Uncertain Heart von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 32: Flashback III - Mimi -------------------------------- „So much more was said in the unsaid.“ Bridgett Devoue Rückblick „Oh mein Gott, das ist unglaublich“, schwärmte ich, als ich mir ein Fleischbällchen von Kari in den Mund steckte und genüsslich darauf rum kaute. „Mmh und das!“ Eine frittierte Sushi-Rolle von Yamato fand den Weg in meinen Mund. „Oh man und das erst!“ Und selbstgemachte Pralinen von Sora. „Gott, das ist alles so köstlich. Wenn heute mein letzter Tag wäre, wäre das die perfekte Henkersmahlzeit.“ Verzückt über die ganzen Leckereien, die meine Freunde zum Fest mitgebracht hatten, rieb ich mir den Bauch. Wir hatten es uns unter den wunderschön blühenden Kirschbäumen im Park auf einigen Decken gemütlich gemacht und genossen das schöne Wetter, ehe wir am Abend auf das Fest gehen wollten. Tai musterte mich angewidert. „Du stopfst ganz schön viel in dich rein. Man, da würde selbst mir schlecht werden“, bemerkte er abschätzig und ich warf ihm einen bösen Blick zu. „Meinst du, du bist der Einzige, der die Berechtigung hat sich hemmungslos voll zu fressen?“, konterte ich, denn Tai war normalerweise derjenige, der sich bei allen anderen durchfutterte. „Oder hast du Angst, dass für dich nichts übrig bleibt?“ „Pah“, machte er und sah mich schief von der Seite her an. „Irre ich mich, oder hat sie etwas zugenommen?“ Empört verzog ich das Gesicht, als Kari ihm auch schon gegen den Arm schlug. „Halt die Klappe, Tai!“ „Genau! Halt die Klappe, Tai“, meckerte ich ihn ebenfalls an und streckte ihm die Zunge raus. Er drehte sich beleidigt weg. „Mimi, wolltest du heute nicht eigentlich auch einen Kimono tragen?“, fragte Sora und ich war dankbar, dass sie so vom Thema „Essen“ und „zugenommen“ ablenkte. Ich zuckte desinteressiert mit den Schultern. „Keine Ahnung, ich habe keine Lust mich in so ein enges Ding zu quetschen.“ „Ich sag doch, sie hat zugenommen“, gab Tai belustigt zu bedenken, woraufhin er sich gleich noch einen Schlag von seiner Schwester einfing. Ich warf ihm einen bösen Blick zu. „Außerdem bin ich was Mode angeht eher westlich eingestellt“, fügte ich noch ergänzend hinzu. Sora hatte leicht reden. Sie sah in ihrem gelb orangen Kimono mit dem roten Blumenmuster auch umwerfend aus. Ich hingegen war momentan froh, wenn ich so oft es ging legere Kleidung tragen konnte. Vor drei Wochen hatte ich erfahren, dass ich schwanger war und seitdem zierte ich mich irgendwie davor, enge Kleidung zu tragen. Wahrscheinlich aus Angst, man könnte es jetzt schon bemerken, was natürlich völliger Schwachsinn war. „Ich finde auch, dass dir ein Kimono sehr gut stehen würde“, mischte sich nun auch Takeru ein, der bis eben noch mit Izzy und Joe in ein Gespräch vertieft war. Ich runzelte die Stirn. „Findest du? Na, ich weiß nicht.“ Er nickte bestätigend. „Also ich finde“, sagte Tai und hob das Kinn an. „Dass der klassische Kimono viel besser zu so einem Fest passt, als …“, er beäugte mich kritisch, „… als Minirock mit Strumpfhose und Sweatshirt.“ Ich presste die Zähne aufeinander und lehnte mich ihm entgegen. „Dich hat aber keiner nach deiner Meinung gefragt!