Vocaloid Story von ruikamo ================================================================================ Kapitel 16: Kasane Teto ----------------------- Ich bin erstarrt und kann nichts tun, weder mich bewegen, noch sprechen. Ich stehe einfach nur wie versteinert da und sehe stumm zu, wie Momoka sich über die Augen streicht und dann wegläuft. Meine Knie werden weich und klappen schließlich zusammen. Auf ein mal macht alles ein bisschen mehr Sinn. Endlich verstehe ich was Momoka vorgehen muss. Ein Vater, der alles von einem fordert und einen praktisch in direkte Konkurrenz mit uns Robotern setzt. Wer ist nützlicher für ihn? Wer erreicht mehr? Und dann noch mit einem dieser Roboter zusammen arbeiten zu müssen... Mich überkommt ein noch nie dagewesenes Gefühl. Ich kann es nicht genau deuten aber es vereinnahmt mich voll und ganz. Es ist schlimmer als alle Schuldgefühle, die ich jemals hatte. Immerhin ist meine Existenz dafür verantwortlich, dass jemandem das Leben so schwer gemacht wird. Mir wird schlecht. Nach einer Weile habe ich mich zum Glück etwas gefangen. Die anderen Vocaloids suchen schon nach mir und ich empfange sie mit einem gezwungenen Lächeln. Ich verabschiede mich kurz von Ayumi, dann steigen wir gemeinsam in die Limousine, die gekommen ist, um uns abzuholen. Alle überschütten mich mich mit Lob und die Stimmung wäre eigentlich ausgelassen, wäre da nicht immer noch dieses dumpfe Gefühl, das sich von hinten anschleicht. Es ist schon ziemlich spät, als wir zuhause ankommen und das einzige Licht, das noch brennt kommt aus Mitsus Zimmer. In letzter Zeit hat sie immer mehr Zeit damit verbracht an irgendwas herum zu basteln, also ist es nichts ungewöhnliches. Kichernd, aber so leise wie möglich gehen wir alle in unsere Zimmer. "Gute Nacht, Miku. Du warst super in dem Film", flüstert mir Rin zu, bevor sie ihre Tür schließt. Ich lächle ihr nur zu. Gumi hat sich schon umgezogen und ist dabei in ihrer Kapsel zu verschwinden "Nacht!", ruft sie mir zu. "Du, Gumi..." , beginne ich zwar, überlege es mir aber doch anders und wünsche ihr nur eine gute Nacht. Ich stehe vorm Spiegel und schaue mich einfach nur an. Auf den ersten Blick würde man meinen, ich wäre nur ein junges, aber gewöhnliches Mädchen. Bei genauerem Hinsehen fallen einem aber doch die Kameras in meinen Augen, oder die mechanischen Gelenke auf. Schließlich gehe auch ich in meine Kapsel und schlafe ein. Ich schrecke mitten in der Nacht hoch und stoße mir meinen Kopf am Deckel der Kapsel. Es tut aber nicht weh. Ich öffne sie, ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es 4.00 Uhr ist. Seufzend lege ich mich wieder hin, lasse den Deckel aber auf. Plötzlich höre ich Geräusche. Mich überläuft ein kalter Schauer, da ich an Lukas Angst vor Geistern denken muss. Jetzt höre ich klar und deutlich Schritte. Ich kann nicht anders, als aufzustehen und nachzusehen, wer auf dem Gang herum schleicht. Irgendwas huscht in die Küche. Ich nehme all meinen Mut zusammen und folge dem etwas. Es ist zwar dunkel, aber ich erkenne eine Gestalt, die sich am Küchenschrank zu schaffen macht. Es ist keiner der Vocaloids, aber anscheinen ein Mensch. Etwa ein Einbrcher? Panisch will ich mich umdrehen, als es zu sprechen beginnt. Ich erschecke mich so sehr, dass ich laut aufschreie und damit wahrscheinlich alle anderen wecke. Das Licht wird angemacht und eine verwirrte Mitsu versucht mich zu begruhigen. Ich falle ihr stotternd in die Arme. Jetzt sehe ich auch, was da am Schrank hockt. Es ist nur ein harmloses Mädchen. Schwer atmend bringe ich nur:" Ich dachte schon, es wäre ein Geist oder ein Einbrecher...", Mitsu lacht entschuldigend. Das Mädchen kommt mit einem Brot zu uns rüber und mustert mich. Dann sagts sie aus dem blauen heraus und mit quischiger Stimme: "Du bist wirklich dumm" Was? Wut steigt in mir auf. Wer läuft den bitte nachts durch ein Fremdes Haus und beleidigt dann einfach den Bewohner?! "Was fällt dir ein?", erwiedere ich gereizt. "Du solltest mehr Respekt vor Älteren haben!" sagt sie mir unverfrohren ins Gesicht. Ich mustere sie kurz. Sie hat rosa-rote Haare, die zu zwei lustigen Zöpfen gedreht sind. Ihr Out-fit ähnelt meinem etwas, sie hat fast die selben Stiefel wie ich und fast den selben Rock in anderen Farben. Aber sie ist auf keinen Fall älter als ich, sondern vom Aussehen her wahrscheinlich sogar ein Jahr jünger. "Musst du gerade sagen, du bist doch ein neuer Vocaloid oder? Für wie alt hälst du dich denn bitte?" "Ich bin 31!" Ich bin so perplex über ihre Antwort, dass kurz Stille eintritt. Mitsu ergreift die Gelegenheit, um alles zu erklären. "Eigentlich ist sie keine richtige Vocaloid, sondern ein Roboter, an dem ich hobby-mäßig gearbeitet und vor kurzem endlich fertig gestellt habe" Sie wirkt glücklich