der Insel ist eine Marinestation. Jemand muss das Schiff bewachen“, mit den Worten sprang auch Kid vom Schiff, ihm folgten die restlichen. „Keine Sorge wir brauchen nicht lange“, winkte Heat. Schon kurze Zeit später verschwanden sie hinter den paar Bäumen und liefen den Hügel runter in die Stadt. Immer noch irritiert sah ich ihnen nach. Da ließen die mich doch glatt alle stehen. Allein. Allein auf einem riesigen Piratenschiff. Ich konnte tun und lassen was ich wollte. Grinsend sah ich mich um. Seufzend senkte ich meinen Kopf, das würd ich doch eh nicht machen. Aber ich könnte den Rothaarigen trotzdem auf die Palme bringen können und ich sollte es langsam mal machen. Gemütlich ging ich zu meinem Zimmer zurück. Die Sense stand immer noch an Ort und Stelle an die Wand gelehnt. Bisher noch völlig ungenutzt. Ich musste langsam damit umgehen können. Kid hat sie extra für mich gekauft. Ich darf ihn nicht enttäuschen. Bevor ich die Waffe in die Hand nahm streckte ich mich etwas. Die Narbe dehnte sich schmerzhaft. Ich lief zum Schreibtisch, Kid hatte mir die Salbe da gelassen. Vor dem Spiegel schob ich mein Shirt etwas nach oben und löste den Verband. Die Salbe verteilte ich großzügig auf der freigelegten Haut. Sie war immer noch etwas gerötet. Danach legte ich den Stoffstreifen wieder um. Mein Shirt streifte ich wieder runter. Gedankenverloren betrachtete ich mich. Meine beigen Stiefel, die knapp über meinen Knöchel gingen, umspielten meine Füße. Meine Beine hatten eine leichte bräune in den letzten Tagen angenommen. Meine Hotpants waren weiß. Der Saum war umgekrempelt und hatte an den Seiten je eine Niete. Mein Top war ebenfalls beige, nur etwas dunkler als die Schuhe. Es umspielte meine Kurven und endete in einem Rundhalsausschnitt und breiten Trägern. Ich musste zugeben, ich gefiel mir in den Sachen. Früher hatte ich immer das gleiche getragen – jeden Tag. Jetzt hatte ich so viel Kleidung wie nie zuvor in meinem Leben. Grinsend wandte ich mich von meinem Spiegelbild ab und nahm die Sense in die Hand. Sie lag immer noch ungewohnt schwer in meiner Hand. Voller Tatendrang machte ich mich auf den Weg zurück an Deck. Kid würde mich umbringen, wenn ich an Deck etwas zerstöre. Da der Anker ausgeworfen war, würde das Schiff nicht wegfahren – außerdem kann ich fliegen. Schulterzuckend ging ich von Bord und wiegte die Sense. Killer würde mich jetzt rumscheuchen, also was mach ich ohne Killer? Ich traute mich nicht die Waffe zu drehen. Ein Schwert war etwas anderes als dieses Ding hier. Ich streckte meinen rechten Arm weit nach vorn und achtete sorgfältig auf die Klinge. ‚Gut, dann ganz langsam‘, ermahnte ich mich, ‚will mich ja nicht schneiden.‘ Die Klinge war gerade auf der linken Seite, recht langsam drehte ich meine Hand um und die Klinge war auf der rechten Seite. Schneller wieder zurück und dann wieder in die andere Richtung. Als sie nach zwanzig Mal wieder auf der linken von meiner Hand war, holte ich etwas Schwung und ließ den Griff über meinen Handrücken gleiten. Ehe ich den Griff wieder in der Hand hatte, fiel sie runter. Erschrocken drehte ich mich um – aber konnte ja niemand sehen. Kichernd hob ich die Sense wieder auf und versuchte es nochmal. Ein weiteres Mal fiel die Sense auf den Boden. Nun doch etwas erschrocken untersuchte ich die Klinge und den Griff, aber alles war ok. Erst beim siebten Mal gelang es mir die Sense zu fangen. Skeptisch betrachtete ich meinen Arm. Ich hatte ein paar kleinere Schnitte abbekommen, als sich die Sense zu mir gedreht hatte. Ich hob meinen Kopf wieder und sah einen der Bäume an. Mit einem kleinen Grinsen im Mundwinkel holte ich aus und schlug drauf los. Total am Baum vorbei. Das Messer bohrte sich in den Boden und ich kippte nach vorn. Um ein Haar auf die Schneide. Erschrocken hatte ich die Augen aufgerissen. Mein Herz hörte ich in den Ohren hämmern. Mit zittrigen Händen setzte ich mich auf und versuchte mich zu beruhigen. „Ach Gott, Mädchen, was machst du da nur?“, murmelte ich zu mir selbst. Ich schüttelte meinen Kopf und versuchte einen frischen Gedanken zu fassen. Frischen Gedanken? Bei meinem Gedachten musste ich selbst kichern. Mein Herz hatte wieder seinen normalen Rhythmus und ich stand mit Leichtigkeit auf. Etwas mehr Mühe machte mir meine Waffe. Sie steckte nicht tief im Boden, aber fest. Mit viel Kraft zog ich sie raus und stolperte zwei Schritte nach hinten. „So, und jetzt konzentrier dich!“ Die Waffe nahm ich in meine rechte Hand und ließ sie rotieren. Das bekam ich mittlerweile ganz gut hin. Vorsichtig drehte ich sie vor meinen Körper und nahm sie in die Linke. Weiterhin drehend hob ich sie über den Kopf und übergab wieder in meine rechte Hand. Während ich noch weiter mit der Sense in meiner Hand rumspielte, fixierte ich wieder den Baum. Da mir das ziemlich unwirklich erschien. Der Ast ist ein besseres Ziel. Wieder griff ich sie mit beiden Händen und holte aus. Sauber trennte ich ihn vom restlichen Baum ab. Krachend landete der Ast auf dem Boden. Kichernd stellte ich die Sense auf und begutachtete mein Kunstwerk. Etwas hustete neben mir, „bald hast du nichts mehr zu Lachen.“ Vor Schreck rutschte mir wieder das Herz in die Hose. Langsam drehte ich mich um und erblickte einen finster dreinblickenden Kid. Ich schnappte nach Luft und hätte fast die Sense losgelassen. Hinter ihm grinsten die anderen. „W-was m-acht ihr d-denn schon wieder hier?“, lächelte ich schräg. „Wir wollten dich nicht so lange alleine lassen“, verärgert verschränkte er die Arme, „hatte ich nicht gesagt, du sollst auf das Schiff aufpassen?“ „Hab ich doch“, ich versuchte das Lächeln aufrecht zu erhalten, doch ich konnte nicht mehr lange, „es ist noch da, oder etwa nicht?“ Ich sah zu dem Schiff – es war wirklich noch da, so wie zuvor. Mir fiel auch jetzt erst auf, dass es bereits dunkel wurde. „Wieso bist du dann nicht AUF dem Schiff?“, er zog eine Augenbraue hoch. „Ich steh doch direkt daneben oder etwa nicht?“ „Trainieren solltest du auch nicht“, zischte er. Ich öffnete meinen Mund um etwas zu erwidern, doch irgendwie fiel mir darauf nichts ein. „Los, geh auf dein Zimmer“, brummte er und starrte mich weiterhin finster an. Verwirrt tat ich es. Wire grinste mir noch nach und Heat zuckte entschuldigend mit den Schultern. Kopfschüttelnd und seufzend stand ich in meinem Zimmer und lehnte die Sense zurück an ihren Platz. Sie war etwas schmutzig geworden. Ein kleiner Kratzer war auf der Schneide. Enttäuscht über mich fuhr ich darüber. Killer hatte einmal zu mir gesagt: „Du bist nur so gut wie deine Waffe und deine Waffe ist nur so gut wie deine Fertigkeit.“ Das war während des Trainings gewesen. Ich verstand es nicht. „Das wirst du, wenn du kämpfst“, hatte er gelacht. Ich tus immer noch nicht. Ich biss mir auf die Unterlippe und merkte, dass ich dort blutete. Überrascht stellte ich mich vor den Spiegel. Mir fiel zum ersten Mal auf, dass meine Arme und Beine zerkratzt waren. Haut abgeschürft und meine Kleidung schmutzig waren. Ein bisschen Blut klebte in dem Dreck mit drin. Vielleicht hätte ich mehr darauf achten sollen, doch meine Narbe hatte auch nicht geschmerzt. Hätte sie was gesagt, hätte ich wahrscheinlich schon inne gehalten. Skeptisch zog ich mir mein Oberteil aus. Der Verband war im Gegensatz zu der Hose strahlend weiß. Schnell wickelte ich ihn ab und legte die Narbe frei. Die Luft fühlte sich an der Haut unnatürlich kühl an. Ich drehte mich um, weil ich schon das schlimmste befürchtete. Aber der Vogel sah wieder einigermaßen normal aus – wie ein Brandmahl nun einmal aussah. Seufzend strich ich darüber, ein leichter Schmerz durchzuckte mich. Ich griff zu der Salbe und hielt inne. Der Schmutz klebte an mir – eine Dusche wäre eine bessere Idee als zuerst die Salbe darauf zu verteilen. Ich zog mir frische Sachen aus dem Schrank und schlich zur Tür. Ob das nun Zimmerarrest war oder nicht – keine Ahnung. Kid war schon sauer, daher wollte ich das nicht noch weiter auslasten. Vorsichtig öffnete ich die Tür. Die musste natürlich quietschen. Keiner in Sicht. Obenrum immer noch im BH hastete ich zum Bad, schloss die Tür schnell hinter mir und sperrte ab. Meine eigene Tür fiel lauter ins Schloss. Da ich dagegen sowieso nichts mehr machen konnte, zog ich mich aus und stellte mich gleich unter die Dusche. Das Wasser brannte etwas auf der aufgeschürften Haut. Ich schrubbte mir eilig den Schmutz und das wenige Blut ab und wusch meine Haare. Ich trocknete mich danach ab und rubbelte meine Haare annähernd trocken. Mit einer Bürste zähmte ich sie wieder und grinste mein Spiegel-Ich an. Ich zog Shirt und Hose an und putzte die Schuhe. Meine schmutzige Kleidung tat ich zu den anderen Sachen. Das Fenster machte ich auf, nahm die sauberen, aber leicht feuchten Schuhe und ging zurück. Ich wollte mich nur noch ins Bett fallen lassen. „Hab ich nicht gesagt, du sollst in dein Zimmer gehen?“, brummte ein zwei Meter großer Rotschopf auf einem Holzstuhl. Vor Schreck ließ ich meine Schuhe fallen und meine Hand wanderte zu meinem Herz. Es pochte wie verrückt und drohte meine Brust zu zerbersten. Ich schnaubte. „Ich war nur duschen“, brachte ich heraus. „Ich hab gesagt, du sollst in dein Zimmer“, er stand von dem Stuhl auf. „Aber…“ „NEIN! Auf dein Zimmer heißt auf dein Zimmer“, knurrte er. Bedrohlich kam er näher. Also doch Zimmerarrest. Da konnt ich ja jetzt auch nichts mehr dagegen sagen. Egal was. Es hatte kein Gewicht. „Du hast dich verletzt, weil du nicht das getan hast, was man dir sagt“, er blieb vor mir stehen, „ich kann es nicht verantworten, wenn dir was passiert.“ Verwirrt drehte ich den Kopf. „Ich muss mich um meine Mannschaft kümmern“, erklärte er, „du bist nicht irgendwas besonderes.“ Mein Mund öffnete sich und blieb offen stehen. „Vielleicht in der Hinsicht, dass du das einzige Mädel an Bord bist“, streckte er mir die Zunge raus. Gut, was erwartete ich eigentlich. Ich war eine Sklavin. Ein Mensch, den man üblicherweise herum schubste und nichts anderes. Ein Niemand. Ein Nichts. „Was geht schon wieder in deinem kleinen Köpfchen vor?“, fragte er neugierig. „Soll ich jetzt hier bleiben bis ich schwarz bin?“, ich schlurfte an ihm vorbei und ließ mich auf das Bett fallen, „meinetwegen.“ „Nein, ich brauch dich morgen“, ich hörte etwas Verführerisches heraus, „du liegst da grad gut.“ Stöhnend drehte ich mich um und sah ihn an. Er musterte mich von oben bis unten. Seine Blicke zogen mich schon wieder aus. „Ich bin müde. Darf ich noch schlafen, wenn ich schon hier bleiben muss?“ „Ich hab gesagt, ich brauch dich morgen.“ „Das hab ich überhört. Ich bin müde“, ich drehte mich auf die Seite und wickelte mich in die Decke, „keine Sorge ich bleib hier, ich renn heut nicht mehr weg.“„Wenn du dich verletzt mach ich mir sorgen. Wenn du dich ernsthaft verletzt hättest, wäre niemand da gewesen. Du bist noch kein Kämpfer, du bist eine Anfängerin und noch ungeübt.