Bayrische Hitze von Fara_ThoRn ================================================================================ Kapitel 9: VI. Es ist angerichtet --------------------------------- Kann mir mal einer sagen, wo die Woche hin ist? Heute ist schon Sonntag O_O Die Zeit rennt nur so dahin. Eigentlich wollte ich dieses Kapitel schon längst hochgeladen haben. Aber wir hatten so viel zu tun im Laden, dass ich Abends kaum noch geradeaus gucken konnte. Da hatte ich meine bayrischen Jungs ganz vergessen -____-“ Aber dafür bekommt ihr heute gleich die volle Dröhnung. Die letzten beiden Kapitel. Ja, ihr habt richtig gelesen. Es geht aufs Ende zu. Doch bevor es Lebewohl heißt, steht noch einiges bei den beiden an ;-) Eure Fara VI. Es ist angerichtet ~Heiko~ "Das stelle ich mir schlimm vor." "Na ja. Ich wusste ja schon vorher, dass ich anders bin." Henning lächelt schmal. "Aber als ich ganz offiziell und ärztlich bestätigt als 'dumm' galt, das war wirklich kein schönes Gefühl." "Mein armer Spatz." Tröstend kraule ich ihm durch sein weiches Haar und küsse seine Wange. Ihn mir als kleiner Junge vorzustellen, wie er beim Arzt hockt ... Am liebsten würde ich den kleinen Wurm geradewegs fest in meine Arme nehmen und ihm sagen, dass schon wieder alles gut wird. "Inzwischen ist ja alles vorbei. Und aus mir ist trotzdem was ordentliches geworden." Meine Rede. "Oh ja", wispere ich. "Ganz außerordentlich ordentlich." Henning lacht auf. "Außerordentlich ordentlich? Gibt's sowas?" "Hmhm", nicke ich und kann einfach nicht widerstehen, Hennings Ohrläppchen zwischen meine Lippen zu saugen. "Heiko? Dein Kaffee wird kalt." Spaßbremse! Aber zu seiner Verteidigung, wir müssen in einer Viertelstunde im Hotel sein. Unsere Duschzeit heute Morgen hat mal wieder viel zu lange gedauert ... "Meinst du, Nic und Meilo sind schon da?" Ich zucke mit den Schultern. "Ich guck mal im Frühstücksraum." "Tu das." Ich lächle ihn verliebt an und biege anschließend in die Küche ab, während Henning nach vorn läuft. Frühstückszeit. Die alltägliche Arbeitsroutine stellt sich schnell bei mir ein. Die Brötchen vom Bäcker sind gerade geliefert worden und noch herrlich warm. Ich liebe den leckeren Duft, den sie in der Küche verströmen. Heute Morgen bin ich noch allein in der Küche, weshalb ich selbst die Brötchen in die Körbe verteile, das Wasser für die Eier aufstelle, den Aufschnitt und den Käse aus dem Kühler hole, eben all das, was ich sonst immer tue. Prima zum Abschalten, auch wenn mir das heute nicht ganz gelingen mag. "Morgen!" Hennings Mutter! Als hätte ich es heraufbeschworen. "Morgen", rufe ich ihr zu. Sie betritt die Küche. "Habt ihr den Sturm gut überstanden?" "Ja. Und hier?" "Alles bestens. Sturmschäden hat Henning auch noch keine entdeckt." "Wunderbar. Aber Martin geht nochmal das Grundstück ab." Agnes mopst sich eins der Brötchen. "Dann habt ihr also gut geschlafen?" Ihr Blick durchbohrt mich. "Ähm ... Ja. Also ich auf jeden Fall." Ich lächle sie an, renne aber gleich zum Herd. Das Wasser für die Eier kocht. "Du hast bei Henning geschlafen." Das klang nicht nach einer Frage, sondern nach einer Feststellung. "Ja", antworte ich ihr wahrheitsgemäß und versuche meine Stimme so beiläufig wie möglich klingen zu lassen. "Es wurde ziemlich spät gestern. Bis wir alles kontrolliert, und bei den Gästen nachgeschaut hatten. Da bot sich das an." Immer noch ist ihr Blick durchdringend. Mir wird total unwohl, was sie anscheinend auch beabsichtigt. 'Sie weiß es!' Oder sie ahnt es zumindest. "Ihr beide versteht euch seit neustem ziemlich gut, oder?" "Wir verstehen uns schon immer gut", weiche ich aus. Sie lächelt dünn. "Heiko. Du weißt, wie Henning manchmal ist. Und ich kenne meinen Sohn. Er würde dich nicht bei ihm übernachten lassen, wenn ihr euch nicht 'ziemlich' gut verstehen würdet." Ich muss hart schlucken. Sie weiß es definitiv! Die Eier tanzen inzwischen alle wild im sprudelnden Wasser umher. Ich schaue meine Chefin geradewegs an. "Und?", frage ich sie. "Wäre das schlimm?" Sie beißt in ihr Brötchen und denkt einem Moment lang kauend nach. "Ich bin froh, dass Henning einen Freund in dir gefunden hat. Er tut sich damit immer sehr schwer." Einen Freund in mir? Ahnt sie doch nichts? "Aber es wäre schön, wenn er dich uns auch mal vorstellen würde. So als 'Freund'." Okay. Ich nehme es zurück. Sie weiß es doch! Daran lässt ihr Tonfall keine Zweifel. "Wir sind noch nicht lange ... Freunde", erwidere ich. "Und Henning tut sich nicht nur mit Freunde finden schwer." Die nickt lächelnd. "Dann sag ihm nichts von unserer Unterhaltung, ja?" Was? "Warum nicht?" "Hm. Nennen wir es vertrauensbildende Maßnahme", grinst sie und wendet sich zum Gehen. "Frohes Schaffen noch Heiko." "Danke ..." Was sollte denn das jetzt? ~Henning~ 'Nur noch ein Zimmer, dann bin ich mit der unteren Etage erstmal durch.' Noch niemals ist mir das Housekeeping so schwer gefallen wie heute. Und noch nie war ich so unglücklich darüber, damit bald fertig zu sein. Die Stunde meines Outings rückt unaufhaltsam näher. "Henning!" "Ja?" Oh Gott! Erschrocken drehe ich mich um. Mein Vater kommt ins Zimmer gestürmt. "Habe ich dich erschreckt?" "Ja", schnaufe ich verärgert. "Tut mir leid." "Schon gut. Was gibt es denn?" Irgendwas muss passiert sein. Umsonst würde mich mein Vater nie halb zu Tode erschrecken. "Hinten am Steg sind einige Bretter davon geweht." "Oh nein", seufze ich. "Ist nicht allzu schlimm. Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich ihn repariere. Bevor jemanden noch was passiert." "Ja tu das." Mein Vater nickt geschäftig und will gerade wieder davon rauschen. "Du Papa? Warte nochmal kurz." "Ja?" "Ich muss nachher etwas Wichtiges mit dir und Mama bereden." Nun gibt es keinen Weg mehr zurück. "Okay", meint er. "Ist etwas passiert?" "So ungefähr." 'Ich bin schwul und habe mich in Heiko verliebt.' "Aber das hat noch bis nachher Zeit. Repariere lieber erstmal den Steg. Das hat Vorrang." "Mach ich." Er klopft mir auf die Schulter und sieht mich aufmunternd an. "Egal was es ist, das bekommen wir schon hin." Mit diesen Worten verschwindet er wieder. Zurück bleibe ich, total durcheinander und aufgewühlt. 'Wir bekommen das schon hin?' Was hatte das jetzt zu bedeuten? Fertig mit den unteren Zimmern, suche ich Heiko auf. Er ist in den letzten Zügen das Frühstücksbuffet herzurichten. Ich helfe ihm schnell. Hinterher in der Küche, als wir allein sind, erzähle ich ihm von dem Gespräch mit meinem Vater. "Ob er immer noch so denkt, wenn er erfährt, was ich den beiden sagen möchte?", frage ich Heiko. "Wir bekommen das schon hin", wiederhole ich Papas Worte, die mir immer noch, irgendwie unheilvoll, im Kopf herumwirbeln. "Warte es doch einfach ab. Ändern kannst du es ja doch nicht." Heiko zuckt mit den Schultern. Irgendwie kommt er mir komisch vor. Hm. Er wird auch aufgeregt sein. "Du hast ja recht. Ich habe trotzdem Bammel." Heiko kommt auf mich zu und legt seine Hände in meinen Nacken. Zärtlich krault er mit seinen Finger meinen Nacken. Mit einem leisen Seufzen lehne ich mich an ihn. "Ich weiß", flüstert er. "Aber ich bin bei dir." Ich lächle ihn dankbar an. Irgendwie beruhigt mich dieser Gedanke wirklich. Auch wenn ich immer noch glaube, es wäre besser, ihn vorerst da raus zu halten. "Und denk dran. Die Option für eine kleine Herberge steht immer noch." Lachend verpasse ich Heiko einen Kuss. "Du und ich als Herbergsväter. An dieses Bild muss ich mich aber erst noch gewöhnen." "Na eventuell musst du das ja gar nicht." Er zwinkert mir zu. Ich runzle die Stirn. "Ach ja?" "Könnte doch sein", meint er achselzuckend und löst sich wieder von mir. "Gertrud kommt gleich. Für's Mittagessen." Geschäftig wirbelt er durch die Küche. "Alles okay bei dir?" "Ja klar", meint Heiko. "Hast du dir schon überlegt, wann du mit deinen Eltern reden möchtest?" "Sobald wie es geht", antworte ich. "Ich will es endlich hinter mich bringen." Es führt ja sowieso kein Weg dran vorbei. Ich stibitze mir eine Scheibe des geräucherten Schinkens. Doch ich werde erwischt. "Hey! Lass das! Die brauche ich noch", beschwert sich Heiko. "Zu spät", schmatze ich. "Lecker." Schinken aus eigener Hofschlachtung. Direkt vom Bauern aus dem nächsten Ort. Heiko stemmt die Hände in die Hüfte und funkelt mich tadelnd an. "Der Chef sieht es nicht gern, wenn wir die Lebensmittel selbst futtern." "Der Chef hat aber soeben das Haus verlassen", grinse ich. "Hat er das?" Ich nicke und schlucke den restlichen Schinken runter. "Na wenn das so ist ..." Heiko springt in meine Arme. Wild in der Küche miteinander zu knutschen scheint irgendwie unser Ding zu sein. Jedenfalls stehen wir schon wieder hier, eng umschlungen, und küssen uns leidenschaftlich. "Ähäm. Ich will ja nicht stören Jungs, aber ich würde gern anfangen, den Salat zu putzen." Als hätte uns ein Stromschlag erfasst, fahren wir auseinander. "Gertrud!", japst Heiko. "Du bist ja schon hier." "Und das wie immer pünktlich", höre ich die rüstige Dame lachen. Mir wird schlecht und die Küche dreht sich um mich herum. Gertrud hat uns gesehen! Wie Heiko und ich ... Mein Gesicht fängt an zu glühen, mein Herz rast und ich fange an zu schwitzen, während es in meinen Ohren laut summt. Ich muss hier raus! ~Heiko~ Besorgt schaue ich Henning an. Er sieht aus wie ein paralysiertes Kaninchen, das vor dem Lauf einer Flinte steht. Einer Flinte namens Gertrud. Ich strecke meine Hand nach ihm aus, doch bevor ich ihn berühren, oder ihm auch nur sagen kann, dass