Uncertain Heart von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 19: Maske ----------------- „Mimi?“, erklang Tais Stimme von draußen, als er an seine eigene Tür klopfte. „Mimi, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht anschreien!“ Wie lieb von ihm sich zu entschuldigen, allerdings half das leider gar nichts. Keine Ahnung, warum ich so verletzt war oder enttäuscht oder was auch immer. Vielleicht störte es mich auch einfach, dass es eventuell etwas gab, was mir Tai vorenthielt. Etwas, was Sora und ihn betraf. Was wiederrum bedeutete, dass Sora mir ebenfalls etwas nicht erzählt haben könnte. Ein echtes scheiß Gefühl. Ich wischte mir mit meinem Ärmel die Tränen weg, während ich immer noch an Hopes Bettchen stand und ihr beim Schlafen zusah. Warum stand ich eigentlich hier und heulte wie ein kleines Mädchen? Das war doch völlig sinnlos! Soras Verhalten hatte mich zwar misstrauisch gemacht, aber das war doch noch lange kein Beweis dafür, dass sie irgendwelche Gefühle für Tai hegte. So ein Quatsch! Sie war doch mit Yamato zusammen. Und Tai hatte mir ebenfalls versichert, dass das völlig absurd sei. Und trotzdem… Dieses Gefühl, welches ich im Bauch hatte… es ließ mich einfach nicht los. Was, wenn es gar nicht so absurd war? Ist es denn so ausgeschlossen, dass man die gleichen Gefühle für zwei Menschen empfindet? Oder dass die dritte Person einfach stillschweigend im Hintergrund dabei zusieht, weil es so das Beste für alle ist? Wenn das so sein sollte, würde das alles in ein völlig anderes Licht werfen. Ich fasste mir an die Stirn und versuchte mich zu sammeln. Meine Gedanken waren viel zu konfus und ergaben einfach keinen Sinn. „Mimi?“, kam es erneut von draußen, als Tai an die Tür klopfte. Ich wischte mir noch ein letztes Mal über die Augen, stampfte dann zur Tür und riss sie auf. „Warum klopfst du an? Ist doch dein Zimmer, oder?“, sagte ich kratzbürstig und drängte mich an ihm vorbei. Irgendwie war ich sauer. Keine Ahnung, ob ich auf Tai sauer war. Ich denke, ich war eher auf die Situation sauer, weil ich sie nicht verstand. Und weil mich meine eigenen Gedanken so sehr verunsichert hatten. „Was hast du denn?“, wollte er wissen und ging mir hinterher in die Küche. Dort angekommen sah ich mich kurz um. Überlegte, was ich tun könnte um mich abzulenken. Ich brauchte jetzt irgendeine Beschäftigung, um nicht länger über Sora und Tai nachzudenken und über das was da eventuell war oder auch nicht war. Was allerdings schwer war, wenn eine der betreffenden Personen mir auf Schritt und Tritt folgte. „Lass mich einfach in Ruhe, okay?“, verlangte ich deshalb und ging kurzentschlossen zu den Besteckkästen hinüber, um sie mit einem Ruck rauszuziehen und auf die Arbeitsplatte zu stellen. Dann krempelte ich meine Ärmel hoch, nahm das ganze Besteck raus und fing an, es mit einem Handtuch zu polieren. „Was soll denn das werden, wenn’s fertig ist?“, fragte Tai skeptisch und ich spürte förmlich seinen Blick in meinem Nacken. Konnte er nicht einfach gehen? „Beschäftigungstherapie“, gab ich nur kurz zurück und machte unbeirrt weiter. Äußerst verbissen fuhr ich immer wieder mit dem Tuch über dieselben sauberen Stellen, auch, wenn es überhaupt keinen Unterschied machte. „Hör mal, ich hab mich doch gerade entschuldigt. Ich wollte dich nicht anschreien!“, wiederholte Tai. „Diese Frage war nur…“ „Schon gut“, unterbrach ich ihn trotzig. „Es geht mich ja auch schließlich nichts an.“ „Was redest du da? Natürlich geht es dich etwas an. Wir sind deine Freunde. Sora und ich.“ Ich knallte das Messer, welches ich gerade in der Hand hielt auf die Anrichte und wirbelte herum. „Und ihr? Seid IHR Freunde? Oder seid ihr mehr als das?