Valentinstag - Ein Geschenk mit Hindernissen von Daemion (... eine Charlie Weasley Geschichte) ================================================================================ Kapitel 1: 12. Februar 1992 --------------------------- Unruhig warf Charlie Weasley die langen roten Haare zurück, bevor er mit einer fahrigen Geste seiner gespreizten Finger durch eben diese hindurch strich. Seit ungefähr zwei Stunden starrte er wiederholt nervös auf die bunte Karte auf seinem runden Küchentisch, die er an diesem Morgen von der Eulenpost erhalten hatte. Es war eine Einladung seiner Familie. Seit seinem Schulabschluss im Juni 1991 war knapp ein halbes Jahr vergangen. So lange hatte er niemanden mehr aus seiner Sippschaft gesehen. Und jetzt luden sie ihn zu sich nach Hause ein. Ausgerechnet am Valentinstag! Nicht, dass er romantische Pläne für diesen Tag gehegt hätte … doch wer sollte sich in der Zeit seiner Abwesenheit um seine Drachen kümmern? Hier in Rumänien war es nicht einfach, kurzfristig jemanden aufzutreiben, dem er seine Arbeit auf’s Auge drücken konnte. Insbesondere nicht an besonderen Tagen, wie eben der 14. Februar einer war. Schließlich hatten die meisten Menschen mit Familie und Freunden zu solchen Ereignissen eigene Pläne. Die Reise über das Meer auf einen anderen Kontinent würde kein Problem darstellen, schließlich gab es Portschlüssel, mit denen man bequem, allein durch Handauflegen, von einem Land zum nächsten wechseln konnte. Doch einen Ersatz für ihn zu finden, das war die eigentliche Herausforderung, der er sich stellen musste. Seufzend wanderte sein Blick zu seiner bescheidenen Küche in Form einer Arbeitsplatte, eines Waschbeckens, zwei Hängeschränken und zwei Herdplatten. Angenommen, er fand eine Person, die sein Aufgabenfeld übernahm, wie zum Teufel sollte er eine selbstgebackene Aufmerksamkeit mit derart wenig Equipment zustande bringen? Ihm fehlte es eindeutig an einer gescheiten Kücheneinrichtung, geschweige denn, einem Ofen - ein Gerät, das sozusagen im Mittelpunkt seiner Pläne stand und das an der Ausführung seiner Ideen, nicht, dass er bereits welche hätte!, maßgeblich beteiligt wäre. Mit verschränkten Armen starrte er finster auf sein Hab und Gut: eine Pfanne, ein Wasserkocher und zwei Töpfe. Nein, ausgeschlossen. Sollte er etwas Sinnvolles zubereiten wollen, dann nicht in dieser Küche! Nur … Wo dann? Während der Neunzehnjährige seinen trüben Gedanken nachhing, klopfte es an die Tür der kleinen Hütte. Für ihn klangen die Knöchel gegen das Holz wie Donnerschläge - sie rissen ihn augenblicklich aus sämtlichen Grübeleien. Gelassen trat er zum Eingang seines Häuschens und öffnete die Haustür einen Spalt breit. Ein blassgraues, gerötetes Auge, in einem ungesund bleichem Gesicht, lugte ihm aus dem Schlitz entgegen. Über den beinahe weißen Dreitagebart seines Besuchers, der den Weasley-Jungen um mindestens einen Kopf überragte, huschte ein flüchtiges Lächeln. „Philipp!“ Charlie riss die Tür auf und umarmte seinen Besucher herzlich. „Dich habe ich seit Monaten nicht mehr gesehen!“, lachte er. Charlie hatte sich große Sorgen gemacht, da niemand eine Ahnung gehabt hatte, was aus Philipp Jonsson nach dessen Verschwinden geworden war. Und jetzt stand er in Fleisch und Blut vor ihm! Schüchtern lächelte Philipp seinem Bekannten entgegen. „Einer der Drachen hat es ernst gemeint, Weasley.“, gestand der schlaksige, junge Mann mit hörbar rumänischem Akzent, „Drei Wochen habe ich in einer verdammten Höhle festgesteckt. Ich dachte, mein letztes Stündlein hat geschlagen!“ Charlie trat bei Seite, um seinen Gast einzulassen. „Komm erst mal rein. Willst du einen Tee?“ “Yeah. Hast du Kandis?“ “Klar doch.“ Sein Besucher wirkte deutlich ausgemergelter, als er ihn in Erinnerung hatte. Charlie bot ihm einen Platz an seinem kleinen, provisorisch stabilisiertem Küchentisch an. Mit einer flüssigen Bewegung nahm er die Karte seiner Familie von der Tischplatte herunter und steckte sie sich beiläufig in die hintere Jeanshosentasche. “Post?“, erkundigte sich Philipp neugierig. Ein schiefes Grinsen zog sich über das kantige Gesicht des Animagus. Seufzend nickte Charlie, während er ihm eine Keramiktasse mit kleinen fliegenden, schwarzen Drachen als Zierde aus dem Schrank holte und den Wasserkocher auf den Herd stellte. Während Charlie nach der Tasse griff, stoben die Drachen empört auseinander. „Meine Familie. Ich soll über Valentinstag nach Hause kommen.“ Philipps Grinsen vertiefte sich, dabei wirkte er jedoch gewohnt unsicher. „Das sind doch gute Neuigkeiten? Wann willst du los?“ “Genau das ist das Problem. Ich kann nicht fort von hier.“ Das Lächeln auf Philipps Gesicht verschwand. „Wieso nicht?“, hakte er irritiert nach. “Wer glaubst du, erledigt in der Zwischenzeit meine Arbeit?“ Sein Gast schmunzelte. Mit blitzenden Augen schaute er seinen Freund an. „Zufällig kenne ich da jemanden, der dafür in Frage käme …“ Kapitel 2: 13. Februar 1992 --------------------------- Am nächsten Tag war Charlie in London unterwegs. Er streifte durch die Einkaufsgassen der englischen Hauptstadt, auf der Suche nach Zutaten für seine Valentinstagsgeschenke. Er konnte von Glück sprechen, dass Philipp sich bereit erklärte, die Aufgaben des Weasleys für die nächsten Tage zu übernehmen. “Ich brauche gerade eh eine Auszeit“, hatte der Hellhaarige gelassen verkündet und sich dabei auf dem Stuhl zurück gelehnt. „Mach dir keine Sorgen. Ich kümmere mich um alles. Nur neues Essen musst du dir mitbringen. Während du weg bist, wohne ich in deiner Hütte.