Ein Jahr 12 Geschichten von SarahSunshine ================================================================================ Kapitel 10: Ein Blick in dein Herz ---------------------------------- Das Rauschen des Meeres war ein ungemein beruhigendes Geräusch. Wellen bäumten sich langsam auf, um kurz vor dem Strand zu brechen und über den hellen Sand zu fließen. Dann zog sich das Wasser zurück und das Phänomen wiederholte sich wieder und wieder. Genauso fesselnd wie das Geräusch des Meeres war der Anblick einer jungen Frau, die in diesem Moment am Strand stand. Gedankenverloren blickte sie zum Horizont hinaus, während kleine Wellen immer wieder ihre nackten Füße umspielten. Sie trug ein leichtes, weißes Sommerkleid, das im Wind an ihren Knien baumelte. Ihre dazu passenden weißen Ballerinas trug sie in der Hand. Ein paar kurze rosafarbene Strähnen fielen ihr in die Augen. Die Magie des Meeres schien sie vollkommen in seinen Bann gezogen zu haben. Das letzte Mal, dass ich sie gesehen hatte, war schon eine ganze Weile her. Naruto Uzumaki war das Bindeglied zwischen ihr und mir. Die beiden machten gerade Urlaub in einem der Ferienressorts meiner Familie. Genaue Gründe für diesen spontanen Einfall hatte Naruto mir bislang nicht genannt, doch er hatte mich in dieser Angelegenheit um einen Gefallen gebeten, als Freund. Wer könnte da schon nein sagen? Ich habe also ein freies Zimmer für die zwei organisiert, auch wenn meine Schwester anfangs nicht besonders begeistert davon gewesen war. „Oi, Gaara!“ Die vertraute Stimme von Naruto erklang hinter mir. Er trug einen Strohhut und sein Hemd aufgeknöpft. Scheinbar hatte er sich schnell an das neue Klima gewöhnt. „Danke noch mal, dass du mir und Sakura das hier möglich gemacht hast“, sprach er grinsend und ich spürte seine Hand auf meiner Schulter. Ich nickte und schenkte ihm ein kleines Lächeln. Mein Blick wanderte allerdings schnell wieder zu Sakura. „Geht es ihr gut?“, fragte ich vorsichtig, mit einem Seitenblick zu meinem Freund. Es überraschte mich, in diesem Moment einen ähnlich abwesenden Ausdruck in Narutos Gesicht zu entdecken, wie ich ihn zuvor bei Sakura ausgemacht hatte. „Es geht ihr … den Umständen entsprechend. Mach dir keine Gedanken, ich kümmere mich um sie.“ Die Unbeschwertheit von früher fehlte in seiner Stimme, doch mehr als seinen Worten Glauben zu schenken konnte ich nicht tun. Naruto verabschiedete sich knapp von mir und ging zu Sakura herüber. Als er ihren Namen rief, blickte sie auf und dann sah sie zu mir herüber. Auf ihren Lippen lag ein kleines Lächeln, das ihre Augen nicht annähernd erreichte. Was auch immer diese Umstände waren, sie schienen sie unendlich traurig zu stimmen. Ich kannte Sakura schon immer als einen Menschen, der seine Emotionen nach Außen trug, egal ob sie das wollte oder nicht. Das Vibrieren in meiner Hosentasche lenkte mich von dem Anblick der beiden ab und erinnerte mich gleichzeitig an meine Verpflichtungen im Hotel. Temari benötigte meine Unterstützung im Büro. Deshalb ließ ich Naruto und Sakura alleine zurück, damit sie ihren ersten Abend hier am Meer noch ein wenig genießen konnten. In wenigen Stunden würde das Abendessen angerichtet werden, mit anschließendem Liveprogramm auf der Bühne. Während unsere Gäste sich am Buffet bedienten, managte ich den Auftritt der Liveband. Vor der kleinen Bühne standen mehrere Tische