Uncertain Heart von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 41: Liebe ----------------- Ich sprang vom Bett auf. „Mist! Und was jetzt?“ Takeru sah sich hektisch im Zimmer um. Sein Blick blieb am Kleiderschrank hängen. Seine Augen huschten kurz zu mir, doch er deutete meinen Blick genau richtig. „Vergiss es!“ „Dann geht ins Badezimmer“, flüsterte er, packte mich an den Schultern und schob mich in Richtung Bad. Tai stand auf und stemmte die Hände in die Hüfte. „Was? Wir sollen uns da drin verstecken? Du hast sie doch nicht mehr alle.“ Ich stöhnte und machte auf dem Absatz kehrt, um ihm am Ärmel zu packen. „Stell dich nicht so an. Wir haben versprochen, dass T.K. zuerst mit ihr sprechen darf.“ „Wir? Du vielleicht. Ich habe gar nichts versprochen.“ Tai blieb eisern und ich wollte ihm gerade eine Standpauke halten, als von draußen ein Schlüssel ins Schlüsselloch gesteckt wurde. Ich hielt die Luft an. Na, toll. Wenn Kari uns drei hier drin zu sehen bekam, machte sie doch direkt auf dem Absatz kehrt. Die Tür öffnete sich langsam, doch dann hielt sie inne. Eine weibliche Stimme sprach sie an und hielt sie somit davon ab, das Zimmer zu betreten. Wahrscheinlich war es eines der Zimmermädchen, denn sie entschuldigte sich dafür, dass sie noch nicht dazu gekommen sei, Karis Zimmer zu säubern. Erleichtert atmete ich aus. „Man, Tai. Jetzt komm schon!“ Ich zerrte weiter an seinem Ärmel und betete, dass er wenigstens ein Mal nicht seinen Dickkopf durchsetzen würde. Nur ein einziges Mal. Nach kurzem hin und her, rollte er mit den Augen und ließ sich schließlich von mir ins Badezimmer schleifen, als sich auch schon die Tür zum Zimmer öffnete. „T.K. … was machst du denn hier?“, hörte ich Kari noch sagen, doch dann verstummten ihre Stimmen, als ich die Badezimmertür ganz schloss. So war es richtig. Die beiden hatten noch gar keine Gelegenheit dazu gehabt, über alles zu sprechen. Außerdem war da ja noch eine weitere Sache, die Kari vor ihrem besten Freund geheim hielt. Innerlich drückte ich den beiden die Daumen, während Tai sich stöhnend auf den Fußboden sinken ließ und gegen die Badewanne lehnte. Irritiert wandte ich meinen Kopf in seine Richtung. „Was machst du da?“ „Na, was wohl“, antwortete er deutlich schlecht gelaunt. „Das wird sicher ein längeres Gespräch. Also mache ich es mir gemütlich. Komm, setz dich zu mir, Prinzessin.“ Er klopfte mit der flachen Hand neben sich auf den Boden. Ich musterte die Fliesen, auf denen Tai es sich „gemütlich“ gemacht hatte und verzog angewidert das Gesicht. „Auf keinen Fall.“ Er zuckte mit den Schultern. „Dachte ich mir.“ Ich ging zur Toilette, die ihm gegenüber stand und wollte mich auf den Klodeckel setzen. Dieser fing jedoch gefährlich an zu knirschen, als ich mich auf ihm niederließ, weswegen ich schnell wieder aufsprang. Verärgert verschränkte ich die Arme vor der Brust. Was war das hier nur für eine Bruchbude? Der Kleiderschrank erschien mir im Nachhinein doch die bessere Wahl gewesen zu sein. Tai sah zu mir auf. „Willst du jetzt die ganze Zeit da rum stehen?“ „Na, und wenn schon“, erwiderte ich und biss mir auf die Unterlippe. Ich schielte in die Wanne hinter Tai und befand sie als annehmbar. Kurzerhand stieg ich über ihn hinweg und setzte mich hinein. Na ja, bequem war sie nicht. Aber es war immerhin besser, als sich die Beine in den Bauch zu stehen oder sich auf die Fliesen zu setzen, die definitiv schon bessere Tage gesehen hatten. „Willst du jetzt ein Bad nehmen?“, fragte Tai und warf einen skeptischen Blick über die Schulter. „Ja, natürlich, Taichi“, antwortete ich trotzig. „Ich möchte jetzt gerne ein heißes Bad nehmen. Hast du vielleicht irgendwas dagegen?