Uncertain Heart von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 20: Geständnis ---------------------- „Andere haben auch Geheimnisse, verstehst du?“ Dieser Satz ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Und das Gefühl, dass Kari mir eigentlich was ganz anderes damit sagen wollte, auch nicht. Auf dem Nachhauseweg redeten wir nicht mehr viel miteinander. Sie weiter auszuhorchen wäre sinnlos gewesen, das war mir längst klar. Plötzlich unterbrach ausgerechnet sie das Schweigen. „Wie geht es jetzt weiter?“ Überrascht sah ich auf. „Was?“ „Na, was willst du machen? Ich meine, wenn Mama nach Hause kommt.“ Und dieser Gedanke holte mich schließlich auch wieder ein. Noch ein Problem mehr, welches ich zu lösen hatte. Fragend sah ich sie an. Kari trug zwei Einkaufstüten, ebenso wie ich, die gefüllt waren mit Essen. Inzwischen war es schon ziemlich spät geworden und die Sonne ging langsam unter. Ich seufzte dem roten Licht entgegen. „Ich weiß es nicht.“ „Dir ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass Tai das für dich machen will, richtig?“ Ich nickte. Kari hatte schon immer diese seltsame Gabe, sich ziemlich gut in andere Menschen hineinversetzen zu können. Manchmal war es fast, als würde sie aus einem lesen, wie aus einem Buch. Ich wünschte, es wäre andersrum genauso. „Gibt es keine andere Lösung?“, fragte sie und sah mich nachdenklich an. „Bis jetzt nicht“, gab ich frustriert zu, denn es fühlte sich tatsächlich nicht gut an, Tai in so eine Lage gebracht zu haben. Was er vorhatte war wirklich Wahnsinn. Und wahnsinnig lieb von ihm. „Ich denke, das Wichtigste ist, dass man immer bei der Wahrheit bleibt“, meinte Kari plötzlich. Ach ja? Und was war mit ihrer Wahrheit? „Wenn Mama nach Hause kommt, seid einfach ehrlich zu ihr. Sie wird nicht begeistert sein, das ist klar, aber vielleicht hat sie eine andere Lösung parat. Eine, auf die ihr selbst noch nicht gekommen seid.“ „Ja, vielleicht hast du recht“, bestätigte ich, jedoch etwas zweifelnd. Natürlich mussten wir ihr die Wahrheit sagen, das stand außer Frage. Aber was würde danach passieren? Als wir am Wohnblock der Yagamis ankamen, kamen uns einige Leute mit schweren Kisten entgegen, denen wir schnell Platz machten. „Unsere Nachbarn“, erklärte Kari mir beiläufig. „Sie ziehen um.“ Wir beschlossen lieber die Treppe zu nehmen, anstatt des Aufzugs, damit dieser für die Umzugshelfer frei bleiben konnte. „Man, ich sollte echt mehr Sport machen“, stöhnte ich erschöpft, als wir oben ankamen, woraufhin Kari herzhaft lachte. „Du warst schon immer ein Sportmuffel. Ich glaube, das wird in diesem Leben nichts mehr“, entgegnete Kari völlig unverblümt, weshalb ich beleidigt eine Schnute zog. „Hey! Ich war eben mit anderen Dingen beschäftigt. Kann ja nicht jeder so eine Sportskanone sein, wie dein Bruder.“ „Ja, du warst wirklich sehr beschäftigt. Mit schminken und shoppen.“ „Kari!“, meinte ich vorwurfsvoll und stemmte die Arme in die Hüften, als wir vor der Wohnungstür ankamen und ich endlich diese schweren Tüten abstellen konnte. „Schon gut“, kicherte Kari. „Dafür hast du eben andere Talente. Wenn du mich fragst, wäre Tai völlig verrückt, eine andere dir vorzuziehen.“ Prompt wurde ich puterrot. „W-was? A-aber davon war doch gerade überhaupt nicht die Rede…“, stammelte ich, woraufhin Kari nur noch mehr lachte, als sie endlich die Tür aufschloss und wie bestellt Tai in der Tür stand und uns fragend musterte. Sein Blick huschte von Kari zu mir und er zog irritiert eine Augenbraue nach oben. „Was ist denn mit dir los? Warum bist du so rot?“ Kari prustete los. Boden, tu dich auf. Aufgebracht stampfte ich an ihm vorbei. „Was redest du da? Ich bin überhaupt nicht rot!“, blaffte ich ihn an. Tai blieb verwirrt in der Tür stehen, während Kari eintrat. „Was hab ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?