Uncertain Heart von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 18: Konfrontation ------------------------- Irgendwie hatten wir es dann doch geschafft wieder einzuschlafen. Ich auf der einen Seite des Sofas, Tai auf der anderen. Keine Ahnung, wieso wir schließlich doch dort schliefen, aber ich denke, es war einfach, weil Tai spürte, dass ich nicht allein sein wollte. Ich ließ es mir zwar nicht anmerken, aber ihm die Geschichte von Hayato und mir zu erzählen, wühlte mich innerlich doch mehr auf als ich zugeben wollte. Nicht einmal meinen Eltern hatte ich diese Details erzählt. Für sie war Hope das Ergebnis eines One-Night-Stands und meiner Naivität. Von unserer Affäre wusste niemand. Bis heute. Als am Morgen der Wecker klingelte und mich weckte, war ich noch völlig schlaftrunken. Die Nacht war einfach viel zu kurz gewesen. Ich tastete nach meinem Handy, welches auf dem Fußboden lag und schaltete den Wecker aus. Stöhnend richtete ich mich auf, ehe ich erschrak und zusammenzuckte. „Verdammt! Die Schule!“, dämmerte es mir. Tai murrte und drehte sich noch einmal um. „Tai! Wach auf!“, meinte ich und rüttelte etwas unsanft an seinem Bein. Ein weiteres Murren kam aus seinem Mund, doch er öffnete ein Auge und schielte mich an. „Was ist?“ „Was machen wir mit Hope? Wir müssen doch beide in die Schule. So ein Mist! Daran hatte ich gar nicht gedacht. Wo soll sie denn so lange bleiben?“, platzte es aus mir heraus und ich sprang auf. Nervös fuhr ich mir durch die Haare, während ich krampfhaft überlegte, wie ich das Problem lösen konnte. „Wir können sie schlecht allein lassen. Sie jemand anderen anvertrauen geht auch nicht. Aber Schule schwänzen wäre in meiner Situation einfach völlig inakzeptabel. Was, wenn das Jugendamt davon Wind kriegt? Dann nehmen sie mir Hope gleich wieder weg und stellen mich als verantwortungslos und unreif dar. Nein, das geht auf keinen Fall…“ Ich redete mehr mit mir selbst, als mit Tai, während ich aufgebracht auf und ab ging, bis Tai mich am Handgelenk festhielt und mich somit zum Stehen brachte. Er lag immer noch auf dem Sofa und sah mich mit müden Augen an. „Was soll ich denn jetzt machen, Tai?“, fragte ich ihn verzweifelt. „Also erst mal“, meinte er und richtete sich stöhnend auf. „Hörst du auf, wie eine wildgewordene Furie hier rumzulaufen. Dafür hatte ich zu wenig Schlaf und es ist definitiv noch zu früh.“ Bitte? Fassungslos sah ich ihn an. Verstand er denn den Ernst der Lage gar nicht? „Und dann“, setzte er fort und sah mich an. „Gehst du zur Schule.“ „Hä?“, konnte ich darauf hin leider nur von mir geben, da ich jetzt diejenige war, die anscheinend nichts verstand. Hatte er nicht zugehört? „Aber was wird…“ „Um Hope kümmere ich mich.“ Skeptisch sah ich ihn an und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie willst du das machen? Du kannst ja schlecht an zwei Orten gleichzeitig sein.“ „Mimi“, sagte Tai mit einem Tonfall, als wäre ich wirklich schwer von Begriff. „Hast du dir meinen Fuß mal angesehen? Ich gehe heute nirgendwo hin, außer zum Arzt.“ Oh. Ja. Sein Fuß. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht… Wie egoistisch von mir. Peinlich berührt warf ich einen Blick darauf. Er sah wirklich nicht sonderlich gut aus und ganz sicher hatte Tai recht, wenn er meinte, er müsse damit zum Arzt gehen. „Hope nehme ich einfach mit zum Arzt. Dann lasse ich mich krankschreiben, bis es mir bessergeht.“ „Gut, aber irgendwann musst du wieder zur Schule. Und was machen wir dann mit ihr?