“ „Danke, das baut mich auf und hilft mir total“, murmelte ich. Meine Augen hatte ich schon geschlossen und versuchte zu schlafen. Mir war gerade egal, dass er noch dort stand und eigentlich mein Käpt´n war. Autorität ade. Kapitel 12: Marine – auf sie mit Gebrüll ---------------------------------------- „Los, raus aus den Federn!“ „Autsch“, entfuhr es mir, als ich auf den Boden aufschlug. Verschlafen, müde und mit schweren Lidern sah ich mich verwirrt um und suchte nach der Quelle. Die Quelle entpuppte sich als Vize des Irrenhauses. Lachend sah er auf mich herab. Wie immer mit Maske. Wie immer ohne Mimik. Arsch! „Was denn los?“, fragte ich ihn und gähnte. Er kam zu mir rüber und streckte mir eine Hand entgegen. „Der Käpt´n will bald los.“ „Wohin denn?“ „Na zur Marine. Hat er dir das nicht mehr gesagt?“ Marine? Ich ließ mir hochhelfen und überlegte. Ich wusste noch, dass der Rothaarige bei mir im Zimmer stand und mich angemault hatte. Von wegen ‚im Zimmer bleiben‘ und so. Aber bei Marine hatte ich wohl schon abgeschalten und war eingeschlafen. Mühsam raffte ich mich auf, nachdem ich Killer rausgejagt hatte, zog ich mich um und ging an Deck. Mürrisch begrüßte mich der Rotschopf und begutachtete mich von oben bis unten. Ich hatte mir schwarze Shorts angezogen, dazu ein weißes Top und schwarze Stiefeletten. Um meinen rechten Oberschenkel hatte ich mir noch eine Halterung für ein Messer befestigt. Wortlos reichte er mir ein Stück Leder. Es waren Hosenträger. Hatte an allen vier Enden eine Schnalle. Verwirrt musterte ich das Ding. Es sah seltsam aus. „Schnall es dir um.“ „Aber was ist das denn?“, fragte ich meinen Käpt´n. „Für deine Sense“, er nahm mir das Ding aus den Händen und packte mich an an der Gürtelschlaufe. Er zog mich zu sich. Die einen zwei Bänder hängte er mir vorne ein, eine auf der linken und eine auf der rechten Seite. Dann zeigte er mir die andere. „Hier ist eine Halterung für deine Sense, so kannst du sie ohne großen Aufwand auf dem Rücken tragen.“ Er drehte mich herum und hängte die anderen Seiten hinten ein. Das Band führte nun von vorne nach hinten. Dort, wo sie sich hinten kreuzten, war die Halterung. „Soll das heißen, dass ich die Sense holen soll?“, fragte ich wieder. „Hier“, Killer streckte mir seine Hand hin. Finster sah ich ihn an. Riss ihm die Waffe aber aus der Hand. Grübelnd versuchte ich rauszufinden, wie ich das am Besten machen sollte. „Du kannst sie seitlich einhängen“, zwinkerte Wire. Umständlich drehte ich die Sense in meiner rechten Hand nach hinten. Das Messer war oben. Mit einem doch recht großen Kraftaufwand musste ich die Waffe einhängen. Sogleich spürte ich das Gewicht an meinem Rücken – doch es hielt. Skeptisch schielte ich nach hinten, daran müsste ich mich erst noch gewöhnen. Aber jetzt blieb keine Zeit dafür. Kid schleifte uns durch den Wald. Wir liefen schön in einer Reihe. Er hatte irgendetwas vor. Was das Fiese war, alle wussten anscheinend davon – alle außer ich. Das Dorf oder die Stadt, oder was das war, umrundeten wir anscheinend. Aber das Ziel kannte ich immer noch nicht. Erst als wir vor einem großen Tor standen blieb er stehen und trat beiseite. 'Marine' prankte überall. Auf der Mauer, an dem Gebäude hinter der Mauer und an etlichen Flaggen, die überall angebracht waren. Auf dem Grundstück standen bestimmt fünf dutzend Menschen. Soldaten. Und zum Kampf bereit. Erschrocken schluckte ich. Die anderen standen hinter uns, nur Killer positionierte sich auf meiner anderen Seite. Ich kam mir wie ein Welpe unter angriffslustigen Wölfen vor, uns gegenüber die Jänger. „Was s-soll ich hier?“, stotternd sah ich zu meinem Käpt´n. „Du bist unser Ass, Süße“, er legte seine rechte Hand auf meine rechte Schulter. „Aber ...“ „Keine Sorge, du schaffst das schon.“ Ich war mir sicher Killer bei dieser Aussage grinsen zu sehen. Aber wieso sagte er sowas? Hatte er Kid gesagt, was ich immer getrieben hatte? Muss fast so sein, aber wieso war der Vieze so zuversichtlich? „W-was soll ich denn überhaupt machen?“, unsicher sah ich von einem zum anderen. „Da oben, der hat was, was ich will“, Kid zeigte zu einem der Dächer, dort stand eine Person. „Wie soll ich denn da hoch kommen?“ „Mädchen, du kannst fliegen“, lachte Heat. Ach ja, stimmt. „Ihr glaubt wirklich, dass ich das packe?“ „Ja, wir sind doch auch da“, Killer brachte seine Klingen in Position. „Du schaffst das, der Kerl dürfte keine großen Probleme bereiten. Außerdem hast du jetzt auch einiges drauf“, lobte Kid. „Wirklich?“ „Wirklich.“ „Na wenn ihr euch da mal nicht täuscht“, ich schüttelte immer noch überfordert den Kopf. „Ja, flieg los, hol es und dann komm wieder zurück“, gestikulierte Killer. „Ja, klingt totaaal einfach.“ „Dann, können wir ja los“, Kid hob die Hände. Das Tor vor uns knackte und wurde dann aus den Angeln gerissen. Es flog auf uns zu. Erst im letzten Augenblick hielt es an. „Repel“, zischte er und das Gittertor flog in die andere Richtung. Die Soldaten versuchten in Deckung zu gehen, doch zwei wurden mitgerissen und landeten ohnmächtig an der Mauer. „Schnapp ihn dir“, Kid klopfte mir auf den Rücken. Ich fand es eher wie ein Zwang als wie eine Aufmunterung. Aber zurück konnte ich wohl nicht. Ich gehörte in diese Mannschaft und musste das tun, was mein Käpt´n mir sagte. Dann musste ich wohl da durch. „Du schaffst das, denk einfach an das, was ich dir beigebracht habe“, machte mir Killer noch Mut, „wir räumen hier auf, sodass sie dir nichts tun können.“ „Ok ok ok“, gab ich schließlich nach. Ich hoffte einfach mal, dass meine Sense meine Flügel nicht abschneiden würden. „Halte dich erst einmal auf dem Boden,und schau am Besten von innen wie du da hoch kommst. Wir müssten alle rausgelockt haben. Das hier ist ein kleiner Stützpunkt. Du wirst innen den Turm gut hinauf kommen und vermutlich sicherer als von außen. Du packst das“, grinste Kid und ging los. Killer lief hinterher. Die Soldaten brachten sich bereits in Position. Die Schützen machten sich schussbereit. „Na los, Süße“, stieß mich Heat an, „wir machen die fertig“, zwinkerte er, „zeig's ihnen, du kannst das.“ „Ok“, lachte ich. „Danach bekommst nen geilen Nachtisch.“ „Auf geht's“, streckte ich eine Faust in die Höhe. Lachend folgte er mir. Als wir das Grundstück betraten, hatte Kid den Männern schon ihre Gewehre und Pistolen gestohlen. „Los, Süße“, Heat klopfte mir erneut auf den Rücken. Ich atmete tief ein. Das konnte doch nicht wahr sein. Wieso warfen sie mich so ins kalte Wasser? Aber da musste ich jetzt wohl durch. Ich ließ meinen Blick über die Menge gleiten. 3 Männer standen mir im Weg. Das würde schon gut gehen. Die Jungs kommen mit fünf Leuten gleichzeitig klar. Ich griff nach hinten und löste meine Sense, während ich in ihre Richtung ging. Das klappt. Ich hab immerhin die anderen hier. Mit einem Lächeln auf den Lippen wurde mir klar, dass ich sie auf eine schräge Art und Weise als meine Freunde bezeichnen könnte. Der erste Soldat stellte sich mir mitten in den Weg: „Was machst du denn hier, Kleines? Wer hat dir nur so eine scharfe, große Waffe gegeben?“ Was redete der da? Nahm der mich nicht ernst oder was? „Leg doch das Ding weg“, lachte er und senkte seine eigene Waffe um mir meine abzunehmen. Ich fasste meine Sense fester, drehte sie und lief an ihm vorbei. Als ich sie hinter ihm abstellte, fiel er mit einem riesen Schnitt im Oberkörper zur Seite. „Wer ist hier jetzt ein Kleines?“, zischte ich und sah auf ihn herab. Ich richtete mein Kopf auf und mein Blick traf Heat seinen. Er grinste und zwinkerte mir zu. Ich lachte zurück ehe ich mich umdrehte. Es standen mir immer noch zwei im Weg. Ich versuchte gefährlich auszusehen, konnte mir das Grinsen aber immer noch nicht verkneifen. Leider machten sich die zwei Soldaten jetzt kampfbereit. Auch wenn sie mich immer noch nicht ganz für voll zu nehmen schienen. Ich nahm die Sense in beide Hände. Wenn ich schon zu der Mannschaft gehörte, dann ganz! Ich atmete wieder tief ein und aus. Die zwei und dann da hoch. Ich hasste es, das zu machen, aber ich wollte auch zeigen, dass ich das konnte. Ich hatte mich zu diesem Leben entschieden, also dann – auf geht’s! Mädchen du schaffst das, sprach ich mir selber Mut zu. Also dann los. Ich lief weiter und die beiden brachten sich in Position. Jetzt leg ich los. Die kleine Sklavin zeigt was sie drauf hat. Grinsend holte ich aus, als ich sie erreichte und schnitt dem einen die Seite auf und dem anderen durchschnitt ich die Kehle. Schnell stürmte ich zu der Tür, sie war offen und ich ging sofort hinein. Ich holte tief Luft und mir war warm. Mein Herz raste und ich konnte nicht mehr denken. Nur noch daran, dass ich dort hoch musste. Es war, wie die anderen gesagt hatten. Der Turm führte innen gerade nach oben. Das war vielleicht so gesehen unvorteilhaft. Aber zur allgemeinen Feindbekämpfung sicher besser. Konnte mir aber egal sein. Ich musste da hoch, also ab. Die Sense steckte ich in die Halterung, ging in die Hocke und stieß mich ab. Die Flügel wuschen aus mir heraus und ich flog den Turm hinauf. Den ganzen Weg hinauf, war kein Soldat postiert. Umso besser für mich. Oben endete die Treppe in einer Tür. Vor der Tür landete ich. Ich holte meine Sense wieder hervor und atmete tief durch. Dahinter war er. Ich machte die Tür auf. Die Sonne blendete noch immer. Mit zugekniffenen Augen trat ich ins Freie. Mein Herz raste wieder. Hier oben war der Typ den ich holen sollte. Dem mussteich etwas wegnehmen. Doch wo war er? Alles schien ruhig zu sein. Nur der Lärm von Kid und den anderen war zu hören. Plötzlich legte sich ein Arm von hinten um meinen Hals. Vor Schreck ließ ich meine Sense fallen und griff nach dem Arm, der mir die Kehle zudrückte. Ein Bein schob sich zwischen meine und ich wurde nach vorn geschoben. Meine Haare wehten im Wind. Ich konnte einen kurzen Blick auf den Typen werfen. Da war er. Den hatte ich gesucht. Der Wind frischte auf und ich merkte, dass ich an der Kante stand. Panik stieg in mir auf. Mein Kopf war leer und mein Herz raste. Ich sah mich schon am Boden – tot. „Schrei für mich“, hörte ich seine tiefe,rauchige Stimme an meinem Ohr. Sein Atem strich an meinemGesicht vorbei und seine Bartstoppeln kratzten an meiner Wange. Er drückte mir weiter den Hals zu, als ich nicht Schreien wollte. Aber ich konnte auch nicht. Mir fehlte die Luft dazu. Vorsichtig und panisch griff ich schnell an mein Bein.Dort steckte noch das Messer in der Schlaufe. Zitternd versuchte ich es rauszuziehen. Vor meinen Augen tanzten Punkte auf und ab. Meine Hand wurde taub und ich griff daneben. Ich brachte die Schnalle nicht auf. „He Kid“, hörte ich den Kerl wieder. Ich versuchte nach unten zu schielen. Ich erkannte kaum etwas. Die schwarzen Punkte wurden mehr und waren verschwommen. Tränen. „Wieso schickst du so ein junges Ding vor? Ist das ein Geschenk?