“, rief er mir noch hinterher, weil er natürlich nicht verstand, warum ich sauer war. Kari hatte mich vorgeführt! „Ich lass euch dann mal alleine“, meinte Kari immer noch grinsend, stellte die Einkäufe schnell in die Küche und verschwand dann in ihrem Zimmer. Hektisch räumte ich alles aus und sortierte es ein, als Tai in die Küche kam und sich an den Türrahmen lehnte. Ich hatte ihm den Rücken zugewandt, da ich mich erst mal wieder unter Kontrolle bringen und mir diese Farbe aus dem Gesicht wischen musste. „Bist du immer noch sauer auf mich?“ Ich seufzte und stützte mich geschafft auf der Arbeitsplatte ab. „Das hat doch gar keiner gesagt“, gab ich kleinlaut zurück. Oh man, warum verstand er es einfach nicht? „Ich versteh dich nicht“, sagte er plötzlich, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Vorhin streitest du mit mir bis aufs Blut, dann entschuldigst du dich und jetzt bist du schon wieder so abweisend. Und dann sagst du auch noch, dass du…“ Ich schluckte. War ja klar, dass ich aus dieser Nummer nicht so einfach rauskam. „Du hast es also nicht überhört“, stellte ich nüchtern fest und stierte angestrengt auf die Arbeitsplatte, nur um ihn nicht ansehen zu müssen. Nach einer Weile des Schweigens, in der keiner von uns wusste, was er sagen sollte, ging Tai einige Schritte auf mich zu. „Warum hast du mir das nicht eher gesagt?“ Seine Stimme klang so ernst. „Was denn?“, stellte ich mich dumm. Was sollte ich denn sagen? „Dass du Gefühle für mich hast. Dann hätten wir uns den ganzen Zirkus sparen können.“ Was? Erschrocken sah ich auf und nun wandte ich mich doch um, um ihn anzusehen. Jetzt war ich diejenige, die nichts mehr verstand. Sein Blick war entschlossen. Diesen Blick kannte ich nur zu gut und er hatte ihn nur, wenn er sich einer Sache völlig sicher war. „Was meinst du damit?“, fragte ich verwirrt. „Du hättest es mir sagen sollen, Mimi“, antwortete Tai entschlossen. „Dann wäre es gar nicht erst zu diesem sinnlosen Streit gekommen. Dann hätten wir nicht die ganze Zeit so einen Eiertanz aufführen müssen. Denn dann hätte ich dir viel früher gesagt, was ich für dich empfinde.“ Meine Augen weiteten sich, während mein Herz augenblicklich bis zum Hals schlug und es mir auf einmal wie Schuppen von den Augen fiel. Warum hatte ich es nicht eher bemerkt? Wie konnte ich nur so verdammt blind sein, die ganze Zeit über? Tai hatte mir nicht geholfen, weil er mein Freund war oder weil er einfach nett war oder weil er eine hilfsbereite Ader hatte. Er hatte mir die ganze Zeit über beigestanden, weil… Ich musste diesen Gedanken nicht zu Ende denken und er musste es nicht aussprechen. Es genügte, dass er auf mich zukam und mich unvermittelt in die Arme zog. Er drückte mich so fest an sich, dass ich spüren konnte, wie schnell sein Herz schlug. Es schlug genauso schnell wie meins. „Tut mir leid, dass ich so dumm war“, sagte er auf einmal. Seine Stimme klang nun reumütig und traurig. „Ich war einfach zu feige, es dir zu sagen, weil ich dachte…“ Ich wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte. Deswegen stand ich einfach nur da, während seine Arme mich fest umschlossen und er das Gesicht in meinen Haaren vergrub. „Ich dachte, ich wäre nur ein Freund für dich, sonst nichts weiter. Und als du mir dann noch von Hayato erzählt hast, war ich mir fast sicher, dass da nie etwas zwischen uns sein würde. Aber das war mir egal, verstehst du? Ich wollte einfach nur für dich und Hope da sein, mehr nicht. Und ich wollte, dass du bei mir bist. Wenn du da bist, dann fühl ich mich gut, Mimi.“ Er musste es einfach merken – wie stark mein Herz gegen meine Brust hämmerte. So stark hatte es noch nie geschlagen, für niemanden. Nicht einmal für Hayato. Ich spürte, wie aufrichtig seine Worte waren, und das trieb mir fast die Tränen in die Augen. Ich krallte mich in sein Shirt und erwiderte seine Umarmung mit derselben Intensität. Wir hielten uns aneinander fest. Keine Ahnung, warum das so war, aber irgendwie schienen wir uns gegenseitig zu brauchen. „Ich weiß nicht, warum ich mich gut fühle, wenn du da bist und warum ich mich schlecht fühle, wenn es nicht so ist. Aber ich habe schon lange aufgehört, mich das zu fragen.“ „Schon lange?