alles in Ordnung ist, schlägt mein schnuffeliges Kaninchen Henning große Haken Richtung Ausgang. "Henning!" "So groß der Bub auch ist, so sensibel scheint er auch zu sein", meint Gertrud. "Kann ich dich kurz allein hier lassen?", frage ich sie. "Ei freilich. Geh nur." "Danke." Schon laufe ich hinter meinem sensiblen Kaninchen her. Er ist Richtung Hinterausgang gelaufen. Und tatsächlich. Als ich ins Freie trete, sehe ich ihn nicht unweit von mir entfernt, bei den hohen Kirschlorbeerbüschen stehen. "Henning." Langsam nähere ich mich ihm. "Sie hat uns gesehen", japst er augenscheinlich total durch den Wind. "Heiko! Sie hat uns gesehen!" "Ich weiß", sage ich ruhig. "Aber es ist okay." "Okay?!" So viel Angst in seinen Augen. Es tut mir in der Seele weh, ihn so zu sehen. "Was, wenn sie es meinen Eltern erzählt? Was dann?" Er läuft unruhig auf und ab. "Henning. Beruhige dich. Gertrud wei..." "Wahrscheinlich sagt sie es gerade meiner Mutter", unterbricht er mich. "Oh Gott!" Henning bleibt stehen und wischt sich mit beiden Händen über das Gesicht. "Das wird sie nicht", verspreche ich ihm. "Ach ja? Woher willst du das wissen?" "Weil sie es weiß." "Was weiß?" Ich stelle mich vor Henning. Als ich nach seinen Händen greifen möchte, zieht er sie vor mir weg. "Was weiß sie?, fragt er erneut. "Das ich schwul bin", antworte ich. Henning sieht mich regelrecht erschrocken an. "Ich habe es ihr gesagt. Und nein. Sie hat keinerlei Vorurteile, oder würde jemals darüber mit irgendjemandem abfällig reden." "Du ... du hast ihr gesagt, dass du ..." Ich nicke und lächle ihn an. "Und sie weiß auch, dass ich dich liebe." Nun scheint er aus sämtlichen Wolken zu fallen. Sein Blick irrt auf meinem Gesicht hin und her. "Woher?", haucht er mit schwacher Stimme. "Aus der Zeitung", scherze ich. Das kommt allerdings momentan nicht allzu gut an bei ihm. "Woher wohl? Ich habe es ihr gesagt. Mehr oder weniger." Mein armer Henning scheint kurz vor einem Herzstillstand zu sein. "Gertrud dachte, du willst mich feuern, weil ich schwul bin, und wäre dir deshalb fast an den Kragen. Mir bliebt nichts anderes übrig, als es ihr zu sagen." Hennings Augen werden immer größer. "Sie steht hinter uns, falls nötig." Diesmal klappt mein Versucht, Hennings Hände einzufangen. Beruhigend drücke ich sie. "Also keinen Grund zur Panik, ja?" "O-Okay." Ganz überzeugt ist er zwar nicht, aber wenigstens konnte ich seine Panik etwas vertreiben. *** ~Henning~ Ich öffne die Zimmertür vor mir. Das vorletzte Zimmer für heute. Danach ist Nics und Meilos dran. Schon morgen werden die beiden uns wieder verlassen. Ich werde sie wirklich sehr vermissen. Selbst nach der kurzen Zeit, in der wir uns erst kennen. Wenigstens haben sie versprochen mit uns in Kontakt zu bleiben und mit uns ihre Handynummern ausgetauscht. Das hat mich sehr freut. Ich stürze mich in die Arbeit. Zuerst ist das Badezimmer dran. 'Gertrud weiß Bescheid.' Immer wieder geht mir das durch den Kopf. 'Und sie steht hinter uns.' Ich fange an zu lächeln. Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Wie sie mit meinen Eltern Klartext redet. Das konnte sie schon immer gut. Meine Mutter kennt Gertrud schon seit ihrer Jugend. Damals hat sie in der Nachbarschaft gewohnt. Sie und ihr Mann hatten ein paar Hundert Meter weiter einen kleinen Krämerladen. Eben jener besagter Laden, in dem ich das gestohlene Geld von meiner Mutter verjubelt hatte. Leider musste Gertrud den Laden schließen, weil ihr Mann verstorben war. Sehr schade, denn ich schaute so gut wie jeden Tag nach der Schule bei ihnen vorbei, oder meine Mutter schickte mich rüber zu ihnen, wenn etwas fehlte. Danach bot meine Mutter ihr an, bei uns aushilfsweise zu Arbeiten. Seitdem ist sie ein fester Bestandteil unseres Teams, unsere gute Seele, die immer ein offenes Ohr für uns hat. Eigentlich kein Wunder, dass Heiko sich ihr anvertraut hat. Auf diesen Gedanken bin ich auch schon mal gekommen. Damals, als mir bewusst wurde, dass ich für Mädchen so gar nichts über hatte, dafür aber Olaf, einen Jungen aus der Parallelklasse, mehr als bloß anziehend fand. Aber am Ende behielt ich meine Gefühle doch für mich. Bis jetzt. Na ja. Eigentlich bis zum Kuss mit Heiko. Deswegen ist es für mich auch ein so merkwürdiges und unangenehmes Gefühl, dass Gertrud plötzlich von Heiko und mir weiß. Auf einmal geht alles so schnell ... "Hallo?" Es klopft. "Ja?" Ich schaue vom Waschbecken auf. "Ich bin's. Niclas." "Hallo", Überrascht verlasse ich das Badezimmer. Niclas steht im Türrahmen. "Suchst du mich?" "Ja." Lächelnd tritt er zögernd ein. "Meilo hat eben mit Heiko gesprochen. Ihr konntet noch nicht mit deinen Eltern sprechen?" Darum geht es also. Die beiden hatten gestern ja gesagt, dass sie