Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 104: Turn 95 - Bonds ---------------------------- Turn 95 – Bonds     Anya saß neben Cynthia in deren schwarzem Ford Fiesta. „Bereit?“, fragte ihre Mentorin herausfordernd, während sie in eine Straße einbog. Weiter voraus konnte man bereits das riesige, gläserne Kolosseum sehen, das riesige Einkaufszentrum Livingtons, das nicht so recht in die ansonsten eher gemütliche Vorstadt passen wollte. „Yeah. Wer ist mein Gegner?“ „Verrate ich nicht. Noch nicht.“ „Warum?“, wollte Anya wissen, die auf ihre neue Duel Disk starrte. „Irgendso ein No-Name etwa?“ „Nein. Ich habe dir doch erklärt, dass du erst eine gewisse Anzahl an offiziellen Duellen bestreiten musst, ehe man dich in die Liga aufnehmen kann.“ Die tätowierte Blonde im schwarzen Tank-Top grinste ihr von der Seite zu. „Was für eine Lehrerin wäre ich, dir irgendeinen Schwächling zu servieren? Keine Sorge, dein Gegner wird ganz deinen Vorlieben entsprechen. Hehe …“   Sehr gut, dachte das Mädchen mit grimmiger Vorfreude, auch wenn diese Lache eher Grund zur Sorge darstellte. Schließlich musste sie das Duell auch gewinnen, wenn sie mit ihrer Karriere voran kommen wollte. Trotzdem konnte sie es kaum erwarten.   ~-~-~   Ehe sie sich versah, befand die Blonde sich im Laden ihres ehemaligen Arbeitgebers Mr. Palmer, der an der Kasse stand und ein paar Kunden bediente – mit dem Flohpelz! Den er, zu Anyas völligem Unverständnis, -nicht- entlassen hatte. „Du hast noch ein paar Minuten“, sprach Cynthia neben ihr und klopfte der Kleineren kumpelhaft auf die Schulter. „Schreib' am besten ein paar Autogramme vor oder so. Hab ich damals auch immer gemacht, dadurch hat man nach hinten hinaus weniger zu tun.“ „Als ob irgendeiner von ihr Autogramme will“, rief Zanthe von der Theke herüber, „einmal hat sie tatsächlich versucht, die Leute damit abzuziehen.“ „Ich wollte nur 50 Dollar“, verteidigte sich Anya, „das is'n Schnäppchen!“ Und außerdem hatte sie das nur zum Spaß gesagt, weil man sie so genervt hatte. Hätte doch keiner ahnen können, dass der Spinner das wirklich bezahlen wollte! … hätte sie das Geld doch bloß angenommen und nicht auf Levrier gehört, hmpf! „Mit euch wird es nicht langweilig, huh?“ Cynthia drehte sich um und winkte den beiden im Weggehen zu. „Ich schau mal nach, ob schon alles vorbereitet ist. Bis gleich.“   Anya trottete mit zusammengekniffenen Augen herüber zur Kasse und stand Zanthe missmutig gegenüber. „Es ist nur ein Aushilfsjob“, wusste er genau, was dieser Blick sollte, „ich will euch ja nicht auf der Tasche rumliegen.“ „Ist ok“, winkte sie ab, „ich vergebe dir, wenn du mir verrätst, was für Karten in diesem neuen Booster drin sind, mit denen mein Gegner heute spielt.“ Der Werwolf mit dem roten Kopftuch sah sich um, aber der dunkelhäutige Mr. Palmer war zu sehr damit beschäftigt, mit zwei Kundinnen zu flirten, um ihr Gespräch zu belauschen. „Also schön“, flüsterte Zanthe, griff unter den Tisch und legte dem Mädchen einen Prospekt vor die Nase, „vier neue Pendelthemen, eines für jedes Element.“ Neugierig beugte Anya sich herüber. „Igknight, Majespecter, Dinomist und Amorphage, huh?