“ Entschlossen sah ich Tai an, dieser jedoch gab mir keine Antwort. Na schön. Dann eben nicht. Ich wandte mich wieder um und polierte noch energischer als vorher die Messer. „Ich weiß überhaupt nicht, worauf du hinaus willst“, meinte Tai plötzlich nicht weniger trotzig als ich. „Nein, natürlich nicht“, zischte ich, woraufhin Tai laut aufstöhnte. „Oh mein Gott, Mimi. Was willst du eigentlich von mir hören?“ Ich antwortete nicht. Biss mir nur auf die Unterlippe, um mich nicht zu vergessen. „Ich habe dir doch gesagt, wie absurd das wäre. Ich weiß gar nicht, wie du darauf kommst, dass Sora Gefühle für mich haben könnte. Das ist doch völliger Schwachsinn!“ „So?“, sagte ich sarkastisch. „Dann muss ich wohl Soras Bemerkungen auch keine weitere Bedeutung zumessen.“ Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er mich gerade für dumm verkaufen wollte. Waren meine Gedankengänge denn so dermaßen unverständlich? „Sag mal, warum interessiert dich das überhaupt?“, rief Tai mir verärgert entgegen, während ich die Messer zurück in die Schublade knallte. „Kannst du das jetzt vielleicht mal lassen und mit mir reden?“ Er trat hinter mich und drückte meinen Arm, den ich ihm sofort wieder entzog. „Ich habe aber keine Lust mit dir zu reden! Wie du schon sagst: es ist völliger Schwachsinn“, giftete ich ihn an und stampfte zurück ins Wohnzimmer, um Abstand zu gewinnen. Ohne Erfolg. „Und wieso bist du dann so sauer?“ „Ich bin überhaupt nicht sauer!“ „Doch, bist du!“ Ich stöhnte. „Na gut, dann bin ich eben sauer. Weil ich das Gefühl habe… ach, keine Ahnung, was ich für ein Gefühl habe. Es kam mir nur eben komisch vor, das ist alles.“ „Was daran soll komisch sein, wenn dich Sora fragt, ob ich der Vater bin? Ich meine, hättest du das etwa nicht gedacht, wenn du uns zwei so zusammen gesehen hättest?“ Er verstand es einfach nicht. „Oh man, darum geht es doch gar nicht!“ Wütend stampfte ich mit dem Fuß auf und ballte die Hände zu Fäusten. „Herrgott, Mimi. Warum musst du aus allem immer so ein Drama machen?“ „WAS?“, rief ich empört. So, das genügte. „Was soll das denn bitte heißen?“ „Du bist so eine Drama Queen! Hör auf, dir Sachen einzureden, die nicht wahr sind“, schrie er mich nun an. Dieses Gespräch artete plötzlich in einen heftigen Streit aus, was ich definitiv nicht wollte. Aber mit dem was er eben gesagt hatte, war er eindeutig übers Ziel hinausgeschossen. Wie auch immer es innerhalb weniger Minuten so weit kommen konnte… ich war stinksauer auf ihn! „Du bist so ein Idiot, Taichi! Ich soll aufhören mir Sachen einzureden?“, schrie ich zurück. „Dann kann ich ja auch aufhören, mir einzureden, dass ich so was wie Gefühle für dich empfinde. Oder dass du das alles nicht nur für mich tust, weil du ein guter Freund und einfach nur nett bist. Ja, du hast recht. Vielleicht sollte ich wirklich aufhören, mir solche Dinge einzureden.“ Ich war so wütend! So wütend, dass ich gar nicht weiter darüber nachdachte, was eben aus meinem Mund kam und es war mir auch egal. Tai stand da und starrte mich an. In diesem Moment fing Hope an laut zu weinen. „Na toll“, fuhr ich ihn an. „Jetzt hast du sie aufgeweckt!“ Ich ging in Tais Zimmer und versuchte mich augenblicklich etwas zu beruhigen, was mir verdammt schwerfiel. „Hey, was hast du denn?“ Ich nahm sie aus ihrem Bettchen und in meine Arme. Gemeinsam ging ich mit ihr ins Wohnzimmer, wo Tai immer noch wie angewurzelt dastand. „Jetzt guck nicht so“, ermahnte ich ihn forsch. Was hatte er denn? „Hat sie schon ihr Fläschchen bekommen?“ Tai nickte. „Ist sie frisch gewickelt?“ Tai nickte. „Ob sie wieder Bauchschmerzen hat?“, überlegte ich laut, woraufhin gar keine Reaktion mehr von Tai kam. „Oh man, was hat sie nur?