“ Charlie, der sich ein Leben lang fast alles mit zu vielen Geschwistern teilen musste, machte das herzlich wenig aus. Im Gegenteil würde er in eine durchgeheizte Hütte zurückkehren, denn einmal abgekühlt, dauerte es ansonsten ewig, bis es in den eigenen vier Wänden wieder erträglich warm wurde. Nachdem Charlie in einer abgelegenen Gasse apparierte, schlug ihm die stinkende Stadtluft entgegen - die sich komplett von der Luftqualität in Rumänien unterschied. Da er jetzt längere Zeit im Norden gelebt hatte, fiel ihm diese Veränderung, samt des Lärms, mit als Erstes auf. Der junge Weasley wollte sich nicht beschweren, schließlich plante er, anlässlich des bevorstehenden Festtages, einen Besuch bei seiner Familie. Was genau er zubereiten wollte, wusste er noch nicht. Er hoffte, dass ihm die Ideen kamen, sobald er einmal in den bunten und abwechslungsreichen Einkaufsstraßen unterwegs war. Tatsächlich strömten unglaublich viele Eindrücke und Möglichkeiten auf ihn ein, als er an Süßigkeitsläden, Bäckereien und Buchhandlungen, in denen Back- und Kochbücher, passend zum baldigen Valentinstag, in den Schaufenstern dekoriert worden waren, vorüberging. Doch nichts von all dem schien geeignet dafür, was ihm vorschwebte. Nachdenklich hielt er vor einer Buchhandlung inne, ein Buch in der Hand, das, zusammen mit einigen anderen Büchern, rund um das Thema, auf einem Verkaufstisch mit dem Banner ‚reduziert!’ platziert worden war. Er rechnete nicht damit, von jemandem gesehen worden zu sein, der versucht unbemerkt das Weite suchte und bei seiner Flucht gegen jemand anderen mit einem Becher heißem Milchkaffee stieß. “Hey, pass doch auf!“, schimpfte der Kaffeebesitzer erbost, wobei er einen Schritt zurück trat. “Verflixt!“, schimpfte Percy Weasley, über und über mit heißem Kaffee übergossen. Hastig versuchte jener die heiße Flüssigkeit von der schicken Kleidung zu streifen. Charlie bekam spitze Ohren - diese Stimme kannte er doch? Augenblicklich sah er von seiner Lektüre auf, um niemand anderen als seinen Bruder, unweit von sich, stehen zu sehen. „Percy!“, grinste der 19-Jährige schief, hin- und hergerissen zwischen der Freude, ein bekanntes Gesicht zu erblicken und dem Gefühl, nun ja, auf Percy zu treffen. Geradewegs hielt er auf den vier Jahre jüngeren Bruder zu. Ungewollt hatte er das Buch, das er soeben betrachtet hatte, unter die Achsel geklemmt. Percy hatte scheinbar die Spendierhosen an, denn er drückte dem wütenden, kaffeelosen Mann - ohne Protest! - eine 5 Pfund Note in die ausgestreckte Hand. Eigentlich wollte er schnell weiter, damit Charlie nicht auf ihn aufmerksam wurde, doch das lief augenscheinlich schief. “Du siehst ja witzig aus! Eine Kaffeemaske mitten auf der Einkaufsstraße? Ist der Zeitpunkt nicht ein wenig … ungelegen?“ “Haha, witzig!“, spie Percy zischend aus. Netterweise hatte der dicke Mann ihm, bevor er gegangen war, seine Servierten in die Hand gedrückt, die er aktuell benutzte, um sich die Kleidung und die durch das heiße Getränk leicht gerötete Haut trocken zu tupfen. „Der kann froh sein, dass ich ihn nicht die Reinigung bezahlen lasse …“, murrte Percy, in Ärger darüber, weder eine Entschuldigung, noch einen Dank für die Erstattung erhalten zu haben. „Percy, wie er leibt und lebt!“ Charlie machte Anstalten, den Bruder zu umarmen, besann sich jedoch, auf die letzten Zentimeter zwischen ihnen, anders. „Ich würde dich in die Arme schließen, lieber Bruder, aber offen gestanden, bist du mir zu bekleckert. Nichts für ungut.“ Der Brillenträger gab einen abfälligen Laut von sich. Seine feine Kleidung war ruiniert! Nun musste er nach Hause, sich umziehen. “Was tust du hier?“, erkundigte sich Charlie. Dann kräuselte er die Stirn. „Müsstest du nicht in Hogwarts sein?“ Percy nickte und sah seinem älteren Bruder herablassend in die Augen. „Stimmt. Tatsächlich habe ich die Erlaubnis von Professor Dumbledore, denn das, was ich suche, finde ich nur hier.“ “Was suchst du denn?“, erkundigte sich Charlie neugierig, doch die Antwort würde er nie erfahren, denn eine erzürnte, schlanke, jedoch erstaunlich kräftige Hand wirbelte ihn an der Schulter herum. Verblüfft schaute der ältere Weasley in das schmale Gesicht einer jungen Frau. “Gwenog Jones!“, hauchte er fassungslos. Vor ihm stand Gwenog Jones, Treiberin der Holyhead Harpies. Bei ihr handelte es sich um eine Berühmtheit unter den Zauberern - nicht nur deswegen, weil ihr Gesicht auf den Schokofrosch-Karten der Sammelreihe berühmter Hexen und Zauberer abgebildet war. “Zufällig habe ich dich gesehen, wie du das hier klauen wolltest!“ Sie deutete aufgebracht auf das Buch unter Charlies Achsel. Überrascht schaute jener an sich herab, scheinbar über den Umstand erstaunt, überhaupt erst Achseln zu besitzen. „Oh.“ Gehässig lachend nutzte Percy die Situation, um sich aus dem Staub zu machen. „Viel Glück!“, wünschte er ihm spöttisch, schien allerdings auch keine Anstalten zu machen, das Missverständnis vor Jones aufklären zu wollen. Vermutlich sah er dieses Dilemma als Karma für die Einmischung seines Bruders in sein Missgeschick an. „Du hast doch sicher vor, das hier zu bezahlen?“, bohrte Gwenog weiter. “Das … war ein Versehen.“, beteuerte Charlie entschuldigend lächelnd. „Ich bringe es sofort zurück …“ Als er sich umschaute, war Percy verschwunden. Während er, von Gwenog Jones eskortiert, durch die Buchhandlung schritt, betrachtete er die bunten Seiten des Rezeptbuches in seiner Hand und entschied, es zu kaufen. Als die Kassiererin das Buch in eine Papiertüte packte, nahm Gwenog es, Charlie anstatt, entgegen. Charlie wusste im ersten Augenblick nicht, wie er darauf reagieren sollte. Sie holte es aus der Tüte heraus, zückte einen Filzstift und schrieb etwas auf die Innenseite des Buches. Bevor Charlie an ihr vorbeischauen konnte, um in Erfahrung zu bringen, was sie da tat, klappte sie es abrupt zu und ließ es in die Tüte zurück gleiten. Sie reichte sie wortlos an Charlie weiter. “Das nächste Mal,“ mahnte Jones, nachdem beide ins Freie getreten waren, „Passt du besser auf, Charlie Weasley.