Morgen vielleicht von Jaelaki (Seto & Joey | Puppyshipping) ================================================================================ Kapitel 7: Aufhören -------------------   Am nächsten Tag stieß er die Tür zum Konferenzsaal auf. Er war zu spät, aber niemand wagte es, ihn darauf anzusprechen. Er setzte sich an den Kopf des Tisches. Der Vize-Beistandsvorsitzende präsentierte die nächste Kampagne. Seto starrte an die Wand. Er hörte erst auf damit, als er die Sitzung für beendet erklärte. Die Blicke seiner Mitarbeiter folgten ihm aus dem Saal. Am Vormittag kam ein potenzieller Großkunde, dem er nicht zuhörte, stattdessen schaute er, wie sich die Zahl der digitalen Uhr an der Wand erhöhte mit jeder Minute, die verstrich, bis sie wieder von vorne stieg. Am Mittag stand die Präsentation der neuen Generation der DuelDisk an. Am Nachmittag sprach der Bereichsleiter Design und der Bereichsleiter Marketing bei ihm vor. Er nickte manchmal. Am Abend musste er die Verträge fertig haben. Er bekam sie nicht fertig. Stattdessen starrte er an die Decke, den Kopf im Nacken, die Finger auf der Tastatur, als wären sie dort festgefroren. Er konnte nicht aufhören. »Du sitzt immer noch hier?«, maulte Wheeler ganz nah neben ihm. Er spürte seine Hand auf der Schulter und zuckte zusammen. Da war ein Duft, der ihn an etwas erinnerte, das er verdrängte. Eine Erinnerung an Sommerabende und Wintertage. »Nicht jetzt, Wheeler«, murrte Seto und massierte seine Nasenwurzel. Wheeler schnaubte. »Wann hast du das letzte Mal geschlafen?« Er erinnerte sich nicht. »Oder etwas gegessen. Nö, Kaffee zählt nicht.« Wheelers Wärme strich über seine Wange und einen Augenblick lang vergaß er zu atmen. Er zwang seine Augenlider auf, forcierte die Fingerspitzen, weiter über die Tastatur zu gleiten. Sein Nacken schmerzte, ein Stechen zwischen seine Wirbel. Das Pochen in seinem Kopf wurde lauter. Aber was waren schon Schmerzen im Vergleich zur Leere? Er konnte nicht aufhören. »Wir haben nicht mehr viel Zeit«, flüsterte Seto. Wheeler lachte leise. Er spürte es in seinem Inneren, wie es vibrierte, etwas füllte, das sonst leer blieb. Einen Moment fühlte er dem nach, wusste er könnte es nicht festhalten. »Ich bin fast fertig«, fuhr er fort, als wollte er ihn besänftigen, als hoffte er, ihn dadurch zum Schweigen zu bringen. Diesen Augenblick nicht zu zerstören. Aber wann hatte Wheeler jemals die Klappe gehalten? »Weißt du, was du tun musst?« Er antwortete nicht, denn er wollte es nicht hören. Er hätte so viel tun müssen, hätte so viel sagen sollen. Jetzt saß er hier und versuchte, sein Versprechen einzulösen. »Du weißt, dass es nicht mehr normal ist, oder?« Seto ließ diese Worte im Raum stehen, weil es eine rhetorische Frage war – auch, wenn Wheeler das Wort wahrscheinlich falsch geschrieben hätte. Stattdessen verzog er seinen Mund zu einem höhnischen Halbgrinsen und tippte Codes in den PC, überprüfte die Schaltungen. Seine Finger zitterten. Seine Sicht verschwamm. Sein Kopf fühlte sich viel zu leicht an, seine Arme zu schwer, als schwebte er über dem Boden, um jeden Moment abzustürzen. »Wann waren wir schon normal?«, murmelte er. Seine Augen brannten, aber er schloss sie nicht. Er fürchtete, er würde sie nicht wieder öffnen können. In ihm stieg eine leichte Übelkeit auf, die er mit einem flachen Atem bekämpfte. Er wollte nichts mehr hören. »Du musst endlich mal damit aufhören, Alter.« Doch das hatte Wheeler noch nie davon abgehalten, ihm seine Meinung ins Gesicht zu schleudern. Mit all seinen stilistisch fragwürdigen Angewohnheiten. Er würde niemals damit aufhören. Denn wenn er aufhörte, was blieb dann? »Vergiss es, Köter«, brummte er und Wheeler lachte, wischte diese entleerte Beleidigung mit einer Bewegung zur Seite, beugte sich zu ihm und strich ihm mit seinem Zeigefinger über den Nacken. Seine Härchen stellten sich auf. Eine Gänsehaut breitete sich von seinem Finger aus über den Rücken. Er atmete zittrig ein. »Hör auf«, sagte er, weil er immer das Falsche sagte. Aber Wheeler hatte das nie distanziert. Er wollte ihn fragen, wie es dazu gekommen war. Wheelers Finger strichen über sein Kinn und zwangen ihn, in dieses ordinäre Braun zu schauen. Nichts als verpasste Gelegenheiten, vergeudete Zeit und das Gefühl, nicht zurückzukönnen. Er versank darin. Wheelers Lippen strichen über seine. Er schmeckte nach dem Gefühl, zu verdursten, während er trank. Zu verhungern, während er in sich hineinfraß. Es fühlte sich an, wie das Gefühl, falsch abgebogen zu sein, während er weiterrannte. Es klang, wie das Schweigen, während er innerlich schrie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)