und Stühle bereit. Mein Platz an diesem Abend würde hinter der Bar sein. Ich unterstützte meine Schwester neben meinem Studium so gut ich konnte. Das Restaurant war gut gefüllt während ich den Alkohol und die Getränkebestände überprüft. Die Band baute ihre Instrumente auf und testete den Ton. Die Sonne schickte ihre letzten Strahlen über das Meer und beleuchtete unser Hotel in intensiven Rot- und Orangetönen. Innerhalb von einer Stunde verließen viele Menschen den Speisesaal und fanden sich an den Tischen vor der Bühne ein. Unter ihnen befanden sich auch Naruto und Sakura. Ich beobachtete, wie die beiden sich etwas abseits setzen. Er redete scheinbar unentwegt, das kannten wohl alle seine Freunde von ihm, aber sie hatte eine eher abwehrende Haltung eingenommen. Mein Blick huschte immer mal wieder zu meinen Freunden, bis das Abendprogramm und damit auch meine Arbeit richtig begannen. Ich gab Getränke und Cocktails aus als hätte ich nie etwas Anderes getan. Manchmal machte mir diese Arbeit richtig Spaß. Irgendwann kam auch Naruto zu mir, um ein Bier für sich und einen alkoholfreien Drink für Sakura zu bestellen. „Alles klar bei euch?“, fragte ich, als ich ihm schon mal sein Bier auf den Tresen stellte. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Marmorplatte und warf einen kurzen Blick über seine Schulter zu mir. „Genießt ihr die Show?“, fügte ich noch hinzu, um nicht allzu aufdringlich zu wirken. „Ja, die Band ist cool. Ich denke, Sakura gefällt sie auch.“ Naruto grinste schief. Er wollte mir scheinbar verkaufen, dass alles in bester Ordnung sei. Ob er das auch selbst glaubte? Oder sich das nur einredete? „Wenn ihr noch etwas braucht, kommt einfach her“, erklärte ich, nachdem ich ihm zusätzlich den Cocktail neben das Bier stellte. „Danke, Gaara. Machen wir.“ Mit diesen Worten verabschiedete er sich wieder von mir und kehrte zu Sakura zurück. Sie blickte kurz auf das Getränk und anschließend für einen Augenaufschlag zu mir. Es wurde ein wenig ruhiger um die Bar. Deshalb nahm ich mir einen Moment, um der Band zu lauschen. Einer der Angestellten kam zu mir, um mich für eine kleine Pause abzulösen. Mit einer Flasche Wasser in der Hand verschwand ich aus der Menschenmenge Richtung Meer. Abseits von dem Lärm lehnte ich mich an einen großen Terrakottatopf, in den eine Palme gepflanzt war. Von hier aus konnte ich das Rauschen der Wellen hören. In der Nacht war dieses Geräusch noch viel entspannender. Nach 15 Minuten, in denen ich Paare und Gruppen aus Männern, Frauen oder beidem den gepflasterten durch das Hotel spazieren gesehen hatte, kehrte ich langsam an die Bar zurück. Auf dem Weg hielt ich Ausschau nach Naruto. Ich wollte bloß wissen, ob er noch da war – und das war er tatsächlich. Sein Blick lag fest, ein wenig besorgt, auf Sakura, die irgendwie abwesend die Band betrachtete. Als er seine Hand auf ihren Unterarm legte, zuckte sie erst leicht zusammen und entzog sich schließlich schnell wieder seinem Griff. „Hey Gaara, kannst du mir hier mal helfen?“ Ich wandte meinen Blick ab, um mich wieder um die Bestellungen an der Bar zu kümmern. Als ich das nächste Mal zu Naruto blickte, war Sakura weg und er saß mit hängenden Schultern alleine am Tisch. Es dauerte nicht einmal einen Song der Band, da kam er zu mir. Er setzte sich auf einen freien Hocker am Tresen und bestellte einen Schnaps. Für einen Moment bekam die Fassade des immer grinsenden Witzboldes einen Riss. „Hast du dich mit Sakura gestritten?