“ Sie zwinkerte ihm grinsend zu und wurde im nächsten Moment von der Menschenmenge verschluckt. Fassungslos blickte Charlie ihr nach, bis sie außer Sichtweite war. Die erste Bestandsaufnahme ergab: Charlie besaß jetzt ein Koch- und Backbuch. Das war schon mal ein Schritt weiter, als noch vor fünfzehn Minuten! Gut an der aktuellen Situation war, nun brauchte er sich nur noch für ein Rezept aus seinem Buch zu entscheiden. Schlecht war, ihm fehlten sämtliche Zutaten für möglichen Gerichte, sowie eine benutzerfreundliche Küche. Er brauchte Hilfe. Er brauchte … eine Küche. Wen könnte er von seinen alten Bekannten um Hilfe bitten? Bei wem standen die Chancen gut, ihm unterstützend zur Seite zu stehen? Grübelnd lief Charlie durch die Einkaufsmeile. An einem sympathisch gestalteten, kleinen Café hielt er inne. Ja, das brauchte er jetzt- einen heißen Espresso! Er betrat das kleine, hell eingerichtete Café, woraufhin am Eingang über ihm ein kleines Glöckchen läutete, um sein Betreten anzukündigen. Begrüßt wurde er von einer freundlich lächelnden, schwarzhaarigen Dame mittleren Alters. Trotz ihrer kleinen Körpergröße, hatte sie eine enorme Ausstrahlung. „Buongiorno, mio signor. Wie kann ich Ihnen weiter helfen?“, wollte die schlanke Italienerin mit dem Pferdeschwanz wissen. „Ich suche einen Tisch für eine Person.“, antwortete Charlie. “Signore, la prego, folgen Sie mir.“ Zielstrebig wies sie Charlie einen Einzeltisch zu, drückte ihm die Speisekarte in die Hand und versprach, seinen Wunsch in wenigen Minuten entgegen zu nehmen. Charlie setzte sich und studierte die Karte, in der viele bunte Fotoaufnahmen der in diesem Café erhältlichen Gerichte abgebildet waren. Wie versprochen tauchte die Dame kurze Zeit später neben ihm auf und notierte seinen Espresso. „Stanno portando da espresso." “Grazie.“, brachte Charlie brüchig in einem akzentreichen Italienisch hervor. Sie verließ den Tisch, während der Neunzehnjährige seinen Gedanken nachhing. Es dauerte nicht lange, da kam die Dunkelhaarige, samt des bestellten Heißgetränks, zurück an seinen Tisch. „Sie sehen bekümmert aus.“, stellte sie sachlich fest, als sie den Espresso abstellte. „Dabei sind Sie noch so jung.“ Charlie lächelte über die großzügige Aufmerksamkeit der Kellnerin. “Ich komme aus Rumänien und möchte meine Familie besuchen.“ “Ah, la famiglia, sì.“ “Bald ist Valentinstag und ich möchte einer besonderen Person etwas backen. Leider habe ich keine Küche.“, gestand Charlie, obwohl es ihm, auf Grund der besonderen Umstände, peinlich war, diese Tatsache einzugestehen. Jeder besaß heutzutage eine Küche. “Geschenk kaufen?“, schlug die Kellnerin vor. “Das ist nicht dasselbe.“ Aus seinem Rucksack zog er das neu gekaufte Buch hervor. „Ich würde gerne etwas Besonderes backen.“ Sie nickte verständnisvoll. „Capisco. Darf ich?“ Ohne auf seine Antwort zu warten, nahm sie ihm gegenüber auf einem Stuhl, der zu einem anderen Tisch gehörte, rückwärts Platz. Mit ihren schlanken Händen griff sie über den Tisch hinweg nach der Speisekarte. Sie blätterte mit ernster Miene darin und deutete auf ein Gericht. “Das ist besonders.“, beteuerte sie überzeugt. Aus Höflichkeit schaute Charlie nach, auf welches Gericht sie zeigte, im Anschluss blickte er sie wieder an. „Das sieht großartig aus.“, bedankte er sich bei ihr und meinte es tatsächlich so. Obwohl er das Foto, auf das sie deutete, nur knapp betrachtet hatte, kam ihm das Gebäck darauf irgendwie bekannt vor … „Nur leider ändert es nichts daran, dass es mir an einer Küche fehlt.“, fand Charlie den wesentlichen Faden, nach kurzem Stocken, wieder. Zerknirscht wandte er den Blick ab. „Bitte warten Sie einen Moment.“ Sie nahm ihr Handy zur Hand. Noch während sie innerhalb eines mehrminütigen Nachrichten-Verlaufs eine SMS tippte, kam ihm eine Idee. Zeitgleich wurde die Dame fertig und steckte ihr Handy zurück in ihre Schürze. In ihrem Gesicht konnte man erkennen, dass sie ihrem letzten Schriftkontakt nachhing und scheinbar nach den richtigen Worten suchte. Sie setzte gerade zum Sprechen an, da unterbrach Charlie sie aufgeregt. “Molte grazie buona donna.“ Er verschwendete keine Zeit, um auf ihre Reaktion zu warten, sprang auf, bedankte sich überschwänglich bei ihr, zahlte seinen unberührten Espresso und stürzte aus dem Café hinaus. Die Dunkelhaarige blickte ihm verblüfft nach. Bevor er sich mit den nächsten Arbeitschritten überschlug, musste Charlie seine Gedanken neu sortieren. Ihm war eine Idee gekommen, wie er seine Probleme auf einen Schlag lösen konnte - weswegen er nicht vorher daran gedacht hatte, war ihm im Nachhinein schleierhaft! Schnell kaufte er in der Muggelstadt jene Zutaten ein, die er für das Gebäck seiner Träume brauchte. In seinem Buch war der Kuchen aus der Karte des Cafés abgebildet gewesen, deswegen war es ihm bekannt vorgekommen! Er besaß zufällig das richtige Rezept! Anschließend schlich er, verstohlene Blicke über die Schultern werfend, bepackt mit zwei dicken Einkaufsbeuteln in eine leere Gasse zwischen zwei alte Gebäude. Ein Passant wurde auf den Neunzehnjährigen aufmerksam, weil dieser merkwürdig zielstrebig die Gasse anvisierte. Neugierig, was denn dort Interessantes zu finden sein würde, lugte er in den Durchgang hinein. Verwundert kratzte er sich am Kopf. Er hätte schwören können, dass der rothaarige Mann eben hier hinein gegangen war. Doch er schien auf mysteriöse Weise verschwunden zu sein. Mit einem lauten POFF apparierte Charlie in Hogsmeade. Von dort aus machte er sich auf den Weg nach Hogwarts, das von dort aus fußläufig erreichbar war. Einer der ersten, alten Bekannten, denen er begegnete, war der Wildhüter Rubeus Hagrid. Freudig begrüßte Charlie den Halbriesen und tauschte ein