uns beim Outing notfalls unterstützen möchten. Wirklich nett, dass die beiden tatsächlich zu ihrem Wort stehen. Ich seufze. "Nein. Wir haben immer so viel zu tun über den Tag hinweg. Ich weiß gar nicht, wann überhaupt Zeit dafür sein soll." "Habt ihr keine Mittagspause oder so?" "Schon, aber meist wechseln wir uns ab. Die Arbeit im Hotel kennt keine Mittagspause." Heute steht einiges an. Es gibt viel zu erledigen. Der Termin mit unserem Steuerberater steht auch bald an. Ganz zu schweigen von der Reparatur, die sicher noch etwas dauern wird. "Was bedeutet, ihr habt so gut wie keine Sekunde übrig, euch miteinander zu unterhalten", schlussfolgert Niclas. "Genau. Das ist das Los der Selbstständigkeit. Arbeit immer und überall." Ich seufze abermals und zerknautsche meinen Putzlappen. "Vielleicht klappt es heute Abend, wenn alles erledigt ist." "Ich drücke dir die Daumen." "Danke." "Und falls was ist, sag mir Bescheid. Meine Handynummer hast du ja." Dankbar lächle ich Niclas an. "Werde ich tun." "Gut. Dann lass ich dich mal in Ruhe weiterschuften." "Sehr freundlich", lache ich. "Bis dann." Bevor Niclas wieder geht, zwinkert er mir nochmal zu. Leise vor mich hin summend mache ich mich wieder an die Arbeit. ~Heiko~ "Hey." Arme schieben sich von hinten um meine Taille. Lippen schmusen über meinen Nacken. Ich schließe genüsslich die Augen und lehne den Kopf nach hinten. "Hey", grüße ich zurück. "Fertig mit den Zimmern?" "Hmhm." Hennings Finger mogeln sich zwischen die Knopflücken meiner Kochjacke. Da ist aber jemand gut drauf. "Wie es scheint, hast du dich am den Zustand gewöhnt, dass Gertrud von uns weiß." "Noch nicht ganz", gibt er zu. "Aber ich hab trotzdem gute Laune." "Ich merke es", kichere ich. "Wegen deiner guten Laune hätte ich mich beinahe in den Finger geschnitten." "Oh. Tut mir leid." Schuldbewusst lässt mich Henning wieder los. Neugierig, wieso mein Spatz so gute Laune hat, drehe ich mich zu ihm um. Natürlich freut es mich, dass es ihm so gut geht, doch wieso? Vorhin stand er noch kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Und dann noch der Stress wegen dem Gespräch mit seinen Eltern ... Moment mal! Hat er etwa schon mit ihnen gesprochen? "Warst du bei deinen Eltern?" "Nein. Warum fragst du?" "Ich dachte nur ... Du wirkst nur so gelöst. Das ist alles." Henning zuckt mit den Schultern. "Kann sein, dass es mich beruhigt zu wissen, dass Gertrud keine Vorurteile uns gegenüber hat." "Freut mich zu hören", kommt's von jenseits der Tür. Gertrud kommt in de Küche getrudelt. "Ich habe die Kartoffeln", verkündet sie mir und hält den Eimer mit besagten Kartoffeln hoch. "Wer hilft schälen?" Henning und ich grinsen uns an. "Ich kann leider nicht", meint er jedoch. "Ich habe vorn an der Rezeption Dienst." "Dann heben wir uns das Schälen für heute Abend auf", feixe ich. Logisch weiß Henning, dass ich keinesfalls von den ollen Erdäpfeln rede. "Unbedingt." Er zwinkert mir zu. Leider bekomme ich keinen Kuss, bevor er wieder verschwindet. So ganz scheint er sich wirklich noch nicht an Gertrud gewöhnt zu haben. "Redet er nachher mit den Seniors?" Gertrud reicht mir den Eimer. "Wir haben es vor." "Ihr beide?" Ich bejahe. "Is wohl das beste. Der Bub hat sich lang genug versteckt. Bestimmt hat er einen gehörigen Schiss." "Den hat er", erwidere ich. "Das klappt scho. Die Seniors san gute Menschen." "Hmhm." Und sie ahnen wahrscheinlich schon, was Henning so dringendes mit ihnen bereden möchte. Dass ich Henning nichts von dem Gespräch heute morgen mit seiner Mutter gesagt habe, bereitet mir arge Gewissensbisse. Ich schwanke immer noch. Soll ich es ihm doch sagen? Andererseits, was ist, wenn ich Agnes' Worte falsch interpretiert habe? Vielleicht denkt sie ja doch bloß, wir seinen nur Freunde. Henning scheint sich schon seit je her schwer damit zu tun, Freundschaften zu schließen. Das weiß ich nur zu gut. Daher könnte es gut sein, dass sich Agnes einfach bloß freut, dass ihr schwer zugänglicher Sohn einen neuen Freund gefunden hat. Einen neuen alten Freund. 