“, lachte er. Ich hörte ein lautes Knurren. Ich wollte nicht, dass sie kommen und mich holen müssen. Das schaff ich alleine. Ich krallte mich mit einer Hand in seinen Arm. Zog das Messer und drehte es in meiner Hand. Ich konnte nicht zielen. Ich hoffte einfach nur seine Seite zu treffen. Tatsächlich stöhnte er auf, ließ mich fluchend los und stolperte nach hinten. Hustend und keuchend fiel ich auf die Knie. Mit dem Messer in der Hand stützte ich mich ab. Die andere hielt ich mir vor den Mund. Ich fühlte mich als würde ich meine inneren Organe auskotzen. „Su“, hörte ich Heat. Sofort hielt ich inne und vernahm die Schritte. Ich packte das Messer fester und in der Drehbewegung richtete ich mich auf und streckte den Arm nach dem Typen aus. Ich traf seine Brust, ehe er mich erstechen konnte. Schnaufend sah ich auf den Kerl hinab. Sein Blut klebte an mir und vermischte sich mit meinen Tränen. Schniefend fasste ich mich, wischte mir einmal übers Gesicht. Schnell kniete ich mich neben ihn. Er keuchte noch und starrte mich finster an. Kid wollte ein Logbuch haben – hatte er vorhin noch gesagt. Vorsichtig tastete ich ihn ab, bei zu viel Druck quoll Blut heraus. In einer seiner Innentaschen fand ich es. Ich hatte die ersten paar Seiten mit dem Messer zerschnitten. Ein Loch war da. Der Typ wollte meine Hand packen. Ich torkelte nach hinten und richtete mich auf. Mit aufgerissenen Augen starrte ich auf ihn herab. Ich klammerte mich an das Buch. Was hatte ich gemacht? Das war ich gewesen. Der Typ lag wegen mir am Boden. Die drei Männer zuvor hatte ich auch getötet. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Ich hatte drei Menschen getötet und der vierte röchelte nur noch. Mein Puls erhöhte sich wieder. Mir war warm. Ich sah nur noch den halbtoten Mann vor mir. „Su“, schrie wieder jemand meinen Namen. Ich schreckte hoch und sah zu dem Hausrand. Ich musste hier weg. Schnell lief ich zu meiner Sense und schnappte sie mir. Als ich mich aufrichtete drehte sich alles in meinem Kopf. „Su“, erklang es wieder. Ich schüttelte schnell den Kopf und klemmte die Sense in ihre Halterung. Das Messer steckte ich zurück in die Scheide und ich ging zum Rand des Turms. Ich sah hinunter. Heat winkte mir zu. Lächelnd sah ich runter. Hinter mir hörte ich aufgeregte Rufe – die Marine. Aufgeschreckt drehte ich mich um und trat daneben. Mit einem Aufschrei spürte ich keinen Boden mehr unter meinen Füßen. Vor Schreck schloss ich die Augen und faltete meine Hände vor der Brust. Das war das Ende. Ich würde sterben. Die Erkenntnis ließ mich in Trance fallen. Das Ende … „Su, du kleines Dummerchen, du kannst fliegen“, hörte ich Kids Stimme – weit weg. Fliegen? Ich? Ich öffnete meine Augen. Ja, ich konnte doch fliegen. Ich riss die Augen auf und im gleichen Moment wuchsen mir Flügel. Ich sah nach unten, der Boden war nicht mehr weit, drehte mich in der Luft und breitete meine Flügel aus. Ich bremste nur wenige Zentimeter vor dem Aufprall und wich den mir folgenden Schüssen aus. Ich schlängelte mich über den Boden bis ich mich gefassthatte und richtete mich neben meinem Käpt´n auf. Mein Blick wanderte den Turm hinauf, dort standen mehrere Soldaten. Ich schluckte und holte meine Sense – bereit mich zu verteidigen. „Nein, nicht mehr heute“, die Hand von meinem Käpt´n versperrte mir den Weg, „du hast genug gekämpft, wir lassen es für heute sein.“ Damit schob er mich zurück in Richtung Schiff. Kapitel 13: Kopfgeld – der richtige Start ins Piratenleben ---------------------------------------------------------- „Su, hey Su, Kleines“, sanft strich eine Hand über meine Wange. Langsam öffnete ich meine Augen und hob meinen Kopf. Verwirrt sah ich dem Besitzer der Stimme entgegen. Meine Augen brannten und schmerzten. „Alles in Ordnung?“ Die Umrisse nahmen langsam die Gestalt von Heat an. Müde schüttelte ich den Kopf, dann nickte ich und schüttelte wieder den Kopf. „Was beschäftigt dich?“, seine Hand legte sich unter mein Kinn, „sieh nicht so trübsinnig drein.“ „E-es i-st nichts“, betrübt sah ich zur Seite. „Doch, etwas ist. Du kannst es mir ruhig sagen“, lächelte er sanft. Meine Augen wurden wieder feucht. Mein Gewissen entzweite sich. Ich wollte es ihm sagen, doch dadurch wäre ich schwach. Aber Heat konnte ich es sagen. Er war nicht Kid. Verzweifelt sah ich meinen Freund an. Er sorgte sich so um mich. Zitternd hob ich meine Hände und starrte sie an. „I-ich h-habe drei M-Männer getötet“, stotterte ich, riss die Augen auf und starrte ihn erschrocken an. „Sie sind tot“, ich klammerte mich an sein Shirt und sah ihn verzweifelt an. Er umfasste meine Schultern und sah mir fest in die Augen, „ganz ruhig, Süße. Sie hätten dich sonst umgebracht. Du hast das einzig richtige getan“, er strich mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, „es ist wirklich alles gut.“ „A-aber sie sind tod u-und … sie hatten sicher eine F-Familie u-und ...“ Er legte mir einen Finger auf den Mund, „ganz ruhig. Komm erst einmal mit, du hast seit Tagen nichts gegessen und du brauchst etwas gescheites zu trinken. Jeden Tag nur Rum auf nüchternen Magen ist nicht gut.“ „Ich will nichts. Ich hab keinen Hunger“, quengelte ich. „Doch“, bestimmte er, „jetzt komm hoch“, er packte mich an der Taille und zog mich auf meine Füße. „Nein“, grummelte ich, wurde aber schon im nächsten Moment mitgezogen. Sein Ziel war die Kombüse, wo bereits ein Teller mit zwei belegten Semmeln wartete. Seufzend ließ ich den Kopf hängen und ließ mich hinziehen. Heat gab mir in jede Hand eine. Ich wollte schon etwas sagen, doch kam nicht dazu. Ich hatte meinen stillen Protest schon aufgegeben. Zum einen roch es verführerisch gut und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Zum anderen knurrte mein Bauch und zum wieder anderen hatte es keinen Sinn mehr, er würde es mir auch in den Mund stopfen. Als ich das erste vernichtet hatte, schob er mich weiter – an Deck. Kid blätterte in einer Zeitung. Killder war nicht zu sehen, aber zu hören und Rock stand im Krähennest. „Du lebst noch?“, kam Wire lachend vom Oberdeck, „wir dachten schon, du wärst in deinem Zimmer verendet. Heat hat niemanden zu dir gelassen.“ Ich sah kurz zu dem Grauhaarigen, dann wieder zu Wire. Ich ersparte mir eine Antwort, aber hauptsächlich, weil ich den Mund voll hatte. „Halt die Klappe“, antwortete stattdessen mein Beschützer. „Bald wirst du sie nicht mehr schützen können“, warf Kid abwesend in die Runde, „und auch nicht mehr brauchen.“, grinste er dann plötzlich teuflisch. Verwirrt sahen wir ihn an. Schwer schluckend würgte ich in böser Vorahnung den letzten Bissen runter. „Was meinst du Käpt´n?“, wagte sich Heat vor. „Die neuen Steckbriefe sind da und die liebe Su ist auch dabei“, grinste er und hielt unseinen Zettel entgegen. Ich riss die Augen auf. Das konnte jetzt wirklich nicht wahr sein. Ich hatte diesem Leben zugestimmt, hatte eingewilligt zu kämpfen, diesem Trottel zu folgen und bei ihm zu bleiben. Das soll der Dank dafür sein? Mich zu einer gesuchten Piratin zu machen? Ich betrachtete mein Bild und streckte unwillkürlich meine Hände danach aus. Zitternd hielt ich es hoch. Betrachtete meinen Körper, der eine gesunde Farbe und auch ein gesünderes Gewicht hatte – zuvor war ich doch etwas blass und abgemagert gewesen. Dann meine Haare, die zu einem Pferdeschwanz gebunden mein Gesicht umspielten. Meine Flügel waren noch leicht zu sehen. Darunter stand 'Surebi' und etwas kleiner darunter 'Todesengel'. Ich schluckte – Todesengel? - als Sklavin hätte ich nicht einmal eine Spinne oder einen Käfer getötet. „24.000.000 Berry“, murmelte ich, als ich die Summe sah. „Eine schöne Summe für den Anfang.“ Ich sah Kid entgeistert an. „Du findest das auch noch gut?“, Tränen traten mir in die Augen, ich zerknitterte den Steckbrief, „ich will nicht gesucht sein“, blaffte ich ihn an, drehte mich um und lief wieder zu meinem Zimmer. Den Zettel formte ich zu einer Kugel und warf ihn achtlos in irgendeine Ecke. Ich lehnte mich an die Wand und starrte an die Decke. Langsam rutschte ich daran runter, zog die Beine an, schlang meine Arme herum und vergrub mein Gesicht darin. Die Tränen kamen wie von selbst. Wie sollte ich ihn denn finden, wenn ich steckbrieflich gesucht werde? Das ging nicht mehr. Ich sollte es akzeptieren. Seufzend sah ich auf. Weinen hatte auch keinen Sinn. Trotz der Erkenntnis wollten sie nicht aufhören, sie liefen einfach weiter. Gedankenverloren starrte ich meine Sense an. Sie lehnte am Schrank, sauber … als hätte sie die Männer nie berührt. Als wäre dieser Tag nie passiert. Als wäre er ausgelöscht, wie die Leben dieser Soldaten. Es war dunkel. Meine Augen brannten. Mein Nacken war steif. Meine Glieder schmerzten. Ich spürte die Präsenz von Kid. Sein leises aber stetiges atmen kam von vorn. Ich blinzelte mehrmals und fuhr mit der Hand über meine Augen, um die getrockneten Tränen wegzuwischen. Dann erst sah ich auf. Seine Umrisse konnte ich nur erahnen. Er kniete vor mir, wie lange weiß ich nicht. Er berührte mich nicht, hatte mich nicht einmal geweckt. Er wirkte auch nicht wütend oder verärgert, er saß dort nur. Lange saßen wir uns gegenüber. Keiner sagte ein Wort. Dann merkte ich, wie er seine Hände ausstreckte, eine packte mich im Nacken die andere nahm meine linke Hand. An meiner Hand zog er stärker, an meinem Nacken schob er mich nach. Es fühlte sich ungewohnt an, stärker, intensiver. Im ersten Moment dachte ich schon, er wollte mir die Beine brechen. Meine Füße drücken sich unglücklich weg und wurden bis zum Anschlag gestreckt und gebogen. Der Schmerz zog sich durch meine Beine bis zu meinem Unterkörper hoch. Ich hatte den Mund schon zum Schrei geöffnet, doch ich traute mich nicht, so biss ich eisern die Zähne zusammen. Eilig versuchte ich meine Beine in eine günstigere Position zu drehen. Es knackte und aus Reflex hob ich meinen rechten Arm. Meine Hand stemmte sich gegen seine Brust, schon im nächsten Moment hielt er sie mit seiner Linken fest und ich lag in seinen Armen. Er war mir entgegen gekommen und so knieten wir jetzt beide in meinem dunklen Zimmer auf dem Boden. Sanft drückte er mich an seine Brust und ich lauschte seinem regelmäßigen Herzschlag. Er beruhigte mich, so spürte ich, dass auch mein Puls ruhiger wurde. Er hielt mich in seinen Armen, als wäre es nie anders in seinem Leben gewesen. Ich schloss die Augen. Es fühlte sich an wie früher. Als ich klein war, hatte er mich auch so im Arm gehalten. „Ito ...“, murmelte ich leise und fasste mit meiner linken Hand das Stück Stoff, was ich zu fasse bekam und hielt mich daran fest. Ein zufriedenes Lächeln lag auf meinen Lippen und ich fühlte mich sicher. „WAS?“, durchbrach Kids kräftige Stimme die Stille und seine Hände packten meine Schultern, sein Oberkörper bebte. Ich fand mich eine halbe Armlänge entfernt von dem schützenden Körper wieder. Völlig verwirrt blinzelte ich. Ich verstand nichts. Was ging hier denn vor sich? „Was ist denn?“, fragte ich die Dunkelheit. „Wer ist Ito?“, durchschnitt seine Stimme zischend die Stille und riss mich auf meine Füße. Ich schnappte nach Luft, „woher weißt du von ihm?