“, fragte ich, als ich das gefüllte Glas vor ihm abstellte. Das entlockte ihm einen Seufzer, dem ein Nicken folgte, ehe er sein Getränk in einem Zug herunterschluckte. Obwohl er sein Gesicht daraufhin verzog, deutete er mir mit der Hand an, aufzufüllen. Ich kam seinem Wunsch nach. „Sie ist gerade ein bisschen … dünnhäutig“, murmelte er gerade so laut, dass ich es verstand. Daraufhin setzte er sofort wieder das Glas mit dem Alkohol an seine Lippen und goss den Schnaps seine Kehle hinab. Erneut deutete er mir an, dass ich ihm abermals nachfüllen sollte und erneut kam ich dieser Aufforderung kommentarlos nach. „Aber es ist wie es ist. Und ich werde sie nicht hängen lassen. Sie ist schließlich meine beste Freundin“, erklärte er. Doch diesmal wusste ich nicht, ob er das direkt zu mir oder eher zu sich selbst sagte. Ich musterte ihn dieses Mal etwas länger, genauer - selbst als er meinen Blick auffing. „Ist sie nicht schon längst mehr als das?“, fragte ich, ohne meine Augen von ihm abzuwenden. Erst sah er mich nur schweigend an, doch dann erkannte ich, wie sein Mundwinkel leicht nach oben zuckte, obgleich ein trauriger Ausdruck in seinen blauen Augen zu erkennen war. Dann kippte er den Schnaps wieder in seinen Rachen. Naruto musste nicht sagen, wie es ihm ging. Die Tatsache, dass er einen Kurzen nach dem anderen bestellte, sprach für sich selbst. Anstatt wie viele andere redseliger zu werden, wurde er eher stiller, betrachtete die goldene Flüssigkeit in seinem Glas und seufzte immer wieder. Nachdem der Auftritt der Band vorbei war, verschwanden viele der Gäste und um die Außenbar wurde es ebenfalls ruhiger. Sakura tauchte nicht mehr auf. „Yo, Naruto?“ Ich hatte nicht mehr mitgezählt wie viel er mittlerweile getrunken hatte, allerdings konnte ich sagen, dass er wohl kaum noch gerade laufen würde, sobald er aufstand. „Hm?“, machte er und blickte mich mit seinen matten Augen an. Zumindest reagierte er noch auf mich. „Ich begleite dich in dein Zimmer.“ Mit einer Kopfbewegung signalisierte ich meinem Kollegen, dass er die Bar übernehmen und schließen sollte. Wenn Naruto hier noch Unsinn anstellte, würde Temari mir die Hölle heiß machen. Wie ich vermutet hatte, konnte mein Freund nicht einmal ohne zu schwanken stehen. Ich legte seinen Arm um meine Schultern und stützte ihn beim Laufen. „Isch komm einfach nisch … an schie ran …“, murmelte er vor sich hin, „dabei … will isch … nur helfen.“ Ich warf einen kurzen Seitenblick zu ihm, während wir den Flur zu seinem Zimmer entlang gingen. „Sie is‘ nisch mehr die … selbe. Isch will nisch … dass schie … weint…“ Darauf wusste ich nichts zu erwidern. Dafür kannte ich die Situation zu wenig oder eher gar nicht. „Wir sind da“, erklärte ich ihm ruhig, als wir die Tür erreichten. Etwas unbeholfen begann er in seinen Hosentaschen zu kramen. „Sakura … hat die Karte“, lallte er und ließ seinen Kopf erschöpft hängen. In der Hoffnung, dass Sakura sich im Zimmer befand, klopfte ich ein paar Mal gegen die Tür, doch niemand reagierte – sofern überhaupt jemand im Raum war. Deshalb kramte ich aus meiner hinteren Hosentasche meine Hotelmitarbeiterkarte hervor, um damit in das Zimmer zu gelangen. Ich schob Naruto ins Schlafzimmer, wo er wie ein Stein auf die Matratze fiel und sein Gesicht im