Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 97. “I’ll pick you up at the airport.” (GildartzCornelia) --------------------------------------------------------- Seufzend ließ Gildartz noch einmal den Blick über den Inhalt seiner Reisetasche schweifen. Die Sachen waren alle ordentlich gefaltet, sogar die Socken paarweise ineinander gestülpt, alles geradezu piekfein übereinander gestapelt, sodass genug Platz für die anderen Sachen blieb, die Gildartz hatte einpacken müssen. Wie sehr er diese Ordnung vermissen würde… Er schloss den Reißverschluss, um dem Anblick zumindest für eine Weile zu entfliehen. Wenn er in Pergrande seine Pritsche beziehen würde, würde er schon früh genug wieder sehen, was er hinter sich gelassen hatte. Wieder einmal. Die Aufbrüche fühlten sich jedes Mal so an. So grundsätzlich falsch und verräterisch. Dabei hatte er das nun schon ein paar Mal hinter sich gebracht. Fünfmal war er bereits aufgebrochen. Dennoch hatte er sich jedes Mal wieder dafür entschieden. Denn so sehr er die Zeit hier auch genoss, letztendlich zog es ihn doch jedes Mal zurück an die Front. Zu seinen Kameraden. Zu seiner Pflicht. Dorthin, wo er etwas Nützliches tun konnte. Er wusste, wie grauenhaft das klang, aber er war kein Mann des Friedens. Dreimal hatte er versucht, sich hier dauerhaft nieder zu lassen, hatte Ausbildungen angefangen, war sogar mal für ein Semester an die Uni gegangen, aber nichts lag ihm. Er hatte es ganz ernsthaft versucht – immerhin hatte er zwei sehr gute Gründe dafür –, aber genau wie Igneel, Silver und die Anderen war er letztendlich vor allem eines: Ein Soldat. Als sich eine winzige Hand mit einem Stapel Karten in sein Gesichtsfeld schob, blinzelte Gildartz überrascht. Cana hatte sich quer auf die Reisetasche gelegt und hielt ihm die alten Karten hin. „Die hast du vergessen, Papa.“ In Gildartz’ Kehle bildete sich ein Kloß. Cana war ein kleiner Wildfang, prügelte sich immer wieder mit anderen Kindern – besonders mit dem Nachbarsjungen mit den vielen Hunden –, aber manchmal hatte sie trotz ihres jungen Alters von sechs Jahren bereits eine ungeheure Ähnlichkeit mit ihrer Mutter. Nicht nur mit ihren wunderschönen dunkelbraunen Haaren und den ausdrucksstarken Augen, sondern auch in ihrem Wesen. Sie hatte auf ihre eigene Art etwas sehr Fürsorgliches an sich. Und sie war einer der Gründe, warum Gildartz mit dem Aufbruch immer solche Schwierigkeiten hatte, aber gleichzeitig war sie auch einer der Hauptgründe für seinen Aufbruch. Er wollte ein Vater sein, auf den Cana stolz sein konnte. Und er wollte mit seinen eigenen Händen für eine bessere Zukunft für seine Tochter und für all die Abermillionen von Kindern in der Welt schaffen. Er konnte nicht die ganze Zeit hier sitzen, während andere Männer und Frauen seinen Kampf kämpften. Mit einem schwachen Dank nahm er die Karten an sich und verstaute sie sicher in seiner Brusttasche, ehe er Cana von der Reisetasche hob. Sobald sie auf eigenen Füßen stand, eilte sie wieder davon und Gildartz blieb alleine im Schlafzimmer, das so intensiv nach Heimat roch, dass ihm die Brust eng wurde. Er sah die vielen Bilder an der Wand über dem Bett, sah den kleinen Schreibtisch, der über und über mit Skizzen und Stoffmustern bedeckt war, daneben die große, altmodische Nähmaschine am Fenster, über der ein halbfertiges Sommerkleid hing. Er sah die Modellpuppen, die