Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 40. “I made this for you.” (Totories) ------------------------------------- Das Fate of Stars war ein knuddeliges, kleines Themencafés. Die Decke war dunkelblau gestrichen und bildete die Kulisse für eine unglaublich detaillierte Nachzeichnung des Nachthimmels. Wie Totomaru mittlerweile wusste, zeigte sie die Milchstraße, diverse mehr oder weniger bekannte Sternzeichen – die Plejaden, den kleinen Wagen, den Widder und noch so einige mehr – und Sterne und Planeten. Totomaru hatte das Gefühl, bei jedem Besuch wieder etwas Neues an dieser Decke zu erkennen, aber das könnte auch damit zusammenhängen, dass er mittlerweile mehrere Bücher über Astronomie auf seinem Schreibtisch liegen hatte. Um den Raum nicht zu düster wirken zu lassen, waren die Wände weiß verputzt und das Interieur in hellen Holztönen gehalten. Auf Regalen standen Sternengloben, kleine Modelle des Sonnensystems, Miniaturteleskope und andere altertümliche Hilfsmittel der Astronomie. Zwischen den Regalen hingen Plakate für astronomische Fachkonferenzen oder auch für nichtwissenschaftliche Veranstaltungen mit astronomischem Schwerpunkt. Die Hälfte einer Breitseite des Cafés wurde von der holzvertäfelten Theke eingenommen. Mit schwarzer Tinte war das Sternzeichen des Großen Bären darauf gemalt worden. Die Tischchen im Café waren sternenförmig und auf den gemütlichen Sesseln und Bänken waren lauter Kissen, auf denen entweder Sterne abgebildet waren oder die tatsächlich ebenfalls eine Sternform besaßen. Sternenförmige Teelichtgläser und Windlichter standen auf den Tischen und in einer Ecke des Cafés befand sich ein hohes Regal mit astronomischen Standardwerken und einer großzügigen Auslage an Flyern für noch mehr Veranstaltungen zum Thema. Als Totomaru das Fate das erste Mal betreten hatte, war es ihm ganz schön schrullig vorgekommen. Ihm war unbegreiflich gewesen, wie man sich derartig für ein so realitätsfernes Thema interessieren konnte – dass das Argument der Realitätsferne leicht gegen seine eigene sehr passionierte Ausübung des Boscanischen Stockkampfs und der Meditation nach der Tradition seines Geburtslandes verwendet werden könnte, war ihm damals nur vage bewusst gewesen. Hätte ein Kommilitone ihn damals nicht für die Referatsbesprechung hierher eingeladen, hätte er das Fate jedenfalls nie betreten. Heute kam er jeden Tag wenigstens einmal hierher – je nachdem, wie sein Vorlesungsplan und seine Schichten im Archiv es erlaubten. Sein bester Freund Gajeel machte sich deswegen lustig über ihn, aber Totomaru machte sich nichts aus dessen derben Sprüchen. Erstens war er schon ganz andere Sachen von dem anderen Bosco gewohnt und zweitens war er fest davon überzeugt, dass sich ihre Rollen irgendwann vertauschen würden. Denn irgendwann erwischte es offensichtlich jeden… Aufmerksam verfolgte Totomaru, wie die porzellanfarbenen, zierlichen Finger seinen Latte macchiato zubereiteten. Wenn sie bei der Arbeit waren, waren sie vollkommen ruhig und zielsicher. Dann bewegten sie sich tänzerisch leicht zu einer Melodie, die sonst keiner hören konnte, strahlten Selbstbewusstsein und Freude an der Arbeit aus. Eben weil das so ein scharfer Kontrast zu den sonst üblichen nervösen Ticks war – wie sich die Finger immer wieder kompliziert miteinander verknoteten oder sich an alles klammerten, was gerade greifbar war –, war Totomaru immer wieder fasziniert von diesen Fingern – und von der gesamten Person, zu der sie gehörten. Besagte Person war zierlich und gut einen Kopf kleiner als Totomaru, die Haut genauso blass wie bei den Fingern, nur die Wangen waren immer von einer zarten Röte überhaucht, die sich je nach Verlegenheitsgrad noch vertiefte. Das schmale, spitznasige Gesicht wurde von pinken Haaren umrahmt, die auf den Schultern in dicken Locken endeten und mit jeder Bewegung leicht wippten. Die schmalen Lippen waren während der Arbeit einen Spalt breit geöffnet und als die zierlichen Finger nach dem Kakaostreuer und schließlich nach einem Zahnstocher griffen, schob sich die Zunge zwischen die Lippen – ein deutliches Zeichen, wie sehr die Frau sich konzentrierte. Ohne den Blick von den zierlichen Fingern zu lassen, stützte Totomaru das Kinn mit der rechten Hand auf der Theke ab, die er für sich alleine hatte. Am späten Nachmittag war im Fate nichts los. Das Café bereitete sich bereits auf die Schließung vor. Einer