“ Vor lauter Frust über seinen Kommentar stopfte ich gleich noch mehr von dem leckeren Essen in mich rein. Mein Appetit war seit meiner Schwangerschaft einfach unstillbar. Ich musste wirklich lernen mich zu zügeln. Ich wollte schließlich nicht fett wie eine Tonne werden. Gerade, als ich mir die letzte frittierte Sushi-Rolle in den Mund schob, lehnte Sora sich nach vorn und lächelte mich an. „Was hältst du davon, wenn wir uns schon mal die Stände angucken, Mimi?“ „Ja, oh mein Gott, nimm sie bloß mit“, grinste Tai schief. „Sie frisst uns alles weg, wie die Raupe Nimmersatt.“ „Duuh …“, sagte ich drohend und wollte ihn gerade boxen, als Sora mein Handgelenk umschloss und mich auf die Beine zog. „Komm, Mimi. Das wird lustig!“ „Na gut, ich komme mit“, stöhnte ich, während Tai mir die Zunge rausstreckte, froh darüber, noch mal davon gekommen zu sein. Ich funkelte ihn böse an und hakte mich bei Sora unter. Wir reihten uns in die Menschenmenge ein und schlenderten durch die Reihen, an denen links und rechts Stände waren, die noch mehr leckeres Essen und Getränke anboten. „Was suchst du denn?“, fragte ich Sora, als ich mich umgesehen hatte. „Um ehrlich zu sein, wollte ich nur mal allein mit dir reden“, gab sie zu und ein verlegenes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Wenn wir heute Abend alle zusammen hier sind, werden wir keine Zeit haben, um ungestört zu reden.“ „Aha“, machte ich und legte eine interessierte Miene auf. „Um was geht es denn?“ Sora errötete leicht. „Ich habe so die leise Ahnung, dass es um einen Jungen geht“, mutmaßte ich schief grinsend. „Ach, was soll’s“, erwiderte sie und legte verlegen eine Hand an ihre gerötete Wange. „Ich glaube, ich habe mich verknallt, Mimi. So richtig, meine ich.“ Ich begann zu strahlen. „Was, wirklich? Das ist ja toll! Wer ist denn der Glückliche?“ Sie sah zur Seite. „Das kann ich nicht sagen.“ „So so“, entgegnete ich spitzfindig. „Dann kenne ich ihn also.“ Sora wurde noch roter um die Nase. „Ja, kann sein.“ „Jetzt mach’s nicht so spannend“, drängte ich sie weiter. „Geht er auf unsere Schule? Ist er älter als wir oder gleichalt? Ist er Sportler?“ Gedanklich ging ich bereits alle Möglichkeiten durch, die mir einfielen, doch ich kam einfach nicht darauf, wer es sein könnte. Sora redete nicht besonders viel über Jungs. „Ich kann’s wirklich nicht sagen, Mimi“, meinte Sora und berührte verlegen ihre Wange. „Das würde er mir nicht verzeihen, wenn das die Runde machen würde.“ „Was? Also hast du es ihm schon gesagt?“, staunte ich. Sora schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht. Aber das habe ich vor. Bald.“ Sie wirkte ziemlich zuversichtlich und ich bewunderte ihren Mut. Sie war noch so wunderbar naiv, weil sie noch keine Ahnung hatte, was die Liebe mit einem anstellen konnte. Ich dachte an Hayato und daran, wie er vor ein paar Wochen unsere Beziehung beendet hatte. Einfach so. Dabei hatte ich mich immer an alle Regeln gehalten, die er während wir heimlich zusammen waren aufgestellt hatte. Es tat weh, dass er erst vorschlug, dass wir nach meinem Abschluss zusammen ziehen und unsere Beziehung öffentlich machen könnten und sie im nächsten Moment leichtfertig beendete. Ich biss mir schmerzlich auf die Unterlippe. Mein Herz flatterte immer noch wie wild, wenn ich an ihn dachte, doch dass er mich so eiskalt im Regen stehen ließ, tat verdammt weh. Ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. „Mimi? Bist du noch da?