“, sagte ich und war schon wieder der Verzweiflung nah. Ich streichelte ihren Rücken und wippte ein wenig auf und ab. „Mimi, sag mal…“, setzte Tai kleinlaut an. Warum starrte er mich so an? „Hmm?“, machte ich nur. Hoffentlich war’s wichtig. „Hast du das eben ernst gemeint?“ Verständnislos sah ich ihn an. „Hab ich was ernst gemeint?“ „Na, das was du eben gesagt hast.“ Plötzlich dämmerte es mir. Ja, da war was. Was hatte ich noch gleich gesagt? Ich zuckte leicht zusammen. Hatte ich ihm eben ernsthaft im Streit offenbart, dass ich Gefühle für ihn hatte? „Äh…“, entgegnete ich verlegen, während ich die weinende Hope weiter hin und her wog. „Was macht ihr da?“ Wir wirbelten herum. Plötzlich stand Kari vor uns. Hatten wir wirklich so sehr gestritten, dass wir die Tür nicht einmal gehört hatten? „Äääähhh…“, sagte ich noch einmal und schaute nun zudem noch ziemlich dämlich drein. Na toll. Das hatte gerade noch gefehlt. Fragend sah sie uns an. „Was. Macht. Ihr. Da?“, wiederholte sie noch einmal betont langsam und zeigte dabei erst mit dem Finger auf Tai, dann auf mich und dann auf das Baby in meinen Armen. „Und wer ist das?“ „Oh man“, stöhnte ich frustriert auf. Das durfte doch nicht wahr sein! Zwei Mal an einem Tag? Ernsthaft? So was nennt man wohl Karma. „Erklär du es ihr“, forderte ich Tai auf, da ich immer noch völlig durcheinander und verwirrt wegen unseres Streits war und nun wirklich keine Lust auf lange Erklärungen hatte. Es war eh schon alles schlimm genug. „Was soll ich ihr erklären?“, entgegnete Tai, als hätte er von nichts eine Ahnung. „Wie wär’s, wenn du ihr Hope vorstellst?“, meinte ich forsch. Inzwischen war mir fast schon alles egal. Die Katze war doch eh aus dem Sack. Tai stemmte die Hände an die Seite und warf mir einen eindeutigen Blick zu. „Wie wär’s, wenn du es ihr erklärst? Sie ist schließlich deine Tochter!“ „Was?“, platzte es entsetzt aus Kari heraus und sie bekam große Augen. Wütend funkelte ich Tai an. „Na, und? Ich dachte, sie wäre auch deine Tochter!“ „WAS?“, rief Kari nun und zog somit unsere Blicke auf sich, während Hope immer noch unaufhaltsam weinte. Tai schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und versuchte gleich, sie zu beschwichtigen, da seine Schwester augenblicklich aschfahl im Gesicht geworden war. „Nein, Kari. Es ist nicht so, wie du jetzt denkst.“ Verständnislos sah sie zwischen ihm und dem Baby hin und her. „TAI“, schrie sie aufgebracht. „DU HAST EIN BABY!“ „Nein, ich sagte dir doch…“ „Mama wird dich UMBRINGEN!“ „Jetzt hör mir doch mal zu!“ „Na das hast du ja toll hingekriegt“, mischte ich mich ein und sah ihn vorwurfsvoll an. „Was?“, entgegnete Tai und warf mir einen bösen Blick zu. „Das ist ja wohl alles deine schuld!“ „Meine Schuld?“, rief ich. „Wieso meine Schuld?“ Verurteilend zeigte er mit dem Finger auf mich, was mich nur noch wütender machte. „Hättest du nicht diesen sinnlosen Streit angefangen, hätten wir gehört, dass jemand zur Tür reinkommt.“ ´ „Pfft, als hätte ich mit mir allein gestritten. Wer hat denn mit irgendwelchen Ausflüchten angefangen?“ „Wie bitte? Ausflüchte?“ Tai zischte verächtlich. „Du müsstest dich mal hören!“ „Und du müsstest einfach mal ehrlich sein.“ „Ich bin verdammt noch mal ehrlich!“ „SCHLUSS JETZT, DAS REICHT!“ Wir schraken beide zusammen. Kari stand vor uns und sah uns beide wütend an. „Hört sofort auf zu streiten!“, befahl sie uns in einem ungewöhnlich strengen Ton. Ich schluckte. Kari… so hatte ich sie ja noch nie erlebt. „Das ist ja nicht auszuhalten! Kein Wunder, dass die Kleine schreit.