paar nette Worte mit ihm aus. Hagrid hatte es leider eilig, jedoch schaffte es Charlie kurzfristig, ihn dazu zu bewegen, ihm seine Küche auszuleihen. Nicht lange danach betrat der Neunzehnjährige vorsichtig Hagrids Hütte. Die einzige Person, die außer ihm anwesend war, war der Hund Fang, der müde seinen Kopf hob. Ein wenig ratlos stand Charlie neben Fang, welcher ihn skeptisch von seinem Liegeplatz aus musterte, jedoch keine Anstalten machte, sich von eben diesem zu erheben, um den Eindringling zu vertreiben. Der junge Weasley durchsuchte Hagrids Haus nach einer Schüssel, konnte allerdings keine finden. Genauso wenig einen Backofen. Hagrid schien kein großer Hobbybäcker zu sein. Allmählich schwand seine Hoffnung, dass er sein Vorhaben jemals würde in die Tat umsetzen können. Die Zeit wurde knapp, am nächsten Morgen war Valentinstag. Während er zuerst seinen trüben Gedanken nachhing und schließlich über deren Lösung nachgrübelte, klopfte es an Hagrids Haustür. Zeitgleich mit Fang schaute er zur Tür hinüber. Sollte er, wen auch immer, hineinlassen? Schließlich war er nicht der Hausbesitzer. „Hagrid?“ Eine Mädchenstimme. Charlie öffnete ruckartig die Tür. Vor sich sah er ein verschüchtertes, blondes, pausbäckiges Mädchen stehen, das vor Schreck einen Schritt zurück getaumelt war. Ein schiefes Grinsen huschte über Charlies Gesicht. Das Mädchen schien in etwa in Rons Alter zu sein und trug eine Hufflepuff-Uniform. „Tut mir leid, Hagrid ist nicht da.“ Verunsichert blinzelte das Mädchen, offenbar unfähig, ihm zu antworten. “Kann ich dir irgendwie helfen? Wie heißt du denn?“ Energisch schüttelte das Mädchen den Kopf und rannte davon. Seltsame Begegnung, dachte Charlie bei sich, schloss die Tür und wollte sich gerade der spärlichen Küche zuwenden, die keinesfalls besser ausgerüstet war, als seine eigene, als Fang plötzlich in voller Pracht vor ihm stand und an ihm schnüffelte. Vor Überraschung erstarrte Charlie, dann hielt er dem Hund in einer langsamen Bewegung seine offene Hand entgegen. Fang beschnupperte diese ausgiebig, dabei tropften dicke Speichelfäden an seinen Lefzen herab, schnaufte abfällig und tappte träge zurück zu seinem Liegeplatz, auf dem er sich mehrfach drehte, bevor er sich schwerfällig hinplumpsen ließ. Er lag jetzt mit dem Rücken zu Charlie und seufzte schwer. Geknickt verließ Charlie, sich die nasse Hand an seiner Hose abwischend, das Haus und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Eine andere Lösung musste her. Schade, dass er nicht so leicht nach Hogwarts konnte, dort gab es eine Bombenausstattung - für eine Schule, wohlgemerkt. Gerade wollte er nach Hogsmeade zurückkehren, als ein paar Mädchen an ihm vorbei gingen. Alicia Spinnet, Katie Bell und Angelina Johnson, allesamt im Gryffindor Quidditch Team, lächelten dem Weasley und Ex-Gryffindor neugierig zu. “Hi, Weasley. Solche Sehnsucht nach Hogwarts?“, die Mädchen lachten. Charlie schenkte ihnen ein schiefes Grinsen. „Wie geht’s Oliver Wood?“ “Wenn das alles ist, was dich interessiert …“, schmollte Katie und abermals kicherten die Mädchen. “Was führt dich her?“ “Valentinstag“ Die Mädchen schauten sich perplex an, nur um sich im nächsten Moment um den Rothaarigen zu scharren. „Wer ist die Glückliche?“, fragten sie und „Kennen wir sie?“ Charlie schüttelte den Kopf. „Das soll ein Geschenk für jemand Besonderes werden.“ Er beugte sich zu den Mädchen vor, um es ihnen gedämpft mitzuteilen. Gleichzeitig stießen die Mädchen ein entzücktes „Owwwww!“ aus. „Das ist echt süß von dir.“, grinste Katie und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Alicia lächelte scheu und mied Charlies Blick. “Und was treibt dich jetzt nach Hogwarts?“, hakte Katie nach. Der Neunzehnjährige schenkte den Mädchen einen traurigen Blick „Ich hatte gehofft, Hagrids Küche benutzen zu können. Leider ist sie nicht besser ausgestattet als meine.“ “Du Armer!“, betrauerte Katie ihn. „Willst du damit sagen, bei euch in Rumänien gibt es keine Küchen?“ „Klar, gibt es die - mir fehlt ein Ofen.“ Katies Augen blitzten auf, während Alicia unschlüssig zur Schule hinüber blickte. „Da kenne ich eine Lösung!“ Mit Hilfe der Mädchen, welche die Lehrer bereitwillig ablenkten, gelang es Charlie, sich in die Schule zu schleichen. Sein kichernder Anhang begleitete ihn und hielt ihm den Rücken frei. „Aber falls jemand kommt, Weasley, und dich entdeckt, wissen wir von nichts!“, gab Katie zu bedenken. „Das soll mir genügen.“, stimmte Charlie zu und betrat eine Lehrküche im Muggelstil der Hogwarts Schule. Jetzt musste sich der junge Weasley ranhalten, um die Süßigkeiten, so schnell wie möglich, fertig zu bekommen. In einer Schüssel verrührte er, auf altmodische Muggel-Art, das Backpulver mit Zitronengeschmack, die elf Eier, die Tasse Mehl, die 1 ½ Löffel Zimt und die ¼ Tasse braunen Zucker mit dem Inhalt einer 1 ½ Tasse Zucker, einem halben Löffel Salz, einem halben Löffel Vanilleextrakt, 1/3 Tasse Öl, fügte 6 Löffel Butter und 1,4l Milch, sowie 1 l Wasser hinzu. Den Teig vermischte er mit Limoncello und rührte ihn gut durch, anschließend füllte er ihn in eine Kuchenform und stellte alles in den vorgeheizten Ofen. Obwohl die Mädchen ihm anboten, ihm zu helfen, wollte Charlie alles selber machen. Gespannt saßen die Mädchen also neben ihm und schauten neugierig auf den Teig im Backofen, als mit einem Male Schritte ertönten. Aufgeschreckt versteckten sich die Mädchen, während Charlie selbst Stellung bezog. Eine Frau reiferen Alters stolzierte erhobenen Hauptes in die verlassene Unterrichts-Küche. “Was ist denn hier los?“, verlangte Professor Minerva McGonagall augenblicklich zu wissen. Ihr strenger Blick wanderte über die benutzte Küche und Charlie hinweg. “Mr. Weasley!