“, fragte Sora und riss mich somit aus meinen Gedanken. Sie hatte anscheinend die ganze Zeit weitergeredet und ich hatte null Ahnung, um was es gerade ging. „Meinst du, ich soll es heute Abend tun?“ Ihre Augen strahlten förmlich. „Äh … was genau tun?“, hakte ich unwissend nach. „Es ihm sagen? Du weißt schon … dass ich mich in ihn verliebt habe.“ Achso. Wir waren also immer noch bei dem ominösen Typen. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Wird er denn heute Abend auch auf dem Fest sein?“ Sie nickte. „Dann solltest du es tun“, ermutigte ich sie. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und wer weiß, vielleicht mag er dich ja auch.“ Ich zwinkerte ihr zu und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Du hast recht. Ich muss einfach mutig sein und mich trauen.“ Wenigstens eine, die noch voller Zuversicht in ihr zukünftiges Liebesleben blickte. Unwillkürlich entwich mir ein tiefer Seufzer, doch im nächsten Moment packte Sora mich auch schon am Handgelenk und zog mich mit sich. „Hey, was hast du denn vor?“, fragte ich sie, während sie mich unaufhaltsam durch die Menschenmenge drängte. „Danke für deinen Rat, Mimi. Ich weiß nicht, ob ich es mich getraut hätte, wenn du mich nicht ermutigen würdest.“ Sie grinste verheißungsvoll. „Ich weiß, du wirst mich jetzt vermutlich hassen, aber Tai hat recht.“ Perplex starrte ich sie an. „Ein Kimono passt viel besser zu so einem schönen Fest“, redete sie weiter. „Was denn? Willst du jetzt etwa auch, dass ich mich in so ein Ding quetsche?“, entgegnete ich panisch, da ich jetzt schon wusste, dass es keinen Sinn machte, mich gegen meine beste Freundin zu wehren. „Ja, das finde ich. Und zufälligerweise habe ich zu Hause genau den passenden für dich im Schrank. Der liegt schon viel zu lang dort rum“, verkündete sie freudig. Ich verengte meine Augen zu Schlitzen, gab es jedoch auf, sie davon abbringen zu wollen. Klasse. Mir blieb auch wirklich gar nichts erspart. Eine Stunde später waren wir zurück auf dem Fest und die Sonne war bereits dabei unterzugehen. Unsicher zupfte ich an mir herum. „Ich komme mir total albern vor“, murrte ich und hoffte inständig, dass ich in diesem komischen Ding überhaupt laufen konnte. „Kannst du das jetzt endlich mal lassen? Du siehst fantastisch aus!“, bestärkte Sora mich jedoch grinsend und begutachtete zufrieden ihr Werk. Sie hatte mir allen Ernstes einen Kimono von sich aufgezwängt, den sie letztes Jahr von ihrer Tante geschenkt bekommen, aber nie getragen hatte, da er ihr nach eigener Aussage nicht so gut stand. Sie hatte sich unglaublich Mühe gegeben, mir die Haare wunderschön hochgesteckt und sogar ein leichtes Make Up aufgetragen, doch ich fühlte mich trotzdem sichtlich unwohl. Ich hatte momentan wirklich andere Sorgen, als mich für so ein Frühlingsfest herauszuputzen. Obwohl der Kimono eigentlich ganz schön war. Oben war er fast weiß und ging dann in ein zartes rosa über, während er zu meinen Füßen ein sattes pink annahm. Weiße, beige und rosa Blumenmuster zierten den Stoff und ich musste mir insgeheim eingestehen, dass er genau meinen Geschmack traf. Wenn Hayato mich doch nur so sehen könnte … „Sora! Mimi! Da seid ihr ja endlich“, rief eine mir vertraute Stimme von weitem und ich wandte mich um. Yamato, Tai und die anderen hatten uns in der Menge ausfindig gemacht und Sora wank sie zu uns rüber. Ich ging einen Schritt zurück, um mich hinter Sora klein zu machen. Mein Rock und der Sweater wären mir deutlich lieber gewesen. „Man, wir haben euch eine halbe Ewigkeit hier gesucht“, nörgelte Yamato, als sie bei uns ankamen. „Mmh? Hast du meine SMS nicht bekommen?