Pinnwand mit den Aufträgen, Terminen, Messeflyern und dergleichen mehr. Er sah den riesigen Kleiderschrank – er hatte Metallicanas und Pantherlilys Hilfe gebraucht, um dieses Monstrum aus der ersten winzigen Wohnung, durch die halbe Stadt und bis hierher zu kriegen – und die breite Kommode, in der sich, wie er wusste, lauter Stoffbahnen und Nähzeug in allen möglichen und unmöglichen Varianten befanden. Und er sah die vielen Postkarten über der Kommode. Die Motive waren oft mehrfach vorhanden. Es war praktischer, gleich mehrere Postkarten zu kaufen, wenn er mal die Gelegenheit fand, welche zu besorgen, das machte es einfacher, sein Versprechen zu halten, jede Woche eine Karte zu schicken… Tief Luft holend hob er die Reisetasche vom Bett und schlang sich den Riemen um eine Schulter. Das Gewicht war vertraut, beinahe willkommen, versprach Monate der Entbehrungen und der Ängste, aber auch der Gewissheit, das Richtige zu tun. Als er in den Flur trat, erwartete ihn Cornelia. Sie erwartete ihn immer im Flur. Sie gab ihm immer die Zeit, die er im Schlafzimmer brauchte. Wie immer hielt sie in ihren Armen eine kleine Umhängetasche mit all den Sachen, an die er selbst nie dachte und die er dann doch irgendwann brauchte – und sei es auch nur, um ein Stückchen Normalität in der Kaserne zu haben, wenn er ein paar Ausgaben seines Lieblingsautomagazins zum Lesen hatte. Er fragte sich, womit er sie verdient hatte. Er, der nicht bei ihr und der gemeinsamen Tochter bleiben konnte. Er, den es immer wieder in die Ferne zog. In den Krieg. Vor ihr blieb er stehen, um die Umhängetasche entgegen zu nehmen und ihren Riemen über seine andere Schulter zu schlingen. Ein weiteres vertrautes Gefühl. Etwas von Heimat und Familie und Frieden. Ein Hauch von Vertrauen und Treue. Hinter Cornelia stand Cana und klammerte sich an die Hand ihrer Mutter, während sie sich auf die Unterlippe biss. Es war erst das zweite Mal, dass sie so etwas mitmachte, aber selbst sie schien schon eine Routine für solche Aufbrüche zu haben. Gildartz fragte sich, was das über ihn als Vater aussagte. Zaghaft strich er durch Canas Haare. „Danke noch mal für die Karten, Kleines. Übe schön mit deinen eigenen, damit du mir ganz viele Tricks zeigen kannst, wenn ich wieder da bin, ja?“ Er war sich bewusst, dass seine Stimme belegt klang, aber das Versprechen hinter den Worten schien seine Tochter dennoch zu erreichen. Sie nickte hastig und sprang vor, um seine Beine zu umarmen und das Gesicht in seinen Bauch zu drücken. Er strich nur durch ihre Haare. Wenn er zurück kommen würde, würde er sie hoch heben und küssen, sagte er sich. So tat er es immer. Es war besser so für ihn. „Und pass’ gut auf deine Mutter auf, ja? Und prügle dich nicht so viel mit dem Bengel.“ „Der braucht das aber“, schniefte Cana in seinen Bauch. Schmunzelnd trat Cornelia vor und legte die Hände auf Gildartz’ Brustkorb. In ihren Augen konnte er tausend Versprechen und noch viel mehr Bitten erkennen. Er hatte vor, jede einzelne zu erfüllen, selbst wenn er sie noch nie gehört hatte. Wenn er aufbrach, sprach Cornelia nur wenig. Wahrscheinlich weil sie sich genauso entzwei gerissen fühlte wie er selbst. Aber eines sagte sie jedes Mal, bevor sie sich auf die Zehenspitzen stellte, um ihn mit einem Kuss zu verabschieden. „Ich werde dich am Flughaften abholen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)