'Der in Wahrheit ein ganz spezieller Freund ist.' Zudem scheint es Henning gerade wirklich gut zu gehen. Er hat ja schon heftig darauf reagiert, als er erfahren hat, das die gute Gertrud von uns weiß. Wie würde er dann auf diese Nachricht reagieren? Besonders, falls ich doch das Gespräch missverstanden habe. Nein. Erstmal behalte ich es noch für mich. Falls Henning nachher doch wieder von starken Zweifeln gepackt wird, kann ich es ihm ja immer noch sagen. Das wird das beste sein. Während Gertrud die Kartoffeln schält, wage ich mich an die Zwiebeln. *** ~Henning~ "Was bläst du denn für einen Trübsal?" Ich stelle mich vor Niclas, der auf der Terrasse hockt und ins Leere blickt. "Meilo ist wieder arbeiten", brummelt er traurig. "Dein Liebster ist aber fleißig." Meilo ist ständig unterwegs. Er scheint viele Termine zu haben. "Deiner aber auch", grinst Niclas mich an. "Richte ihm aus, der Kuchen, der er mir gebracht hat, war richtig lecker." "Das mache ich gern", antworte ich "aber du solltest wissen, dass wir den Kuchen von einer Konditorei liefern lassen." "Oh. Gut, dann sag ihm, es war sehr nett von ihm, dass er ihn mir extra raus gebracht hat." "Ich sag es ihm", schmunzle ich. Niclas stellt die Tasse ab, die er in der Hand gehalten hat und lehnt sich mit den Ellenbogen auf den Tisch. Er sieht mich neugierig an. "Und sonst? Schon einen Plan für nachher?", möchte er wissen. Meine gute Laune bekommt einen Dämpfer. "Nicht so wirklich. Ich weiß noch nicht mal, ob es heute Abend klappt." "Was? Wieso?" "Meine Mutter fährt mit ihren Freundinnen in die Stadt und das kann spät werden." Ich war vorhin bei ihr und habe ein Telefonat mit ihrer Freundin Irene mitbekommen. Ihre Tanztruppe will sich zum Essen treffen. "Oh nein!", jammert Niclas. Resigniert zucke ich mit den Schultern. Da kann man nichts machen. "Verschieben wir es." "Und jetzt geht es nicht? Es ist doch nicht viel los." Niclas schaut sich um. "Was macht deine Mutter?" "Sie ist noch im Büro beschäftigt", erwidere ich und werde leicht nervös. "Und dein Vater?" "Der wollte die Reservierungen für nächsten Monat nochmal durchgehen, glaube ich." Mit dem Steg ist er inzwischen fertig. Die Reparatur ging ihm schneller von der Hand, als gedacht. "Und Heiko?" "Er hat Pause", gebe ich zur Antwort. Niclas strahlt mich aufgeregt an. "Das ist doch gut! Trommle alle zusammen, dann könnt ihr reden." Ich überlege kurz. Eigentlich keine schlechte Idee, sieht man davon ab, dass mein Paniklevel wieder rasant ansteigt, und dass es noch einen Haken bei der Sache gibt. "Das geht nicht. Ich muss den Stand öffnen." Ich deute auf unseren fahrbaren Stand, der schon an Ort und Stelle steht. "Den übernehme ich solange", meint Niclas spontan und steht voller Tatendrang auf. "Das geht doch nicht." Ich kann doch nicht einfach einen Gast meine Arbeit erledigen lassen! "Stehen die Preise überall dran?" "Ja, aber ..." "Dann ist doch alles bestens." "Niclas! Du musst nicht ..." "Doch, ich muss und ich schaffe das. Ich habe Erfahrung im Kellnern und bedienen. Das bekomme ich hin. Geh du und hole Heiko, und dann ab mit euch zu deinen Eltern", unterbricht er mich rüde. Ich gerate ins Schwanken. Soll ich sein Angebot wirklich annehmen? Falls ja, bedeutet das, dass jetzt der große Moment gekommen ist. "Meinst du?" "Meine ich. Ab mit dir." Nic scheucht mich per Handbewegung davon. Da ist sie wieder, die Panik. Keine Ausreden mehr. "Okay. Gut", nicke ich und versuche mir selbst Mut zuzusprechen. Klappt nur nicht. Doch anscheinend führt jetzt kein Weg mehr daran vorbei, mich meinen Eltern zu stellen. Ich reiche Niclas meinen Geldbeutel. "Hier ist das Wechselgeld. Die Preise stehen auf einer Tafel, und der Flaschenöffner für die Glasflaschen hängt ..." "Hängt am Band, das links am Wagen befestigt ist. Ich weiß", grinst Niclas. "Nur nicht nervös werden. Ihr schafft das." Er lächelt mich aufmunternd an. Ich nicke, bin allerdings nicht ganz so überzeugt davon, wie Niclas. "Danke." Auf den Weg zum Pausenraum, in dem Heiko sich aufhält, höre ich dem lauten Schlagen meines Herzens zu. Es schlägt so schnell, dass mir ganz schwindelig davon wird. "Heiko?" Ich mache mir erst gar nicht die Mühe, an die Pausenraumtür zu klopfen, sondern trete einfach ein. Heiko, der gerade in ein Buch vertieft ist, schaut zu mir auf. "Hey." Sein strahlendes Lächeln lässt mich mein Vorhaben für wenige Sekunden vergessen. "Ich dachte, du bist am Verkaufsstand." Er legt das Buch beiseite und nimmt sein Bein von der Bank, das er zuvor darauf ausgestreckt hatte, um mir Platz zu machen. Doch ich nehme die Einladung nicht an, stelle mich vor den kleinen Tisch und beiße mir auf die Unterlippe. Sofort ist mein geliebter Koch alarmiert. Bevor er jedoch etwas sagen kann, spreche ich drauf los. "Ich will zu meinen Eltern. Jetzt." Mehr muss ich nicht erklären. Zuerst sieht er mich überrascht an, erhebt sich dann jedoch entschlossen. "Okay. Gehen wir." "Ich muss erst meinen Vater holen. Er ist vorn an der Rezeption." "Ist gut. Soll ich mit, oder...?" "Warte du hier." "Ganz wie du willst." Heiko rutscht zwischen Bank und Tisch entlang und nimmt mich in den Arm. "Hey. Keine Sorge. Du hattest inzwischen genug Anläufe zum Üben. Das wird klappen." Trotz allem muss ich über diesen Satz schmunzeln. "Richtig so. Immer schön lächeln." "Ha ha." Wir grinsen uns an. "Es wird wirklich Zeit. Bringen wir es hinter uns." "Ja." Heikos Lächeln schenkt mir Kraft. Mit ihm zusammen packe ich das. Wenn ich es schon nach all den Jahren geschafft habe, ihm endlich meine Liebe zu gestehen, dann werde ich es auch schaffen, mich vor meinen Eltern zu outen. "Ich liebe dich", flüstere ich Heiko zu. Dieser lächelt noch eine Spur breiter, küsst mich und jagt mich danach zu meinem Vater. 