“, entgegnete Sora fragend. „SMS? Nein, nicht wirklich. Ist wohl schlechter Empfang hier.“ Die beiden glichen ihre Handys ab, während ich etwas unsicher rumstand und Kari, Takeru und Tai dabei beobachtete, wie sie sich einen der Stände näher betrachteten. „Guck mal Tai, da hinten kann man was gewinnen“, rief Kari plötzlich begeistert und zeigte mit dem Finger in eine Richtung. „Lass uns dahin gehen, ja?“ „Au ja, da bin ich dabei“, meinte Takeru begeistert und schnappte sich Karis Hand, um sie mit sich zu ziehen. Tai schlenderte ihnen mehr oder weniger gelangweilt hinterher. Er hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und ich senkte den Blick, als er an mir vorbei ging. Plötzlich blieb er stehen und sah ungläubig zur Seite. „Mimi?“ Oh je. Ich wollte doch nicht, dass er mich so sah … Ich drehte den Kopf noch etwas mehr zur Seite und tat so, als würde irgendetwas meine Aufmerksamkeit erregen. Doch er machte einen Schritt zurück und neigte sich mir entgegen, um mir ins Gesicht sehen zu können. „Du bist es ja wirklich“, sagte er erstaunt. Ich kniff die Lippen zusammen. Wahrscheinlich konnte ich mir gleich wieder irgendeinen bescheuerten Spruch anhören. Erwartungsvoll hob ich den Kopf, um ihn anzusehen und wollte mich schon meinem Schicksal ergeben, als sich Überraschung auf sein Gesicht legte. Mit großen Augen sah er mich an, ließ seinen Blick an mir hinab wandern und trat sogar noch einen Schritt näher, als müsse er sich vergewissern, dass ich es auch wirklich war. „Was ist?“, fauchte ich ihn an und ich spürte, wie ich leicht rot wurde. „Na mach schon. Wo bleibt der dämliche Spruch?“ Er blinzelte ein paar Mal. „Welcher Spruch?“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Du kannst mir ruhig sagen, wie albern ich aussehe“, meinte ich und zog eine Schnute. Seine Mundwinkel zuckten und ein leichtes Grinsen zierte seine Lippen. „Wieso albern?“ Ungläubig sah ich ihn an. „Ich finde, du siehst wunderschön aus in dem Kimono“, sagte er sanftmütig. Dabei sah er mir direkt in die Augen. Und ich konnte nicht anders, als in seine zu sehen. Mir war noch nie aufgefallen, was für ein warmes braun sie hatten. Hatte er gerade wirklich wunderschön gesagt? „Ich … äh“, begann ich zu stammeln. Wieso machte mich dieser Kommentar von ihm so nervös? Oder war es die Art, wie er mich ansah? Weil er mich so noch nie angesehen hatte. „Tai, komm schon!“, rief Kari zwei Stände weiter und wank ihn zu sich rüber. „Jaha“, lachte dieser und nahm plötzlich meine Hand. „Komm mit“, sagte er lächelnd. Ich war so perplex über diese Geste, dass ich gar nicht anders konnte als zu nicken und ihm zu folgen. Erst, als wir bei Kari und Takeru angelangt waren, ließ er meine Hand wieder los. Ein merkwürdiges Kribbeln zog sich über meine Haut. „Wollen wir noch was essen?“, fragte ich in die Runde, als wir uns später wieder alle zusammengefunden hatten. „Du willst noch was essen? Dein Ernst?“, meinte Izzy ungläubig. „Also ich für meinen Teil platze bald, aber tu dir keinen Zwang an.