“ „Tu dir keinen Zwang an.“ Ich sah aus dem Seitenwinkel, wie ein freches Grinsen seine Lippen umspielte, ehe er sich wieder nach vorne wandte. Wir schwiegen eine ganze Weile. Wahrscheinlich war Tai so verärgert über diese ganze Situation, dass er keine Lust hatte zu reden. Oder aber keiner von uns beiden wusste, was er sagen sollte. Wir hatten uns immer noch nicht ausgesprochen. Weder über unser gemeinsames Wochenende, das im Drama endete, noch über Sora, die am vergangenen Abend einfach so vor dem Club aufgetaucht war und mir erzählt hatte, dass Tai ihr … „An was denkst du gerade?“, durchbrach Tai plötzlich die Stille und riss mich somit aus meinen Gedanken. Geknickt ließ ich den Kopf hängen und nestelte am Saum meines Pullovers herum. „Das willst du nicht wissen.“ Ein leises Lachen drang aus Tais Kehle. Dann verstummte er wieder. Ich schluckte schwer. Früher oder später musste ich ihm sagen, was ich erfahren hatte. Denn es wurde alles immer schlimmer. Ich hatte das Gefühl, als würden wir uns immer weiter voneinander entfernen. Je mehr ich über die Vergangenheit erfuhr, umso schmerzlicher wurde mir bewusst, dass wir vielleicht keine Zukunft mehr hatten. „Tai?“, fragte ich schließlich zaghaft. „Mmh?“ „Du hast mir noch gar nicht gesagt, was du darüber denkst.“ „Worüber?“ „Über Kari und …“ Tai schnaufte. „Es ist doch völlig egal, was ich darüber denke“, sagte er ruhig. „Ich will nur, dass sie glücklich ist, mehr nicht.“ Erleichtert atmete ich aus. Das war er – der Tai, den ich kannte und liebte. „Ich bin trotzdem sauer auf sie“, ergänzte er mit fester Stimme. „Sie hätte eher mit mir reden sollen. Sie hätte sich mir anvertrauen sollen, nicht diesem … Und überhaupt ist doch Takeru an allem schuld. Wieso hat er da überhaupt mitgemacht? Er hätte sie davon abhalten müssen. Und sie hätte zu mir kommen und mit mir darüber reden sollen.“ Fast musste ich grinsen. Irgendwie war es ja auch süß, dass er seine kleine Schwester beschützen wollte und ganz natürlich. Trotzdem musste er einsehen, dass er in ihrem Leben nun mal nicht immer die erste Geige spielte. Und es eben manchmal auch Dinge gab, die man dem großen Bruder nicht auf die Nase band. Kari war stärker als er dachte. Denn sie hatte Takeru an ihrer Seite. „Ich kann verstehen, dass du sauer bist“, sagte ich. „Trotzdem hättest du ihn nicht schlagen dürfen. Meinst du, Kari hätte das gewollt? Du musst einsehen, dass sie kein kleines Kind mehr ist und ihre eigenen Entscheidungen trifft. Auch wenn es nicht immer die Richtigen sind.“ Tais Antwort war lediglich ein Grummeln, denn er wusste, dass ich recht hatte. Trotzdem musste ich auflachen. „Ist das denn so schwer? Wieso kannst du nicht einfach über deinen Schatten springen, Tai?“ Im nächsten Moment sprang Tai auf und schwang sich über den Badewannenrand zu mir in die Wanne. Leicht erschrocken fuhr ich zusammen und zog instinktiv die Beine an, während er sich vor mich hinhockte und mich ernst dreinblickend ansah. „Und du? Wieso kannst du nicht über deinen Schatten springen?“, entgegnete er verbissen. „Hör auf, darum geht es hier nicht.“ Ich wich seinem Blick aus. „Und um was geht es dann?“ Seine Augen bohrten sich förmlich in mich und ich hatte keine Chance zu entkommen. „Du wolltest gestern mit mir reden“, sagte Tai ruhig, aber bestimmt. „Und ich denke, wir sollten es endlich hinter uns bringen.“ Überrascht sah ich ihn an. „Hinter uns bringen?“ Tai seufzte und ließ leicht den Kopf hängen. „Mimi, wenn du das mit uns beenden willst, dann tu’s einfach.“ „Was?“ Erschrocken fuhr ich hoch. „Wie kommst du denn darauf?