“, fragte ich nach. „Ganz ruhig, Mimi. Ein Problem, nach dem anderen, okay?“ Okay. Wo er recht hatte, hatte er recht. Momentan machte es wenig Sinn weit voraus zu planen. Auch, wenn es mir für Tai leidtat, so konnte ich froh sein, dass ich jemanden hatte, der sich um sie kümmern konnte. Ich nickte. „Dann mache ich dir aber wenigstens noch Frühstück, bevor ich gehe. Und ich rufe für dich beim Arzt an und sage, dass es dringend ist. Dann kannst du nachher sicher gleich hingehen.“ Tai lächelte zustimmend. Ich denke, er war in diesem Moment genauso erleichtert wie ich, dass wir einander hatten und uns gegenseitig helfen konnten. „Okay, hast du alles, was du brauchst?“ „Wie oft willst du mich das noch fragen?“, lachte Tai gespielt genervt auf und war dabei, mich förmlich aus der Tür rauszuschieben. „Du bist wirklich spät dran und solltest dich beeilen, damit du noch rechtzeitig in die Schule kommst.“ „Ich weiß nicht“, entgegnete ich zweifelnd. „Kann ich euch wirklich allein lassen? Soll ich nicht vielleicht doch lieber hierbleiben?“ Ich vertraute Tai – keine Frage. Aber ich würde ihn definitiv für ein paar Stunden mit Hope allein lassen müssen und ich war mir nicht sicher, ob er dieser Aufgabe bereits gewachsen war. „Oh, Mimi“, stöhnte er und schob mich an den Schultern weiter nach draußen. „Jetzt geh endlich!“ Ich drehte mich um und grinste ihn entschuldigend an. „Tut mir leid, es ist nur…“ „Mach dir keine Sorgen. Wir kommen schon zurecht“, versuchte er mich zu beruhigen und lächelte mich verständnisvoll an. Komisch, aber irgendwie schaffte er es doch immer wieder, mir die Sorgen und Zweifel zu nehmen. Ja, er würde das schon hinkriegen, ganz sicher. Wer, wenn nicht Tai? Ich atmete tief durch. „Okay, du hast recht.“ In dem Moment hörte ich, wie Hope anfing zu weinen. Anscheinend war sie jetzt aufgewacht. „Oh, da will sich wohl noch jemand von dir verabschieden. Warte kurz!“, grinste Tai und machte auf dem Absatz kehrt. Er war wirklich süß! Ich musste grinsen. Ich wandte mich um, um auf ihn zu warten, wobei mir beinahe das Herz stehen geblieben wäre, als zwei Augen mich überrascht ansahen. Oh Gott. Was machte SIE denn hier? Völlig verwirrt sah sie mich an. „So-Sora was… äh, was machst du hier?“, stammelte ich. Schnell warf ich einen unsicheren Blick nach hinten und überlegte, ob ich die Tür einfach zuziehen sollte. Doch das war wahrscheinlich eh zwecklos. Hopes Geschrei war nicht zu überhören. „Ich, äh…“, begann sie und sah dabei immer wieder zur Tür. „Ich wollte dich abholen. Noch mal mit dir reden, weißt du… Es tut mir leid, wegen unseres Streits neulich und ich…“, sagte sie fast schon geistesabwesend und zeigte schließlich fragend in Richtung Wohnung. „Weint da etwa ein Baby?“ Das Herz rutschte mir in die Hose und ich glaube, ich vergaß sogar zu atmen. Was sollte ich darauf antworten? Natürlich weinte da ein Baby, das war unverkennbar. Eine passende Ausrede wollte mir daher gerade nicht einfallen. „Äh… ja… ja, ich glaube schon.“ Unsicher warf ich einen Blick in Richtung Flur. Was um alles in der Welt sollte ich jetzt nur tun? Sie hörte einfach nicht auf mich anzustarren und sie wollte eine Antwort auf die unausgesprochene Frage, welches Baby das war und was es bei Tai zu Hause machte. Doch was sollte ich sagen? Ich konnte ihr doch nicht… Doch noch ehe ich zu Ende überlegen konnte, war es auch schon zu spät. Tai stand wieder vor mir und hielt mir Hope freudestrahlend und mit ausgestreckten Armen entgegen. „Hier. Verabschiede dich gefälligst von deiner Tochter, bevor du gehst. Sonst ist sie traurig“, grinste er frech und schien gar nicht mitzukriegen, dass mir in dem Moment einfach alles aus dem Gesicht fiel. Zu spät. Es war endgültig zu spät. Hope hörte auf zu weinen und drehte ihr Köpfchen in Richtung Sora. Ich traute mich nicht, sie anzusehen und sah stattdessen Tai an, der inzwischen auch zu bemerken schien, dass etwas nicht stimmte. Er wandte den Kopf und fuhr kurz zusammen. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. „Sora?“, kam es ihm nur leise über die Lippen. Augenblicklich zog er Hope wieder an sich, während ich immer noch wie versteinert dastand und es nicht wagte, ihr in die Augen zu sehen. Ich wollte nicht sehen, was sie gerade dachte. Ich würde es nicht ertragen, wenn sie mich jetzt verurteilen würde. Also sah ich einfach nur Tai an. Der wiederum sah Sora an und in seinem Blick lag etwas Unergründliches. Ein Blick, der mein Herz zerbrechen ließ. Er war traurig. Traurig darüber, dass seine beste Freundin es so erfahren musste. Er hatte sie auch angelogen, die ganze Zeit über. Mir zuliebe. Gott, was hab ich da nur angerichtet? Als ich Tai so sah, wusste ich, dass ich mich ihr stellen musste. Es machte einfach keinen Sinn mehr irgendwelche Ausflüchte zu suchen. Ich musste mich der unbequemen Wahrheit stellen und dafür geradestehen, dass ich sie belogen hatte. Dass ich ihr nicht die Wahrheit über mich und Hope gesagt hatte. Ich musste mich ihrem Urteil stellen. Das war ich ihr UND Tai schuldig. Vorsichtig wandte ich den Kopf. Auch Sora stand wie versteinert da, starrte das Kind in Tais Armen an. Dann mich. Der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Wie… wie soll ich das verstehen? Deine Tochter?“ „Sora“, setzte ich so einfühlsam wie möglich an. „Ich kann dir das erklären.“ Ihre Miene verfinsterte sich und sie warf erst mir und dann Tai einen bösen Blick zu. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und lief davon. Ich sah Tai noch kurz entschuldigend an, bevor auch ich mich in Bewegung setzte und ihr folgte. „Sora, jetzt warte doch mal!“, rief ich ihr hinterher, doch die Rothaarige machte gar keine Anstalten, stehen zu bleiben. „Sora, warte!“, sagte ich noch einmal mit Nachdruck, als ich sie eingeholt hatte und sie am Arm packte. „Ich kann es dir erklären.“ Schnaufend wirbelte sie herum. „Was willst du mir erklären? Hm, Mimi? WAS?“ Ich zuckte zusammen. Sie schrie mich an. Sie hatte mich noch nie angeschrien. „Willst du mir erklären, wie man Babys macht? Keine Sorge, das weiß ich bereits selbst.“ Ich seufzte. „So ein Quatsch, Sora. Ich versuche doch nur, dir die Wahrheit zu erzählen.“ „Wahrheit? Welche Wahrheit?“, giftete sie mich an. „Woher soll ich überhaupt noch wissen, was wahr und was gelogen ist?“ Okay. Das hatte ich verdient. „Du hast recht“, sagte ich so ruhig wie möglich. „Aber diesmal versichere ich dir, dass es wirklich die Wahrheit ist.“ Sora zischte verächtlich. „Du hast ein Kind, Mimi? Ernsthaft?“ „Ja… Ja, hab ich. Aber… es war nie geplant, dich und all die anderen anzulügen, das musst du mir glauben“, setzte ich an zu erklären, doch ihre Miene war so versteinert, dass ich bereits wusste, wie aussichtslos mein Vorhaben war. So wütend hatte ich sie noch nie gesehen. Nicht einmal, als sie neulich plötzlich bei Tai zu Hause auftauchte und mich zur Rede stellte. Ich hätte ihr damals bereits die Wahrheit sagen sollen. Ich hätte ihr einfach von Anfang an die Wahrheit sagen sollen. Sie war doch meine beste Freundin. Noch nie hatte ich mich so schlecht gefühlt. „Ach, und was ist mit Tai?