“ Sogar Yamato rieb sich bestätigend über den Bauch. Ich rollte mit den Augen. Als ob ich hier als Verfressene abgestempelt werden wollte. Doch ich konnte nichts tun, mein Magen knurrte schon wieder. In der Hoffnung, dass das eben niemand gehört hatte, drückte ich mir auf den Bauch. „Also ich könnte noch was vertragen“, verkündete Tai und zwinkerte mir zu. „Wir können uns ja eine Portion Sakura Mochi teilen, was hältst du davon?“ Was ich davon hielt? War das sein Ernst? „Na, da haben sich ja zwei gefunden“, lachte Yamato auf. „Geht ihr mal essen. Wir suchen uns schon mal einen guten Platz, um nachher das Feuerwerk anzuschauen.“ „Ist gut“, rief Tai und nahm mich mit. Widerstrebend ließ ich mich von ihm durch die Menge schieben. Er bestellte uns eine Portion Mochi und hielt mir das Schälchen hin, damit ich mich bedienen konnte. „Äh … danke“, sagte ich und schob mir das kleine Reisgebäck in den Mund. Er lächelte und aß ebenfalls eins. Ich wusste nicht so recht, was ich mit ihm reden sollte. Wir waren nicht sehr häufig allein und wenn wir es waren, zickten wir uns die meiste Zeit nur an oder ärgerten uns gegenseitig. Also stellte ich die einzige Frage, die mir momentan auf der Zunge brannte. „Wieso bist du so nett?“ Schief grinsend zog er eine Augenbraue in die Höhe. „Ich bin immer nett.“ „Ach Quatsch.“ „Wenn ich’s dir doch sage. Du hast das nur noch nicht bemerkt.“ Selbstbewusst sah er mir in die Augen, was mich irgendwie verunsicherte. Ich wollte es dabei beruhen lassen, als es plötzlich eng um uns wurde. Irgendjemand stieß unabsichtlich gegen meinen Rücken, sodass ich nach vorne stolperte. „Huch“, machte Tai und fing mich auf. „Alles in Ordnung?“ Ich nickte, doch anstatt mich wieder loszulassen, legte er einen Arm um meine Schulter und drückte mich nur noch enger an sich. Die Hitze stieg mir ins Gesicht, als ich seinen Duft einatmete. Warum war mir vorher noch nie aufgefallen, wie gut er roch? „Tai, kann ich mal kurz mit dir sprechen?“, sagte Sora freundlich, die urplötzlich neben uns aufgetaucht war. Sofort ließ er mich los und auch ich suchte Abstand, indem ich einen großen Schritt zurück machte. „Was? Äh … ja, klar“, antwortete er irritiert und drückte mir die restliche Portion Mochi in die Hand. „Hier, iss ruhig auf. Ich bin gleich wieder da.“ Verdattert blieb ich stehen und blickte den beiden hinterher. Was war das denn eben? Hatte ich mir das nur eingebildet oder hatte er mich tatsächlich eben bewusst an sich gezogen. Sie gingen nicht weit weg und ich sah, wie Sora vor ihm stehen blieb und irgendetwas zu ihm sagte. Als ich aufgegessen hatte, wollte ich zurück zu den anderen gehen. Nur komisch, dass die vielen Lichter sich auf einmal alle bewegten. Sie flackerten vor meinen Augen hin und her und auch die Menschen um mich drum rum, wurden zunehmend verschwommener. Benommen griff ich mir an die Stirn. Was war denn das? Bekam ich etwa Fieber? Ich wankte zur Seite und wäre beinahe hingefallen, hätte mich nicht im letzten Moment jemand am Arm gepackt und wieder auf die Beine gezogen. Mit verschleiertem Blick sah ich in die besorgten Augen von Taichi, der mich festhielt. „Hey, was machst du denn für Sachen? Geht’s dir nicht gut?“, fragte er, doch ich wusste gar nicht, wo mir der Kopf stand. „Ich … Ich glaube, ich muss mich einfach mal hinsetzen“, wisperte ich und ließ mir von Tai unter die Arme greifen. „Was hat sie denn?