'Dann mal los.' "Papa?" "Ja?" Vertieft in unsere Buchungsunterlagen steht er hinter der Rezeption. "Kommst du mal mit ins Büro? Ich würde gern mit dir und Mama was bereden." Auf einmal scheinen ihm die vielen Seiten nicht mehr wichtig zu sein. "Ach ja?", fragt er mich. Ich atme tief ein und nicke bloß. "Über das, was du heute Morgen zu mir gesagt hast? Diese wichtige Sache?" Ich bejahe. "Na schön", sagt mein Vater ernst und packt die Blätter weg. "Ich nehme an, deine Mutter ist noch im Büro?" "Glaube ja." Bevor sie weg möchte, wollte sie noch ihren Schreibtisch leer haben. "Geh vor." Seine Hand deutet mir den Weg. Ich komme mir vor, als würde ich vor meinem Schafrichter herlaufen. Im Flur klopfe an die Bürotür, öffne sie und lasse meinen Vater eintreten. Heiko linst aus dem Pausenraum. Als Papa an mir vorbei getreten ist, kommt er zu mir. Beruhigend streichelt er über meinen Rücken, ehe ich meinem Vater voller Bammel, und mit mehr als nur vollen Hosen, ins Büro folge. ~Heiko~ Hennings Anspannung ist quasi physisch spürbar, als wir das Büro betreten. "Steht eine Versammlung an?" Hennings Mutter blickt fragend in die Runde. "Henning möchte etwas Wichtiges mit uns besprechen", antwortet ihr Hennings Vater und stellt sich neben sie hinter den Schreibtisch. Ich bleibe neben Henning stehen. So dicht wie möglich. Am liebsten würde ich ihm die Hand halten, ihm Halt und Kraft geben, aber das würde ihn vielleicht total aus der Bahn werfen. Ich kann derweil nur hoffen, dass ich mich nicht geirrt habe, und die Seniors doch schon ahnen, was Henning ihnen gleich Wichtiges gestehen wird. "Nun? Was gibt es?" Beide sehen uns geduldig an. Ich schaue zu Henning. Sein Adamsapfel hüpft auf und ab. Er ist kreidebleich. Ganz leicht lehne ich mich dichter an ihn. 'Ich bin hier. Nur Mut.' "Ich ... I-Ich ..." Henning schließt kurz die Augen. Sicher ärgert er sich, weil er wieder gestottert hat. 'Tief durchatmen Spatz.' Ich weiß, das ist leichter gesagt, als getan. Ich fühle mit ihm, weiß, wie schrecklich dieser Moment für ihn ist. Damals, bei meinem Outing, habe ich Blut und Wasser geschwitzt. Aber ich hatte, im Gegensatz zu Henning, schon mein eigenes Leben ohne Familie aufgebaut. Ich stand also nicht unter einem so großen Druck wie er gerade. "Henning? Sag es uns endlich." Hennings Vater sieht ihn streng an. Na ob das hilft? Bring einen nervösen, stotternden (entschuldige Henning) Jungen noch mehr unter Druck. "Egal was du uns sagen möchtest. Wir reißen dir schon nicht den Kopf ab." Agnes lächelt ihren Sohn liebevoll an. Dann schenkt sie mir plötzlich einen Blick. Ich zucke beinahe erschrocken zusammen. In mir kommt gerade die Frage hoch, ob ich doch richtig mit meiner Vermutung lag, dass sie es ahnen, da "Ich liebe Heiko!" Schlägt mein Herz noch? Hallo? Herzlein? Ah ja. Da wummert es wieder. Leider viel zu schnell. Aber wenigstens tut es wieder seinen Dienst. Ich habe keine Ahnung, wie Hennings Eltern auf das Geständnis ihres Sohnes reagieren, denn ich starre sprachlos das Profil meines Spatzes an. Sicherlich tun das seine Eltern ebenfalls, denn es ist mucksmäuschenstill im Büro. "U-Und das schon sehr lange", fügt Henning an. "Ich bin schwul. ... Ja. Ich bin schwul." Seine Mundwinkel zucken. Grinst er? Sicherlich aus Erleichterung, dass er es endlich geschafft hat, sich zu überwinden. Etwas berührt mich an der Handfläche. Hennings Finger schieben sich in meine Hand. Mein Blick wandert von Hennings Gesicht hinunter zu unseren verschlungenen Händen. Ich glaube, ich bin derjenige, der fester zudrückt, aber so sicher kann ich das nicht sagen. Ich klammere mich jedenfalls an Hennings Hand, als wäre ich derjenige, der sich soeben geoutet hat. "Ich liebe dich." Mein Kopf ruckt wieder nach oben. Henning sieht mich geradewegs an. "Ich dich auch", erwidere ich. Ebenso sein Lächeln, dass mir eine warme Gänsehaut beschert. "Ich habe es dir gesagt", höre ich Agnes sagen. Martin pustet Luft aus seinen Lungen. "Ich muss mich erstmal setzen." Da sie ihre Worte wiedergefunden zu haben scheinen, richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Hennings Eltern. Martin hat sich einen Stuhl neben den seiner Frau gezogen und lässt sich schwer drauf fallen. "Du wolltest mir nicht glauben." Agnes lächelt ihn spitz an. "Sowas glaubt man erst, wenn man es mit eigenen Augen sieht." "Ach Martin! Es war so offensichtlich." Martin zuckt resigniert