“, fuhr sie mich plötzlich an. „Was hat er damit zu tun?“ Oh Gott. Wie sollte ich das nur alles erklären? Die ganze Sache war viel zu kompliziert, um sie einfach so zu rechtfertigen. „Ist er etwa der Vater?“, fragte sie mich stur und meine Augen weiteten sich. „Sora, was soll das?“, entgegnete ich und konnte nicht fassen, was sie mich hier gerade wirklich fragte. „Weißt du Sora, gib mir doch einfach etwas Zeit es dir zu erklären. Ich verspreche, ich erzähle dir alles, was du wissen willst. In Ruhe.“ „Auf deine Versprechen pfeife ich“, platzte es aus ihr heraus und Tränen stiegen ihr in die Augen. „Ich bin heute zu dir gekommen, um mich bei dir zu entschuldigen. Weil ich dachte, es gäbe eine gute Erklärung für die ganzen Lügen.“ „Die gibt es auch“, unterbrach ich sie, doch sie hörte mir nicht zu. „Antworte einfach auf meine Frage! Ist Tai der Vater?“ Ich war verzweifelt. Wieso hörte sie mich denn nicht an? Und worum ging es hier eigentlich wirklich? Warum war es jetzt wichtiger, wer der Vater war, als zu erfahren, warum ich plötzlich eine Tochter hatte? „Ach, vergiss es!“, blaffte sie mich an, wischte sich mit dem Ärmel über ihre feuchte Augenpartie und drehte sich um. „Eigentlich will ich es gar nicht wissen, ob er der Vater ist. Er kann schließlich machen was und mit wem er will oder?“ „Sora, bitte…“, flehte ich nun förmlich. Sie musste mir doch einfach nur zuhören. Dann könnte ich ihr alles erklären. „Lass mich einfach in Ruhe, okay Mimi? Bitte“, sagte sie nun ungewöhnlich ruhig. Dann ging sie. Und ließ mich einfach stehen. Ich hätte nie gedacht, dass nach Hayato mein Herz ein zweites Mal brechen könnte. Doch der Gedanke, sie jetzt endgültig verloren zu haben, war fast noch schlimmer. In der Schule gingen wir uns aus dem Weg. Was nicht sonderlich schwer war, da wir in getrennten Klassen waren und ich Izzy in der Mittagspause einfach damit vertröstete, noch ein paar Abschriften machen zu müssen. Unser Streit ging mir nicht aus dem Kopf. Mehr noch – er steckte mir immer noch tief in den Gliedern, als wäre es erst vor einer Minute passiert, dass sie mich hat stehen lassen. Nun wusste sie, welches Geheimnis ich hatte und doch war es nur die halbe Wahrheit. Weniger als das. Mir war bewusst, dass, wenn Hope letztendlich bei mir bleiben durfte, ich sowieso mit ihr hätte reden müssen. Allerdings hätte ich versucht es ihr schonender beizubringen. Und solange noch nichts entschieden war, wollte ich sie eigentlich nicht mit in diese Sache hineinziehen. Es genügte, dass Tai für mich Kopf und Kragen riskierte. Was sollte ich jetzt nur tun? Ich starrte auf meine Notizen. Ihr Blick ging mir nicht aus dem Kopf. So schockiert und wütend hatte ich sie noch nie erlebt. Eine leise Träne fiel aufs Papier, die ich jedoch schnell wegwischte, als es zum Unterricht klingelte und die anderen Schüler wieder ins Klassenzimmer strömten. Ich wusste, ich musste es irgendwie wieder geradebiegen. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte. Ob sie mir das je verzeihen würde? Mir war hundeelend, als ich nach der Schule auf den Weg nach Hause war. Ich brachte den ganzen Tag keinen Bissen runter. Während des Unterrichts hatte ich Tai eine kurze SMS geschrieben und gefragt, ob bei ihm und Hope alles in Ordnung war. „Alles bestens“, hatte er kurz und knapp geantwortet. Wahrscheinlich meinte er damit eher Hope, als sich selbst. Denn ich war mir sicher, dass es ihm nach heute Morgen ähnlich ging wie mir. Vor der Wohnungstür angekommen steckte ich