“, flüsterte ich und versuchte zu begreifen, was er mir sagen wollte. Ich konnte spüren, wie er grinste. „Du hast es nie bemerkt oder?“ Er ließ von mir ab. „Als du vor ein paar Monaten angeblich weggezogen bist“, fing er an zu erklären und sah mir dabei direkt in die Augen. „das war irgendwie schlimmer für mich, als ich erwartet hatte. Keine Ahnung, wieso, aber ich fing an dich zu vermissen.“ Er hatte mich vermisst? „Warum hast du dich dann nicht bei mir gemeldet?“ Tai sah beschämt zur Seite. „Ich habe versucht dieses Gefühl zu ignorieren. Ich wusste nichts damit anzufangen, weil es mir so fremd war und ich nicht verstand, warum das so war. Warum ich dich vermisste. Aber… irgendetwas fehlte. Irgendwann war dieses Gefühl fast verschwunden, denn ich hatte es akzeptiert und dann…“ Ein Schmunzeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „…dann stehst du plötzlich wieder vor uns, als wäre nichts gewesen. Und doch musste irgendetwas geschehen sein, das hat man dir angesehen. Das haben alle dir angesehen. Ich habe versucht, mich nicht zu sehr in die Sache hineinzusteigern, obwohl ich mir wie Sora und die anderen Sorgen gemacht habe. Aber zu dem Zeitpunkt bin ich wohl immer noch vor meinen Gefühlen davongelaufen. Deswegen wollte ich dir auch keine Nachhilfe geben. Ich wollte keine Zeit mit dir verbringen.“ Ich zuckte kurz zurück. Das so gnadenlos ehrlich aus seinem Mund zu hören, schmerzte zugegebenermaßen. „Aber es gab einen Punkt, an dem ich nicht mehr wegsehen konnte und das war, als wir uns im Krankenhaus begegnet sind und du so aufgelöst warst. So hatte ich dich noch nie gesehen. Also beschloss ich meine eigenen Gefühle hintenan zu stellen und irgendwie für dich da zu sein, egal wie.“ Seine Worte rührten mich zutiefst und nun stiegen mir tatsächlich Tränen in die Augen. Warum nur hatte ich einfach nie etwas bemerkt? Wie blind konnte man eigentlich sein? „Dass meine Gefühle für dich immer stärker geworden sind, je mehr Zeit wir miteinander verbracht haben ist nicht verwunderlich“, lächelte Tai und wischte mir mit dem Daumen eine Träne von der Wange. „Du bist unglaublich, Mimi. Und du weißt es noch nicht einmal.“ Ich biss mir schmerzlich auf die Lippe, um nicht in Tränen auszubrechen. „Nicht“, flüsterte er, während er mit dem Finger über meine Lippen strich, um mich davon abzuhalten. Schließlich beugte er sich zu mir runter und küsste mich, woraufhin mein Herz einen Sprung machte, nachdem es für eine ganze Sekunde aufgehört hatte zu schlagen. Es war fast schon unheimlich, wie ehrlich und aufrichtig sich dieser Kuss anfühlte. Es lag keine Schwere darin, kein bitterer Beigeschmack, keine Forderung. Es war einfach nur ein Kuss, der seine Gefühle zum Ausdruck brachte. Und wie er sie zum Ausdruck brachte. Unvermittelt schlang ich die Arme um seinen Hals und erwiderte den Kuss. Es war das Beste, was ich seit einer Ewigkeit gespürt hatte. Und es fühlte sich gut an – so gut. Plötzlich waren alle Zweifel wie weggeblasen. Alle schlechten Gedanken verflüchtigten sich und es gab nur noch uns beide – in diesem Moment. Er umschloss meine Taille und zog mich noch enger an sich, während er den Kuss intensivierte, was mich beinahe völlig von den Socken riss. Mein Gott, konnte dieser Typ küssen! Ich musste grinsen. Tai ließ kurz von mir ab, um mich fragend anzusehen. „Was ist?“ „Das ist total verrückt.“ „Warum?“, lachte er. „Na ja, ich hätte eben nicht gedacht, dass du so gut küssen kannst.“ Tai runzelte amüsiert die Stirn. „Du hast mir weniger als das zugetraut?“ Ich lächelte, als ich mich erneut auf die Zehenspitzen stellte und ihm einen Kuss gab. „Du überrascht mich einfach immer wieder, Taichi Yagami.“ „Allerdings. Mich auch.“ Wir wirbelten herum. Erschrocken sah ich in das Gesicht, der Person, die soeben hinter Tai aufgetaucht war, die Arme in die Hüften gestemmt hatte und uns mit Argusaugen beobachtete. „Ma… Mama“, stammelte Tai überrascht, während mein Herz, welches mir eben noch beflügelt bis zum Hals schlug, in den Keller rutschte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)