mit den Schultern. "Ihr ... ihr wusstet es?" Henning starrt die beiden mit tellergroßen Augen an. "Na wenn ihr beiden uns händchenhaltend über den Haufen rennt, ist es auch nicht groß verwunderlich, dass wir unsere Schlüsse ziehen." Damit spielt Agnes wohl auf die überraschende Begegnung gestern an. Nach Hennings und meinem kleinen Stelldichein hier im Büro. Sie hat es also tatsächlich bemerkt. "Ich glaube, ich brauche einen Schnaps. Noch jemand?" Martin schaut in die Runde. "Gern", erwidere ich. "Für uns beide." So wie Henning aussieht, braucht er nicht nur einen. ~Henning~ Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll. Meine Eltern wussten es schon längst? Das heißt, ich habe mir völlig unnötig solche Sorgen gemacht? Akzeptieren sie es also? So wirklich haben sie ja noch nichts dazu gesagt. "Hier." Mein Vater drückt mir eine dieser kleinen Kräuterlikörflaschen in die Hand. "Danke." Eigentlich mag ich das Zeug nicht, aber ich leere die Flasche trotzdem mit einem Zug. Ich verziehe das Gesicht. Ekelhaft! Aber das Zeug beruhigt meine Nerven. Wenn auch nur ganz leicht. "Dann ... Dann habt ihr nichts dagegen, dass ich ...?" Weiter komme ich nicht. Ein zweites Mal schaffe ich es heute nicht mehr, es vor ihnen laut auszusprechen. "Ich muss mich erst daran gewöhnen", brummt mein Vater. Er schnappt sich eine zweite Flasche. "Mein Sohn ist schwul ..." "Und euer Koch", wirft Heiko plötzlich ein. "Ich hoffe, das ist kein Problem, denn ich arbeite wirklich gerne hier." Angespannt warte ich auf eine Antwort meiner Eltern. Wenn Heiko jetzt gefeuert wird, werde ich mir das niemals verzeihen! "Natürlich ist das kein Problem", erwidert meine Mutter. Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen. Mein Vater nickt einfach nur. Er hat immer noch an der Neuigkeit zu knabbern. Das sieht man an. Die kleine Likörflasche in seiner Rechten muss einiges erleiden. "Papa? Ich bin immer noch der selbe", sage ich aus diesem Grund zu ihm. Seufzend mustert er mich. Ich kenne diesen Ausdruck. Diese Mischung aus Besorgnis und Zweifel. So hat er mich als Kind öfter angeschaut. Wenn ich mal wieder nicht mit den Mathehausaufgaben klar gekommen bin. Dann hat er mich immer gefragt, was mit mir nicht stimme. Die Aufgaben wären doch so einfach. Man muss ihm aber zugestehen, dass er noch nicht wusste, dass mir das Lernen schwerer fiel, als anderen Kindern in meinem Alter. Zudem ist er schon immer ein sehr ungeduldiger Lehrer gewesen. Jemanden etwas beibringen, das konnte er noch nie gut. Es sei denn, in handwerklicher Richtung. Doch da musste er auch nicht viel erklären. Ich lernte beim Zuschauen und beim mit anpacken. Als dann fest stand, dass ich eine Lernbehinderung hatte, wurde mein Vater einsichtiger mit mir. Er überließ es meiner Mutter, mir bei den Aufgaben zu helfen, die ich nicht verstand. Außerdem bekam ich eine spezielle Nachhilfe. Und seit dem war auch dieser Blick verschwunden. Bis jetzt. "Das wissen wir doch, Schatz", sagt meine Mutter zu mir und steht auf. Sie läuft um den Schreibtisch herum und nimmt mich in die Arme. "Gib deinem Vater nur ein bisschen Zeit, um das zu verdauen", flüstert sie mir zu. "Dann werft ihr mich nicht raus?" Meine Stimme zittert. "Dich rauswerfen?" Sie sieht mich entsetzt an. "Hast du das etwa die ganze Zeit über geglaubt? Dass wir dich vom Hof jagen deswegen?" Ich schlucke und schaue schuldbewusst zur Seite. "Henning Wilhelm Mayer. Das du uns das zutraust!" Sie tatscht mir leicht die Wange. "Entschuldige", murmle ich reumütig, als wäre ich wieder ein kleiner Junge. Heiko neben mir kichert leise. Er findet das wohl witzig, doch da hat er nicht mit meiner Mutter gerechnet. Sie lässt mich los und dreht sich zu ihm. "Und was dich angeht", sagt sie zu ihm. "Willkommen in der Familie." Nun wird auch Heiko umarmt. "Danke." Heiko lächelt. "Freue dich nicht zu früh. Ein Teil unserer Familie zu sein bringt viele Pflichten mit sich." "Geht in Ordnung", grinst mein süßer Koch. "Zum Beispiel unbezahlte Überstunden", kommt es von jenseits des Schreibtisches. Der letzte Rest Anspannung weicht aus mir. Wenn mein Vater wieder trockene Scherze machen kann, dann ist alles wieder gut. "Kein Problem", lacht Heiko auf. "Die unbezahlten Überstunden lasse ich mir dann von Henning anderweitig ausbezahlen." Wa...? Mein Gesicht flammt heiß auf. Wie kann er sowas vor meinen Eltern sagen?! Ich höre, wie meine Mutter schmunzelt und würde am liebsten in ein tiefes Loch versinken. "So meine Lieben! Ich werde mich jetzt mal fertig machen. Meine Freundinnen warten schon." Sie tätschelt kurz meinen Arm im Vorbeigehen. Auch mein Vater steht auf, um ihr zu folgen. Er klopft mir auf die Schulter. Das beruhigt mich sehr. "Ach! Wisst ihr