Uncertain Heart von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 12: Puzzle ------------------ „Was sagst du dazu?“ Tai sah seine Mutter bittend an. Wir saßen alle zusammen an einem Tisch und ich wusste nicht, wann mir etwas das letzte Mal so unangenehm war. Ich kannte Tais Mutter schon ewig und sie war immer nett zu mir gewesen. Aber bedeutete das auch, dass sie mich bei sich aufnahm? Ohne den Grund dafür zu wissen? Vielleicht war das doch etwas zu viel verlangt. Sie lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute uns misstrauisch an. „Ich weiß nicht, Tai…“ „Ach, komm schon“, bettelte Tai weiter. Er gab wirklich sein Bestes, sie zu überreden, dass ich für ein paar Tage bleiben konnte. „Was sagen denn deine Eltern dazu?“, fragte sie mich, doch ich konnte nur mit den Schultern zucken. „Ich weiß nicht. Wir reden momentan nicht miteinander. Es ist gerade… es ist sehr kompliziert.“ Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass meine Eltern nichts dagegen hatten und dass es plausible Gründe dafür gab vorläufig auszuziehen, doch das konnte ich nicht. Noch mehr Lügen ertrug ich einfach nicht. „Hmm“, machte Frau Yagami und legte ein nachdenkliches Gesicht auf. „Du würdest ihr wirklich helfen“, sagte Tai. „Sie kann momentan nicht nach Hause.“ „Und natürlich könnt ihr mir nicht sagen, warum. Schon klar.“ Betreten sah ich zur Seite. Nie im Leben hätten wir ihr sagen können, was geschehen war. Schließlich seufzte sie schwermütig auf. „Oh, na gut.“ „Ehrlich?“, fragte Tai verdutzt und sah mich an. „Ja, Mimi kann für ein paar Tage bleiben. Aber ich werde mit ihrer Mutter darüber sprechen müssen und ihre Erlaubnis einholen.“ Ich nickte zwar, doch ganz recht war es mir nicht. Als ob meine Mutter damit einverstanden wäre… Doch hatte ich eine Wahl? „Okay, das geht klar. Komm, Mimi“, sagte Tai zufrieden, stand auf, ich nahm meine Tasche und folgte ihm in Richtung seines Zimmers. „Moment mal“, rief seine Mutter und stand plötzlich hinter uns. Sie zog eine Augenbraue nach oben und sah ihren Sohn ernst an. „Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass ihr zusammen in einem Zimmer schlaft.“ Oh mein Gott. Das hatte sie gerade nicht wirklich gesagt! Sie dachte doch nicht ernsthaft, dass wir… Oh man. Das war einer dieser Momente, in denen einem als Kind wirklich alles aus dem Gesicht fiel. Und genauso war es bei Tai. „Mama!“, ermahnte er sie. „Das ist doch wohl jetzt nicht dein Ernst!“ Doch seine Mutter straffte entschlossen die Schultern und baute sich vor ihrem Sohn auf, der inzwischen einen ganzen Kopf größer war als sie. „Na und ob das mein Ernst ist. Oder meinst du, ich habe schon Lust Oma zu werden?“ Ich prustete los, während Tai puterrot anlief und dampfte wie eine Lokomotive. „Das… also… was denkst du denn? Das hatten wir doch gar nicht vor! Und außerdem bin ich schon alt genug… und… ach man! Du bist echt peinlich!“ Wütend ging er in sein Zimmer, schmiss die Tür hinter sich zu, nur um sie eine Sekunde später wieder aufzureißen und mit samt seinen Bettsachen wieder rauszukommen. Er stapfte zum Sofa und schmiss sein Kissen und seine Decke darauf. Ein Wunder, wie er plötzlich mit seinem immer noch verletzten Fuß aufstampfen konnte. „So. Zufrieden?“ Seine Mutter nickte zustimmend, während ich einfach nicht mehr aufhören konnte zu lachen. Es war einfach zu komisch, wie peinlich ihm das war. „Dürfen wir wenigstens noch zusammen Mathe lernen? Oder wirst du davon auch Oma?“ Genervt sah er sie an, doch seine Mutter zischte nur und ging zurück in die Küche. „Sei nicht albern, Tai. Um Acht gibt es Abendessen.