“ „Wie ich darauf komme?“, entgegnete Tai leicht gereizt. „Na ja, anscheinend vertraust du mir nicht und wirst es in naher Zukunft auch nicht tun. Was meinst du, warum ich dir die letzten Tage aus dem Weg gegangen bin? Ich hatte einfach Angst vor der Wahrheit. Ich wollte sie nicht hören. Aber je länger ich es hinauszögere, umso schmerzhafter wird es, also … bring es hinter dich und sag mir, was du denkst.“ Sein Blick war so fordernd und doch gleichzeitig so schmerzerfüllt. Als würde er nach Erlösung schreien. Deswegen war er mir also ausgewichen? Weil er befürchtete, ich wollte ihn nicht mehr an meiner Seite haben? „Was redest du da für einen Unsinn, Tai?“ Ich schnellte nach vorne und griff nach seiner Hand. „Ich will das mit uns nicht beenden. Nein, das will ich nicht!“ „Und was willst du dann?“ Diese Frage traf mich eiskalt. Ich schluckte schwer und ließ mich wieder an die Rückwand der Badewanne fallen. Seine Hand entglitt mir. „Ich weiß es nicht.“ Ich wusste nur, dass allein der Gedanke daran, ihn nicht mehr in meinem Leben zu haben unerträglich war. „Hmm“, machte Tai und lehnte sich nun ebenfalls zurück. Er zog wie ich die Beine an und kaute unruhig auf seiner Unterlippe herum. Diese Situation zerfraß uns allmählich von innen heraus. Und ich wusste nicht, wie lang wir das noch so machen konnten. Tai hatte recht. Wir mussten der Wahrheit endlich ins Gesicht blicken. „Ich habe gestern Sora getroffen“, sagte ich schließlich mit schwerem Herzen, wobei mir die Worte fast im Halse stecken blieben. Gefasst, aber deutlich beunruhigt blickte Tai auf. „Du hast Sora getroffen?“ Ich nickte. „Sie hat mich vor dem Club abgefangen. Sie wollte eigentlich zu Matt, aber ich konnte sie davon abhalten. Er hat es verdient, dass sie ihn eine Weile in Ruhe lässt.“ Mir entging nicht, wie Tais Miene sich schlagartig veränderte, als ich seinen Namen erwähnte. Er sagte zwar, er hätte uns verziehen, aber nach dem gestrigen Abend war ich mir da nicht mehr so sicher, dass dieser Kuss nicht doch mehr an Tai nagte als er zugeben wollte. „Na ja, jedenfalls …“, fuhr ich fort. Es war Zeit, es hinter mich zu bringen. „Sie hat mir erzählt, was sie damals für dich empfunden hat oder … immer noch empfindet. Wie du reagiert hast, als du von meinem Umzug erfahren hast. Wie ihr bewusst wurde, dass du in mich verliebt bist und nicht in sie. Und wie es letztendlich dazu kam, dass ihr …“ Ich hätte ihm die Worte vor die Füße spucken können, deswegen sprach ich sie am besten gar nicht erst aus. Allein daran zu denken, versetzte mir jedes Mal wieder einen Stich ins Herz. „Und das hat dich verunsichert?“, fragte Tai geduldig nach und hörte dabei nicht auf, mich anzusehen, was es nur noch schlimmer machte. „Das sind alles Dinge, die du schon wusstest.“ Ja, da hatte er recht. Dieses Geheimnis war längst kein Geheimnis mehr, sondern eine offene Tatsache. Die beiden hatten eine Nacht miteinander und mehr war da nicht – dachte ich, bis gestern. Mein Herz begann, wie wild gegen meine Brust zu schlagen. Ich zog die Beine noch etwas enger an meinen Körper, als könnten sie mir irgendeinen Schutz bieten. Doch diesen Schutz, nach dem ich mich sehnte, gab es nicht. Denn die Wahrheit hatte sich schon längst wie eine ätzende Krankheit in mein Herz gefressen. „Ja, du hast recht. Das alles wusste ich“, sagte ich schließlich mit gesenkter Stimme. „Was ich nicht wusste ist, dass du ihr Erster warst.“ Ich kniff die Augen zusammen, um die Tränen irgendwie zurückzuhalten. Den dicken Kloß in meinem Hals irgendwie hinunter zu schlucken. Doch, dass Tai nichts darauf antwortete, machte es mir nur umso schwerer. „Was soll das heißen?