“ Sie ging auf uns zu und nahm mir das Baby aus dem Arm. Ich ließ es zu, weil ich einfach noch zu schockiert über diese Feldwebel-Reaktion war und wie sie uns eben hat strammstehen lassen. „Ist ja schon gut, meine Kleine“, sagte sie einfühlsam und ging mit Hope im Wohnzimmer auf und ab, während sie ihr vorsichtig mit der flachen Hand über ihren Rücken kreiste. Ziemlich schnell hörte Hope auf zu weinen, was mich extrem verwunderte. Erstaunt sah ich ihr dabei zu. Sie war wirklich Tais Schwester. Niemand sonst schaffte es, sie so schnell zu beruhigen. Nicht einmal ich. „Wo ist ihr Bettchen?“, fragte Kari leise, als Hope wieder dabei war einzuschlafen. Geistesabwesend zeigten Tai und ich gleichzeitig auf seine Zimmertür. Kari ging an uns vorbei und warf uns einen musternden Blick zu. „Schämt euch was, ihr beide“, sagte sie und verschwand hinter der Tür. Am liebsten wäre ich auf der Stelle im Erdboden versunken. Was um alles in der Welt hatten wir uns dabei gedacht, uns so aufzuführen? Beschämt sah ich zu Boden und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Tai stand neben mir und starrte Löcher in die Luft. Ich hoffte sehr, dass er sich mindestens genauso schämte, wie ich mich. Und prompt hatte ich ein schlechtes Gewissen deswegen. Wie konnte ich nur so einen Streit vom Zaun brechen? Das war doch total sinnlos und unfair. Anstatt seine Antwort einfach so hinzunehmen, hatte ich mich tierisch darüber aufgeregt, weil ich der Meinung war, es besser zu wissen. Was ich ja gar nicht tat. Ich wusste nichts und Tai zu beschuldigen, er würde mir nicht die Wahrheit sagen, war einfach nicht fair von mir. Solange sich nicht das Gegenteil herausstellte, musste ich ihm doch vertrauen. Oder? „Es tut mir leid“, sagte ich kleinlaut und hoffte inständig, dass er nicht allzu sauer auf mich war. Erst kam keine Antwort von ihm, doch nach einer Weile sagte er: „Mir auch. Ich wollte dich nicht anschreien.“ „Ich dich auch nicht.“ Ein Stein fiel mir vom Herzen. So, wie es aussah, wollte er sich auch einfach wieder versöhnen und darüber war ich froh. Allerdings… „Ähm… also, wegen dieser Sache… Du weißt schon. Das, was ich vorhin gesagt habe…“ Ich konnte das ja schlecht einfach so im Raum stehen lassen. Ehrlichgesagt wusste ich selbst nicht einmal genau, warum ich das in dem Moment gesagt hatte. Es war einfach so aus mir herausgeplatzt. Ich hatte nicht darüber nachgedacht. Auch nicht darüber, was es bedeutete und ob es überhaupt wahr war. Es war einfach nur das gewesen, was ich in diesem Moment empfunden habe und irgendwie sprudelte es dann aus mir heraus. „Also ich…“ Ich brach ab, denn Kari kam wieder aus dem Zimmer. „So“, sagte sie. „Sie schläft jetzt.“ Oh Gott, am liebsten wäre ich ihr um den Hals gefallen, so dankbar war ich ihr. Es tat mir wirklich unglaublich leid, dass ich mich so kindisch verhalten hatte. „Danke, Kari“, sagte ich aufrichtig. „Entschuldige bitte das von eben. Es war etwas… Na ja, etwas chaotisch.“ „Das hab ich gesehen“, sagte sie, stemmte die Arme an die Seite und sah uns beide an, als wäre sie unsere Klassenlehrerin und wir zu spät zum Unterricht gekommen. „Was ist nur mit euch los?“, fragte sie verständnislos, woraufhin Tai schwer ausatmete. „Ihr habt euch ja früher schon manchmal in den Haaren gehabt… aber SO?“ Da hatte sie recht. Wir waren vielleicht nicht immer ein Herz und eine Seele gewesen, aber bis aufs Blut hatten wir uns nie gestritten. Anscheinend schämten wir uns beide zu sehr, um zu antworten. Betreten sahen wir in unterschiedliche Richtungen. Kari seufzte. „Da ihr euch ja offensichtlich beruhigt habt… Könnte mir vielleicht mal einer erklären, was hier los ist?“ Na super. Ein zweites Mal an diesem Tag war die Stunde der Wahrheit geschlagen. Angst kroch in mir hoch. Wenn Kari genauso bestürzt wie Sora reagieren würde, würde ich das nicht verkraften. Nicht nach diesem Tag. Aber es half ja schließlich alles nichts, oder? Also atmete ich langsam aus und fasste mir ein Herz. „Ich kann’s dir erklären.