“ Ich hatte mich zwar wieder einigermaßen im Griff, musste mir jedoch immer noch das Lachen verkneifen. Diese Frau war einfach der Hammer. „Ich mag deine Mutter“, sagte ich zu Tai, der an mir vorbei humpelte. „Sie ist peinlich“, erwiderte er nur tonlos und schloss die Tür hinter uns, nachdem wir in sein Zimmer gegangen waren. „Na ja, vielleicht ein bisschen“, grinste ich und setzte mich auf den Boden, um meine Schulsachen aus der Tasche zu kramen. „Aber sie macht sich wenigstens Sorgen um dich.“ Tai setzte sich aufs Bett, da es für ihn und seinen Fuß wahrscheinlich so bequemer war. „So, wie deine Mutter vorhin aussah, macht sie das auch.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ist mir egal. Jetzt ist es zu spät sich Sorgen zu machen.“ „Was ist eigentlich zwischen euch vorgefallen? War das mit der Adoption ihre Idee?“ Geknickt senkte ich den Blick. „Nein, die meines Vaters und die…“ Nein. Das konnte ich ihm noch nicht sagen. Es war einfach zu kompliziert und er wusste ohnehin schon zu viel. Ich wollte ihn nicht noch mehr mit in diese Sache hineinziehen. „Schon okay“, meinte er verständnisvoll und griff nach einem Buch, welches auf seinem Bett lag. „Wir müssen nicht weiter darüber reden, wenn du nicht willst. Lass uns lieber ein bisschen Mathe pauken. Das lenkt ab.“ Genervt stöhnte ich auf und warf den Kopf in den Nacken. „Oh, musstest du mich jetzt daran erinnern? Wie soll ich das nur schaffen? Ich hab gerade echt keinen Kopf für irgendwelche Tests.“ „Kann ich verstehen. Aber versuch es wenigstens. Das ist wichtig, wenn du bestehen willst.“ Ich nickte zustimmend und schlug ebenfalls mein Buch auf. Er hatte recht. Ich musste wenigstens versuchen, mich zu konzentrieren, wenn ich nicht in Mathe durchfallen wollte. „Hmm, meinst du, das ist so richtig?“, fragte ich, nachdem ich meine Aufgaben zu Ende bearbeitet hatte und setzte mich zu ihm aufs Bett. Er nahm mir den Zettel aus der Hand, las ihn aufmerksam durch und überlegte. Dabei kaute er auf seinem Stift rum und bei diesem Anblick musste ich irgendwie grinsen. Nach einer Weile wandte er den Kopf um und sah mich fragend an. „Was ist?“ Oh nein, ich sollte ihn nicht so anstarren. Schnell drehte ich mich weg und versuchte meine Aufmerksamkeit wieder auf die Aufgaben zu lenken. „Ach, nichts. Was ist jetzt mit den Aufgaben?“ Tai sah mich kurz an, konzentrierte sich jedoch dann wieder auf das Papier. „Na ja, hier und da sind noch einige Fehler drin, aber ich denke, wenn wir eine Nachtschicht einlegen, kriegen wir das auch noch in den Griff.“ Es gefiel mir wie er „wir“ sagte und dabei musste ich wieder unwillkürlich grinsen. Nachtschicht gefiel mir allerdings weniger. „Essen ist fertig“, sagte seine Mutter und stand urplötzlich bei ihm in der Tür. „Oh Gott, kannst du nicht mal anklopfen?“, meinte Tai genervt. „Wieso? Ihr lernt doch nur Mathe.“ Sie zwinkerte mir zu und ging zurück in die Küche. Tai stöhnte auf, während ich ihn nur grinsend ansah und mit den Schultern zuckte. „Sie hat recht.“ Tai grinste mich schief von der Seite her an. „Zum Glück weiß sie nicht, dass du schon mal schwanger warst. Sonst würde sie uns einen Sicherheitsabstand von mindestens drei Metern verordnen.“ Ich lachte auf, nahm seine Krücke und schlug ihn unsanft damit gegen sein Bein. „Au!“, schimpfte er, lachte jedoch auf. Wir gingen gemeinsam zum Essen. Sein Vater war nicht da, aber Kari saß mit am Tisch. „Mama meinte, du bleibst für ein paar Tage bei uns“, stellte sie fest und musterte mich von oben bis unten, als ich mich ihr gegenübersetzte und Tai sich neben mich. Ihr Blick huschte unsicher zwischen uns beiden hin und her. „Seid… seid ihr jetzt zusammen?“ Tai spuckte das Wasser, was er gerade trinken wollte zurück ins Glas. Er hustete und ich sah sie mit großen Augen an. „Gute Frage, das hab ich mich auch schon gefragt“, stupste Frau Yagami ihre Tochter in die Seite. „Nein, sind wir nicht“, sagte ich jedoch eilig. „Wie kommst du denn darauf?