“, sagte er nach einer gefühlten Ewigkeit des Schweigens. Ich schlug die Augen auf und sah ihn fassungslos an. „Was das heißen soll?“, platzte es viel zu laut aus mir heraus. „Fragst du mich das ernsthaft?“, entgegnete ich nun etwas leiser, doch nicht weniger entsetzt. „Es soll genau das heißen, was ich gesagt habe: du warst ihr Erster. Gott verdammt noch mal.“ Darüber zu fluchen machte es auch nicht besser. Und, dass Tai so gelassen blieb ebenso wenig. Nachdenklich legte er den Kopf schief. „Das wusste ich nicht“, gestand er. „Und diese Tatsache wühlt dich so auf?“ Wären wir nicht zusammen in diesem Badezimmer eingesperrt, wäre mir auf der Stelle der Kragen geplatzt. Wie konnte er nur so gleichgültig darauf reagieren? „Sag mal, willst du mich verarschen?“ Ich spürte, wie die Enttäuschung von Wut überschwemmt wurde und mir die Hitze ins Gesicht trieb. Tai hingegen setzte ein leichtes Grinsen auf und beugte sich zu mir nach vorne, so weit, damit er mein Gesicht berühren konnte. Sanft strich er mir eine Haarsträhne hinters Ohr, während ich ihn unverwandt wütend ansah. Meine Atmung ging viel zu schnell und ich glaubte, dass sogar meine Nasenflügel vor Zorn bebten. „Was habt ihr Mädchen nur immer damit?“, fragte Tai leise. „Womit?“, presste ich unter zusammengebissenen Zähnen hervor. „Weißt du, Mimi … ich finde das alles nicht so wichtig. Für mich zählt es nicht, wer dein Erster war oder wer Soras Erster war. Würde das etwas bedeuten, hieße es, die Vergangenheit würde etwas bedeuten. Doch das tut sie nicht. Wobei …“, sein Grinsen wurde breiter „ich schon gerne dein Erster gewesen wäre.“ Ich spürte, wie meine Wangen rot anliefen – doch diesmal nicht vor Wut. Sondern vor Verlegenheit. „Spielt das denn wirklich eine Rolle für dich? Für mich tut es das nicht. Es hat keine Rolle für mich gespielt, wer der Vater deines Kindes ist und es wird auch keine Rolle für mich spielen, an wen Sora ihr erstes Mal verschwendet hat. Denn glaub mir, das hat sie.“ Ich konnte nicht anders, als leise aufzulachen. So wie er es sagte, klang es plötzlich viel weniger schlimm. Eigentlich klang es total lächerlich, denn aus der Perspektive hatte ich es noch gar nicht betrachtet. Tai vergrub seine Fingerspitzen in meinen Haaren und sein Blick suchte meinen. „Lass die Vergangenheit nicht länger unsere Gegenwart bestimmen, Mimi. Wenn du das zulässt, werden wir nie glücklich sein. Und noch etwas: mir ist es auch völlig egal, wer meine Erste war. Das hat überhaupt keine Bedeutung. Nicht mehr. Aber wir – wir bedeuten etwas. Du wirst zwar nicht mehr meine Erste sein können, aber ich will, dass du meine Letzte bist. Ich liebe dich, Mimi. Und das ist alles was zählt.“ Und mit diesen Worten brach er sämtliches Eis und die Mauer, die wir um uns errichtet hatten. Nahezu gleichzeitig kamen wir aufeinander zu und unsere Lippen verschmolzen zu einem innigen Kuss. Einen Kuss, der mir zeigte, dass er recht hatte. Dass alle Worte wahr waren, die er gesagt hatte. Denn genau so sollte es sein – die Vergangenheit durfte keine Rolle mehr spielen. Nicht, wenn wir beide miteinander glücklich werden wollten. Tai brachte mein Herz immer noch zum höherschlagen und ich wollte dieses Gefühl für nichts in der Welt aufgeben. Nicht für die Vergangenheit, nicht für die Fehler, die wir begangen hatten und schon gar nicht für Sora. Tränen bahnten sich ihren Weg meinem Gesicht entlang, woraufhin Tai im Kuss innehielt. „Du sollst doch nicht weinen“, sagte er und strich mir liebevoll über die Wange. „Tut mir leid“, wisperte ich lächelnd und versuchte mir die Tränen wegzuwischen, doch sie rannen unaufhaltsam weiter. „Komm her.