“ Tai sah mich verblüfft an. Was hatte er denn gedacht? Dass ich mir irgendeine Ausrede einfallen lassen würde? Auf keinen Fall! Erstens wurden schon genug Lügen erzählt und zweitens hatte Kari eh schon viel zu viel mitbekommen. „Magst du mit mir einkaufen kommen? Ich muss noch ein paar Dinge besorgen. Auf den Weg erzähl ich dir dann alles in Ruhe“, schlug ich vor, woraufhin Kari nickte. „Könntest du so lang auf Hope aufpassen?“, fragte ich Tai. Auch dieser nickte. Keine Ahnung, ob es ihm recht war, dass seine Schwester die Wahrheit von mir erfuhr, aber ich dachte, das sei ich ihr schuldig. So, wie ich es allen meinen Freunden schuldig war. „So ist das also“, sagte Kari und ich wunderte mich, dass sie immer noch so ruhig war. Eigentlich dachte ich, sie würde ausflippen, wie Sora. Doch nachdem ich ihr alles erzählt hatte, während wir durch den Supermarkt schlenderten, reagierte sie tatsächlich sehr verständnisvoll. Sie und Tai waren sich in manchen Dingen wirklich sehr ähnlich. „Und was wollt ihr nun machen? Ich meine, Tais Vorhaben in allen Ehren… Versteh mich nicht falsch, ich finde es toll, dass er das für euch macht, aber… wie wollt ihr es Mama und Papa erklären? Die rasten doch völlig aus, wenn sie davon erfahren“, gab Kari sorgenvoll zu bedenken. Da hatte sie recht. „Wir wissen noch nicht, wie wir es ihnen erklären sollen“, seufzte ich schwerfällig und packte ein paar Flaschen Frischmilch in meinen Korb. „Hmm, soweit ich weiß, kommt Mama übermorgen wieder. Bis dahin sollte uns was eingefallen sein, wie wir es ihnen schonend beibringen.“ Ich lächelte sie unsicher an. „Danke, das ist lieb, dass du versuchst mich aufzumuntern. Aber wir kriegen das schon irgendwie hin. Tai und ich. Und wenn er sich umentscheiden sollte… dann… dann wäre das auch nicht so schlimm. Hope und ich schaffen das schon irgendwie.“ „Mimi, was redest du denn da?“, meinte Kari plötzlich und griff nach meiner Hand, um sie fest zu drücken und mir entschlossen in die Augen zu sehen. „Wir sind doch alle für dich da. Du bist jetzt nicht mehr allein. Wir können das zusammen durchstehen.“ Gerührt von ihren Worten sah ich sie traurig an. „Das sehen leider nicht alle so.“ „Wen meinst du?“ „Sora.“ Kari wirkte überrascht. „Habt ihr euch deswegen vorhin gestritten?“ Ich nickte und sah betrübt zu Boden. „Sie hat es heute Morgen durch Zufall erfahren und ist völlig ausgerastet. Und dann… dann habe ich mich auch noch deswegen mit Tai gestritten, weil ich ihm unterstellt habe, dass er und Sora Gefühle füreinander haben.“ Kari antwortete mir zunächst nicht, sah nur unsicher zur Seite, was mich extrem irritierte. Wusste sie etwas, dass ich nicht wusste? „Mimi…“, entgegnete sie schließlich stirnrunzelnd und grinste dabei schief. „Ich denke, da haben deine Gedanken dir einen Streich gespielt, weil du einfach einen Grund gesucht hast, warum Sora so wütend war. Ich denke, sie ist momentan einfach nur enttäuscht darüber, dass du damit nicht eher zu ihr gekommen bist.“ Ich seufzte und nickte. „Ja, wahrscheinlich hast du recht.“ Eigentlich klang es ja auch alles recht plausibel. „Das wird schon wieder“, meinte Kari zuversichtlich. Ich schenkte ihr ein zaghaftes Lächeln, als wir um die Ecke und in den nächsten Gang einbogen. Abrupt blieben wir beide stehen. Ich dachte wirklich etwas Schlimmeres könnte der Tag nicht für mich bereithalten, doch da hatte ich mich gewaltig geirrt. „Takeru?