seufzend den Schlüssel ins Schloss. Keine Ahnung, wie ich Tai jetzt gegenübertreten sollte. Mein schlechtes Gewissen ihn gegenüber drohte mich aufzufressen. Wie konnte ich nur einen Keil zwischen ihn und Sora treiben? Seiner besten Freundin! Für mich hatte er sie angelogen. Sora war eh schon misstrauisch geworden, doch er hatte sie einfach weiter belogen, genau wie ich. Was war ich nur für ein schlechter Mensch? Was für eine schlechte Freundin? Ich ging durch den Flur und wunderte mich, dass ich überhaupt kein Geräusch aus dem Wohnzimmer hörte. Verwundert sah ich mich um. Bis ich Tai auf dem Sofa sitzen sah. Er hatte seinen Fuß hochgelegt und laß in einem Buch. „Hey“, begrüßte ich ihn kleinlaut. Er sah auf. „Hey.“ „Was machst du da?“ „Ich muss lernen. Für die Prüfungen“, erklärte er mir tonlos, während ich meine Schultasche abstellte und mich zu ihm setzte. „Was hat der Arzt gesagt?“ Tai stöhnte. „Er meint, ich kann bis die Prüfungen beginnen, die Schule nicht mehr besuchen. Das Gelenk hat sich entzündet und ich soll es jetzt endgültig solang schonen, bis es verheilt ist. Aber er hat mir ein Antibiotikum verschrieben, was recht schnell anschlagen sollte.“ Betreten sah ich zu Boden. Na toll. Ich hatte nicht nur einen Streit zwischen ihn und seiner besten Freundin verursacht, sondern hatte ihn auch noch um seine Schulzeit gebracht. Die letzte, die er in seinem Leben an dieser Schule haben würde. Mit Matt, mit Sora… Hatte ich schon erwähnt, dass ich mich so schlecht, wie noch nie in meinem Leben fühlte? „Hope geht es auch gut. Sie schläft gerade. Zum Lernen habe ich noch genug Zeit. Bis zu den Prüfungen sind es noch drei Wochen“, fuhr er unbeirrt fort, als würde es gar keine Rolle spielen. Dann klappte er das Buch zu und legte es zur Seite. „Drei Wochen, die du wegen mir verpasst“, sagte ich reumütig. „Ich schaff das schon, Mimi. Ich bin bereits ganz gut auf die Prüfungen vorbereitet, da ich frühzeitig mit Lernen angefangen habe.“ „Das meine ich nicht“, entgegnete ich und meine Stimme wurde brüchig. Prüfend sah er mich an. Ich konnte nicht mehr. Ich konnte diesem Blick nicht mehr standhalten. Mein Gesicht sank in meine Hände und ich fing an zu schluchzen. „Es tut mir so leid, Tai“, wimmerte ich. „Das ist alles meine Schuld.“ „Was redest du denn da? Meinst du etwa Sora?“, fragte Tai. Wie konnte er immer noch so tun, als wäre das alles nicht so schlimm? Es war eine Katastrophe! „Wen denn sonst?“, fragte ich und sah ihn verzweifelt an, während mir die Tränen nur so über die Wange liefen. „Du hättest ihr Gesicht sehen sollen, Tai. Sie hasst mich!“ Er rutschte ein Stück näher und sah mich einfühlsam an. „So ein Unsinn. Sie könnte dich nie hassen.“ „Doch, ich hab es gesehen. Ich hab es in ihrem Blick gesehen“, beharrte ich beunruhigt. „Sie verachtet mich und sie…“ Ich wandte den Blick ab, doch Tai sah mich immer noch eindringlich an. „Was? Was hat sie denn überhaupt gesagt? Ich denke, was immer es war, sie wird einfach etwas Zeit brauchen, um es zu verdauen und dann wird sie…“, redete Tai auf mich ein, doch ich unterbrach ihn. „Sie hat mich gefragt, ob du der Vater bist.“ Nun sah er mich schockiert an. „Zwei Mal.“ „Und…“, begann er unsicher und schluckte schwer. „Was hast du gesagt?“ „Ich habe gar nichts gesagt“, meinte ich entschuldigend. Jetzt sah er weg. Sah nicht mehr mich an, sondern fixierte irgendeinen Punkt im Raum. Er wirkte nachdenklich. „Es tut mir so leid“, wiederholte ich, woraufhin Tai die Augen schloss und langsam den Kopf schüttelte. „Es ist… es ist halb so wild. Sie kriegt sich schon wieder ein“, sagte er nun fast schon trotzig und stand auf. Er humpelte in die Küche, während ich ihm mit fassungslos hinterher sah. „Sie kriegt sich schon wieder ein? Tai! Sag mal, ist dir überhaupt klar, was passiert ist?