“ Tai zog mich fest an sich und umschloss mich mit seinen Armen. Wie hatte ich ihn vermisst … und das alles hätte ich fast aufgegeben. Wegen eines weiteren dummen Geheimnisses, dass mich nicht betraf. Ich durfte Soras Probleme nicht zu meinen werden lassen und schon gar nicht durfte ich von ihnen unsere Beziehung bestimmen lassen. Wir mussten endlich nach vorne blicken und nicht zurück. Beruhigend streichelte Tai mir übers Haar, während ich mich an ihn klammerte und seinen unvergleichlichen Duft einatmete, der mir so sehr gefehlt hatte. „Geht’s wieder?“ Ich nickte und löste mich langsam von ihm. „Es tut mir leid.“ Tai grinste. „Was denn?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Alles?“ „Muss es nicht, ist schon gut“, lachte er leise auf. „Ich war an unserem Streit ja auch nicht ganz unschuldig. Es tut mir leid, dass sie unser Wochenende kaputt gemacht hat.“ Ich rollte mit den Augen. Ich wollte nicht mehr daran denken, nie wieder. Zumindest nicht an den Streit. An alles andere schon. „Wir könnten das ja irgendwann wiederholen“, säuselte ich und fuhr mir durchs Haar, während ich ihm einen verführerischen Blick zuwarf. „Hört sich nicht schlecht an“, erwiderte Tai amüsiert und beugte sich nach vorn, um mich erneut zu küssen. Seine Lippen endlich wieder auf meinen zu spüren, war definitiv das Beste in den letzten Tagen. Er zog mich noch enger an sich, während unser Kuss immer inniger und verlangender wurde. Mein Unterleib zeigte mir deutlich, wie sehr ich mich nach ihm gesehnt hatte. Doch als seine Hand unter meinen Pullover glitt, schob ich ihn sachte von mir. „Du vergisst wohl, wo wir sind?“ Er grinste. „Ach, das dauert sicher noch Stunden da draußen.“ Plötzlich musste ich kichern, als mir wieder bewusst wurde, an welchem Ort wir uns hier befanden und warum wir eigentlich hier waren. „Wie kann man eigentlich hier landen?“ Tai zog eine Augenbraue nach oben. „Was meinst du?“ „Na ich meine Kari … wie ist sie überhaupt hierhergekommen? Mit dem Zug? Haben die hier überhaupt einen Bahnhof?“ Tai zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber wahrscheinlich hat sie ihr Sparschwein geplündert, um hierherzukommen.“ „Daran bist nur du schuld!“, meinte ich und zeigte anklagend mit dem Finger auf seine Brust. „Wie bitte?“ „Hättest du nicht so furchtbar kindisch und unreif reagiert, säßen wir jetzt nicht hier.“ „Du meinst hier, in dieser wunderbar gemütlichen Badewanne?“ Tai verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich gemütlich zurück, als wäre das hier gerade der reinste Luxusurlaub. Ich grinste breit. „Du Spinner.“ Dann sprang ich aus der Badewanne und schlich zur Tür, um sie leise zu öffnen. „Was hast du vor?“, fragte Tai. „Vor allem habe ich vor, heute noch zurück nach Hause zu meiner Tochter zu kommen. Und natürlich möchte ich unsere Versöhnung feiern.“ Ich warf ihm einen vielsagenden Blick über die Schulter zu, den Tai nur allzu gern erwiderte. Langsam öffnete ich die Tür einen Spalt breit und versuchte ein paar Worte zu erhaschen. „Lauschen gehört sich nicht, Mimi“, tadelte mich Tai von hinten, doch das quittierte ich nur mit einem Zischen. „Ssscht!“ Kurentschlossen stieg Tai aus der Wanne und kam zu mir rüber geschlichen, um ebenfalls ein Ohr an die Tür zu legen. „Wie war das? Lauschen gehört sich nicht?“ „Ssscht!“, kam es diesmal von ihm und ich musste grinsen. Natürlich war er genauso neugierig wie ich, was sich da draußen ohne uns abspielte. „Was willst du jetzt machen?