“, stieß sie empört aus. “Mr. Weasley ist mein Vater, Professor McGonagall. Ich bevorzuge die Ansprache mit meinem Vornamen.“ Minervas Lippen zogen sich zusammen, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. “Sie sind wohl kaum in der Position, Forderungen zu stellen.“ Charlie senkte den Kopf und entschuldigte sich. “Was suchen Sie hier, Mr. Weasley? Schulabgängern ist das Betreten des Geländes ohne Ankündigung strengstens untersagt. Das dürfte für Sie keine Neuigkeit darstellen.“, fügte sie, mit einem Blick, der ihn von der Schuhspitze, bis zum Kopf musterte, erhaben hinzu. Alicia, Katie und Angelina verhielten sich ruhig, gaben sich selbst via Zeichensprache zu verstehen, sich nicht zu rühren, um nicht auch noch entdeckt zu werden. Sie hockten, eng aneinander gepresst, hinter der Kochinsel und bemühten sich, sämtliche Körperteile an sich zu ziehen und möglichst wenig zu atmen. McGonagall machte Anstalten, auf Charlie zuzukommen, aber er kam ihr zuvor und trat zwischen sie und der Insel. „Ich bitte nochmals eingehend um Entschuldigung, Professor. Die Regeln sind mir bekannt.“ “Und was treiben Sie dann hier?“, begehrte Minerva verständnislos auf. “Ich backe einen Kuchen.“ Minerva stutzte. „Sie tun was?“ “Ich backe einen -“ Ungeduldig winkte Prof. McGonagall ab. „Das sehe ich. Das lässt sich nur schwer übersehen.“ Während McGonagall sich auf Charlie konzentrierte, winkte dieser hinter seinem Rücken die Mädchen durch. Sie nutzten die günstige Gelegenheit und stahlen sich scheinbar unbemerkt an Professor McGonagall vorbei, um aus der Küche zu fliehen. “Weswegen gehen Sie so ein großes Risiko ein, entdeckt zu werden? Doch nicht etwa, um einen Kuchen zu backen?!“ Minerva klang ungläubig. Doch Charlie nickte. „Mir blieb leider keine andere Möglichkeit. Bald ist Valentinstag und ich selbst besitze keinen Of -“, ungeduldig winkte Minerva abermals ab. „Ihre Geschichte interessiert mich nicht, Mr. Weasely. Machen Sie, dass Sie hier raus kommen, bevor Sie ganz andere Strafen erwarten.“ Charlie wollte es nicht darauf ankommen lassen. Schnell packte er seine Habseligkeiten zusammen. Gerade wollte er den Ofen mit dem Kuchen öffnen, als ein lautes „Halt!“, durch den Raum hallte. Überrascht wandte sich der Neunzehnjährige zur Geräuschquelle um. Minerva blickte ihn streng über ihre Brille hinweg an. “Der Kuchen bleibt hier.“ Charlie wurde blass. „Aber -“, begann er fassungslos zu widersprechen. “Kein Aber. Und jetzt machen Sie, dass Sie hier raus kommen. Und passen Sie ja auf, dass keiner der anderen Lehrer Sie entdeckt, sonst kann ich für nichts garantieren.“ Widerwillig stimmte Charlie zu und huschte geknickt aus der Küche, seinen kleinen, braunen Rucksack auf den Rücken geschnallt. „Eins noch, Mr. Weasley.“ Fragend hielt Charlie inne und wandte sich zu Minerva um. „Glauben Sie ja nicht, dass ich nicht gemerkt habe, wie Miss Bell, Ms Johnson und Miss Spinnet an mir vorbei geschlichen sind. Sie täten gut daran, die Mädchen in Zukunft nicht in weitere Schwierigkeiten zu bringen. Schließlich sind Sie der Ältere.“ Einsichtig nickte Charlie. „Ja, Professor.“ “Und nun verschwinden Sie, Mr. Weasley.“ Das ließ sich Charlie nicht zweimal sagen. Nachdem Charlie außer Sichtweite war, verzog sich Minervas Mund zu einem Lächeln. Sie ging zum Kuchen hinüber und öffnete den Ofen einen Spalt breit, um den herrlichen Geruch einzuatmen, der sich in der ganzen Küche und einem Teil der Flure verteilt hatte. Minerva schloss den Ofen und schwang den Zauberstab. Es war nicht nötig, dass jemand weiteres diesen wundervollen Duft einatmete und sich neugierig nach dem Ursprung des Geruchs aufmachte. Verärgert über den Verlust seiner Zutaten apparierte Charlie im Fuchsbau. Nicht nur, dass er so kurz vor seinem Ziel gescheitert war, er hatte zudem sämtliche Zutaten eingebüßt. Wie sollte er jetzt noch das Geschenk zubereiten? Seine Anwesenheit blieb nicht lange unbemerkt. Mrs. Weasley kam, die Arme in einer einvernehmenden Geste hoch erhoben, auf ihren Sprössling zu, um diesen herzlich in die Arme zu schließen. „Charlie!“, strahlte sie, fasste ihm mit beiden Händen ins Gesicht und küsste ihm die Wangen. „Wie schön, dass du gekommen bist! Die Eule hat dich also erreicht! Komm, setz dich, ich koche dir einen Tee.“ Ginny war ebenfalls Zuhause und umarmte ihn fröhlich. “Danke Mum,“ knirschte Charlie, „das ist nicht nö -“. Sie unterbrach ihn. „Red keinen Unsinn und setz dich. Möchtest du ein Stück Kuchen? Du auch, Ginny, Liebes?“ “Ja.“, freute sich Ginny. “Nein …“, antwortete Charlie betrübt, denn das erinnerte ihn schmerzlich daran, dass es ihm an einem Geschenk fehlte. Mrs. Weasley zuckte die Schultern und setze den Tee auf. “Erzähl mal, wie läuft es in Rumänien? Macht dir die Arbeit mit den Drachen Spaß?“ “Ja …“, seufzte Charlie. „Alles bestens.“ “Du bist dünn geworden, Junge. Hier hast du eine Extraportion Sahne!“ Ehe er ihr widersprechen konnte, zierte ein dicker Klatsch selbstgeschlagener Sahne sein ungewolltes Stück Kuchen. „Danke…“, hauchte er ein wenig verschüchtert, während seine Mum ihm die Sahne mit etwas Kuchen reichte und seine Schwester ein Grinsen hinter ihrer Hand verbarg. Sie bekam ein Stückchen mit einem bedeutend kleineren Klacks Sahne. Unwillkürlich fragte Charlie sich, ob seine Mutter annahm, dass es in Rumänien regelmäßig zu Sahneengpässen kam. “Himmel, dein Vater und ich machen uns Sorgen um dich, Junge. Aber jeder muss seinen Platz einnehmen, so ist das nun mal!“ Theatralisch hob sie in einer Geste der Hilflosigkeit die Arme in die Luft. „Gibt es irgendwelche Neuigkeiten da unten?“ “Nein …“, gestand Charlie und löste mit einer kleinen Gabel ein Stück Sahne von seinem Kuchen. “Gut.