“ Da ich keine Antwort bekam, stand ich ebenfalls auf und ging ihm hinterher. Er stand gerade am Kühlschrank und gönnte sich ein Glas Orangensaft. „Ja“, meinte er dann ungewöhnlich gleichgültig. „Sie hat die Wahrheit erfahren.“ Ich verschränkte die Arme, lehnte mich gegen die Arbeitsplatte und sah ihn skeptisch an. „Na ja, nicht so richtig, oder?“ Tai schloss den Kühlschrank und wandte sich zu mir um. Ich verstand nicht, was mit ihm los war. Warum wirkte er plötzlich so resigniert? „Sie hat zumindest erfahren, dass du eine Tochter hast. Ist das nicht der ausschlaggebende Punkt?“ Ich dachte an den Streit heute Morgen, zwischen Sora und mir und daran, was sie gesagt hatte. „Ich bin mir nicht so sicher, ob es das ist, was sie so schockiert hat“, sagte ich offen, denn der Gedanke ging mir schon den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. Warum hatte sie so darauf beharrt zu erfahren, ob Tai der Vater der Kleinen war? Zum ersten Mal, seit ich Sora kenne, kam mir ein Gedanke. Ein Gedanke, der mich nicht nur beunruhigte, sondern der mir auch völlig abwegig vorkam. Ich traute mich beinahe nicht ihn auszusprechen. Doch würde ich ihn nicht fragen, würde es mir keine Ruhe lassen, das stand fest. „Tai, kann ich dich was fragen?“ Er sah mich an. Seine Miete verriet rein gar nichts. „Hat Sora Gefühle für dich?“ Kaum zu glauben, dass ich ihm ernsthaft diese Frage stellte. Es hörte sich einfach komplett falsch an. Die zwei kannten sich schon eine halbe Ewigkeit. Teilweise hatte Sora ein innigeres Verhältnis zu Tai als zu mir. Seit ich sie kannte, waren sie beste Freunde. Aber Liebe… das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen! Und doch hatte mich ihre Reaktion heute Morgen stutzig gemacht. Ich musste es einfach wissen. So absurd diese Frage auch geklungen haben mag… Eine Weile herrschte Schweigen zwischen uns, was mich zunehmend verunsicherte. „Sei nicht albern, Mimi“, sagte Tai schließlich trocken und stellte sein Glas in die Spüle. „Sora ist mit Yamato zusammen.“ „Spielt das eine Rolle?“, entgegnete ich nachdenklich. Ja, sie war mit Yamato zusammen, aber… konnte man nicht trotzdem auch für einen anderen Gefühle haben? Tai sah mich ernst an. „So was spielt immer eine Rolle. Findest du nicht?“ Ich nickte. „Doch. Ich meine nur… Wäre es nicht möglich, dass sie…“ „Hör auf, Mimi!“, fuhr er mich urplötzlich an, was mich zusammenfahren ließ. Das zweite Mal an diesem Tag, wurde ich angeschrien. Erst von Sora und jetzt auch noch von Tai und beide Male ging es nicht zuletzt um den jeweils anderen. Was hatte das nur zu bedeuten? Warum regte ihn das so auf? Wortlos und enttäuscht über seine Reaktion wandte ich mich um und verließ die Küche. Ich ließ ihn stehen und ging in sein Zimmer, wo Hope friedlich schlief. Ich beugte mich über sie und beobachtete sie dabei, während mir erneut Tränen in die Augen stiegen. Warum nur? Warum fühlte es sich so an, als würde hier etwas nicht stimmen? Mir war klar, dass gerade alles aus den Fugen geraten war. Aber warum hatte ich nur das Gefühl, dass es plötzlich mehr Geheimnisse als vorher gab? Und dass nicht alle mir gehörten…? „Du kannst ihr nicht vorwerfen, was du selbst tust.“ Kapitel 14 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)