“ „Na ja“, meinte Kari und deutete auf mich. „Du trägst seine Klamotten, schläfst bei uns…“ Tai schlug sich die Hand vors Gesicht und sah seine Schwester entnervt an. „Oh man, wie alt bist du noch mal? Nur, weil sie für ein paar Nächte hier übernachtet, heißt das doch noch lange nicht… Das wäre doch völlig absurd.“ Ich schielte zu ihm hinüber. Wäre es das? Absurd? Ich räusperte mich und ließ das für den Moment mal unkommentiert. Und zum Glück taten das alle anderen auch. „Wie sieht’s aus? Bist du soweit?“ „Ja… ähm… kann losgehen“, sagte ich und rutschte rüber. Er setzte sich neben mich aufs Sofa und bettete seinen verletzten Fuß auf den Tisch. Ich hatte eine Ladung Bücher auf dem Schoß und atmete schwermütig aus. Was war nur alles passiert an diesem Wochenende? Das war einfach zu viel. Und dann morgen auch noch die Mathe Klausur. Wie sollte ich das nur alles schaffen? „Hey, das wird schon“, sagte Tai plötzlich, während er schon mal das erste Buch aufschlug. Ich grinste ihn an. „Kannst du Gedanken lesen?“ „Schön wär’s“, antwortete er und lächelte mich an. „Was soll das heißen?“ „Ach, nichts.“ „Jetzt sag schon“, kicherte ich und schlug ihm gegen den Arm. „Na ja“, sagte er und zuckte mit den Schultern. „In deinen Kopf würde ich schon gern mal reinschauen.“ Ich zog eine Augenbraue nach oben. Was meinte er damit? „Natürlich nur, um zu sehen, wie viel Ahnung du von Mathe hast. Also, zeig mal her, was du da hast“, grinste er, lehnte sich zu mir hinüber und warf einen Blick auf meine Bücher. Ich merkte, wie ich leicht errötete und das nur, weil er mir so nah war. Irgendwie war mir das unangenehm und ich räusperte mich. „Ähm… ich hol uns mal etwas zu Trinken.“ Ich stand auf, ging in die Küche und atmete erleichtert aus. Das war schon viel besser. Was war nur los? Wieso wurde ich plötzlich rot, wenn er mir nah kam? Das war doch früher nicht so. Das war doch noch nie so! Warum ausgerechnet jetzt? Weil er so nett zu mir war? Weil er mir völlig selbstlos Hilfe angeboten hatte? Ich nahm eine Flasche frischen Orangensaft aus dem Kühlschrank und schenkte ihn in zwei Gläser. Er hatte recht gehabt, mit dem, was er vorhin beim Essen gesagt hatte. Es wäre völlig absurd! Ich musste ganz dringend damit aufhören mich so in seiner Gegenwart zu verhalten. Aber wahrscheinlich war das nur die natürliche Reaktion auf sein Verhalten. Er hatte mir geholfen, mich beschützt, stand mir bei… Verständlich, dass ich mich eben zu ihm hingezogen fühlte. Momentan war er tatsächlich alles, was ich hatte. Ich fuhr kurz zusammen, als ich merkte, dass jemand neben mir stand. „Und ihr wollt also die Nacht heute durchmachen und lernen?“, fragte Kari plötzlich und lächelte mich an. Ich nickte und sie schenkte sich ebenfalls ein Glas Orangensaft ein. „Ich finde es gut, dass Tai dir dabei hilft. Und… auch bei allem anderen.“ Ich sah sie leicht irritiert an, woraufhin sie schnell abwinkte. „Keine Sorge, er hat mir nichts erzählt. Ich habe keine Ahnung, was mit dir oder deiner Familie ist. Ich will nur, dass du weißt, dass wir alle für dich da sind. Wenn du das willst.“ Schuldbewusst sah ich zu Boden. Es war mir unangenehm, dass Kari schon mehr mitbekommen hatte als sie sollte. Ich wollte nicht noch jemanden mit in diese Sache hineinziehen. Schlimm genug, dass ich Tai mit hineinzog. „Danke, das weiß ich sehr zu schätzen“, bedankte ich mich dennoch kleinlaut und meinte es tatsächlich auch so. Es wäre wirklich schön gewesen, wenn sie alle für mich da sein könnten. Aber so war es nun mal besser für alle. „Na, dann“, meinte Kari und wollte gehen. „Macht nicht zu lange.“ „Kari, warte mal.“ „Mmh?“ Sie wandte sich noch ein mal um und sah mich fragend an. „Was ist?“ „Ich muss dich etwas fragen.