“, hörte ich Takeru sagen. Ich warf einen Blick durch den Türspalt und konnte sehen, wie beide auf dem Bett saßen und er ihre Hand hielt. „Ich weiß nicht so recht“, gestand Kari ihm schulterzuckend und blickte traurig zu Boden. „Ich denke, ich muss mich so langsam dem allen stellen. Das bin ich mir selbst schuldig. Und dir. Und allen, die ich angelogen habe. Oh, und deiner Freundin natürlich. Ich wollte nie, dass das zu so einer großen Nummer wird.“ Karis Stimme klang so aufrichtig und in dem Moment war ich unheimlich stolz auf sie. „Jaah, was das angeht …“ Takeru kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Das hat sich erledigt.“ Erschrocken sah Kari auf. „Was meinst du damit, das hat sich erledigt?“ „Na ja“, sagte Takeru „sie hat gestern noch mit mir Schluss gemacht.“ „Was? Oh mein Gott.“ Kari schlug entsetzt die Hände vor den Mund. „Das wollte ich nicht. Es tut mir so leid, das ist alles meine Schuld! Ich werde mit ihr reden und ihr sagen, dass das alles vorbei ist und …“ „Kari, komm mal runter“, unterbrach Takeru sie und versuchte sie zu beruhigen. „Die Sache ist endgültig, glaub mir. Und wahrscheinlich ist es sogar besser so. Auch unsere Beziehung hat von Anfang an auf einer Lüge beruht. So was hat nun mal keine Zukunft – selbst wenn wir jetzt noch mal von vorne anfangen würden. Ich wusste schon lang, dass es irgendwann so enden würde, also … habe ich mich bereits damit abgefunden. Und für sie ist es das Beste, wenn wir uns erst mal nicht sehen.“ „Oh, dieser Samariter“, nuschelte Tai genervt hinter mir, woraufhin er einen leichten Tritt gegen sein Schienenbein kassierte. Kari antwortete nicht, starrte ihren besten Freund nur weiter fassungslos an. Ich konnte sehen, wie sie schlucken musste. „Das … okay … das war mir nicht bewusst. Ich fühle mich trotzdem irgendwie schuldig.“ Takeru schüttelte bedacht den Kopf. „Muss es nicht. Ich alleine bin daran schuld. Es war meine Idee und ich habe diese Lüge immer vorn angestellt, weil ich wollte, dass es dir gut geht. Das war mir immer wichtiger als alles andere. Dich trifft also keine Schuld, Kari.“ Oh, mein Herz ging bei diesen Worten auf. Ich konnte sehen, wie Kari ihn ansah. Welche Blicke sie ihm zuwarf … War das etwa der Moment, in dem sie ihm endlich alles gestehen würde? „T.K., hör mal, ich muss dir noch etwas sagen“, begann sie zaghaft und ich drückte innerlich schon die Daumen. „Was? Was sagt sie? Was machen sie da?“, fuhr Tai leise dazwischen und presste sein Ohr noch enger an die Tür. „Ssscht!“ „Na ja, eigentlich ist es eher eine Beichte …“, fuhr Kari fort. Oh, mein Gott, wurde sie da etwa gerade rot? „Was ist denn da draußen los? Verdammt, ich höre überhaupt nichts mehr“, fluchte Tai weiter vor sich hin. „Ssscht!“ „Jetzt sag schon, Mimi. Was machen die da?“ „Verflucht noch mal, jetzt sei endlich ruhig“, motzte ich ihn an und trat erneut gegen sein Schienenbein. „AUA“, jaulte Tai plötzlich auf und krümmte sich. Kari sah erschrocken auf und in unsere Richtung. „Was war das?“ Oh je. Erwischt. Takeru begann nervös zu lachen und sprang vom Bett auf. „Ehm … das war … sei jetzt bitte nicht böse, aber ich …“ Tai drückte die Tür zum Badezimmer auf. „Hallo, Schwesterchen“, sagte er, während ich neben ihm verlegen grinste. „Ich bin nicht allein gekommen“, beendete Takeru unnötigerweise seinen Satz, als Kari auch schon aufsprang. „Was macht ihr denn hier?“ Dann wurde sie rot. „Habt ihr etwa die ganze Zeit gelauscht?“ „Nicht die ganze Zeit“, gestand ich nervös kichernd. Oh man, wie peinlich … Kari verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte ihren Bruder wütend an, als der einige Schritte auf sie zukam. „Ich will jetzt nicht mit dir reden.