Kissen vergrub. Mehr als das konnte ich an diesem Abend nicht mehr für ihn tun, aber es war gut, ihn sicher in seinem Bett zu wissen. Kaum, dass ich die Zimmertür hinter mir schloss, lief beinahe jemand in mich herein. Trotzdem entschuldigte ich mich. Bei genauer Betrachtung bemerkte ich, dass es Sakura war, die sich eilig über die Augen wischte. Damit konnte sie allerdings nicht verhindern, dass ich die verlaufene Schminke und die verweinten Augen bemerkte. „Ich habe Naruto ins Zimmer gebracht“, erklärte ich knapp, „er hat ein bisschen tief ins Glas geschaut.“ „Danke“, murmelte sie leise und kehrte mir den Rücken zu, um das Zimmer zu betreten. „Gute Nacht, Gaara.“ Ich kam gar nicht mehr zum Antworten, da stand ich schon wieder vor verschlossener Tür. Einen Moment starrte ich das Mahagoniholz nur an, ehe ich den Rückzug antrat. In der Nacht lag ich noch eine Weile wach und dachte über meine beiden Freunde nach. Sie verhielten sich beide merkwürdig, aber ich kam auch nicht dazu, einmal vernünftig mit einem von ihnen zu reden. Vielleicht ging es mich aber auch nichts an. Am nächsten Morgen übernahm ich spontan für ein paar Stunden den Dienst an der Rezeption und begrüßte unsere Gäste am Empfang, half ihnen beim Einchecken und verteilte die Zimmerkarten, bis die Kollegin kam, die eigentlich eingeteilt war. Ich unterhielt mich ein wenig mit ihr, als Naruto ziemlich zerstreut durch die Eingangshalle schlenderte. Er raufte sich die Haare und schien irgendwas vor sich her zu murmeln. „Gaara!“, rief er meinen Namen und kam mit hoffnungsvollem Blick auf die Rezeption zugelaufen. „Ist Sakura hier zufällig irgendwo vorbei gekommen? Hast du sie gesehen?“ Überrascht sah ich ihn an und schüttelte meinen Kopf. „Nein, ich habe sie seit gestern Abend nicht mehr gesehen und ich bin seit heute früh hier“, erklärte ich ruhig, woraufhin Naruto einen leisen Fluch ausstieß und seine geballte Faust auf den Empfangstresen schlug. „Wie lange ist sie denn schon weg?“, fragte ich, um mir ein besseres Bild von der Situation machen zu können. „Keine Ahnung. Ich bin heute Morgen aufgewacht und da war sie schon nicht mehr da. Ihr Bett war gemacht und ihr Handy lag drauf. Die Karte fürs Zimmer hat sie auch daneben liegen gelassen.“ „Und einen Zettel, wo sie hingegangen ist, hat sie nicht dazu gelegt?“, fragte ich sicherheitshalber nach. Vielleicht hatte er den ja übersehen. „Nein, da war nichts!“, antwortete er direkt und raufte sich erneut die Haare. „Und ich hab schon am Pool, am Strand und im Restaurant geguckt. Ich weiß nicht, wo ich noch suchen soll!“ „Okay“, erwiderte ich. Dass Naruto ziemlich angespannt war, war nicht zu übersehen. „Pass auf, wir suchen sie zusammen. Sie ist bestimmt hier irgendwo“, schlug ich vor, um ihn zu beruhigen. Ich signalisierte meiner Kollegin hinter dem Tresen, dass ich das übernehmen würde und ging dann mit Naruto wieder in die Richtung der Hotelanlage. „Du schaust am besten noch mal genau am Pool und am Strand, ich erkundige mich mal im Spa und in der Sauna“, entschied ich, da ich einen guten Draht zu den Angestellten hatte. Naruto nickte diesen Plan ab und dann trennten sich unsere Wege. Ich konnte mir nicht erklären, weshalb Sakura so plötzlich verschwinden sollte. Wobei ich auch keine Ahnung hatte, aus welchem Grund sie gestern weinend zurück aufs Zimmer kam. Am Empfang des Sauna- und Spabereichs