“, sagte ich leise und war völlig perplex über das Bild, dass sich uns bot. Takeru stand da. Mit genau demselben Mädchen von neulich. Demselben Mädchen aus dem Einkaufszentrum. Demselben Mädchen von der Party. Eng umschlungen standen sie da und küssten sich innig. Danach löste sich Takeru von ihr und fuhr mit seiner Hand über ihre Wange. Sie lächelte ihn verliebt an. Ich wollte gerade den Mund aufmachen und etwas sagen, als Kari nach meiner Hand griff und sie fest drückte. Schnell zog sie mich zurück in den Nachbargang. Geschockt sah ich sie an. Sie biss sich auf ihre Unterlippe und wich meinem Blick aus. „Kari…“, sagte ich fassungslos. „Was zur Hölle war das? Und wieso sagst du nichts dazu? Ich meine… willst du ihn nicht endlich zur Rede stellen?“ Die Brünette kniff die Augen zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. Ich sah, wie weh es ihr tat und das brach mir beinahe das Herz. Arme Kari. So etwas hatte sie wirklich nicht verdient. So etwas hatte niemand verdient! Mein Blick verfinsterte sich. „Gut. Wenn du ihn nicht zur Rede stellen willst… ich mach es gerne!“ Ich wollte losstürmen, doch Kari hielt mich fest und sah mich flehend an. „Nein, Mimi. Bitte nicht! Misch dich da nicht ein, hörst du. Bitte tu das nicht!“ Schon wieder. Schon wieder bat sie mich darum, mich rauszuhalten. Aber warum nur? Wollte sie diese ganze Sache etwa einfach so stillschweigend hinnehmen? „Aber Kari“, sagte ich bedeutungsvoll. „Ich kann doch nicht dabei zusehen, wie er dir das antut. Wie kannst DU nur dabei zusehen? Ich verstehe es nicht. Ist es denn wirklich das, was du willst? Willst du dich so hintergehen lassen?“ Kari seufzte schwermütig. „Nein, natürlich nicht, aber… es ist alles anders, als du denkst.“ Ich verstand es nicht. Sie sprach in Rätseln. „Was meinst du damit?“ „Mimi, kannst du mir etwas versprechen?“ Ich nickte. „Bitte rede mit niemanden darüber, auch nicht mit Tai. Bitte, ja? Machst du das für mich?“ Verständnislos sah ich sie an. Dann lächelte sie plötzlich, als hätte sie ihre gewohnt fröhliche Maske aufgesetzt und schlenderte in den nächsten Gang. Ich folgte ihr. Takeru und dieses Mädchen schienen längst weg zu sein. Karis Verhalten war äußerst merkwürdig. In dem einen Moment schien sie total bestürzt darüber und im nächsten war sie wieder ganz die Alte. Sie schlenderte gelassen durch die Reihen, als wäre nichts gewesen, packte eine Sache nach der anderen in den Korb und ich fragte mich, ob sie überhaupt wusste, was sie da tat. Irgendwie wirkte sie ein wenig neben der Spur. Allerdings versuchte sie es zu überspielen. Dabei hätte ich nur zu gern gewusst, was gerade in ihr vorging. Dieser Anblick konnte sie doch nicht kalt lassen? „Kari, bitte rede mit mir“, flehte ich sie an. „Was ist mit dir los?“ Plötzlich blieb sie stehen, hatte mir den Rücken zugewandt. „Manchmal gibt es eben Dinge, über die man nicht reden kann oder nicht reden will und das ist in Ordnung. Das weißt du ja am besten. Aber wenn du wirklich das Gefühl hast, dass da zwischen Sora und Tai etwas nicht stimmt, solltest du der Sache auf den Grund gehen.“ Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Wieso lenkte sie auf einmal so vom Thema ab? „Weißt du, Mimi… Hinter einer Maske kann man viele Grimassen schneiden. Aber sei vorsichtig…“ „Warum?“, fragte ich verwirrt und hatte keine Ahnung, was ich von dem Ganzen hier halten sollte. Was wollte sie mir damit sagen? Ein ungutes Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Was stimmte hier nicht? Plötzlich drehte Kari sich zu mir um und sah mich ernst an. „Jemand anderes könnte auch eine tragen, deswegen. Andere haben auch Geheimnisse, verstehst du?“ „There are two sides to every story. There are two sides to every person. One that we show to the world and another we keep hidden inside.“ ~Revenge~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)