“ „Jep. Igknights zerstören sich selbst, um neue Kameraden zu suchen und das Feld zu füllen. Majespecter setzen Zauber und Fallen aufs Feld, die deine Monster entsorgen“, erklärte er und fuhr mit dem Finger von einer Beispielkarte zur nächsten, „Dinomist sind vergleichsweise starke Monster mit guten Defensivfähigkeiten und Amorphage blockieren mit ihren Pendeleffekten den Gegner.“ Anya kratzte sich am Hinterkopf. „Und welches wird er spielen?“ „Weiß ich nicht.“ „'kay, trotzdem danke. Dann kann ich mich zumindest drauf einstellen, sobald ich das erste Monster sehe.“ Aber der Flohpelz sah sie skeptisch an. „Ach wirklich? Ich wette du rennst in die erste, noch so offensichtliche Falle.“ „Schnauze!“   Was ist eigentlich aus deiner Keine-Hilfe-Mentalität geworden, Anya Bauer?   „Du auch, Levrier! Ein bisschen Recherche ist schon okay, wird mein Gegner sicher genauso machen.“ In dem Moment stellte sich Mr. Palmer neben seinen Angestellten. „Anya! Ich hoffe, wir sehen heute eine Glanzleistung von dir.“ Das Mädchen grinste zuversichtlich. „Ich geb' mir Mühe, Mr. P!“ „Ja“, stimmte Zanthe versöhnlich ein und nickte an Anya vorbei, „viel Glück.“ Die Blonde drehte sich um und sah Cynthia im gläsernen Türrahmen stehen, die sie zu sich winkte. „Siehst du dir mein Spiel an?“ „Klar!“, erwiderte der Werwolf auf die Frage seiner Freundin. „Matt ist übrigens auch hier. Mit Valerie~!“ Sofort verengten Anyas Augen sich zu Schlitzen. Was!? Die war auch hier!? Na toll, schon war ihre Laune im Keller. Redfield sollte nicht Zeuge ihres ersten Schrittes Richtung C-Liga werden. Allein schon weil … weil ihr der Weg dorthin versperrt blieb … „Komm jetzt! Die kündigen dich gleich an!“, rief die ehemalige Duel Queen ungehalten.   Betont lässig schlenderte sie hinter Cynthia her. Einige Leute folgten ihnen und sie konnte das Getuschel hinter ihrem Rücken hören. Für einen kurzen Augenblick fühlte sie sich zurückversetzt in den Abend in der Bar, mit Logan und den anderen, wo es zu dem Zwischenfall mit diversen Reportern gekommen war. Es fiel Anya schwer zu akzeptieren, dass dieser Moment sie verängstigt und beinahe dazu gebracht hatte, ihren Traum aufzugeben. Aber für eine Bauer war Aufgeben keine Option und beim nächsten Mal würde es halt Nackenschellen hageln! Stolz schritt sie an Cynthia vorbei, bis sie die Mitte des Kolosseums erreicht hatten. Eine riesige Menschentraube hatte sich dort gebildet. Vom oberen Stockwerk hingen einige Leute gefährlich weit über den Geländern. Anya mahnte sich nicht zu lachen, wenn einer dieser Deppen hinunterfiel und sich das Genick brach. Aber sie konnte nichts versprechen. „Da, schau. Der rote Teppich, den du dir gewünscht hast“, gluckste Cynthia und stieß ihrem Schützling mit dem nackten Ellbogen in die Seite. Tatsächlich führte ein solcher in das Innere der Traube, die nebenbei bemerkt von diversen Security-Typen hinter einer für Anya von hier nicht sichtbaren Absperrung fern gehalten wurde. „Wow, ist das nicht zu viel Aufwand für einen No-Name?“, fragte Anya perplex und schritt über den Teppich. Cynthia feixte und gestikulierte mit zueinander zeigenden Zeigefingern. „Du denkst, das ist für dich? Ha ha … nein. Die sind hier …“ Sie blieb stehen und ließ Anya an der Security und den Leuten alleine vorbeilaufen. Dabei streckte sie den Arm ausladend aus. „… wegen ihm.