“ „Du hast doch gerade seinen Namen gesagt, du Dummerchen“, er verpasste mir eine leichte Kopfnuss, „also, wer ist er?“ Ich seufzte, links neben mir musste mein Bett sein. Ich schob seine Hände weg und ließ mich, auf gut Glück auf die Matratze fallen. Ich landete auf der Kante und blieb mit Erleichterung dort sitzen. „Er ist ein alter Freund“, antwortete ich kurz und bündig, „er war für mich ein großer Bruder und hat mich immer in den Arm genommen, als es mir schlecht ging“, hängte ich noch an, weil Teil eins nicht ausgereicht hätte. „Ah ja und das war wann?“, seine Stimme wurde zum Ende hin etwas höher. „Als ich klein war“, murmelte ich. „Und ...“ „Ich will nicht über ihn reden“, blaffte ich ihn an, drehte mich um und rollte mich auf dem Bett zusammen. Wieder wollten Tränen über meine Wangen laufen. Ich atmete möglichst leise und versuchte nicht zu schluchzen. Ich bemerkte, wie sich die Matratze senkte und sich eine Hand auf meinen Körper legte. Er wusste nicht genau wo ich war, so landete seine Hand auf meinem Hintern. Oder er wusste es und tat es absichtlich. „Su“, setzte er an. Er klang leise. Seine Stimme war sonst so kräftig, doch jetzt – richtig wehmütig. Ich schluckte meinen Schmerz hinunter, ich hatte meinen Käpt´n angeschnauzt. Ich wischte mir einmal über die Augen und setzte mich auf. „Es tut mir Leid“, ich versuchte nicht zu Kleinlaut zu klingen, „es … es ist ...“ „Ich weiß, du gehörst zu denen, die ihr Gesicht nicht gern auf Steckbriefen sehen. Doch der Typ will dich wohl hinter Gitter oder Tod sehen. Su, du hast ihn gedemütigt und er sinnt auf Rache und dafür bist du ihm 24 Millionen Berry wert. Du bist gut für den Anfang, das meine ich ernst. Er sieht dich als Bedrohung an.“ „A … Aber ...“ „Ich als dein Käpt'n muss wirklich sagen, ich bin stolz auf dich. Von der kleinen wehrlosen Sklavin zum gefürchteten Todesengel.“ Ich verschluckte mich an dem Kloß, der zuvor noch schwer in meinem Hals steckte. Aber das lachen musste raus. Ich konnte es nicht aufhalten. „Was ist denn so witzig?“, das Fragezeichen leuchtete über seinem Kopf. Ich beruhigte mich und kicherte noch leise, „gefürchtet?“ Dann erst merkte er es und grinste, „gut, daran musst du noch arbeiten, aber du bist auf dem richtigen Weg. Su, du packst das, die Welt da draußen wird noch sehen, was in dir steckt, aber jetzt schlaf.“ Verblüfft hielt ich inne und sah ihm nach. Das hatte er gerade nicht ernsthaft getan? Er war gegangen? Einfach so? Was war das jetzt gewesen? Seufzend ließ ich mich nach hinten fallen.Was für ein Tag. Ich starrte weiter an die Decke, ich hatte den ganzen Tag gedöst, seit drei Tagen war ich immer noch Müde. Verrückte Welt, in der mich Kid einmal gefürchtet sehen will. „Ito, wieso bist du nicht hier?“, murmelte ich und schloss die Augen. „Su?“, überrascht blinzelte Heat, als er in die Kombüse kam. „Morgen“, sang ich fröhlich und warf den Pfannkuchen in die Luft. Er landete mit einem dumpfen Aufprall umgedreht in der Pfanne. „Was … was machst du denn hier?“, er traute seinen Augen immer noch nicht. „Was stehst du denn hier draußen Heat? Kocht sich das Essen von allein?“, scherzte Killer. „Nein“, er zeigte verblüfft auf mich, „es wird von Surebi gekocht.“ „Was? Suri kocht?“, Rockt drängte beide zur Seite und stand mit einem Mal hinter mir. „Kannst du den zweien Chili unterrühren?“, fragte er grinsend. Kichernd schüttelte ich den Kopf, „zu spät, steht schon fast alles oben.“ „Oben?“, Rock eilte zur Treppe, „es riecht wie im Himmel.“ „Bist du etwa von dort runtergefallen, hast dir den Kopf angeschlagen und deswegen jetzt so einen Schaden?“, grinsend stützte ich eine Hand in die Seite und wendete mit der rechten erneut in hohem Boden den nächsten Pfannkuchen.“ Lachend kam Heat zu mir und legte einen Arm um mich, „nein Su, dich schickt der Himmel. Rock ist ein einziger Dickschädel, der nicht zu zerbrechen ist und der nicht schwimme kann, also ist er was?“ Erwartungsvoll sah er mich an. Ich war verwirrt, „ein Teufelsfruchtesser?“ „Nein!“, Heat schüttelte den Kopf. „Eine Axt?“ „Nein!“, wieder verständnisloses Kopfschütteln, „wie kommst du bitte darauf? Er ...“ „... ist ein Stein“, beendete Killer den Satz und stand auf meiner anderen Seite. „Genau, danke.“ „Ernsthaft?!?“, Rock sah uns gelangweilt an und lief langsam nach oben, „dafür ess ich jetzt alles alleine auf.“ „Soll ich dir helfen?“, Heat wandte sich dem Herd zu und krempelte seine Ärmel nach oben. „Nein, schon alles fertig“, ich schaltete den Herd aus, stellte einen Kessel Wasser auf die heiße Platte und verfrachtete den letzten Teigkuchen zu seinen Artgenossen. „Kannst du den hochbringen?“ Nickend nahm er mir den Teller ab und trug den schiefen Turm die Treppe hoch. „Soll ich auch noch was mitnehmen?“, Killer sah sich um. „Wenn du willst, ist aber heiß“, ich öffnete die Ofentür. „Heißer als du, kann es nicht sein.“ Die Hitze stieg mir in den Kopf und hochrot drehte ich mich zu ihm um, „was?“, quietschte ich. „War ein Scherz, riecht köstlich“, er schob mich sanft zur Seite und trug den Teller als hätte er ihn gerade aus dem Schrank genommen und wäre kalt. Ich schnappte mir noch ein Schüsselchen, ein Sieb und den Kessel mit dem nun heißen Wasser und ging ebenfalls nach oben. Alle drei hatten brav auf mich gewartet und sahen mich aus Glubschaugen an, zumindest zwei. „Beeil dich“, drängte Rock, als hätte es auf mich gewartet knurrte sein Bauch. „Ja, dann fangt doch an.“ „Das geht doch nicht ohne dich.“ Kapitel 14: Meine Insel – ich mach das! --------------------------------------- „Was macht ihr denn da?“ „Frühstücken, wonach sieht es denn sonst aus?“, antwortete Rock mit vollem Mund. Ich beobachtete alle und sah dann wieder zu unserem Käpt'n. Killer hatte ich noch nie ohne Maske gesehen, trotzdem kaute er. Hatte ich in den letzten Minuten nicht aufgepasst? Ich hatte ihn doch eigentlich beobachtet. Verwirrt schüttelte ich den Kopf, ich glaubte meine Nerven gingen mit mir durch. „Aber das ist nicht wie sonst.“ „Ist ja auch klar, Su hat diese Köstlichkeiten für uns gemacht, schmeckt ein bisschen besser als Heat sein Essen, aber ist dafür gesünder …“, er machte eine kunstvolle Pause und überlegte, „Heat, kannst du das nächste Mal wieder kochen? Das hier ist mir für immer zu gesund.“ „Was soll das denn jetzt heißen? Schmeckts dir etwa nicht??“, fragte ich spitz und schaute ihn böse an. „Nein, wirklich lecker, aber da bekomm ich ja nen Vitamin-Schock“, etwas angeekelt sah er ein Stück von einem Apfel an. „Hee“, empört sah ich auf. „Du hast das gemacht?“, Kid sah mich an, dann schob er sich einen Streifen gebratenen Speck in den Mund. „Tja, irgendwann musste ich das machen und ich hab vor, hier nicht gefürchtet zu sein“, presste ich leise zwischen den Lippen durch, „ich wollte meine Launen wieder gut machen, ich will neu anfangen und es auf meine Weise machen.“ Heat und Rock tauschten verwirrte Blicke aus, sagten aber nichts. „Heißt das, du willst jetzt jeden Morgen das Frühstück machen?“, fragte Killer und schluckte seinen Bissen runter. „Pfff, ich denk nicht mal im Traum dran“, sagte ich abfällig und grinste dann. „Gott sei Dank“, Rock atmete erleichtert auf. „Ich find´s gar nicht so schlecht“, Kid hatte sich in der Zwischenzeit gesetzt und sich einen Pfannkuchen mit Marmelade geschmiert, „schmeckt doch.“ „Gut, wenn´s euch also jetzt so gut geht“, ich beobachtete die immer noch essende Mannschaft und stand auf, „dann könnt ihr ja jetzt abwaschen“, breit grinsend lief ich zur Tür, um an Deck zu gehen. „HEY, ich bin hier immer noch der Käpt'n“, schrie mir Eustass Kid wütend hinterher. Kichernd lief ich raus. Die Sonne blendete etwas. Ich wollte mich etwas bewegen und trainieren. Ich stand schon einige Zeit am Bug des Schiffes und wich imaginären Feinden aus, schlug mit meinem Dolch zurück und drehte mich an einem Schwert vorbei, während ich dem Kerl in die Taille stach. Seufzend hielt ich inne. Es brachte doch nichts, wenn nicht mindestens ein Baum in der Nähe war. Ich steckte den Dolch zurück in seine Halterung und ging an die Reling. Ich wollte es ihnen allen zeigen. Allen. Es wird viel schwieriger, als ich es gedacht hatte. Wie sollte ich das nur machen? Ich blickte zurück zur Kombüse. Sie konnte ich einige Zeit mit meinem Selbstbewusstsein hinters Licht führen. Aber mich konnte ich nicht täuschen. Mein Blick glitt in den Himmel. Möwen zogen dort ihre Kreise. Sie breiteten ihre Flügel aus, schlugen kräftig damit und gewannen an Höhe. Sie tanzten durch den Himmel, schrien ihr Glück heraus und kreisten weiter. Umeinander. Miteinander. Immer weiter. Wie gerne wäre ich eine Möwe. Nein. Lieber frei wie eine Möwe. Immerzu fliegen, immer weiter. Doch irgendwie war ich von einem kleinen Käfig in einen großen Käfig geraten. Ich hatte eine gewisse Freiheit, aber ich war immer noch etwas gefangen. Gefangen. „Su“, hörte ich Heat von der Kombüse. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. Aber Gefangen mit Freunden. Mit guten Freunden. Ich nickte im zu. „Land in Sicht“, hörte ich Wire vom Krähennest. Heat verschwand nach drinnen und ich sah wieder nach vorn. Eine große Insel erhob sich vor uns aus dem Meer. Auf der rechten Seite erhob sich ein Hügel. Eine Villa war darauf zu sehen. Sie war von einem eleganten Zaun umgeben und sah selbst von hier prunkvoll aus. „Das ... Ist das …?“, murmelte ich, blieb aber still, als Kid neben mir auftauchte. „Das ist unser nächstes Ziel“, er legte einen Arm um mich und sah mit einem teuflischen Grinsen nach vorn, „der Herr dieser wunderschönen Villa hat nicht nur einen großen Schatz, in seinem Besitz sind Bücher und Karten. Er hat viel Wissen angehäuft. Wissen über die Meere und womöglich auch über Roughtel.“ „Roughtel?“, verwirrt sah ich ihn an. „Roughtel ist die letzte Insel auf der Grandline, du kennst sie wohl eher unter dem neuen Namen Unicon.“ „Unicon … Was meinst du mit neuem Namen?“ „Nachdem die 100 verlorenen oder leeren Jahre vorbei waren, ging der Name Roughtel unter und wurde vertuscht. Die Insel erhielt einen neuen Namen und es wurde so behandelt, als würde sie schon immer so heißen.“ „Und woher weißt du das?“, ich verschränkte die Arme und sah ihn herausfordernd an. „Ist nicht so wichtig.“ „Was wollen wir denn dann da?“ „Haha“, er lachte und sah mich verständnislos an, „ich möchte wissen, ob wir bei ihm einen Hinweis finden über Roughtel oder die Neue Welt. Deshalb einfach drauf zu gestürmt und rein und wieder raus.“ Er wollte sich schon vorbereiten gehen. „Warte“, ich sah weiterhin zu der Villa hinauf, „lass mich das machen, ich hole dir die Informationen“, ich musste mich räuspern, ein Klos wollte sich in meinem Hals absetzen und meine Augen wurden gleichzeitig etwas feucht, „und du lässt die Insel in Ruhe.“ „Wieso?“, brummte er und funkelte mich finster an. „Ich beschaff dir die Informationen, ohne Hilfe.“ „Aber wieso?“ „Du kannst sie doch einmal etwas allein machen lassen, Käpt´n.