und Stolz zugleich, was ich auch verstehen kann... nur ist ihr Projekt ziemlich frech geraten. Ich würde Mitsu das niemals sagen, aber ich frage mich, ob der Charakter beabsichtigt ist. "Mein Name ist Kasane Teto und ab jetzt bist du -türkisenes Mädchen- dafür zuständig mir jeden Tag Brot zu holen, sonst wird's hässlich!" Was fällt der eigentlich ein? Ich sage erstmal nichts dazu und verziehe mich immer noch etwas ärgerlich auf mein Zimmer. Am nächsten Morgen stellt Mitsu Teto auch den anderen vor. Diese verbringt aber die Vorstellung nur damit Brot in sich hinein zustopfen und ab und zu schnippische Kommentare von sich zugeben. Dafür ist sie beim Unterricht energiegeladen und fröhlich dabei. Sie steigt sofort zu Fr. Hessels Lieblingsschülerin auf, was mich irgendwie noch mehr ärgert. So vergehen die Tage, in denen sie mich neckt, gut in der Schule ist, aber wir irgendwie keine Bindung zueinander aufbauen können. Es ist wiedermal ein verschneiter Morgen und ich schaue gelangweilt aus dem Fenster, während Fr. Hessel irgendetwas erklärt. Da Teto genau hinter mir sitzt beginnt sie nach einer Weile an meinen Haaren zu ziehen, ohne irgendeinen Grund. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus. Zuerst das Dillema mit Momoka und jetzt kommt irgendein Roboter daher, der nichtmal ein richtiger Vocaloid ist und kann sich alles erlauben. Ich springe von meinem Platz auf und schlage ihre Hand weg :"Warum machst du so etwas?" Frau Hessel sieht mich empört an:"Miku, setzt dich sofort wieder hin, du störst den Unterricht!" Aber ich beachte sie garnicht, sondern warte wütend auf eine Antwort. "Na, deine Zöpfe sind so lang, da muss man einfach dran ziehen!", Teto kichert kindisch. "Immerhin sehen sie nicht aus wie Bohrer!" schreie ich sie fast an. Ich weiß selber, dass ich nur meine angestauten Sorgen an ihr auslasse, aber ihr gleichgültiger Blick macht mich so sauer! Anscheinend habe ich einen Nerv bei Teto getroffen, denn sie wird plötzlich auch rasend und zieht mit aller Kraft an meinem Zopf. "Aua!" Die aufgebrachte Frau Hessel geht zwischen unseren Streit und verdonnert uns beide dazu den Putzdienst zu übernehmen. Dann geschieht etwas, mit dem ich niemals gerechnet hätte. Teto beginnt zu weinen. Richtige Krokodilstränen kullern aus ihren Augen. Wir Vocaloids können nicht weinen, was mir schon oft die Möglichkeit genommen hat meine Gefühle zuzeigen. Ich sehe perplex zu, wie Fr. Hessel Teto tröstet, ihr aber erklärt, dass sie trotzdem den Dienst übernehmen muss. So bleiben wir beide schließlich alleine im Klassenraum zurück und beginnen die Tafel zu wischen und zu fegen. "Tut mir leid", murmel ich, da ich weiß, dass sie niemals den ersten Schritt machen würde. "Ich war nur frustriert und hab es an dir ausgelassen..." Sie wird etwas rot und nuschelt dann so leise, dass ich es kaum verstehe:" Ich schätze.... ich hatte auch Schuld...." Ich bin etwas überrascht, dass sie es zugibt, aber bevor ich reagieren kann überspielt sie ihre Aussage:"Wieso bist du denn frustriert?" Mich überkommt wieder dieses ekelhafte Gefühl, das ich nicht deuten kann. "Wegen mir geht es einer... Freundin schlecht... und ich weiß nicht, wie ich es ändern kann.... Ich habe nicht mal etwas gemacht, das Problem ist schon dabei, dass ich da bin...." Wieso erzähle ich das eigentlich dieser Neunmalklugen? "Du bist wirklich dumm", sagt sie wieder, aber diesmal ist ihr Gesicht ernster und vernünftiger. "Ich... ich weiß wie du dich fühlst...." Überrascht höre ich auf zu fegen. "... du merkst es wahrscheinlich nicht mal selbst, aber das Gefühl, dass du gerade hast ist Selbstzweifel." sie blickt mich etwas traurig an und ich merke mit einem Schlag, dass stimmt, was sie sagt. "... Ich bin zwar ein Roboter wie ihr und kein Mensch..." ,fährt sie fort " aber ich bin trotzdem kein Vocaloid und manchmal wünschte ich, ich wäre einfach jemand anders." Sie schaut zu Boden. Dann blickt sie mich lächelnd an: "Aber das ist okay, denn jetzt sind wir mit unseren Selbstzweifeln schon zu zweit und können uns helfen" Ich bin so überrascht, dass ich erst gar nichts machen kann, dann laufe ich aber zu Teto und umarme sie "H-Hey, was soll das? Kein Grund sentimental zu werden!", ruft sie verlegen, macht aber keine Anstalt sich zu wehren. Auch nachdem der Raum schon blitzblank ist bleiben wir noch und reden, machen uns gegenseitig Mut. Es tut gut mit jemandem zu reden, der einen versteht und fast dasselbe Problem hat wie man selbst. Langsam verschwindet das Gefühl und ich schöpfe neue Kraft. Ich beschließe alles zu tun, um Momoka zu helfen, anstatt nur Trübsal zu blasen. Am nächsten Morgen bringe ich zum ersten Mal ein ganzes Leib Brot für Teto vom nahegelgenen Bäcker mit. 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