Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 96. “I brought you an umbrella.” (Shenny) ----------------------------------------- Mit finsterer Miene stand Jenny im Foyer des Verlagsgebäudes, in welchem sich auch der Bürokomplex des Take Over befand, und starrte durch die deckenhohen Frontfenster nach draußen, wo gerade die Welt unter zu gehen schien. Als Jenny heute Morgen aufgebrochen war, hatte es noch nach einem strahlenden Sommertag ausgesehen. Der Wetterbericht der Radionachrichten, die sie während ihrer morgendlichen Routine hatte laufen lassen, hatte auch nicht von Regen gesprochen. Dementsprechend gut war Jenny für den Regen ausgerüstet – nämlich gar nicht. Wenn sie mit ihrem neuen Kleid, das sie sich nach der letzten Gehaltsauszahlung gegönnt hatte, durch den Regen bis zum Bahnhof lief, würden in der Bahn noch mehr Männerblicke als sonst schon an ihr kleben. Sie gehörte zwar nicht zu diesen fragwürdigen Kampflesben, die Männer als das Größte Übel der Menschheit beschimpften, aber das hieß nicht, dass sie es schätzte, wenn ihr Fremde auf den Busen und Hintern starrten. Selbige sollten eigentlich nur von den von Jenny auserwählten Frauen begutachtet werden dürfen – von allem weiteren ganz zu schweigen. Schnaufend ließ Jenny sich in einen der mit kunterbuntem Plüsch überzogenen Sessel des Foyers fallen, die ihre alte Schulfreundin und nun Vorgesetzte Mirajane aus irgendeinem Grund niedlich fand. In Jennys Augen waren die Dinger einfach nur albern, aber zumindest musste sie jetzt anerkennen, dass sie ihr Elend erträglicher machten. Vor sich hin brummelnd zog Jenny ihr Smartphone aus der Handtasche und scrollte durch ihre Kontaktliste, obwohl ihr schon klar war, dass niemand davon ihr aus ihrer misslichen Lage helfen konnte. Mirajane hatte heute früher Feierabend gemacht und dabei immer vor sich hin gesummt, weil sie sich auf ihr Date gefreut hatte – hatte die ein Glück, dass sie zu einem Klassikkonzert wollten, ansonsten wäre das Date wohl ins Wasser gefallen –, und sowieso hätte Jenny selbst eine fünfminütige Autofahrt zum Bahnhof mit einer schwer verliebten Mirajane niemals ausgehalten. Deren kleine Schwester Lisanna kam immer mit dem Fahrrad zur Arbeit – und in ihrem dicken Rucksack hatte die garantiert eher so ein Regencape für Radfahrer als einen Regenschirm. Hibiki hatte Urlaub und war mit seiner Freundin, einer passionierten – oder eher besessenen – Geschichtsstudentin, in Enca unterwegs. Und Eve war krank. Damit blieben nur noch Ren, der heute allerdings länger machen wollte, weil er morgen einen Termin hatte, und- „Ich habe dir einen Regenschirm mitgebracht.“ Überrascht blickte Jenny von ihrem Smartphone auf und hoch zu Sherry. Die Pinkhaarige trug ein bauchfreies Top und einen Wickelrock, was ihre Bombenfigur ausgezeichnet zur Geltung brachte. Ein Gedanke, der Jenny schon seit heute früh durch den Kopf ging und der sich selbst jetzt wieder zu Wort meldete. Allerdings verdrängte Jenny den Gedanken schnell wieder und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den kleinen Gegenstand in Sherrys feingliedrigen Händen, bei dem es sich um einen knallpinken Taschenregenschirm handelte. Ganz offensichtlich gehörte Sherry zu jenen Menschen, die immer auf alles gefasst waren. Irgendwie wunderte Jenny sich nicht darüber. Ihr Blick wanderte weiter zu den fast schon triumphierend funkelnden, blauen Augen der Gleichaltrigen, die erst vor drei Monaten beim Take Over angefangen hatte. „Wir können zusammen zum Bahnhof gehen“, schlug Sherry vor. Für einen Moment wog Jenny ihre