“ Erschrocken drehte ich mich zu Heat um. Wieso sagte er das? Wusste er etwa etwas? „Wieso?“, misstrauisch hob Kid eine Augenbraue. „Es wäre eine tolle Übung und zum ersten Mal zeigt sie Rückgrat.“ Schnaubend schob ich meine Unterlippe nach vorn. Wieso musste er mich wieder aufziehen? Aber er war auf meiner Seite. „Ja, das schon, aber das würde gegen meine Prinzipien verstoßen, schließlich will ich doch … Ach was soll´s, meinetwegen. Heat du gehst mit.“ „Was?“, verwirrt starrte er seinen Käpt´n an. „Haha, selber Schuld“, lachte Kid laut auf und zeigte mit dem Finger auf seinen Freund. Bei dem Wort Freund musste ich schmunzeln. Waren sie das überhaupt? „Also dann, Süße“, er klopfte mir auf die Schultern, „viel Spaß.“ Unsicher sah ich ihn kurz an und dann wieder zu der Villa, hoffentlich ging das gut. Aber da musste ich jetzt durch. Ich hörte noch, wie Kid Heat etwas sagte und dann unter Deck verschwand. Genervt verdrehte ich die Augen. Schon seit einer Stunde nervte mich Killer mit seinem Gerede über die richtigen Verstecke von Waffen, Techniken ohne Waffen, Techniken mit Waffen und anderen Sachen. Ich hatte schon nach zehn Minuten nicht mehr aufgepasst. „Su! Su!! SU!!“ Aufgeschreckt sah ich ihn an. Was war passiert? „Du bist schlimm“, knurrte er, verschränkte die Arme und tippte unruhig mit dem Fuß auf Boden, „was hab ich dir jetzt gesagt?“ Ich sah ihn unschuldig an und legte den Kopf schief, „ich sei schlimm“, ich grinste und klimperte mit den Augen. „Du BIST schlimm“, nun musste auch er lachen, „du packst das.“ „Aber natürlich doch“, sagte ich mit Selbstbewusstsein und reckte das Kinn in die Höhe, „sonst wär auf mich doch kein Kopfgeld ausgesetzt.“ „Ja … nein ...“, vom Kopfnicken ins schütteln, „dafür ist das zu wenig.“ „HEY“, protestierte ich. „Na los, zieh dich um“, er scheuchte mich auf und scheuchte mich zu meinem Zimmer. „Was stimmt denn damit nicht?“, ich sah mein enges Top und meine Shorts an. „Das ist zu kurz, damit kommst du da nicht rein.“ Ich blieb stehen und schluckte. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Meine Kehle zog sich zu. „Ich geh allein“, krächzte ich und rannte in mein Zimmer. Panisch knallte ich die Türe zu und lief langsam ins Zimmer. Meine Hände zitterten. Ach Gott. Wie sollte ich das nur machen? Ich würde das nicht schaffen. Schnaufend lief ich zu meinem Schrank und machte die Tür auf. Was hatte ich passendes drin? Wenn´s schlecht lief, müsste ich mein altes Kleid anziehen. Ich wollte nicht daran erinnert werden. Mit Heat war bereits ausgemacht, welche Rollen wir zwei spielen wollten. Dazu musste ich etwas schickeres anziehen und Killer hatte mich natürlich wieder daran erinnern müssen. Seufzend kam ich auf dem Deck an. Grinsend sah mich Wire an. Genervt sah ich ihn an. War ja klar. Ich blickte an mir runter. Ich hatte ein knielanges, weißes Kleid an. Es war im Nacken gebunden. Unten hatte es einen fingerbreiten untergenähten Netzstoff. Weil es sonst keine Zierde hatte, hatte ich mir ein mintgrünes Band um die Taille gebunden. Eine Strähne meiner Haare hatte ich mit einer Blumenspange nach oben gesteckt, ein kleines Kettchen baumelte mit einigen Perlen ein paar Zentimeter nach unten und um meinen Hals hing eine silberne Kette. Meine Füße wurden von weißen Stiefeletten umschlossen. Ich funkelte ihn an, musste ihm aber auch recht geben. Ich kam mir vor wie eine Witzfigur, sah zum Lachen aus und würde mir die Kleidung am liebsten selbst schon vom Leib reißen. Aber das wäre vor den Augen von denen nicht so klug. Wire sah mich schon herausfordernd an. Ich streckte ihm die Zunge raus und lief an ihm vorbei. „Hast du alles?“, Kid lehnte an der Reling. Ich fasste mich an das Band, an mein rechtes Bein und sah zu meinen Schuhen, „also Waffen fast“, mir schmerzte mein Herz. Langsam hatte ich mich wirklich in meine Sense verliebt. „Du kannst sie nicht mitnehmen, Liebes“, Killer grunzte, „aber ich werde gut auf sie achten.“ Er hatte seine Hand auf meine Schulter gelegt. Mein Blick wanderte von der Hand immer weiter seinen Arm entlang, bis zu seinem Kopf – verdammte Maske. Ich würde ihn gerade zu gern schlagen … aber … „Ja, ich weiß“, ich versuchte meine Stimme weinerlich klingen zu lassen, „sie wird es bei dir gut haben.“ Er klopfte mit seiner Hand auf meine Schulter. Derweil nahm ich meinen Mut zusammen, schubse seine Hand weg und in einer fließenden Drehbewegung hatte ich seine Schultern gepackte und mein Knie an seinen Bauch gehoben. Ich schnaufte und auch er zog hörbar die Luft ein. Seine Hand war nach meinem Schubs zu meiner Hüfte geglitten, um mich aufzuhalten, doch sie berührte mich nicht. Mit zusammengekniffen Augen sah ich durch die Löcher in seiner Maske. Er hatte gewusst, dass ich das nicht machen würde. Ich hätte sowieso nur alles wieder zurück bekomme. Kapitel 15: Sehr erfreut – Fräulein Sophie und Haskell ------------------------------------------------------ „Wie heiß ich jetzt wieder?“ Wir waren noch keine halbe Stunde unterwegs und ich fragte nun schon zum vierten Mal. Ich konnte mir den Namen, den mir Kid geben musste einfach nicht merken. Heats dagegen war der Wahnsinn. „Sophie“, sagte er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Er fand es wohl auch amüsant. Ich brummte und nickte. Der Name gefiel mir nicht. Überhaupt nicht. Unsere Geschichte aber umso besser. Endlich hatte ich mal das Sagen, wobei ich das nicht wollte. Ich war eine Tochter aus gutem Hause und nachdem wir angegriffen wurden, war ich mit meinem treuen Diener geflohen. Wir waren an die Insel gekommen und so sind wir zu der Villa gegangen, weil wir schon viel darüber gehört hatten. Ich wollte aber nicht das Sagen haben, besonders nicht über Heat. Er tat mir ja nichts. Heat klopfte und stellte sich neben mich. Mein Blick glitt über ihn. Er sah wirklich gut aus. Sein Piratendasein konnte man nur aus seinen Tattoos lesen. Sie spitzen unter seiner Kleidung hervor. Seine grauen Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er trug eine dunkelgraue Stoffhose, ein weißes Hemd und ein dunkelgraues Jackett. Es war eher der lässig-schicke Look. Er sah mich kurz an und dann wieder nach vorn. Ich schüttelte meinen Kopf und konzentrierte mich auf meine Aufgabe. Ich sah nach vorn. Da hatte ich doch wirklich zum ersten Mal bemerkt, dass Heat gut aussah. Die Tür öffnete sich mit einem Krächzen. Es quietschte und die Tür schrie nach Öl. Ich biss die Zähne zusammen. Als ich wieder aufsah, war die Tür bereits offen und ein Mädchen, nur ein paar Jahre jünger als ich, sah durch den Spalt. Sie hatte große Augen, die durch eine große Brille schauten. Sie musterte uns etwas verwirrt, aber als sie sah, dass wir nicht böswillig wirkten, machte sie die Türe weiter auf. „Ja?“, ihre Stimme war unsicher und zittrig. Traurig sah ich mich in ihr wieder. Ich war früher auch so kleinlaut gewesen. Unterwürfig und demütig. „Ist der junge Herr Hugh da?“ „Und Sie sind?“, fragte sie nach, ohne auf Heats Frage einzugehen. „Das ist Fräulein Sophie und ich bin Ihr treuer Begleiter Haskell“, er verneigte sich leicht und lächelte. Sie nickte, „warten Sie“, sie schob die Tür wieder ein Stück zu und ihre Schritte halten durch den Eingangsbereich nach draußen. „Ihr treuer Begleiter“, imitierte ich meinen Freund und konnte mir ein Kichern nicht verkneifen. „Was denn?“, schmollte er. „Nichts, es gefällt mir“, gestikulierte ich, „könnte öfter so sein.“ Als Antwort bekam ich nicht mehr und auch nicht weniger als den Blick auf seine Zunge. Ich lachte noch eine Weile in mich hinein und freute mich über meinen plötzlichen Positionswechsel, da hallten auch schon wieder Schritte durch die Hallen. „Bitte folgen Sie mir“, nuschelte sie und führte uns durch den großen Eingang. Neugierig sah ich mich um. Es war groß und reich geschmückt, dennoch recht eintönig gehalten. Es gab keine unnützen Verzierungen. An den Fenstern hingen hellrote Vorhänge, die Lampen waren Kronleuchter und überall standen Pflanzen. Sonst waren die Wände Cremeweiß. Das Hausmädchen führte uns durch einen Flur, der sich durch das gesamte Haus zog, wir kamen an einer Treppe vorbei. Kurz danach blieb sie vor einer Tür stehen. „Er erwartet Sie“, sie hielt uns die Tür auf. Ich lächelte schräg und ging an ihr vorbei. Drinnen angekommen, schloss sie leise hinter uns die Tür. Ich sah mich um. Überall waren Bücher an den Wänden. Die Regale waren Deckenhoch und so fast dreimal so hoch wie ich selbst. An einer Leiste konnte eine Leiter entlang geschoben werden. Diese wurde durch einige Treppen und ein paar Vorsprüngen abgegrenzt. Der großen Tür gegenüber war eine große Fensterfront, die die Mitte des Raumes erleuchtete. Für die späten Stunden gab es einige Stehlampen und Kerzen. Ein niedriger Tisch stand dabei und darum herum zwei Sofas und drei Sessel. Auf einem dieser Sessel saß ein junger Mann, etwa so alt wie Kid – jedoch hatte er ein freundlicheres Gesicht. „Sie müssen Fräulein Sophie sein“, sagte er freundlich und stand auf. Er schritt elegant zu uns hinüber, nahm meine Hand und gab ihr einen Kuss. Vor Überraschung quiekte ich auf. Als ich merkte was ich getan hatte, spürte ich die Röte auf meinen Wangen. „Entschuldigung“, murmelte ich verlegen und hielt mir meine freie Hand vor den Mund. „Euer Lachen ist ein Klang, der mir den Abend versüßt.“ „Mein Herr, es tut mir Leid Euch zu unterbrechen“, mische sich Heat ein. „Ihr seid Haskell, oder?“, er richtete sich auf und sah meinen Begleiter an. „Sehr wohl“, der Grauhaarige verbeugte sich leicht, „Fräulein Sophie und ich mussten das Anwesen Ihres Vaters so eilig verlassen, dass wir keine Möglichkeit hatten, etwas mitzunehmen. Wir kamen an diese Insel und hoffen nun, dass wir vielleicht einige Nächte hier bei Ihnen übernachten können.“ „So einem liebenswerten Wesen, kann ich keinen Gefallen ausschlagen“, er lächelte mich charmant an und breitete seine Arme aus, „bitte, setzt Euch.“ Dankend gingen wir an ihm vorbei und setzten uns. „Ich sage Alli, dass sie zwei Zimmer für Euch herrichten soll“, er setzte sich neben mich auf das Sofa. „Haben Sie vielen Dank, mein Herr“, sagte ich dankend. „Bitte, nennt mich Hugh“, wieder lächelte er. Auch ich lächelte, „ok.“ Er fragte uns, woher wir genau kamen und was denn passiert sei. Ich gab die Antworten von mir, die Kid Heat und mir vorgegeben hatte. Es sei eine kleine Insel und wir seien die einzige Adelsfamilie dort gewesen. Mein Vater hätte die Menschen dort gütig regiert, hatte aber nie versucht sie zu unterwerfen. Mich hätte er ebenso umsorgt und mir zum Schutz Haskell zur Seite gestellt. Es war eine lange Fragerunde. Sie zog sich hin und so war es bald mitten in der Nacht. Die Uhr auf dem Kaminsims schlug Mitternacht. Hugh richtete sich überrascht auf und sah sich blinzelnd um. „Schon so spät?“, er warf einen Blick auf mich und lächelte, „es tut mir Leid, ich hatte gar nicht auf die Uhr geachtet. Wir hatten uns so gut unterhalten.