“   Als das Mädchen ins Innere des Duellfelds trat, blieb sie wie versteinert stehen. „Hallo Anya“, begegnete der junge Mann ihr mit einem freundlichen Lächeln. Sie stand ihm gegenüber, dem Burschen mit dem langen, strohblonden Haar, der im Rollstuhl saß und der sie um den Sieg beim Legacy Cup gebracht hatte. Othello Nikoloudis. „H-hey“, stammelte Anya fassungslos, „du bist mein Gegner!?“ „Yep. Deine Managerin hat mich eingeladen. Da konnte ich doch nicht nein sagen.“ Anya wirbelte herum zu Cynthia, die auf dem roten Teppich stand und ihr verschwörerisch zuzwinkerte. „… 'kay?“ Die beiden sahen einander an. Seit dem Finale des Legacy Cups hatten sie sich nicht mehr gesehen. An diesem Tag hatten sie ihre Freundschaft besiegelt. Othello war für Anya jemand Besonderes, denn er war der Erste, den -sie- als einen Freund ausgewählt hatte, nicht umgekehrt. Ein Lächeln zeichnete sich auf den Lippen der beiden ab. Sie brauchten nichts zu sagen, es war, als könnten sie einander auch ohne Worte verstehen. Die Blonde hob den Arm an und ließ ihre schwarze Duel Disk ausfahren, während irgendein Ansager die Begegnung hinaus brüllte und nebenbei das neue Duel Monsters-Set bewarb. Sie schwor sich, ihn die ganze Zeit über komplett zu ignorieren. Mit einer Handbewegung ließ Othello über seinem Schoß eine gebogene Disk ausfahren, die etwas anders aussah als die damals im Finale.   Anya fühlte eine Art von Aufregung, die sie schon lange nicht mehr empfunden hatte. Nicht die Sorte Nervenkitzel, wie sie in den Duellen mit Kali oder der Weißen Hexe aufgetreten war. Nein, etwas … Positiveres. Vorfreude. Anya begann kämpferisch zu grinsen. Sie -wollte- das hier. Das war der Unterschied. Ihr Freund im Rollstuhl schien ihre Euphorie zu bemerken, lächelte er doch besonnen. „Wir können anfangen, Anya.“ „Yeah!“ „Gib' dir ja Mühe und liefere uns eine gute Show!“, verlangte Cynthia vergnügt hinter ihr. Oh das würde sie, versprach die Blonde ihrer Managerin im Gedanken. Keinen Moment später riefen beide Duellanten unter dem Jubel der Anwesenden zum Duell aus.   [Anya: 4000LP / Othello: 4000LP]   „Ich beginne“, kündigte Othello an und ausnahmsweise ließ Anya ihn gewähren. Sofort legte er ein Monster auf seinen Spielplan. „Komm herbei, [Dwarf Star Dragon Planeter]!“ Vor ihm materialisierte sich ein Drache, dessen linke Körperhälfte goldgelb, die andere pechschwarz leuchtete. In seiner Brustmitte befand sich ein rotes Juwel.   Dwarf Star Dragon Planeter [ATK/1700 DEF/1200 (4)]   „Den kenn' ich noch nicht“, kommentierte Anya. Auch viele der zahllosen Zuschauer murmelten aufgeregt. Othello erwiderte spitz: „Als Kartenverkäuferin solltest du das aber. Der ist brandneu. Du bist.“ „Huh?“, wunderte sich seine Gegnerin über den kurzen Zug. Kaum hatte der Laut ihre Lippen verlassen, begann das Juwel in des Drachens Brust genau wie seine Haut grell zu strahlen. „Während der End Phase kann ich mir ein Monster der Stufe 7 von meinem Deck ins Blatt nehmen. Aber nur, wenn es entweder das LICHT- oder FINSTERNIS-Attribut besitzt.