White Dove von Triakis ================================================================================ Prolog: Vagabond ---------------- Es sieht aus, als wäre seit Jahrzehnten niemand hier gewesen, als sei alles, was lebt plötzlich ausgeflogen, plötzlich verschwunden. Langsam taumelt das Gras im Wind. Die Farben scheinen grell, das satte Grün, das weite Blau, kaum Nuancen dazwischen. Die Ferne ist das, was hier ist, ein Anblick von Unendlichkeit. Ein Windrad, winzig am Horizont, von Rost zerstört. Außer des leisen Raschelns der Felder und des dünnen Wehen des Windes hört man nichts. Seine Schritte sind langsam, und Trowa ist sich ungewiss, ob diese Stille zur Vorsicht rät oder ob wahrhaftig keine Seele hier ist. Wie lange wird sich diese Suche fortsetzen? Es gibt keine Antwort, denkt er. Er nimmt seinen Kompass aus der Jackentasche, prüft, in welche Richtung er nun gehen wird. Wie oft er sich schon gedacht hat: Soll er überhaupt weitergehen? Ist es denn nicht völlig sinnlos. Er atmet tief ein, genießt einen kurzen Moment, in dem er nicht nachdenkt, sondern sich nur dem Duft dieses nassen Felds hingibt, das erdig, erfrischend duftet, das reinigend, ja, fast Hoffnung spendend wirkt, und dann setzt er seinen Marsch fort. Anderswo herrscht das Gegenteil. Regen, eine graue, feuchte, enge und belebte Straße. Den Kopf in der Mantelkaputze versteckt und ein gebündeltes dunkelblaues Baumwolltuch mit Habseligkeiten an sich gedrückt schlängelt sich Wufei an Menschen und Zugtieren vorbei. Übellaunigkeit und Hunger fangen an, sein Wesen zu kontrollieren. Und Ungeduld. Besonders Ungeduld. Gierig überfliegen seine Augen jedes Gesicht, das an ihm vorbei zieht, Mann, Frau, jung, alt, hässlich und weniger hässlich. Wo bist Du, denkt er, wo bist Du, wo bist Du. Ihm misslingt, die Hoffnung aufzugeben, er will finden, was er seit so langer Zeit mit so großem Verlangen sucht. Wo bist Du, Mistkerl, wage es ja nicht, mich noch länger warten zu lassen. Dieser Lärm, dieser Hunger, und diese Ungeduld. Eine verhüllte Gestalt schreitet plötzlich zielgerichtet an Wufei heran und streckt die Hand nach dem Bündel zu seiner Brust. Zu schlecht oder unerfahren ist der Dieb, kann Wufei ihn doch mühelos greifen und mit einem tänzelnden Schwung zu Boden schleudern, sodass ein erschrockenes Rufen durch die Menge fährt. Was machte ihn wütender: Die Tatsache, dass man ihn feige bestehlen wollte? Oder die Enttäuschung, dass der Dieb nur ein armer Mann war, irgendeiner, und nicht der, den er suchte? Der Dieb windet sich aus dem Griff und Wufei lässt ihn mit einem leeren Herzen ziehen. Unsichtbar ist die Wut, und zur Seite gedrängt ist der Hunger. Was bleibt ist der Kummer, dieser anstrengende Kummer, den Wufei hasst und nichts gibt es in der Welt, das er mehr hasst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)