“ Ich erwiderte sein Lächeln und schüttelte leicht den Kopf, „ich verstehe Euch. Mein Vater hat auch stets darauf geachtet, wen er in sein Haus lässt.“ Erstaunt sah mich Heat an. Ich improvisierte. „Er wollte Euch auch nicht gefährden Lady Sophie“, er musste sich ein Grinsen verkneifen und biss sich auf die Wangeninnenseite. Ich sah das kleine Grübchen welches dabei entstand. „Euer Vater ist ein großer Mann. So etwas wie Güte kennen diese Barbaren von Piraten gar nicht“, Hugh spuckte das Wort Pirat abfällig aus, doch dann glätteten sich seine Gesichtszüge wieder, „ich werde nach Alli sehen und wie weit sie mit den Zimmern ist. Bitte wartet einen Moment.“ Er eilte nach draußen und vergaß dabei nicht die Türe hinter sich leise zu schließen. Ich hatte kaum geblinzelt, da waren beide wieder da. Alli führte uns durch zwei Gänge und eine Treppe hinauf, sie blieb zwischen zwei Türen stehen. „Das rechte hier ist Euer Zimmer Fräulein Sophie“, sie sah mich eindringlich an, ich nickte, „und das linke eures, Haskell.“ „Habt Dank“, er beugte seinen Kopf leicht und sie verschwand. Ohne auf Heat zu achten ging ich in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Es war riesig. An den Wänden hingen einige Gemälde. Es war doppelt so hoch wie ich und ein Leuchte hing in der Mitte des Raumes. Mir gegenüber war eine große Fensterfront, eine Tür führte auf einen kleinen Balkon und umrahmt wurde alles von beigefarbenen Vorhängen. Ein Himmelbett stand zu meiner Linken. An beiden Seiten ein kleiner Beistelltisch mit Lampe und einem Wecker. Zu meiner rechten waren eine Tür und ein großer Schrank. Und unter dem Leuchter war ein niedriger Tisch mit Sofa und Sessel. Alles war schlicht gehalten und wirkte doch pompös. Neugierig spitzelte ich durch die Türe rechts – ein Bad. Dann lief ich auch schon zu dem Sofa und ließ mich rückwärts über die Lehne fallen. So hingen meine Füße nach oben und mein Kopf, Schultern und Arme lagen ausgebreitet auf der Sitzfläche. Erleichtert atmete ich auf. Es war geschafft. Ich hatte es hierher geschafft und das fast ohne Hilfe. Ich schloss kurz die Augen und lächelte. Als ich sie wieder öffnete verschwand es. Mein Blick war traurig, dazu musste ich nicht einmal in den Spiegel sehen. Ich drehte meinen Kopf um aus dem Fenster zu sehen. Dort draußen war es. Ich wusste es. Ich hatte es im Gefühl. Aber wollte ich wirklich dorthin? Ich hatte doch gar keine Zeit dafür. Ich könnte mich wegschleichen und zurück sein, bevor sie es merken würden. Ich biss mir nervös auf die Lippe. Das konnte ich nicht machen. Das … Ein Klopfen holte mich aus den Gedanken und Heats leise Stimme. Erschrocken aber erleichtert schluckte ich meine Sorgen runter und bat ihn herein. Bei jedem anderen hätte ich mich schnell aufgerichtet und wäre vermutlich über meine eigenen Beine geflogen, bei ihm ist es mir egal. Verwirrt musterte er mich und legte den Kopf schief, damit er mich gerade sah. Schüttelte aber den Kopf und richtete sich auf. Er schloss die Tür hinter sich, nachdem er nochmal einen misstrauischen Blick nach draußen geworfen hatte. „Bequem?“, fragte er. „Türlich“, ich grinste, „was sonst?“ Ich versuchte die Beine über meinen Kopf zu schwingen, um mich vom Sofa zu rollen, doch es wollte nicht klappen. „Hilfst du mir?“, bettelte ich. „Da hast du dich selbst reingeritten.“ Schmollend versuchte ich mich zu befreien, das endete aber darin, dass ich mich komisch über das Sofa robbte und stöhnend meinen Arsch in die Höhe streckte. Lachend setzte sich Heat in den Sessel, „was hältst du von ihm?“ „Von wem?“ „Na von diesem Hugh?“ Meine Miene wurde nachdenklich. Ich stand auf und lief um das Sofa. „Er scheint nett zu sein, aber er scheint auch einige Geheimnisse zu haben, denn er gibt sich ab und an nur so, oder bilde ich mir das ein?“ „Nein, das hatte ich mir auch gedacht.“ „Wie wollen wir an die Bibliothek kommen?“ „Immer alles langsam“, beschwichtigte er mich, „er wird dich morgen herumführen. Er findet dich reizend, das konnte ich sehen, selbst wenn er dich nur vergewaltigen wollen würde.“ „WAS?“, kreischte ich auf. „Immer sachte“, lachte er, „so schätz ich ihn nicht ein. Aber wir müssen erst einmal herausfinden wo die Bibliothek ist, sonst würden wir doch gegen deinen Vorsatz verstoßen, es auf deine Art zu machen, oder nicht?“ „Ja“, mit hoch erhobener Nase stolzierte ich an ihm vorbei und Richtung Fenster. Ich senkte meinen Kopf wieder und sah gedankenverloren nach draußen. Ich wollte hinaus. Ich hatte plötzlich dieses große Verlangen nach draußen zu gehen. Wie in Trance schritt ich auf das Fenster zu und legte meine Hand auf die kalte Scheibe. „Su, du hörst mir ja gar nicht zu“, beschwerte sich Heat. „Doch“, murmelte ich. „Und was habe ich eben gesagt?“ „Na, dass ...“, begann ich und konnte meinen Blick von der Dunkelheit nicht abwenden. Seufzend fuhr sich Heat durch die Haare, „ich lass dich allein, wir reden morgen früh nochmal. Ich werde dich wecken, für das gerade – nur damit du's weißt.“ Ich blinzelte mehrmals und sah der Spiegelung von Heat nach, dann schaute ich wieder durch die Scheibe und legte meinen Kopf dagegen. Ich schloss die Augen. Kurz darauf spürte ich, dass sie feucht wurden. Als ich sie wieder öffnete fiel die erste Träne zu Boden. „Mama … Papa ...“ Kapitel 16: Rundgänge – Augen offen halten ------------------------------------------ Mit schmerzendem Rücken setzte ich mich auf, als mich die ersten Sonnenstrahlen im Gesicht kitzelten. Ich hatte nicht nur vergessen den Vorhang zuzuziehen, ich hatte auch auf dem Sofa geschlafen. Nicht, dass ich etwas gegen das Bett gehabt hätte, es war nur so groß und weich und ich hatte so viel Platz. Da gab mir die Couch mehr das Gefühl, dass ich nicht alleine war. Ich schnaubte, da hatte es Kid tatsächlich geschafft, mich in den paar Nächten soweit zu bringen, dass ich es vermisste, wenn er nicht neben mir lag. Ich schüttelte den Kopf, damit er nicht diese Genugtuung bekam. Obwohl er es eh nicht mitbekam. Als ich mich aufsetzen wollte, merkte ich, dass ich halb aus dem Bett hing. Ich schnaufte ein paar Mal ein und aus und stemmte mich dann hoch. Ich schwang mich komplett vom Sofa und lief in Richtung Badezimmer, da fiel mir auf, dass ich gar keine Kleidung dabei hatte. Und ich zusätzlich in den Sachen vom vorherigen Tag geschlafen hatte. Mürrisch sah ich mich um und wünschte mich auf das Schiff zurück, bis mir ein Zettel auf dem Tisch auffiel. Vorsichtig trat ich näher heran und las Guten Morgen Fräulein Sophie, aufgrund des stürmischen Verlassen Ihres Zuhauses, habe ich angeordnet Ihnen ein paar Kleidungsstücke in den Schrank zu legen. Ich freue mich, Euch später darin zu sehen Hugh Verdutzt starrte ich die Nachricht an und kicherte. Das klang so hochgestochen. Den Kopf schüttelnd war ich froh darüber, nicht mehr eine Sklavin zu sein. Ich könnte nie wieder in dieser Welt leben und wenn mich jemand dazu zwingen sollte, würde ich den Weg die Klippe runter nehmen. Nun neugierig auf die Sachen, legte ich den Zettel zurück und schritt zum Schrank. Er erschien mir wie ein großes Portal in eine andere Welt. Und wenn ich es öffnete, erstrahlte alles darin und blendete mich. Natürlich nicht. Ein paar Hosen, Röcke, Shirts und Pullis lagen darin. Und ein paar weitere Kleinigkeiten. Weil ich nun endlich duschen wollte, ließ ich alles liegen und lief in den anderen Raum. Vor mir war im Boden ein halber Pool eingelassen. In der Mitte stand ein kleiner Wasserfall, welcher immer wieder warmes Wasser in das Becken laufen ließ. Den Kopf schief legend beobachtete ich das Schauspiel ein paar Minuten. Ich verstand die Reichen nicht, sie hatten so viel Geld, hatten Frauen und große Villen und trotzdem holten sie sich Sklaven, die für sie die Drecksarbeit machten, die sie schikanierten und mit denen sie ihre Frauen betrügen konnten. Einfach Widerlich. Ich entledigte mich meiner Kleidung. Es war eigentlich Verschwendung, aber ich wollte schon immer einmal wissen, wie sich so ein Bad anfühlte, außerdem musste ich baden oder duschen – mich sauber machen. Meine Haare sträubten sich im ersten Moment auf und ich fror, nach einigen Minuten wurde mir dann erst warm. Seufzend entspannte ich mich und lehnte mich zurück. Stehend ging mir das Wasser bis zur Hüfte, nun sitzend schön bis zu den Schultern. Der Dampf verteilte sich im Raum und bald durchzog er meine Nase und ich konnte frei atmen. Ich winkelte meine Beine an und schlang meine Arme darum. Ruhig atmend beobachtete ich meine Haare, wie sie auf dem Wasser schwammen. Doch ich sah sie nicht wirklich. Ich schloss die Augen und genoss die Ruhe. Es war so schön hier. Einfach hier sitzen, im Warmen und niemand da, der mich störte. „Entschuldige, ich hab dich nicht gesehen. Sorry, Su.“ Hörte ich Heat angespannt und aufgeschreckt rufen. Verwirrt sah ich nach oben, ich hatte gar nicht bemerkt wie er rein kam. „Was machst du denn hier?“, fragte ich und legte den Kopf schief. „Du hast also auch nicht gehört wie ich gesagt hatte, dass ich dich weckte?“ „Wann?“ Er nickte wissend. Ich drehte vorsichtig meinen Rücken von ihm weg, das Mal hatte er anscheinend nicht bemerkt. Dabei achtete ich, dass meine Beine vor meiner Mitte waren. Rot um die Nase hustete er und sein Blick richtete sich auf den Boden. Kichernd richtete ich mich etwas auf und meine Brüste wanderten mit. Nun etwas panischer sah er sich um. „Hast du hier kein Handtuch?“, er hüstelte weiter. Kichernd beobachtete ich ihn. Es war amüsant ihn so perplex zu sehen. Und ich musste ehrlich zugeben, dass es mir Freude bereitete. Bei ihm konnte ich es machen, bei Kid niemals, da würde mir der Mut fehlen. „Ich weiß nicht wo sie sind“, gab ich wahrheitsgemäß zurück. „G-Gut, ich warte draußen“, räusperte sich Heat. Er flüchtete vor mir. Lachend drehte ich mich auf den Rücken und ließ mich kurz auf dem Wasser treiben. Ich setzte mich an den Beckenrand und sah mich kurz um. Weiter hinten lagen welche. Ich erhob mich und nahm mir ein Handtuch. Mit zittrigen Händen wickelte ich es um meinen Körper. Ich biss mir auf die Lippe um nicht grinsend in das andere Zimmer zu gehen. „Was gibt’s denn jetzt?“, fragte ich ihn. Aufgeschreckt sah er von der Couch auf und sein Kopf schnellte in die entgegengesetzte Richtung, „hab doch gesagt, dass ich dich aufwecken wollte, weil du mir gestern nicht zugehört hattest und ich dir eins auswischen wollte.“ „Ah ja“, ich zog eine Augenbraue nach oben. „Hast du eigentlich auf der Couch geschlafen?“ „Ja“, meinte ich bestimmt und lief zum Schrank. „Wieso? Du hast da ein riesiges, bequemes Bett“ „Ja, aber es ist mir zu groß“, zuckte ich mit den Achseln. „Wieso? Es ist schön groß und du hast es sehr bequem, was stört dich also daran?“ Ich drehte mich zu ihm und sah ihn von oben herab an. Ich öffnete den Schrank und besah mich der Sachen. Ich schürzte meine Lippen und überlegte. „Hast du die ganzen Sachen zum Anziehen bekommen?