erkundigte ich mich direkt nach einer jungen Frau mit rosafarbenem Haar – es war gut, dass Sakura ein so markantes Erkennungsmerkmal besaß. Leider hatte man sie dort nicht gesehen. Ich lief weiter durch die Hotelanlage und stellte hin und wieder unseren Angestellten die gleiche Frage. Doch keiner schien sie gesehen zu haben, geschweige denn, sich daran zu erinnern. Noch war ich mit meinen Ideen allerdings nicht am Ende. Ich kannte diese Hotelanlage recht gut und ging deshalb nach und nach ein paar abgelegene Stellen ab, an denen es ruhig war und an denen sich nicht besonders viele Menschen befanden. Im Hotel selbst wurde ich nicht fündig, aber nachdem ich ein paar Meter den Strand entlang gegangen war, fand ich sie endlich. Sakura saß am Ende eines Stegs, an dem ein paar kleine Bote angelegt hatten und an dem Fahrten übers Meer angeboten wurden. Ich näherte mich ihr langsam, bis ich direkt hinter ihr stand. „Hier steckst du. Naruto sucht dich schon den ganzen Morgen“, erklärte ich ihr ruhig die Lage. Sie warf einen Blick über ihre Schulter und lächelte mich traurig an. Dann wandte sie sich wieder dem blauen Wasser zu, dessen Wellen in gleichmäßigen Rhythmus auf den Steg zu plätscherten. „Ich weiß“, gab sie zu und strich sich ein paar Strähnen aus ihrem Gesicht. Dann schwiegen wir einen Moment miteinander, verfolgten mit den Augen ein Bot, das am Horizont auf dem Wasser trieb. „Was ist passiert?“, fragte ich schließlich frei heraus. „Du hast gestern geweint. Und Naruto scheint … sich ziemliche Sorgen zu machen.“ Erneut warf sie ihren Blick über die Schulter zu mir. „Ich weiß“, antwortete sie erneut, „Ich weiß, dass er sich Sorgen macht und ich weiß, dass er nur versucht mir zu helfen…“ Zuerst klang es so, als wollte sich noch etwas hinzufügen und dass ihre Lippen noch einen Spalt geöffnet waren, sprach ebenfalls dafür, doch sie verstummte. „Aber?“, hakte ich nach, unsicher, ob sie darauf wirklich antworten würde. Sie ballte eine Faust und hielt sie vor ihre Brust, den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen. „Aber es geht nicht … Ich … kann das nicht zulassen … jeder Mensch, der mir etwas bedeutet … stirbt.“ Ihre Stimme war zittrig und ihre Worte voll Trauer und Bedauern. Es tat selbst mir im Herzen weh, sie so zu sehen, zu hören, obwohl wir uns nie so nahe standen. „Wie meinst du das?“, fragte ich irritiert. Sakura wischte sich eilig über ihre Augenwinkel, scheinbar hatte sich meine Vermutung bestätigt. „Vor sechs Jahren ist meine Mutter an einem Schlaganfall gestorben, dabei war sie noch recht jung“, begann sie zu erzählen, starrte dabei jedoch weiter auf den Horizont. „ Zwei Jahren später ist meine Jugendliebe bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Gerade als ich den Schmerz um meine Mutter halbwegs überwunden hatte. Und vor einem halben Jahr …“ Ihre Schultern begannen zu beben und obwohl sie abermals versuchte, ihre Tränen mit den Fingern fernzuhalten, liefen sie unentwegt aus ihren Augenwinkeln. „Vor einem halben Jahr ist … meine beste Freundin an Krebs gestorben.“ Jetzt konnte ich endlich verstehen, weshalb Sakura so unendlich traurig aussah. An den Autounfall konnte ich mich sogar noch vage erinnern. Damals war Narutos bester Freund umgekommen. „Das tut mir sehr leid, Sakura“, gab ich mein Beileid kund. „Ich kann nachvollziehen, wie du dich fühlst-“ „Jeder Mensch, den ich liebe stirbt! Als wäre es meine Schuld, als würde ich ihnen Unglück bringen! Wie willst du das nachvollziehen können?!