“ „Und wann dann?“, entgegnete Tai zum Glück recht gelassen und versteckte die Hände in den Hosentaschen. „Willst du für immer hier in dieser Einöde bleiben und dich in diesem Motel verstecken?“ „Ja, vielleicht“, sagte Kari ein wenig trotzig. „Ich habe gehört, dass ein paar Kilometer weiter eine Schule ist. Ich müsste zwar dort hinlaufen, weil kein Bus von hier fährt, aber denkbar wäre es. Ist zumindest alles besser als deine Reaktion von gestern. Wobei, warte … im Grunde war ja die einzige Reaktion, dass du T.K. eine verpasst hast.“ Wow. Kari war wirklich wütend auf Tai. Konnte man ihr nicht verdenken. Tai hatte komplett überreagiert und dann auf ihr Geständnis noch nicht mal das Geringste geantwortet. Ich konnte verstehen, wie verunsichert sie sich ihm gegenüber fühlen musste. Tai stöhnte kurz auf und fuhr sich gestresst durchs Haar. „Okay, das habe ich wohl verdient“, sagte er einsichtig. „Aber irgendwann musst du mit mir reden. Das bist du mir schuldig. Und ich verspreche dir, du darfst reden, solange du willst – und ich höre einfach nur zu. Ich werde dich nicht unterbrechen, bis du alles gesagt hast, was du zu sagen hast.“ Kari blieb jedoch versteinert, während Tai noch einen Schritt auf sie zuging. „Bitte, Kari. Ich möchte einfach nur meine kleine Schwester zurück. Mehr nicht.“ In dem Moment wäre ich fast geplatzt vor Stolz. Dieser Holzklotz konnte ja doch auch anders, wenn er wollte. Schließlich ließ Kari die Schultern sinken und löste sich aus ihrer Starre. „Na, gut“, sagte sie versöhnlich und warf mir und Takeru einen kurzen Blick zu. „Wir machen einen Spaziergang. Ist das in Ordnung?“ Ich nickte eifrig. „Aber natürlich.“ Kari verzog die Lippen zu einem zuversichtlichen Lächeln. Tai zwinkerte mir zu, während ich ihm zum Abschied ein „Viel Glück“ zu murmelte, als beide schließlich das Zimmer verließen. Hoffentlich konnten sie endlich über all das reden, was schon längst überfällig war. Etwas ratlos sah Takeru sich erst im Zimmer um und dann mich an. „Und … was machen wir jetzt?“ Ich legte den Kopf schief und überlegte. Gute Frage. Was zur Hölle macht man an so einem Ort? Vieles fiel mir nicht ein, aber … „Eigentlich kann man hier nur eins machen“, flötete ich und sprang aufs Bett, um das Telefon vom Nachttisch zu nehmen. Zwei Stunden später schmiss ich das letzte Stück Pizzarand in die leere Schachtel und rieb mir den prall gefüllten Bauch. „Puh, ich platze gleich“, sagte ich und stieß schwer die Luft aus. So viel hatte ich lange nicht gegessen. Takeru saß mit ausgestreckten Beinen neben mir auf dem Bett und aß immer noch an seinem letzten Stück Käsepizza. „Ich wusste nicht, dass du überhaupt so viel essen kannst“, grinste er anerkennend. „Ich auch nicht“, gestand ich und rutschte weiter am Rückenteil des Bettes hinab, während ich im TV irgendeine Reality Show verfolgte. „Ist das nicht unfassbar? Die haben nicht mal eine Schule hier, aber einen Pizzaservice und Kabel TV“, überlegte ich laut. „Stimmt, das wundert mich auch“, lachte Takeru. „Die zwei sind schon ziemlich lange weg, was?“ „Ja, schon. Sie haben sicher viel zu reden.“ Ich rutschte noch etwas tiefer in die Kissen. „Meinst du, Tai hat Verständnis für Karis Situation?“ „Ich denke schon“, sagte ich gähnend. „Er ist schließlich ihr Bruder.“ Takeru lachte leicht. „Stimmt. Meiner hatte es jedenfalls.“ „Hmm …“ „Du, Mimi?“ „Mmh?“ „Meinst du, sie vertragen sich wieder?“ „Wer?“ „Na, Tai und Matt.“ „Mmh, aber klar doch.“ Ein weiteres Gähnen verließ meine Kehle. Gott, machte diese riesen Pizza müde. „Mimi?“, fragte Takeru erneut. „Mmh?“ „Schläfst du?