“, hörte ich Soras besorgte Stimme fragen. „Keine Ahnung, ich glaube, ihr ist schwindlig“, meinte Tai daraufhin. „Ich werd mit ihr zu einer Bank gehen, damit sie sich etwas ausruhen kann.“ „Soll ich dir helfen?“ „Nein, nein, ich schaff das schon. Wir sehen uns nachher“, entgegnete Tai und führte mich durch die Menge. Tatsächlich fanden wir eine Bank, die sich direkt unter einem Kirschbaum befand und die frei war. Behutsam setzte er mich ab und ich seufzte erleichtert auf. Schon viel besser. „Geht’s dir besser?“, fragte Tai und ließ sich neben mir nieder. Ich nickte. „Ja, danke.“ „Was ist denn los mit dir? Hast du Kopfschmerzen? Ist dir übel?“ Seine besorgten Augen fixierten mich, was mir sichtlich unangenehm war. Ich konnte ihm ja schlecht sagen, dass mir schon seit Tagen immer mal wieder schwindlig wurde. „Nein, alles gut“, log ich. „Der Tag war heute nur irgendwie anstrengend. Zu viele Menschen auf einen Haufen.“ Ich faltete die Hände in meinem Schoß und ließ mich etwas an der Bank hinabrutschen. „Mmh, kann ich verstehen. Mir ist es auch zu viel Trubel“, gab Tai zurück und machte es sich ebenfalls bequem. Zusammen blickten wir in die Blüten des Kirschbaums, der durch die vielen Lichter wunderschön funkelte. Nach einer Weile des Schweigens sagte er: „Du kannst dich gerne bei mir anlehnen, wenn dir noch etwas schwindlig ist.“ Überrascht sah ich ihn an, doch dann nahm ich das Angebot dankend an, rutschte ein wenig näher an ihn heran und legte meinen Kopf an seine Schulter. Er duftete wirklich gut. Wir schwiegen weiter, was aber nicht schlimm war. Ich genoss es, dass ich einfach nur mal sitzen und das Treiben der Menschen von weitem beobachten konnte. Und ich genoss es sogar, dass Tai da war. Er drängte mir nicht irgendein Gespräch auf oder erzählte mir von seinem Liebesleben. Und wenn er nicht gerade dabei war mich zu ärgern, konnte er offensichtlich sogar ganz nett sein. „Was machst du nur mit mir?“, unterbrach er plötzlich die Stille. Seine Stimme war ganz leise und wurde im nächsten Moment von einem lauten Knall übertönt. Das Feuerwerk begann und erstrahlte bunt am Himmel. Von dem Knall aufgeschreckt zuckte ich zusammen, doch im selben Moment griff Tai nach meiner Hand und hielt sie ganz fest. Irritiert blickte ich auf unserer beider Hände hinab. Wie seine meine umschloss und wie gut sich das anfühlte. Anstatt sie ihm zu entziehen, ließ ich es zu und lehnte mich wieder gegen seine Schulter. Stillschweigend betrachteten wir gemeinsam das Feuerwerk und immer wieder gingen erstaunte Laute durch die Menge. Ich genoss diesen zwanglosen Moment irgendwie. Plötzlich wirkten meine Probleme gar nicht mehr so groß. Als würden sie mit jeder Rakete, die gen Himmel schoss, in der Luft zerspringen und nichts als bunte Farben zurücklassen. Zufrieden schloss ich die Augen. „Mimi?“, ertönte Tais Stimme. Sie war so beruhigend. „Mmh?“ „Kann ich dich mal was fragen?“ „Mmh.“ „Aber nimm es nicht persönlich, ja?“ „Mmh.“ „Hast du … hast du jemanden, den du besonders gerne magst? Ich meine, so richtig? Also, versteh das nicht falsch. Es ist nur, dass ich mich gefragt habe, ob du vielleicht …“ Ich schoss hoch und saß mit einem Mal kerzengerade da. Meine Augen weiteten sich und ich schlug mir die Hand vor den Mund. Oh, nein. Bitte nicht jetzt. „Was ist denn?