“, er stand auf und trat zu mir. „Ja“, ich biss mir innen auf die Wange, aber konnte das Grinsen nicht unterdrücken. „Man, der Kerl mag dich“, er klopfte mir auf den Rücken. Kurz knickte ich leicht nach vorn und hätte fast das Handtuch fallen lassen. Ich packte das, was ich zum Greifen bekam und das Stück Stoff rutschte etwas nach unten. Heat biss sich in den Handrücken und sah an die Decke. Lachend stütze ich mich am Schrank ab und beobachtete ihn. „Zieh dir was an“, er trat zurück. Immer noch lachend holte ich mir grünen Rock, eine weiße Bluse und auch Unterwäsche raus. Alles warf ich in Richtung Heat. „Halt mal“, murmelte ich noch hinterher. Ich sah noch ein bisschen herum und nahm mir letztendlich noch weiße Schuhe raus. Als ich noch einen letzten prüfenden Blick in den Schrank warf, nickte ich und drehte mich dann um. Heat wendete den Slip verwirrt in seiner Hand. Er legte den Kopf schief und grinste über das kleine Stückchen Stoff. Als ich neben ihm stand, entriss ich es ihm und beugte mich nach unten, damit ich mir das Höschen anziehen konnte. Heat gab ein Räuspern von sich und wendete sich erschrocken ab. Kichernd nahm ich ihm den BH ab und ließ das Handtuch fallen, wendete mich aber nicht ab – zur Sicherheit. Er sollte das Brandmal nicht sehen, dann doch lieber meine Brüste, aber er sah sowieso nicht hin. Nachdem ich auch die Strumpfhose und den Rock anhatte, ging ich noch einmal kurz zum Schrank. Immer darauf bedacht, dass Heat sich nicht umdrehte, lief ich rückwärts. Weil mir die Bluse zu durchsichtig erschien, holte ich mir noch ein weißes Top und zog das auch gleich an. Meinem Gefährten nahm ich die Bluse ab und zog sie über. „Also, wieso hast du auf dem Sofa geschlafen?“ „Hab ich doch schon gesagt, war mir zu groß“, zuckte ich mit den Händen. Er war immer noch etwas rot um die Nasenspitze. Ein Klopfen. Unsere Blicke trafen sich. „Herein“, ich versuchte, dass meine Stimme sicher klang. „Guten Morgen, ich hoffe Ihr habt gut geschlafen“, begrüßte uns Alli. „Ja, danke“, übernahm Heat und lächelte freundlich. „Das Essen ist serviert“, sie machte eine ausladende Bewegung, wir sollten ihr folgen. Der Saal war riesig. In der Mitte stand ein Tisch, der den gesamten Raum ausfüllte. Ich war es gewohnt. Ich hatte ja schon oft solche Tische gesehen, doch immer wieder erstaunte es mich. Wieso hatten manche Menschen solche Tische? Wofür war das gut? Wollten sie damit ihre Macht ausdrücken? Zeigen, dass sie Geld hatten? Hugh stand am Fenster und sah hinaus. Als wir eintraten drehte er sich lächelnd um und begrüßte uns. Wir erwiderten. Vor drei Stühlen war bereits etwas aufgetischt. Auf den Tellern selbst lagen schon Semmel, daneben standen Gläser gefüllt mit Wasser und Saft, Kaffee, hartgekochte Eier und Wurst und Käse war verteilt dazwischen, sowie Obst und Gemüse, Marmelade und Honig. Ich konnte es mir nicht nehmen lassen, gleich von der Semmel abzubeißen. Er bat uns Platz zu nehmen und fragte gleich nach unserer Nacht. „Wir haben sehr gut geschlafen, danke mein Herr. Ihr seid zu großzügig.“ „Ach bitte“, winkte er ab und sah zu mir, „in solch schweren Zeiten, kann man doch eine aufblühende Blume nicht draußen stehen lassen.“ Mir blieb das Frühstück im Hals stecken. Hustend räusperte ich mich. Mir war mit einem Schlag etwas warm. Hughs Blick ruhte weiter auf mir. „Es freut mich, dass Ihr meine Nachricht entdeckt habt.“ „J-ja, vielen Dank für die Kleider“, verlegen senkte sich mein Blick auf das Essen vor mir. „Das ist doch eine Kleinigkeit“, nun fing auch er an zu Essen. Auch ich ließ es jetzt ruhiger angehen. Ich schnitt die angeknabberte Semmel auf und bestrich sie mit Honig. Dann aß ich. „Wenn Ihr nichts dagegen habt, würde ich Euch gerne mein Heim zeigen,. Ihr müsst erschöpft sein und Euch große Sorgen um Euren Vater machen. Ich werde nachher noch jemanden auf den Weg zu Eurer Insel schicken“, er lächelte. Ich schielte zu Heat. Auch er stockte. „Das ist zu großzügig“, erwiderte mein Freund mit einigem Zögern. „Ach, ich möchte nur, dass Ihr euch wohlfühlt.“ Wenig später liefen wir durch das große Gebäude. Er erklärte uns alles von der Bauzeit bis heute. Wir sahen Zimmer von Empfangshallen bis Baderäume, Wintergärten, Gästezimmer, Küche und auch eine Bibliothek. Sie war noch größer als die auf dem Schiff, aber wie dort so auch hier waren die Bücher bis zur Decke hoch in den Regalen. In der Mitte war eine gemütliche Sitzecke mit vielen Lichtern. Die Fenster in dem Raum waren schmal und hoch, wenn auch zahlreich. Bewundernd schlenderte ich an den Regalen vorbei und las die Titel. Geschichte über die Ozeane, Waffen Völker. Sagen. Romane. Lexika. Kochbücher. Alles sah ich. Hugh gesellte sich neben mich, „Fräulein Sophie, ich würde Euch gerne auf ein Fest einladen, Euch beide“, wandte er sich an Heat. Verblüfft sah auch ich ihn an und nickte schließlich, „gerne“, lächelte ich. Um an ihm dran zu bleiben, sollten wir das vorerst tun. Wir brauchten sein Vertrauen um in die Bibliothek zu kommen. „Ich hatte auf eine positive Antwort gehofft“, lachte er, „die Party ist an das Opfer der Insel gerichtet.“ „Opfer?“ „Ja, aber das ist nun zu deprimierend, auf dem Fest wird alles erklärt“, meinte er, „ich werde Euch passende Kleidung in Eure Zimmer bringen lassen.“ Heat und ich wechselten wieder Blicke. Sehr früh hatte ich mich vom Abendessen verabschiedet und ging unruhig in meinem Zimmer auf und ab. Bis ich mich schließlich ins Bett legte. Es war unbequem. Doch es wiegte mich in einen unruhigen Schlaf und ich war wach, als es draußen dunkel war und die Uhr Mitternacht schlug. Ich öffnete die Augen. Mit Shorts und weit ausgeschnittenem Shirt schlich ich mich zur Tür und spitzelte hinaus. Heat wartete bereits. Kapitel 17: Feste – Tanzen und Feiern ------------------------------------- Seufzend lehnte ich mich zurück und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. Die Decke verschwamm etwas. Ich schloss meine Augen, schüttelte meinen Kopf und gähnte ausgiebig, dann legte ich das Buch weg und nahm mir ein anderes. „So wird das nichts“, meinte Heat und sah sich um. „Weil wir auch überhaupt keinen Plan davon haben, was hier alles rum liegt“, ich las die Titel der nächsten sieben Wälzer. „Das mag ich an dir, du bist immer so optimistisch“, seine Stimme ging nach oben und er grinste breit. Ich stockte. Mein Blick lag lang auf ihm. Das war grad einfach … „Und du bist der beste Liebhaber den ich je hatte“, ich stand auf und lief zu meinem Freund. Ich ging um ihn herum und legte meine Arme um ihn, „und letzte Nacht warst du so atemberaubend“, hauchte ich ihm in das Ohr, dann drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange. „Du bist blöd“, lachte er und wischte sich mit der Hand über die gleiche Wange. „Du auch“, auch ich musste lachen, dann sah ich mir weiter die Bücher an. „Sollen wir für heute Schluss machen?“ Ich sah auf die Standuhr in einer Ecke, es war kurz nach drei. Ich seufzte. „Ein bisschen geht noch“, ich schlenderte an den Regalen vorbei und sah über die Titel. Geschichte der Nationen. Lexika. Tierbücher. Die Welt der Teufelsfrüchte. Mein Blick glitt zur Raumdecke. „Wenn ich ein Buch über die Meere wäre, wo würde ich mich da verstecken?“ „Versuchst du dich jetzt in die Psyche des Buches zu versetzen?“, er starrte mich verwirrt an. „Schnauze, ein Buch ist kompliziert und es ist schwer sich hinein zu versetzen, wenn man von Büchern umgeben ist“, ich war etwas hysterisch, „so, also hier sind Bücher über Geschichte, Nationen, Lexika, alles schon gesehen, aber wo sind die Verdammten Bücher über Meere, wie würdest du Bücher in so einer Bibliothek ordnen? Würdest du sie überhaupt ordnen?“ „Su, wir sind Piraten, keine Philosophen.“ „Weshalb können wir dann nicht ein bisschen philosophisch sein?“, ich sah ihn an, grinste kurz und sah weiter. Ein Buch fiel mir ins Auge, es hatte einen dunkelblauen Einband, sofern ich das auf die Entfernung sagen konnte, es war weiter oben. Ich stieß mich ab und schon schwebte ich davor. „Münzsammlung“, verwirrt musterte ich den Einband, „wer bewahrt eine Münzsammlung hier auf, oben in einem Bücherregal?“ „Mir drängt sich nur die Frage auf, wer sammelt heute zur Hölle noch Münzen“, angewidert verzog er das Gesicht. „Es gibt viel eigenartigere Sachen die man sammeln kann, ich hab schon viel seltsamere Sachen gesehen“, murmelte ich. „Was meinst du?“ „Ach nichts“, ich griff mir das Buch heraus, welches leichter als gedacht war. Das konnten keine Münzen sein. Ich besah mir dem Buch genauer, strich über den Rücken und den Deckel. Bei näherer Betrachtung fiel mir auf, dass es auch keine richtigen Seiten hatte. Ich öffnete das Buch. Wie gedacht, von außen eine Münzsammlung und innen eine leere Hülle. Ich sank auf den Boden zurück. Heat trat hinter mich und griff um mich herum. Er nahm einige von den Briefen und sah sich die ersten Zeilen an. „Da hätte man doch eher was Wichtigeres erwarten können.“ „Ja“, ich seufzte und ließ mich nach hinten fallen. Die Müdigkeit kam zurück. Heat legte die Briefe zurück, schlang seinen linken Arm um mich und sah mit der Rechten weiter durch die Zettel. Ich hielt ihm unterdessen das Buch weiterhin hin, während mein Kopf an seiner Schulter ruhte. „Wir sollten langsam ins Bett gehen“, er drückte mich an sich. Ich schloss das Buch und wollte es wieder weg räumen, doch ich wurde weiterhin festgehalten. Ich warf einen Blick über die Schulter, im selben Moment legte Heat seine rechte Hand auf meine linke Schulter. „Alles ok?“ „Ja“, er seufzte. Eine Augenbraue nach oben ziehend wand ich mich aus seinem Griff. Manchmal war auch er komisch. Ich flog zu dem Platz und stellte das Buch zurück. Als ich landete, betrachtete ich meinen Freund. Er ließ seinen Kopf hängen und beobachtete mich. Mir blieb der Mund offen, das sah gerade ziemlich knuffig aus, grinsend ging ich zu ihm und sah ihm von unten herauf in die Augen. „Ich glaub wir gehen jetzt am Besten ins Bett.“ „Ja.“ „Habt Ihr gut geschlafen?“, fragte Hugh vorsichtig, „bitte verzeiht, aber Ihr seht müde aus.“ „Nein, nein, alles bestens“, lächelte ich, es ist ja nur früher morgen und ich hatte in etwa gar nicht bis zwei oder drei Stunden geschlafen. „Wenn Ihr meint“, er betrachtete mich immer noch etwas misstrauisch, „aber nun etwas anderes. Ich habe meinen Bediensteten gesagt, sie sollen Euch angemessene, passende Kleidung für heute Abend aufs Zimmer bringen. Ebenso habe ich ein paar meiner Männer damit beauftragt zu Eurer Heimat aufzubrechen.“ Ich warf Heat einen vielsagenden Blick zu und presste meine Lippen aufeinander. Na wenn das mal gut geht, schließlich werden sie diese Insel nicht finden. Wenn diese Männer sich meldeten, müssten wir schon wieder weg sein. „Das ist zu großzügig von Euch“, sprang Heat für mich ein. Ihm stand diese Rolle. Wieso war er nur Pirat geworden? Klar er hatte einige Narben, aber die machten ihn erst sympathisch. Und er war immer so lieb zu mir. Ich lächelte in mich hinein, schließlich muss ich nach außen immer noch wohlerzogen und schrecklich besorgt wirken. „Was beschäftigt Euch, Sophie?