“, seufzte Molly, die Hände in die Hüften gestemmt. „Gut …“, sie wirkte nachdenklich, während sie den Teebeutel in eine Tasse mit heißem Wasser tunkte. Neben ihr stand eine weitere Tasse mit dem Motiv mehrerer Knospen, von denen einige zusehends zu Rosen aufblühten - vermutlich Ginnys Tee. Charlie schwieg, ihn quälte ein schlechtes Gewissen. Schließlich war es seine Mutter, die ihn aus den Gedanken riss, indem sie ihn ansprach. “Was führt dich so früh nach Hause? Es ist erst morgen Valentinstag.“ Alles, nur nicht diese Frage! Charlie schaute auf, gleichzeitig spürte er, wie die Farbe aus seinem Gesicht wich. „Ich hatte Zeit und konnte früher kommen …“ Er wollte nicht zugeben, dass er vorhatte, sie unter einem Vorwand aus dem Haus zu locken, damit er ihre Küche benutzten konnte. Ginny musterte ihren Bruder intensiv. Auch Mrs. Weasley betrachtete ihren Sohn eindringlich, bevor sie sich abwandte, um eine Zuckerdose aus einem der Hängeschränke zu nehmen. “Schön, das freut mich natürlich zu hören. Wie lange kannst du bleiben?“ “Spätestens übermorgen muss ich zurück. Die Drachen könnten sonst nervös werden. Du weißt schon …“ “Du pflegst Drachen, Charlie? Es hieß doch, du willst sie erforschen?“, klinkte sich Ginny in die Unterhaltung ein. “Ja … das ist richtig. Dabei fand ich ein paar verletzte Drachen … und die sind bei mir zur Pflege.“ Mrs. Weasley fuhr erbost herum, ihre Stimme klang hart und ihre Fäuste hatte sie in die breite Hüfte gestemmt. “Charlie Weasley, du setzt dich unnötigen Gefahren aus!“ “Mum …“, nörgelte ihr Sohn, „Ich pass schon auf mich auf.“ “Na wehe wenn nicht … sonst können mich deine Drachen kennenlernen!“, schimpfte Mrs. Weasley in sich hinein. Verärgert schaufelte sie löffelweise Zucker in Charlies Teetasse. Ihr Sohn grinste verschmitzt. „Das glaube ich.“ “Dann haben deine Drachen nichts mehr zu lachen!“ Im Verlauf des Nachmittags bat Charlie seine Mutter, für ihn in der Stadt einige Lebensmittel zu kaufen, die er angeblich in Rumänien vermisst hätte. Molly Weasley jedoch wollte lieber bei ihrem Sohn sein, so lange er bei ihr zu Besuch blieb. “Ich kaufe die Lebensmittel später ein und schicke sie dir dann nach Rumänien.“ Charlie hörte ein leises Schmunzeln von Ginny neben sich. Langsam gingen Charlie die Ideen aus. Im Gegensatz zu seiner Mutter, die es nicht müde wurde, ihn wegen seiner Arbeit zu löchern. Kurz gegen sechzehn Uhr wurde seine Mutter müde und er schaffte es fast, sie dazu zu bringen, sich hinzulegen um eine Mütze voll Schlaf zu nehmen - Ginny hatte sich derweil in ihr Zimmer zurück gezogen - doch als seine Mum, eher aus Versehen, einen Blick auf die Standuhr geworfen hatte, sprang sie gleich wieder auf die Beine. Sein Vater kam bald von der Arbeit zurück, deswegen begann sie, in der Küche zu kochen - und Charlie durfte ihr, anstelle von Ginny, zur Hand gehen. Noch wollte der Neunzehnjährige nicht aufgeben! Als sein Vater von seinem Arbeitsplatz am Ministerium zurückkehrte, begrüßte dieser Charlie ebenso herzlich, wie zuvor die Mutter - lediglich die Küsschen ließ er weg. Ein zweites Mal musste Charlie dieselben Fragen über sich ergehen lassen, die seine Mum ihm bereits gestellt hatte. Am Abend saßen er und sein Vater zusammen zu Hause auf dem Sofa, während seine Mutter und Ginny abwuschen. Mr. Weasley berichtete grob, ohne auf nähere Details einzugehen, von einigen ärgerlichen Fällen auf der Arbeit. Dabei vermied er es, genaue Namen und Umstände zu nennen. Nachdem Mrs. Weasley und Ginny ins Bett gegangen waren, drängte sein Vater Charlie zu einem Schlaftrunk. Erst lehnte Charlie ab, weil er vorhatte, nachts heimlich die Küche seiner Eltern zu benutzen, während diese schliefen, leider erwies sich dieser Plan schwieriger, als gedacht. Am Ende war Charlie auf dem Sofa eingeschlafen. Mr. Weasley deckte ihn zu und ging ebenfalls zu Bett. Kapitel 3: 14. Februar 1992 --------------------------- Am nächsten Morgen wurde Charlie von Nackenschmerzen geweckt. Stöhnend rieb er sich die steife Stelle an seinem Genick und blinzelte in das träge Licht, das durch die Fenster in den Fuchsbau schien. Erschrocken sprang er auf. Er hatte verschlafen! Ein Blick auf die Standuhr sagte ihm, dass es jetzt für sämtliche nächtliche Vorhaben zu spät war. Ginny, Mr. und Mrs. Weasley saßen gemeinsam in der Küche und frühstückten. Seine Eltern wirkten auffallend glücklich miteinander, beinahe frisch verliebt. Charlie konnte nur spekulieren, was heute während der allgemeinen Schlafenszeit geschehen war. Nachdem Mr. Weasley erkannte, dass sein Sohn munter war, winkte er ihn an den Frühstückstisch. Gemeinsam aßen sie, danach musste Mr. Weasley zur Arbeit. Er verabschiedete sich, stellte sich in den Kamin, benutzte das Flohpulver und ließ Mutter, Tochter und Sohn schweren Herzens Zuhause zurück. Weil Charlie sich frustriert fühlte und nicht wusste, was er anderes tun sollte, half er seiner Mutter beim Abwaschen und im Haushalt, so konnte Ginny ein wenig Zeit für sich allein gewinnen. Im Laufe des Tages schaute Percy vorbei und überreichte Mrs. Weasley ein kleines Valentinstagspresent, das er aus einem Koffer holte, den er bei sich trug. Während sie den teuren Kugelschreiber samt der Box, in der er lag, fortbrachte, nickte Percy seinem älteren Bruder großmütig zu. „Du siehst blass um die Nase aus. Fehlt dir womöglich ein Geschenk für unsere liebe Mutter?