“ Das war die Gelegenheit, sie darauf anzusprechen. Wir waren gerade alleine und niemand hörte uns zu. Außerdem war es eine der vielen Sachen, die mir einfach nicht aus den Kopf gingen. Es musste einfach sein. Sie sollte nicht auch noch in ihr Verderben rennen, wie ich. Nicht sie auch noch. „Es geht um Takeru.“ Kari blinzelte kurz, lächelte jedoch dann. „Hab mich schon gefragt, wann du etwas sagst. Ich wusste, du kannst es nicht lang für dich behalten.“ Wie? Die Fragezeichen standen mir offensichtlich ins Gesicht geschrieben. War ich jetzt die Verwirrte oder sie? „Du denkst, er betrügt mich“, sagte Kari mit ruhiger Stimme und sah mich unvermittelt an, währenddessen mir wahrscheinlich nur der Mund offenstand. Sie wusste es? Und sie wusste, dass ich es wusste? Was zum Teufel war hier los? „Ich hab es gesehen“, antwortete ich leise und war in dem Moment auf alles gefasst. Würde sie weinen? Würde sie sauer werden? Würde sie sich die ganze Nacht in ihrem Zimmer einschließen und sich ihrem Liebeskummer hingeben? Doch nichts von alledem geschah. Stattdessen blieb sie einfach seelenruhig dastehen. „Ich weiß, er hat es mir erzählt?“ „Äh… wirklich?“ Ich war sichtlich verwirrt. Er hatte es ihr gesagt? Und trotzdem stand sie hier vor mir und zuckte nicht ein Mal mit der Wimper? Die Tatsache, dass ihr Freund sie hinterging steckte sie besser weg als erwartet und ich wusste nicht, ob ich erleichtert oder besorgt über diese Reaktion sein sollte. „Er hat mir erzählt, dass du ihn gestern darauf angesprochen hast.“ „Oh, Kari“, sagte ich mitfühlend. „Es tut mir so leid. Ich wünschte, du hättest es anders erfahren. Aber glaub mir, so ist es das Beste und…“ „Das Beste wäre, wenn du dich da raushältst.“ Wie bitte? Hatte sie das gerade wirklich gesagt? „Ich meine es Ernst, Mimi.“ Und genauso sah sie jetzt auch aus. Todernst. So kannte ich sie nicht. Was war mit ihr los? Was war mit Takeru los? Was war hier überhaupt los? „D-du…“, stotterte ich und sah sie verständnislos an. „Wie soll ich mich da raushalten? Er ist dabei, dir dein Herz zu brechen und ich soll einfach so dabei zusehen?“ Sie grinste kurz und sah dann zu Boden. „Er bricht mir nicht das Herz. Hörst du? Es ist alles gut. Er beschützt mich. Das hat er schon immer, das weißt du doch. Also, bitte Mimi… halt dich einfach da raus. Das wäre das Beste für alle.“ Ohne, dass ich noch etwas dazu sagen konnte, wandte sie sich ab und ging in ihr Zimmer zurück. Unfassbar! Ich verstand die Welt nicht mehr. Waren denn jetzt plötzlich alle dabei durchzudrehen? Was sie eben zu mir gesagt hatte, musste ich erst mal sacken lassen. Und ich musste es ganz dringend Sora erzählen, bevor sie die Beiden auch noch darauf ansprach. Denn dann würden wir sicher erst recht nicht erfahren, was Sache war. Ich hatte keine Ahnung, was mit Kari oder mit Takeru los war, aber… irgendetwas war hier faul und zwar gewaltig. Das ergab doch alles gar keinen Sinn. Was meinte sie damit, als sie sagte, er würde sie damit beschützen? Wie beschützt man jemanden, indem man ihn betrügt? In meinem Kopf geisterten plötzlich so viele Fragen. Es war wie ein Puzzle, dessen Teile einfach nicht zusammenpassen wollten. Kopfschüttelnd ging ich ins Wohnzimmer zurück, in dem nur noch ein leichtes Schummerlicht brannte. Tai saß auf dem Sofa… und war eingeschlafen. Ich grinste, stellte die beiden Gläser auf dem Tisch ab und sah ihn an. Ob er wusste, was mit seiner Schwester los war? Ob er wusste, dass etwas nicht stimmte? War er deswegen gegen diese Verlobung? Ich rüttelte an seinem Arm, woraufhin er hochschreckte. „Was… was ist?“ „Warum schläfst du denn schon?“, kicherte ich und hielt mir die Hand vor den Mund. Er sah zur Uhr und rieb sich die Augen. „Wie lang braucht man für gewöhnlich, um was zu Trinken zu holen?“ „Entschuldige, bitte.“ Er grinste mich an und richtete sich auf. „Schon gut, lass uns anfangen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)