“ „Wie?“, verwirrt sah ich mich um, ich hatte die letzten Minuten nicht aufgepasst. „Was geht in Eurem hübschen Kopf vor sich?“, wiederholte Hugh. „Äh … ach“, ich seufzte, „ich musste an meinen Vater und meine Freunde denken. Ich will mir gar nicht vorstellen was passiert sein könnte“, ich zog noch meine Nase kraus und senkte traurig den Kopf. Oh, ich hätte Schauspielerin werden sollen, nur Schade, dass ich nie die Wahl gehabt hatte. Verstohlen sah ich nach oben. „Ja, das verstehe ich“, stotterte der Herr des Hauses, „ich wünschte, ich könnte etwas mehr für euch tun.“ „Ihr tut genug“, beruhigte ich ihn. „Heute Abend werde ich Euch auf andere Gedanken bringen“, lächelte er charmant. Ich stockte. Es klang etwas daneben – um es noch höflich auszudrücken. „Seht nachher auf Eure Zimmer, es müssten bereits passende Kleider auf Euren Zimmern sein, sucht Euch eines für heute Abend aus.“ „Gern“, ich verzog meinen Mund zu einem schrägen Lächeln. Nach einigem hin und her schaffte ich es zurück in mein Zimmer. Seufzend ließ ich mich auf das Sofa fallen. Er war anstrengend – sehr anstrengend. Gähnend sah ich auf. Da hingen tatsächlich Kleider. Müde strich ich mir übers Gesicht, musste ich da jetzt wirklich eines aussuchen? Es klopfte. „Su, ich bin‘s“, hörte ich Heat leise. „Ja“, antwortete ich eher aus Routine, als dass ich ihn wirklich sehen wollte. „Und wie sehen die Kleider aus?“, wollte er beim reingehen wissen. „Hab sie noch nicht angesehen“, ich ließ mich zur Seite fallen und schloss die Augen. „Uhh“, er ging darauf zu und bewegte die Röcke, sodass der Stoff raschelte. Gähnend beobachtete ich ihn. Er hob ein rosa Stück vor seinen Körper. Verwirrt rümpfte ich die Nase. Es war mit Rüschen übersät. So viele Rüschen konnten doch auf einem Kleid keinen Platz haben. „Bitte nicht“, grinste ich breit. Ich bemühte mich hoch und schleppte mich zu ihm. Die Kleider waren bunt und beinhalteten jede Farbe. „Also in Sachen Geschmack muss er noch einmal was lernen“, ich zog an dem Tüll eines saphirblauen Kleides. „Ja“, er sah weiter durch, „das hier ist doch schön“, er hielt mir ein weißes Kleid entgegen. Ich legte den Kopf schräg, es sah wirklich nicht schlecht aus. Es hatte keine Träger, hatte oben aber auch keinen geraden Schnitt. Es hatte einen runden Schnitt der leicht V-förmig in der Mitte war. An der Taille war ein waagerecht festgenäht. Oben wirkte es schwerer, da bis zu dem dicken Band alles mit Perlstickerei – in silber und sanften mintgrün – besetzt war. Ab dem Band schien es lockerer. Der mehr lagige Chiffonstoff war als Vokuhila Kleid endete vorn knapp über dem Knie und war hinten Bodenlang. „Los, das ist das geringste Übel“, er drückte es mir gegen den Körper. Ich sah ihn mit großen Augen von unten an. So konnte man einer Frau auch an die Brüste fassen. Als er es merkte, grinste er breit. „Ich weiß nicht, ob ich das jetzt noch anziehen kann, wenn du es als Vorwand genommen hast, mir an die Brust zu fassen“, spielte ich angeekelt. „Du bist doch blöd!“ Er lachte, aber ich nahm das Kleid trotzdem. Ich nahm es mit in das Badezimmer, schließlich wollte ich nicht, dass er meine Brandnarbe sah. Eilig zog ich das Kleid an und trat nach draußen. Heat hat sich währenddessen auf dem Bett breit gemacht und sah staunend auf, als ich eintrat. Das Kleid fühlte sich toll an. Es saß perfekt an der Brust und der Schnitt betonte die Figur perfekt. Der Stoff fühlte sich samtweich an den Beinen an. Die einzige Sorge war, dass es vielleicht etwas durchsichtig sein könnte. „Wow“, meinte er anerkennend. Als Antwort drehte ich mich und lachte. Es schmiegte sich einfach perfekt an. „Aber mal was anderes, was machen wir wegen dem Buch?“ „Wir machen das heute Abend.“ „Willst du dich von der Party schleichen?“ „Natürlich.“ Ich nickte. Wie ich dort weg kommen sollte, wusste ich noch nicht, aber gut. Hugh würde mich sicher nicht aus den Augen lassen. Es würde schwierig werden. Erschöpft ließ ich mich neben Heat auf das Bett fallen. Ich wälzte mich auf den Bauch und streckte meine Arme über den Kopf. Es entspannte, die Matratze unter mir gab so wunderbar nach, so dass ich gefühlt einen Meter einsank. Wieso hatte ich nur nicht im Bett geschlafen? Es war so bequem. So weich... Und so bequem, dass ich eingeschlafen war. Verschlafen blinzelte ich, es dämmerte bereits und Heat lag schnarchend neben mir. Kichernd stützte ich mich auf meine Oberarme und beobachtete ihn. Aber jetzt war ich wenigstens wieder wach. Ich drehte mich auf den Rücken und sprang mit einer Leichtigkeit auf die Beine, die ich schon lange vermisst hatte. Mein Blick glitt an mir runter, das Kleid hatte zwar jetzt einige Falten, aber es sah immer noch gut aus. Seufzend ging ich zum Fenster. Innen war es dunkel und draußen war der Himmel rötlich. Bald war das Fest von dem Hugh sprach. Leider musste ich hin, auch wenn ich keine große Lust darauf hatte. Ich kannte die andere Seite. Was die Bediensteten alles machen mussten, wie sie geschunden und angeschrien wurden von früh bis spät. Es klopfte an der Tür. Erschrocken wirbelte ich herum, mein Blick fiel auf Heat. Es würde komisch aussehen, wenn sie ihn hier auf dem Bett schlafend finden würden. „Kleinen Moment, ich zieh mir schnell was an“, rief ich der Tür entgegen und eilte zu ihm. In meiner Not stützte ich mich mit einem Knie auf das Bett und beugte mich über ihn. Ich rüttelte sanft, aber etwas bestimmt an seiner Schulter. „Heat“, presste ich leise hervor, „wach auf.“ „Küss mich“, murmelte er. „Was?“, kreischte ich auf, „nein!“ „Na dann halt nicht“, gähnend richtete er sich auf, leider war ich noch über ihm. Er schubste mich fast von sich runter, hielt mich aber gerade noch fest, sodass ich über seine Beine hing. Schnell versuchte ich mich aus der misslichen Lage zu befreien. Das kam gerade viel zu oft vor. Schnaubend richtete ich mich auf und strich das Kleid glatt, während ich ein 'Herein' der Tür entgegen rief. Eine der Bediensteten erschien. Sie verbeugte sich, grüßte uns und bedachte uns mit einem langen Blick. Dann erst sprach sie weiter. Das Fest hatte bereits begonnen und wir sollten ihr folgen. Ich entschuldigte mich dafür und wir gingen ihr hinterher. Ich hatte gar nicht bemerkt wie die Zeit vergangen war, dass ich eingeschlafen war und es bereits dämmerte. Heat ging schnell noch in sein Zimmer und kam wenig später bereits zurück. Mir stockte der Atem, als ich die ganzen Menschen sah. Wir standen immer noch in der Nähe des Eingangs. Niemand beachtete uns groß. Die Menschen, die an uns vorbei gingen bedachten uns zwar mit einem langen Blick und tuschelten etwas, aber niemand kam auf uns zu und sonst war auch nichts in ihren Minen zu lesen. Einige von ihnen tanzten oder sie bedienten sich am einladenden Buffet. Ich sah zu Heat und erkannte, dass er das als passende Gelegenheit befand, zu verschwinden und sich weiter umzusehen, doch ich hatte eigentlich keine Lust. Die Bibliothek war so unübersichtlich, dass es sich hinter fünf Büchern verstecken konnte. Seufzend senkte ich den Blick und wurde durch ein Klirren aus den Gedanken gerissen. Ich sah Hugh, wie er mit einem Löffel gegen ein Glas klopfte. Er war vornehm in einem Anzug gekleidet und sah charmant wie immer aus, „es freut mich“, fing er laut an zu sprechen, „dass so viele zu der Feier erschienen sind. Es ist mir sehr wichtig, dass wir diesen Überfall von damals nicht vergessen. Dass wir an die denken, die nicht so viel Glück hatten wie wir und von uns fortgerissen wurden. Die Familien die getrennt wurden. Die Frauen, Kinder und Männer. Wie sie mitgeschleppt wurden und von den Menschenhändlern verkauft wurden.“ Ich hob überrascht den Kopf und legte ihn schräg. Das … „Ich möchte, dass wir kurz an sie denken und hoffe, dass so ein Unglück nie wieder passieren wird. Danke“, ein Klatschen folgte und dann senkten sehr viele bedächtig ihre Köpfe. Fasziniert beobachtete ich das Schauspiel. So viele Menschen... Ob ihnen die anderen wirklich Leid taten? Kopfschüttelnd lief ich durch den Raum auf eine große Glastür zu und trat ins Freie. Kalte Luft umfing mich, aber sie war angenehm. Viel zu warm, war es mir dort drin. Über mir erstreckte sich ein weiter Sternenhimmel. Und das Land war nun ein einziger Schatten seiner selbst. „Hab ihr es schon gefunden?“, hörte ich eine knurrende Stimme. Verwirrt lief ich zu der Mauer und erschrak, als ich den roten Haarschopf erkannte. „Nein, er hat so viele Bücher und alle sind sie durcheinander“, stotterte ich. Er sah mich an und das Kleid, „du weißt, was du mir versprochen hast?“ „Ja, ich ...“ „Lady Sophie, mit wem sprecht Ihr?“ Erschrocken wirbelte ich herum. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie Hugh hinter mich getreten war. „Mit niemanden“, antwortete ich schnell, „wisst ihr, mein Vater meinte immer, dass die Sterne auf mich aufpassen würden und irgendwann hab ich damit angefangen, sie als meine Freunde zu sehen“, log ich und merkte selbst schon, wie absurd das klang. „Ach“, er wirkte überrascht, hielt mich aber anscheinend nicht für verrückt, „das ist eine niedliche Vorstellung“, lächelte er. „Was ist damals passiert?“, versuchte ich das Thema umzuschwenken. „Wollt Ihr das wirklich wissen?“ „Ja, ich verstehe es nicht und würde gerne mehr Anteil daran nehmen.“ „Wollt Ihr etwa auch noch das Dorf sehen?“ „Gern“, lächelte ich. Ich war etwas verwirrt, weil er mir gleich so etwas anbot. Aber es interessierte mich, ob ich recht hatte. Seit zehn Minuten waren wir unterwegs. Heat und zwei von Hughs Männern waren mit dabei. Wir wären wahrscheinlich schon da, aber ich war wegen des Kleides besorgt. Hugh ging neben mir und erzählte in einigem Abstand von der Geschichte der Insel, von seiner Familie und von seiner Kindheit. Geduldig hörte ich zu und versuchte die Blicke des Rotschopfes zu vergessen, der mit Sicherheit hier irgendwo war. Aufmerksam begutachtete ich die Umgebung. Bisher kam mir nichts bekannt vor. Bald schon tauchte links von uns eine niedrige Mauer aus Stein auf. Hörbar atmete ich ein. Auf dem Feld hatten wir gespielt, also war das Haus, welches dort stand … Hugh war stehen geblieben, aber mich faszinierte es so sehr, dass ich ihn ignorierte und an ihm vorbei ging. Fasziniert sah ich mich um. Mit offenem Mund lief ich durch die wenigen Straßen. Der charmante Schönling redete unbeirrt weiter. Erzählte was hier passiert war, doch ich wusste, was hier passiert war. Wenn ich alleine hier gestanden wäre, hätte ich geweint, doch so, sollte ich mir keine Blöße geben. An der Ecke standen noch die Außenwände des Bäckers, daneben der Metzger, der nicht so viel Glück hatte. Auf der gegenüberliegenden Seite stand das Haus meiner besten Freundin. Ich sah nach links und ging diesen Weg weiter, ein paar Häuser weiter war unser Haus. Meine Heimat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)