“, fuhr sie mich an, wovon ich mich allerdings nicht beeindrucken ließ. „Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben. Mein Vater hat mir jahrelang die Schuld dafür gegeben und mich verachtet.“ Sofort zog Reue in ihrem Gesicht ein und sie senkte beschämt ihren Blick, aber ich nahm es ihr nicht übel. Sie murmelte eine Entschuldigung. „Wenn ich meine Geschwister damals nicht gehabt hätte, wüsste ich nicht, wo ich heute stünde. Sie haben mich immer unterstützt. Und so wie ich das mitbekommen habe, scheint Naruto dich auch immer unterstützen zu wollen?“ Sakura schniefte einmal und fuhr sich erneut mit der Hand über ihre Augen. „Ja, das tut er auch … er versucht mich auf schönere Gedanken zu bringen, mich abzulenken … deshalb auch dieser spontane Ausflug …“ Und schon wieder hörte sich dieser Satz unvollendet an, weshalb ich erneut nach dem Aber fragte. „Aber gestern Nacht hat er im Schlaf gesagt, dass er mich liebt…“ Ihre Augen waren stur aufs Meer gerichtet, ihre Züge waren traurig. „Ich weiß es schon länger … manchmal ist es einfach … zu offensichtlich und früher war ich vermutlich einfach zu blind, um es zu erkennen…“ Für einen Moment schlich sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen, als erinnerte sie sich gerade an etwas Schönes. „Und empfindest du auch etwas für ihn?“, fragte ich und riss sie damit scheinbar aus ihren Gedanken. „Ich denke schon…“ „Aber du fürchtest, dass ihm etwas zustößt, wenn du diese Gefühle zulässt.“ Scheinbar hatte ich genau ins Schwarze getroffen, denn Sakura drehte sich langsam zu mir und blickte mich mit großen Augen an. „Ich … ich könnte es nicht ertragen … ihn auch noch zu verlieren …“ Ich ließ ihre Worte einen Moment auf mich wirken. Jetzt konnte ich wirklich so einiges verstehen. Meine Hände versanken in meinen Hosentaschen und ich wandte mich zum Hotel. Am Strand, an einen Felsen gelehnt, konnte ich ihn entdecken. „Es ist nicht deine Schuld, Sakura“, sprach ich meine ehrlichen Gedanken aus und blickte wieder zu ihr. „Du hast die Menschen, die du liebst nicht ins Unglück gestürzt. Du kannst nichts dafür. Ich bin mir sicher, dass die Zeit, die sie mit dir verbracht haben eine schöne Zeit für sie war. Auch ich war damals nicht verantwortlich für den Tod meiner Mutter.“ Wahrscheinlich würde sie das jetzt noch nicht begreifen, aber vielleicht kam dieser Tag irgendwann. „Vielleicht solltest du mit Naruto darüber sprechen.“ Sie litten beide unter dieser Situation. Er ertrug jeden Tag ihren Kummer und ihren Schmerz und sie unterdrückte ihre Gefühle aus Angst. „Lass dir so viel Zeit wie du brauchst, aber bitte lauf nicht wieder weg“, gab ich ihr noch auf den Weg, ehe ich mich langsam zurück zog. Ich konnte sehen, dass Naruto sich uns näherte und am Ende des Steges bereits wartete. Als ich auf seiner Höhe ankam, sah ich ihn kurz an, dann klopfte ich ihm auf die Schulter und ging an ihm vorbei. Was auch immer sie jetzt besprechen würden, es war ein privates Gespräch, bei dem ich sie nicht stören wollte. Ich warf einen letzten Blick zurück und konnte erkennen, wie Naruto seinen Arm um Sakuras Schultern legte, um sie in eine Umarmung zu ziehen. ____________________________________ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)