was?" Mama kommt nochmal zurück. "Was haltet ihr davon, wenn wir morgen Abend bei uns schön gemütlich essen?" "Hört sich gut an", findet Heiko. "Fein! Aber ich koche." "Dann bringe ich einen Nachtisch mit." "Einverstanden." Meine Mutter strahlt wie ein Glühwürmchen. "Ist es nicht schön Martin, einen Koch in der Familie zu haben?" Und weg sind die beiden. Ich sacke förmlich in mir zusammen. "Oh man", stöhne ich und fahre mir mit der linken Hand über das Gesicht. "Ist doch super gelaufen!" Heiko zieht mich an seine Brust. "Meinen Glückwunsch." "Hmhm", brumme ich nur. Heiko lacht leise und küsst meine Schläfe. "Du musst erst einmal alles sacken lassen, was?" Ich bejahe und lege meine Arme fest um Heiko, während mir langsam immer bewusster wird, was hier gerade passiert ist. "Ich habe es gesagt", wispere ich. "Sie wissen es." "Tun sie", flüstert Heiko. "Und sie haben dich nicht verstoßen. Damit fällt unser Plan mit der kleinen Herberge wohl flach, was?" Ein unglaublich warmes und schönes Gefühl der Erleichterung breitet sich in meiner Brust aus. "Oh Heiko!" "Ah! Du zerdrückst mich!", japst er lachend. "Ich bin so froh!" "Ich merke es." Notgedrungen lockere ich die Umarmung und schaue Heiko überglücklich an. "Es ist anscheinend gesackt, hm?" "Und wie!" Ich küsse ihn stürmisch. "Ich ... Ich ..." "Ja?" "Keine Ahnung", pruste ich. "Ich einfach nur glücklich!" All meine Sorgen haben sich in Luft aufgelöst. Ich bin mit Heiko zusammen, der mich ebenso liebt, wie ich ihn und habe meinen Eltern endlich alles gebeichtet und sie haben es besser aufgenommen, als in meinen kühnsten Träumen. "Ich könnte die ganze Welt umarmen!" "Umarme lieber mich", säuselt mein Schatz. "Ich weiß noch etwas viel besseres." "Tust du?" "Darauf kannst du wetten", schwöre ich ihm und versiegle seine Lippen. *** ~Heiko~ "Was hältst du davon?" "Ich bin dabei." "Super! Dann machen wir uns gleich mal ans Werk." Ich klatsche in die Hände. "Was soll ich tun?" "Du kannst vier Hähnchenbrustfilets aus dem Kühler holen." "Mach ich." Henning läuft rüber zum Kühlraum. "Bitte." "Danke. Als Küchenhilfe bist du echt einsame Spitze", grinse ich ihn an. "Das mache ich nur, weil ich scharf auf den Koch bin", antwortet er mir, legt das noch eingepackte Hähnchenfleisch auf die Arbeitsplatte und verwickelt mich in einen wirklich verdammt heißen Kuss. Wenn das jetzt so weitergeht, wird das heute nichts mehr mit dem Essen für Meilo und Niclas. "Henning ..." Er drängelt mich gegen die Spülmaschine. Seine Hände scheinen plötzlich überall zu sein. "Das Essen", seufze ich, in der Hoffnung, dass er wieder zu Sinnen kommt. "Kein Hunger", knurrt er jedoch und knabbert an meinem Hals. Ich bin Wachs in seinen Händen und meine Gegenwehr schwindet immer mehr. Mit geschlossenen Augen gebe ich mich Hennings Liebkosungen hin, und ... Was riecht den hier so? Der Geruch kommt mir bekannt vor ... So beißend ... "Die Butter!" Erschrocken schubse ich Henning von mir weg und drehe mich zum Herd. "Scheiße!" Schnell ziehe ich den Topf von der Kochplatte. "Oh." Nicht zu fassen, wie unschuldig Henning gucken kann! "Angebrannt?" "Ihre Auffassungsgabe ist wieder mal beeindruckend, Sherlock", antworte ich. Henning rümpft die Nase. "Nochmal von vorn." Und dieses Mal lasse ich mich nicht von einem gewissen Jemanden ablenken. "Keine Knutscherei mehr in der Küche, solange ich am Kochen bin, ja?" "Na schön", seufzt mein Spatz, begrabbelt mich aber schon wieder mit seinen flinken Fingern. Gleich bekommt er das Nudelholz ab. "Aber nachher bist du fällig", raunt er mir zu, klaubt sich einen Kuss von mir und lässt mich wieder los. Wie soll man sich denn bei solchen Aussichten auf die Arbeit konzentrieren? Zum Glück hielt Henning Wort und half mir fleißig, sodass wir zeitig mit dem Abendessen fertig wurden. "Ich sage den beiden Bescheid", sagt Henning. "Dann decke ich schon mal einen Tisch." Es dauert nicht lange, da höre ich auch schon Niclas' Lachen aus Richtung der Treppen. "Wow!", staunt er, als er er in den Essenssaal kommt. "Ihr habt euch ja richtig Mühe gegeben. Das sieht total nobel aus." "Dann war meine Ausbildung mit Erfolg gekrönt", lache ich und stelle den letzten Teller ab. "Womit haben wir denn das verdient?" Meilo schiebt Niclas den Stuhl zurecht. "Für eure Hilfe", erklärt Henning. "Ohne euch ständen wir jetzt nicht hier." "Genau", pflichte ich meinem Spatz bei. "Also wenn wir immer so bekocht werden, helfen wir euch gerne jeder Zeit wieder", grinst Niclas. "Ihr seid herzlich dazu Eingeladen, uns jederzeit wieder zu besuchen." "Unbedingt", füge ich an und schenke jedem Wein ein. "Gerne." Meilo lächelt in die Runde. "Darauf stoßen wir an." "Prost!" ****** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)