“ Charlie blieb Percy eine Antwort schuldig, denn in diesem Augenblick kehrte Mrs. Weasely zu ihren Söhnen zurück. Sie umarmte ihren jüngeren Sohn, währenddessen schenkte jener Charlie, über die Schultern der Mutter hinweg, ein triumphierendes Grinsen, bevor er im Anschluss zurück nach Hogsmeade apparierte. Fred, George und Ron schickten ihrer Mutter eine selbstgestaltete Zauberer-Karte zum Valentinstag, die kleine Herzen aus Feuerwerk abschoss, sobald man sie öffnete. Mrs. Weasley räumte vorsichtshalber die Pralinen weg, die der Karte beilagen. Um all dem Chaos die Krone aufzusetzen, brachte sogar Ginny ein Geschenk für Molly - sie überreichte ihr einen selbstgeflochtenen Blumenkranz, der viel zu groß war, um ihn sich auf den Kopf zu setzen. Seine Mutter war sichtlich gerührt und hängte ihn an eine Wand, die ausreichend Platz für ein solch pompöses Geschenk bot. Am Nachmittag tauchte Bill auf, übergab seiner Mum nach einer Umarmung eine hübsche, perlmuttfarbene Muschel-Halskette, über die sie sich sehr freute und futterte sich anschließend am selbstgebackenen Kuchen der Weasley-Frauen satt. In Charlie schwoll das unbehagliche Gefühl an, seine Mutter erwarte auch von ihm ein Geschenk - schließlich hatten alle seine Geschwister es rechtzeitig geschafft. Wie es ausschaute, stellte er die einzige Ausnahme dar. Bill triezte den zweitältesten Weasley-Jungen, indem er sich, ähnlich wie zuvor Percy, erkundigte, was dieser denn ihrer Mum geschenkt hätte, woraufhin Molly eingriff und ihren ältesten Sohn mit den Worten ermahnte, es gäbe Wichtigeres als Geschenke. Diesen Augenblick nahm Charlie zum Anlass, sich zu erheben. „Mum. Es wird jetzt Zeit, für mein Geschenk!“ Diese Worte gab er mit einer Selbstsicherheit von sich, die ihn selbst überraschte. „Lass sehen.“, schmunzelte Bill, halb in der Erwartung, sein jüngerer Bruder bluffte. Charlie blickte seine Mutter fest an. „Begleitest du mich?“ Molly Weasley stimmte zu - zu seinem Leidwesen, Bill ebenfalls. Während Charlie seiner Mutter eine Augenbinde anlegte, kam Ginny zufällig die Treppe hinunter. Sie wollte ungern als Einzige im Fuchsbau zurück bleiben. Zu Viert apparierten sie, um in einer Gasse in der Muggelwelt, wie aus dem Nichts zu erscheinen. Charlie hoffte inständig, mit seiner Vermutung richtig zu liegen - sonst würde Bill bis zum Rest seines Lebens von diesem unglückseligen Tag und Charlies Missgeschick berichten. Und wie es sich für einen Weasley gehörte, würde der älteste Sohn diesen Umstand bis zum letzten peinlichen Moment auskosten. „Wohin gehen wir?“, wollte Bill skeptisch wissen, die Augenbrauen erhoben, die Hände lässig in die Hosentaschen getaucht. „Gleich sind wir da.“, entgegnete Charlie, der voran ging, sachlich. Nach kurzem Zögern erwiderte Bill, dabei rückte er näher an den Neunzehnjährigen heran, “Gib’s zu: Du hast keine Ahnung, wohin du gehen willst.“ Mrs. Weasley schaffte es zielsicher, selbst mit buchstäblich verbundenen Augen, einen Klapps auf Bills Bauch zu landen. „Ich bin schon ganz gespannt, Charlie.“, flötete sie munter, Bill ignorierend, der sich keuchend über den Bauch strich. Selbst Ginny zeigte, nachdem der erste Schrecken vorüber war, eine amüsierte Miene. Ein Glöckchen klingelte hell, als Charlie, seine Mutter am Arm, in ein Café führte. Seine Geschwister traten nach ihm ein. Im Inneren nahm er Molly die Augenbinde ab. Der Raum vor ihnen war mit Herzgirlanden und künstlichen Rosenblättern geschmückt. Eine kleine, dunkelhaarige Italienerin kam auf die rothaarige Gruppe zu. “Da sind Sie ja.“, wurde Charlie von der Dame mit Pferdeschwanz begrüßt, „Sie waren so schnell verschwunden.“ Nochmals öffnete sie den Mund, erkannte jedoch, dass Charlie nicht alleine gekommen war und führte die Gruppe ohne weitere Erklärungen zu erwarten, an einen freien Tisch. Auf jedem der runden, weißschwarz gesprenkelten Marmortische im Café brannte eine weiße Kerze. „Bitte nehmen Sie Platz, ich komme sofort.“ Abgesehen vom Schein der Kerzen waren die restlichen Lichter stark gedimmt. Von der Theke hingen Blumen herab, die miteinander verflochten waren. Durch die Luft schwebte ein leichter Hauch von Vanille. Ginny entwich ein verzücktes Jauchzen. So rasch wie die Bedienung aufgetaucht war, verschwand sie wieder in den hinteren Bereich der Küche. Bill sah sich um. Obwohl es, wie an einem Valentinstag erwartet, recht voll war, unterhielten sich die Gäste leise miteinander. Durch die Raumaufteilung hatte jede Sitzgruppe genügend Platz, so dass es nicht zu eng wurde, sofern man an den Tischen vorbei wollte. „Nettes Café. Wie hast du das denn gefunden?“ Charlie antwortete ihm nicht. „Mum, ich kann dir einen Kuchen empfehlen.“ Nervös leckte sich der Neunzehnjährige über die Lippen. Es sah schöner aus, als er zu hoffen gewagt hätte – die junge Italienerin hatte zweifelsfrei ganze Arbeit geleistet, um das Café stimmungsvoll und zum Event passend umzudekorieren. Seine Mum schaute ihn erwartungsvoll an. „Den Italian Cream Cake. Soll ich ihn dir bestellen?“ Molly Weasley schlug erfreut die Augen nieder. „Aber bitte!“ An seinen Bruder gewandt fragte Charlie, was dieser bestellen wollte, doch Bill wies ihn schulterzuckend an, dasselbe Gericht zu beauftragen, das ihre Mum erhalten sollte. Ginny gab an, sich über einen Zitronentee und ein kleines Eis zu freuen. Auf halben Weg zur Theke begegnete er der Italienerin, die soeben die Bestellkarten an ihren Tisch bringen wollte. „Die sind nicht nötig.“, sanft drückte er die Karten in ihrer Hand hinab. „Bitte bringen Sie uns dreimal den Italien Cream Cake, ein kleines Eis San Valentino, einen Espresso, einen Zitronentee und zwei Moccachinos.“ Die Dame nickte „Sì. Il vostro ordine è uguale finito.“ „Grazie“, nickte Charlie, in Gedanken längst zurück bei seiner Familie. Er wandte sich um und ging an seinen Tisch, so kam die Signora nicht dazu, nochmals das Wort an ihn zu richten. Schließlich folgte die Bestellung und die vier Weasleys ließen es sich schmecken. „Das ist echt lecker!“, gab Bill zu. Im Gegensatz zu ihm war Ginny zu sehr mit Genießen beschäftigt, um sich zu äußern. Selbst Molly schleckte sich nach fast jedem Bissen die Finger. Charlie selbst hatte mehr Freude am Moccachino, als an dem Küchlein, das ihm für seinen Geschmack ein wenig zu süß erschien. Molly Weasley stand auf, nachdem sie das Küchlein verschlungen hatte und gab Charlie einen klebrigen Kuss auf die Schläfe. „Danke, Charlie. Eine süße Idee. Ich glaube, das Küchlein würde ich irgendwann gerne selbst nachbacken.