Optionen ab: Sie könnte warten, bis Ren endlich Feierabend machte. Sie könnte in den anderen Büros nachfragen, ob ihr jemand einen Schirm leihen konnte. Oder sie nahm Sherrys Angebot an und ließ sich auf die kitschige Geste ein, welche der Pinkhaarigen unter Garantie im Kopf herum schwirrte. Natürlich fand Sherry solche Bilder, bei denen die Pärchen eng nebeneinander liefen, um unter einen Regenschirm zu passen, sehr romantisch. Etwas anderes passte einfach nicht zu ihr. Sie war eine Romantikerin durch und durch. Eigentlich grenzte es an ein Wunder, dass sie sich auf einen One Night Stand mit Jenny eingelassen hatte, aber die Blondine hatte an diesem einen Abend vor einer Woche, als sie nach der Fertigstellung einer neuen Ausgabe feiern gegangen waren, alle Register gezogen – einfach weil sie sich von Anfang an von Sherry angezogen gefühlt hatte und weil sie sowieso noch nie etwas hatte anbrennen lassen. Mit einem Schulterzucken ergab Jenny sich in ihr Schicksal und wuchtete sich aus den weichen Tiefen des Sessels auf. „Hoffentlich ist dein Schirm groß genug für uns Beide.“ „Ganz bestimmt“, erwiderte Sherry noch immer mit diesen Funkeln in den Augen. „Ganz bestimmt“, echote Jenny amüsiert und beugte sich vor, um einen Kuss auf die Lippen der Anderen zu drücken. Sie hatte noch nie etwas mit Romantik anfangen können. Vielleicht ein Nebeneffekt, wenn man sich in Mirajanes romantikverseuchtem Umfeld befand – deren Schwester gehörte ja auch nicht wirklich zu diesen romantikvernarrten Mädels, da hatte Mirajane wohl auch als abschreckendes Beispiel gewirkt. Bei Jenny jedenfalls ging es eher immer gleich ans Eingemachte. Aber für Sherry konnte sie sich wohl mal darauf einlassen. Sie hatten zwar noch kein endgültiges Gespräch darüber geführt, was zwischen ihnen nun seit dieser einen Nacht war, aber Jenny war schon vor dem One Night Stand klar gewesen, dass sie mehr als nur ein bisschen Spaß wollte. Und sie war sich mittlerweile voll und ganz sicher, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte. Nachdem Jenny sich wieder zurückgezogen hatte, setzten die beiden jungen Frauen sich in Bewegung. Sie traten durch die nervig träge Drehtür und unter der Überdachung, die vor der Tür angebracht worden war, spannte Sherry ihren Schirm auf. Er war tatsächlich winzig. Selbst für eine einzige Person war er eigentlich schon zu klein und obendrein wirkte das Pink im aufgeklappten Zustand noch viel schriller. Wie gut, dass Jenny in letzter Zeit Pink lieben gelernt hatte. „Gib ruhig zu, dass du dieses Mistwetter bestellt und extra deinen alten Kinderregenschirm eingepackt hast“, schmunzelte Jenny, trat jedoch ohne Scheu näher an Sherry heran und legte ihr einen Arm um die Taille, damit sie so eng nebeneinander laufen konnten wie eben möglich. „Erwischt“, lachte Sherry glockenhell und schlang ihrerseits den freien Arm um Jennys Taille. Jenny verdrehte die Augen, aber auf ihre Lippen schlich sich unwillkürlich ein weiches Lächeln. Als sie sich in Bewegung setzten, war es ein angenehmes Gefühl, Sherry so nahe zu sein. Ihre Hand fühlte sich gut auf Jennys Hüfte an und ihre Haare rochen noch leicht nach einem blumigen Shampoo. Jenny verspürte den Wunsch nach mehr davon. Nicht hier und jetzt, sondern dauerhaft und intensiver, mit Versprechen und mehr gemeinsamen Stunden und allem, was sonst noch so dazu gehörte. Von ihr aus auch mit noch mehr Romantik, wenn es Sherry solche Freude machte. Denn sie musste zugeben: Manchmal waren kitschige Gesten doch ganz schön. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)