“, fragte Tai irritiert. Ich wandte den Kopf in seine Richtung. „Ich glaub, ich muss mich übergeben“, brachte ich gerade noch hervor, ehe ich aufsprang und um die Bank hinter den Baum rannte. Ich musste mich so heftig übergeben, dass mein Magen sich schmerzhaft zusammenkrampfte. Ich spürte, wie mir jemand die Haare zurückhielt. Oh, nein. Ich wollte auf keinen Fall, dass Tai mich so sah. Als ich das gesamte Essen wieder hochgebracht hatte, was ich vorher verdrückt hatte, lehnte ich mich erschöpft gegen den Baum. „Warum isst du auch so viel durcheinander?“, schimpfte Tai ungehalten drauf los. „War ja klar, dass das nicht gut geht. Wenn ich dran denke, was du heute alles in dich reingestopft hast …“ Am liebsten hätte ich mit den Augen gerollt, doch dazu fehlte mir die Kraft. Verfluchte Schwangerschaft. „Ich habe gerade echt keinen Nerv für deine Standpauke“, brachte ich geschwächt hervor und wollte Tai einen giftigen Blick zuwerfen, doch er hielt mir ein Taschentuch vor die Nase. „Hier, nimm das“, meinte er. Verwundert über diese nette Geste nahm ich es entgegen und wischte mir über den Mund. Es war mir total unangenehm, dass er mich beim Kotzen gesehen hatte, doch genau genommen hatte er richtig zuvorkommend reagiert. Er hatte mir sogar die Haare gehalten. Welcher Junge würde so was schon tun? „Komm, ich bring dich nach Hause“, meinte Tai bestimmend und griff nach meiner Hand. „Was …? Aber das Fest“, wollte ich widersprechen, doch er sah mich eindringlich an. „Ich habe wirklich keine Lust, dass du uns alle mit deiner Magen Darm Grippe oder was auch immer du da hast, ansteckst. Es ist besser, wenn du dich zu Hause hinlegst und dich ausruhst.“ Überrascht sah ich ihn an. Er war ja richtig fürsorglich. Kam wahrscheinlich daher, dass er großer Bruder einer kleinen Schwester war. „Du kannst ja richtig nett sein“, stellte ich erstaunt fest und folgte ihm widerstandslos. „Ich sagte dir doch: ich bin immer nett.“ Sein schiefes Grinsen ging mir an diesem Abend nicht mehr aus dem Kopf. Seufzend ließ ich mich zurück in die Sofakissen fallen. Ich glaube, er hätte mir gerne noch was gesagt. Etwas, dass er letztendlich nicht ausgesprochen hatte. Plötzlich konnte ich verstehen, warum er mir all die Dinge vorhin an den Kopf geworfen hatte. Wie konnte ich nur so blind sein? Ich war gedanklich so sehr mit Hayato und meinen eigenen Problemen beschäftigt, dass ich gar nicht wahrnahm, was sich um mich drum rum entwickelte. Ich hatte weder bemerkt, dass Sora schon längst in Tai verliebt war, als ich ging, noch hatte ich kommen sehen, was sich zwischen Tai und mir anbahnte. Oder ich wollte es nicht sehen? Das schlechte Gewissen nagte an mir. Er hatte recht. Ich hätte nicht einfach so gehen dürfen. Ich hätte mir anhören sollen, was er mir zu sagen hatte. Doch ich hatte es nicht bemerkt. Aber was wäre, wenn es Hayato nicht gegeben hätte? Wäre mein Herz dann frei gewesen? Hätte ich mich in Tai verlieben können? Oder war es, wie er sagte? Dass ich mich niemals in ihn verliebt hätte, wäre alles normal für mich weitergegangen. Ich bin mir sicher, dass ich mich früher oder später zu ihn hingezogen gefühlt hätte. Tai war wundervoll. Das war er schon immer gewesen. Nur konnte ich ihn damals einfach noch nicht in mein Herz lassen. 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