“ „…“ Ich hörte nur noch, wie er leise lachte und mich dann zudeckte. Das Nächste, was ich wahrnahm war Tais Stimme, die dumpf an mein Ohr drang. Träumte ich gerade? „Was? Ihr habt das alles aufgegessen?“ Irgendwie klang er entsetzt. „Na ja, was heißt ihr? Mimi hat das Meiste davon verputzt“, meinte Takeru. „Wow“, sagte Tai und ich spürte, wie zwei Arme sich unter mich schoben. „Kein Wunder, dass sie schläft wie ein Stein.“ Ich driftete wieder ab, doch sein Duft und die kühle Luft von draußen weckten mich wieder auf. Seufzend kuschelte ich mich an ihn. „Was ist passiert?“, fragte ich zutiefst entspannt und zufrieden, während Tai mich auf seinen Armen über den Parkplatz trug. „Was passiert ist?“, hakte er amüsiert nach. „Du hast dich ins Koma gefressen, das ist passiert.“ Ein Schmunzeln huschte über meine Lippen, als er seinen Griff verstärkte und ich mich so noch enger an ihn schmiegen konnte. „Wo gehen wir hin?“, fragte ich noch ganz verschlafen. „Wir fahren nach Hause.“ „Jetzt schon?“ Tai lachte und stellte mich auf die Beine, als er vor dem Auto stehen blieb. Dann öffnete er die Tür und ich setzte mich auf den Beifahrersitz. Als er die Tür zuschlug fröstelte ich leicht. In seinen Armen hatte ich mich deutlich wohler gefühlt. „Was ist mit Kari und T.K.? Kommen sie nicht mit?“, fragte ich, als Tai sich auf den Fahrersitz niederließ. Er schüttelte den Kopf. „Unsere Eltern sind noch zwei Tage weg und sie wollte gerne mit T.K. noch etwas hierbleiben und wandern gehen. Ich hole sie dann wieder ab.“ Wandern gehen, so so. Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. „Habt ihr euch ausgesprochen?“ „Haben wir. Und es war wirklich … aufschlussreich.“ Tai lächelte zaghaft, legte die Hände ans Lenkrad und startete den Motor. Wir fuhren vom Parkplatz des Motels und ich war froh, von hier wegzukommen. „Ich hoffe, du hast dich bei ihr entschuldigt“, meinte ich und sah ihn neugierig an, während Tai den Weg nach Hause ansteuerte. „Natürlich. Für gestern und auch dafür, dass ich nicht schon eher bemerkt habe, dass etwas mit ihr nicht stimmt.“ „Mmh, Kari kann so was gut verstecken. Aber ich denke, sie musste sich erst mal selbst einiges bewusst werden, bevor sie dazu stehen konnte.“, pflichtete ich ihm bei. „Ja, das denke ich auch. Egal, was sie jetzt machen wird, ich werde auf jeden Fall hinter ihr stehen“, sagte Tai entschlossen. Genau so kannte ich ihn und so gefiel er mir am besten. Ich war so froh, dass endlich alles zwischen den beiden geklärt war und es nun auch zwischen ihnen keine Geheimnisse mehr gab. Zufrieden seufzte ich und warf ihm einen verliebten Blick zu, während ich mich in den Sitz sinken ließ und den Kopf zurücklehnte. „Was hast du?“, fragte Tai grinsend, der natürlich mitbekam, wie ich ihn ansah. „Das ist Liebe … Ich meine, bedingungslos an der Seite eines anderen stehen. Das ist Liebe, Tai.“ Mein ganzes Herz war so sehr davon erfüllt, dass es schon fast unheimlich war. Hätte mir gestern jemand gesagt, dass ich mich heute so fühlen würde, hätte ich es nicht geglaubt. Doch unsere Liebe war stärker als ich bis zu diesem Tag gedacht hatte. Sie war so mächtig und konnte so hell leuchten, wenn wir sie nur ließen. Sie konnte alle Probleme in den Schatten stellen. Denn was wirklich wichtig war, war nicht unsere Vergangenheit oder was andere Leute über uns dachten. Was wichtig war hatten wir genau hier und jetzt. Und zwar uns. Tai lächelte und griff nach meiner Hand, um unsere Finger miteinander zu verflechten. „Ja, das ist Liebe.“ „How do you spell love?“ – Piglet „You don’t spell it. You feel it.“ – Pooh Winnie the Pooh Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)