“ Diesmal konnte selbst Bill nichts beklagenswertes hinzufügen. Über Charlies Züge huschte ein trauriges Lächeln. Viel lieber hätte er die Küchlein, nach Muggelart, selbst gebacken. Wenigstens dieses Café war ihm in letzter Minute eingefallen, so konnte er den Valentinstag noch retten. Mrs. Weasley bemerkte das bekümmerte Gesicht ihres Sohnes. Behutsam legte sie eine Hand auf seine. „Was bedrückt dich? Du siehst unzufrieden aus.“ Charlie konnte ihr unmöglich berichten, was er in den vorangegangenen Tagen erleben musste, nur, weil er ihr hatte ein Geschenk selber machen wollen. Stattdessen sagte er: „Ich wüsste gerne, warum Percy heute persönlich erscheinen konnte. Er hätte in Hogwarts sein müssen.“ Molly konnte sich nicht vorstellen, dass diese Frage Charlie so sehr beschäftigte, wie dieser vorgab, doch sie wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen und lachte. „Percy wurde von Professor Dumbledore in die Stadt geschickt, um ein paar Muggel-Zutaten zum Backen zu kaufen. Bei der Gelegenheit hat er gleich Zuhause vorbei geschaut, natürlich mit ordnungsgemäßer Vorankündigung beim Schuldirektor!, um mir mein Geschenk vorbei zu bringen.“ Überrascht blinzelte Charlie. Er hätte niemals erwartet, durch seine Mutter von Percys Gründen für seinen Auftrag in der Muggelwelt zu erfahren. In diesem Moment spürte er, wie ihm etwas schmerzhaft gegen die Seite drückte. Ein Blick an sich herab, verriet ihm, dass es etwas Spitzes in seinem Rucksack sein musste. Augenblicklich erinnerte er sich an das Rezept-Buch. Im selben Moment verkündete Ginny leise, die Toilette aufsuchen zu wollen. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden holte er sein Buch hervor und überreichte es Molly. „Frohen Valentinstag.“ Mrs. Weasley strahlte über das ganze Gesicht und nahm es entgegen. „Wie wunderbar! Kannst du in die Zukunft sehen? Das wird deinem Vater ganz sicher auch gefallen!“ Sie schlug es auf, blätterte darin und hielt inne. Sie blätterte zurück und fixierte die erste Seite. Bill warf ihr einen neugierigen Blick über die Schulter und gluckste amüsiert. „Oh, Charlie. Was hast du nur angestellt?“ Alarmiert beugte sich der Angesprochene über den Tisch hinweg, um zu erfahren, was auf der Seite Schreckliches stehen konnte. Seine Mutter war so freundlich, ihm entgegen zu kommen und drehte ihm das Buch entgegen. Auf der ersten Seite stand in einer zackigen Mädchenunterschrift ‚Wehe, ich erwische dich noch einmal beim Klauen, Charlie Weasley, dann setzt es was! Gez. Gwenog Jones’. Bill stieß einen leisen Pfiff aus. Molly hob mahnend, jedoch mit einem belustigten Funkeln in den Augen, eine Braue. „Was hat das zu bedeuten?“ Charlie fehlten die Worte. Er lief puterrot an … In der Zwischenzeit steuerte Ginny, nach ihrem Toilettenbesuch, direkt die Bestelltheke an, um die Besitzerin, die, wie sich herausstellte, Ema hieß, nach dem Rezept zu fragen. Sie holte sofort einen Block mit orange-gelbem Rand und durchsichtigen Blumen hinter der Theke hervor und notierte Ginny bereitwillig, in einer schrägen, kleinen Schrift die Zutaten. Schließlich riss sie das oberste Blatt ab und reichte es ihr. Italian Cream Cake • 6 Eiweiß, steif schlagen • 6 Eigelb • 2 Tassen Kristallzucker • 450g Puderzucker • 2 Tassen Mehl plus eine kleine Tüte Backpulver • 2 Esslöffel bzw. 10 ml Vanilla • 1/2 Tasse Pflanzenmargarine • 450g Kokosraspeln • 1 1/2 Tassen Pecannuss • 3/4 Tasse Butter • 225g Frischkäse • 1 Tasse Milch Ginny bedankte sich herzlich, im Anschluss eilte sie zu ihrer Familie zurück, die gerade dabei war, sich die Jacken anzuziehen. Charlie bat Bill, seine Mutter und Ginny, schon einmal voraus zu gehen. Widerstandslos kamen sie seiner Bitte nach. Beim Hinausgehen klopfte Bill seinem jüngeren Bruder lächelnd auf die Schulter, dann folgte er Molly und Ginny. Soeben holte Charlie sein Portemonnaie hervor, als er Ema neben sich bemerkte. Überrascht schaute er sie an. „Vielen Dank, dass wir uns setzen durften. Ich habe genau gesehen, wie Sie das Reserviert-Kärtchen versteckt hatten, bevor Sie uns hatten Platz nehmen lassen.“ Die Italienerin lächelte. „Sei un asino, mio signore. Sie waren das letzte Mal aufgesprungen, così improvvisamente. Ich konnte Ihnen gar nicht anbieten, unsere Küche zu benutzen.“ Wie vom Donner getroffen hielt Charlie inne. „Sie hätten mir Ihre Küche vermietet?“ “Sì, lo farei. Ich hatte mit meinem Kollegen SMS getauscht. Doch Sie hatten es eilig.“ Gleichgültig zuckte sie die Schultern. Der Neunzehnjährige schluckte schwer und bedankte sich kleinlaut. Hätte er das bloß vorher gewusst … was ihm alles erspart geblieben wäre! Er gab der Italienerin ein Trinkgeld und verließ das Café. Draußen wartete seine Familie auf ihn. Gemeinsam kehrten sie zum Fuchsbau zurück. Für Bill war es allmählich Zeit zu gehen und er verabschiedete sich mit ausgiebigen Umarmungen. Charlie wäre gerne ein paar Tage bei seinen Verwandten geblieben, doch er musste zurück zu seinen Drachen nach Rumänien. Molly verabschiedete sich schweren Herzens von ihren Jungs, indem sie diese mit Küsschen übersäte. Sie trennte sich ungern von ihrer Familie, konnte jedoch verstehen, dass jedes ihrer Kinder seinen Aufgaben nachkommen wollte. Bevor Charlie die Rückreise antrat, nahm sie ihn mit einem sachten Schmunzeln zur Seite. “Das nächste Mal“, begann sie, „lädst du mich gleich in das Café ein und versuchst nicht, meine Küche zu benutzen, um zu backen. Verstanden?“ Charlie Weasley lächelte matt. „Versprochen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)