der Angestellten hatte schon das Schild an der Tür umdrehen wollen, als Totomaru aufgetaucht war, und dem finsteren Blick nach, mit dem der Löwenkopf Totomaru bedacht hatte, hätte er ihm gerne die Tür vor der Nase zugeschlagen. Loke wusste genau, was Totomaru immer wieder hierher zog. Jeder in der Belegschaft wusste das. Jeder bis auf Aries. Dabei glaubte Totomaru nicht, dass er besonders subtil war. Als die Pinkhaarige den Blick hob, kehrte die Schüchternheit in ihre braunen Augen zurück. Die Souveränität, mit der die junge Frau das Kaffeegetränk zubereitet hatte, schien sich schlagartig in Luft aufzulösen, während sie die hohe Tasse auf der Theke vor Totomaru abstellte. „Lass’ ihn dir schmecken. Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat“, flüsterte sie und verschränkte ihre Finger miteinander, sobald diese die Tasse losgelassen hatten. „Du musst dich nicht entschuldigen. Es lohnt sich jedes Mal, auf deine Arbeit zu warten“, erklärte Totomaru lächelnd. „Ich müsste schneller sein“, widersprach die Pinkhaarige und senkte zu Totomarus Bedauern nun sogar den Blick. „Es tut mir Leid. Ich werde noch viel mehr üben, versprochen!“ „Nur für mich?“, fragte Totomaru herausfordernd und beugte sich ein wenig vor, um wieder in die Augen der Barista blicken zu können. Ein zu lautes Räuspern von der Tür, die zum Hinterzimmer führte, lenkte Aries ab, bevor sie antworten konnte – nicht dass Totomaru sich überragend viele Hoffnungen gemacht hätte. Loke stand im Türrahmen. Natürlich Loke. Die Anderen aus der Belegschaft murmelten Totomaru Ermutigungen zu oder neckten ihn, wenn er mal wieder versuchte, mit Aries zu flirten, aber Loke, der selbst keine Gelegenheit ausließ, mit Kundinnen zu flirten, blickte den Bosco jedes Mal so finster an, als wollte er ihn gleich zerfleischen. Übertrieben brüderliches Beschützergehabe, hatte Aquarius es mal spöttisch genannt, als Totomaru ein wenig um den Heißen Brei herum geredet hatte, um herauszufinden, ob etwas zwischen Loke und Aries lief. „Wir müssen zu machen“, erklärte Loke. „Tut mir Leid, ich werde mich mit der Kaffeemaschine beeilen“, erklärte Aries hastig und drehte sich schon um, um die letzte Maschine auszuschalten, die sie eben noch für Totomarus Latte macchiato gebraucht hatte. Dann fiel ihr wieder etwas ein und sie drehte sich ebenso hastig zu Totomaru herum, die Wangen nun deutlich dunkler. Beinahe deutete sie eine Verbeugung an. „Tut mir Leid, das war unhöflich. Bitte lass’ dir den Latte schmecken. Ich habe ihn für dich gemacht.“ Offensichtlich. Immerhin hatte Totomaru das Getränk ja bestellt. Aber der junge Mann schenkte der Pinkhaarigen dennoch ein dankbares Lächeln, ehe er die Tasse an die Lippen hob. Erst im letzten Moment bemerkte er das Bild auf dem Milchschaum. Schnell setzte er die Tasse wieder ab, um das Kunstwerk zu betrachten. Es war ein wenig windschief, aber es war unverkennbar eine altboscanische Rune, die vereinfachte Darstellung des sagenumwobenen Königsvulkans. Sie stand für Macht, aber auch für den Ausbruch, das plötzliche Zuschlagen, die Überraschung. Für einen traditionsbewussten Bosco war es Standard, ein Amulett oder ähnliches mit dieser Rune am Körper zu tragen. Totomaru trug sie als Tattoo auf dem rechten Schulterblatt – eine ältere Tradition, die dem Glauben zugrunde lag, dass diese Rune so den Schwertarm stärkte. Überrascht blickte Totomaru wieder von der Tasse auf. Aries hatte ihm jetzt den Rücken zugekehrt und war in ihre Arbeit mit der Kaffeemaschine vertieft, die sie auseinander nehmen und reinigen musste. Totomarus Aufmerksamkeit schien sie überhaupt nicht zu bemerken, dabei wurde sie sonst jedes Mal nervös, wenn man sie bei anderer Arbeit als dem Zubereiten von Kaffee beobachtete. Langsam legte Totomaru den Kopf schief. Für Nicht-Boscos waren diese Informationen über sein Geburtsland meist unbekannt. Die Fiorianer interessierten sich eher für Alvarez im Allgemeinen, für die Kunst aus Ministrel und Enca oder für die Küche aus Pergrande. Bosco wurde meistens ignoriert, seine Tradition als Firlefanz abgetan. Um also diese Rune zeichnen zu können, hatte Aries sich in das Thema hinein lesen müssen… Unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf Totomarus Lippen und er hob die Tasse wieder an, um den Latte nicht kalt werden zu lassen, den Aries extra für ihn zubereitet hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)