“ Othello nahm sein Deck auf, durchsuchte es altmodisch per Hand und zeigte Anya schließlich die einzige Karte vor, die infrage kam. Anya grinste keck. „Natürlich …“ „[Odd-Eyes Pendulum Dragon]“, rief Othello den Namen seines Assmonsters für alle aus, die nicht sehen konnten, was er gewählt hatte.   Dann wusste sie ja, worauf sie sich gefasst machen musste, überlegte Anya. Aber fein, -das- Spiel beherrschte sie inzwischen auch. Die Vorfreude stand ihr im Gesicht geschrieben, als sie ihre Karte schwungvoll aufzog. „Heh, ich aktiviere [Gem-Knight Jasper] mit dem Pendelbereich 2 und [Gem-Knight Pyrite] mit dem Pendelbereich 8!“ Neben ihr schossen zwei hellblaue Lichtsäulen aus dem Boden. In der linken stieg ein massiger, roter Ritter mit langer Hellebarde in der Hand empor. Daneben tat ein weißer Krieger mit würfelförmigen, silbernen Schulterplatten und großen Rundschildhälften an den Armen genau dasselbe.   <2> Anyas Pendelbereich <8>   „Pendulum Scales set!“ Anya schnappte sich eine ihrer neuen Lieblingskarten aus ihrem Blatt und grinste breit. „Mach dich gefasst! Schwinge bis in alle Ewigkeit, Pendulum!“ „Ah!“, stieß Othello einen überraschten Laut aus, als sich über Anya das bunte Pendelportal öffnete, welches von dutzenden Lichtellipsen umschlossen war. Das Mädchen streckte den Arm in die Höhe. „Aus meiner Hand: [Gem-Eyes Value Dragon], Level 7! Pendulum Summon!“ Ein roter Lichtstrahl schoss aus dem Dimensionsloch und krachte vor Anya in das spiegelnde Parkett. Die Zuschauer jubelten begeistert, als sich vor ihr ein roter Drache in goldener Panzerung erhob. Seine insgesamt sechs Schwingen, drei auf jeder Seite, waren von metallischen Tragflächen umschlossen. Gem-Eyes Value Dragon [ATK/2400 DEF/2000 (7) PSC: 5]   Die Augen des jungen Griechen funkelten. „Wahnsinn! Du benutzt auch Pendelmonster!?“ „Yeah.“ Anya winkte großspurig ab. „Man hat mich überredet …“ Was sowas von gelogen war. Sie hatte damals fast geheult vor Freude, als sie das Gem-Knight Structure Deck in den Händen hielt, das Mr. Palmer ihr zugeschickt hatte. Aber das durfte natürlich niemand wissen! Energisch streckte das Mädchen die Hand aus. „Ich aktiviere Gem-Eyes Effekt! Sight Transition! Ich ändere seinen Typen zu Pyro und füge dir damit 500 Punkte an Schaden zu!“ An den Seiten des Helms ihres Drachen befanden sich Scheiben, die in farbige, transparente Segmente geviertelt waren: rot, grün, gelb und blau. Ebenjene begannen sich rapide zu drehen, bis die roten auf Augenhöhe hielten und sich wie ein Visor um jene legten. Rote Linien begannen sich durch die Rüstung des Drachen zu ziehen, dessen Flügel gingen in Flammen auf. Anya rief: „Ruby Flare!“ Und der Drache spie eine dunkelrote, schimmernde Flamme auf Othello, welcher sich in seinem Rollstuhl gar nicht so schnell abwenden konnte. „Oha!“   [Anya: 4000LP / Othello: 4000LP → 3500LP]   Anya nahm eine Falle aus ihrem Blatt und legte sie in ihre neue Duel Disk ein. Nachdem die Karte vor ihr erschienen war, schwang sie den Arm aus. „Angriff auf seinen [Dwarf Star Dragon Planeter]! Spectral Burst Stream!“ Erneut öffnete Gem-Eyes sein Maul und stieß dieses Mal einen knallbunten Odem aus, der so stark glänzte, dass selbst die Luft unter der simulierten Hitze funkelte wie ein Diamant. Begeisterte Ausrufe der Zuschauer begleiteten den Angriff, wie er in Othellos schwarz-gelben Drachen einschlug und dort explodierte. „Nicht schlecht, Anya“, lobte der vergnügt.   [Anya: 4000LP / Othello: 3500LP → 2800LP]   Jene rieb sich den Finger unter die Nase. „Heh. Das Geheimnis ist, sich stets weiterzuentwickeln.“ „Das hast du doch von mir“, rief Cynthia vor der Menschentraube belustigt. „Halt die Klappe“, raunte Anya genervt, zuckte aber mit den Schultern, „kann schon sein. Was auch immer, ich benutze [Gem-Knight Pyrites] Pendeleffekt, um eine Gem-Karte von meinem Deck auf den Friedhof zu schicken: [Gem-Knight Garnet]!“ Sie zeigte die gelb-umrandete Karte vor und schob sie in den Friedhofsschlitz. „Okay, das war's aber. Du bist!“ Zeig mir dein Assmonster, dachte sie dabei erwartungsfroh. Ein Kampf zwischen Gem-Eyes und Odd-Eyes! Sie hätte nicht damit gerechnet, ihn schon so früh zu erleben.   „Das ist ein gutes Stichwort. Draw!“ Othello zog von seinem Deck und sah nachdenklich in sein Blatt. „Ich werde dir zeigen, dass ich mich auch weiterentwickelt habe! Er nahm zwei Karten und legte sie rechts und links neben seine Monsterkartenzonen. „Ich aktiviere den Magier, der das Wissen bewahrt: [Wisdom-Eye Magician] mit dem Pendelbereich 5! Und den Magier, der die Zeit versteht: [Timegazer Magician], Pendelbereich 8!“ Genau wie bei Anya schossen zu seiner Linken und Rechten zwei hellblaue Lichtsäulen aus dem Boden, in denen besagte Magier empor stiegen. Erstgenannter war ein Magier in weißer Robe und langem, braunen Umhang, welcher einen Stab mit einer daran hängenden Laterne mit sich führte. Sein Partner dagegen war in Schwarz gehüllt, verdeckte seinen Mund durch ein Halstuch und war mit einer Zackenklinge an seinem Arm bewaffnet, die sich wie ein Zahnrad um seinen Körper bog.   <5> Othellos Pendelbereich <8>   „Pendeleffekt von [Wisdom-Eye Magician]! Sollte in meiner anderen Pendelzone ein Magier liegen, kann er sich selbst zerstören und mit einem Magier aus meinem Deck ersetzen!“ Jener hob seine Laterne an, aus der ein grelles Licht zu drängen begann. „Ich aktiviere den Magier, der die Sterne liest, [Stargazer Magician]! Pendelbereich 1!“ Als das Licht verschwunden war, stand anstelle des Weisen ein Magier in langer, weißer Robe und Umhang, welcher ebenfalls seinen Mund bedeckte und einen langen Stab in den Händen hielt, der in der Mitte eine Scheibe integriert hatte.   <5 → 1> Othellos Pendelbereich <8>   Anya konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als Othello rief: „Jetzt ist alles bereit! Pendulum Scales set!“ Der Bursche reckte seinen Arm in die Höhe. „Schwinge bis in alle Ewigkeit, Pendulum!“ Über ihm öffnete sich das kreisrunde, bunte Loch, das von zahlreichen Ellipsen aus schimmerndem Licht umgeben war. „Aus meinem Extradeck [Wisdom-Eye Magician]! Und aus meiner Hand [Doomstar Magician], [Harmonizing Magician] und mein Assmonster: [Odd-Eyes Pendulum Dragon]! Pendulum Summon!“ Gleich vier rote Strahlen schossen aus dem Loch und schlugen vor Othello ein. Erst tauchte der Hexer mit der Laterne auf, dann ein Magier mit Stab in der Hand, der die blauen Kugeln an seiner schwarzen Kutte mit einer Handbewegung zum Leuchten brachte. Neben ihm erschien eine pinkhaarige Magiern in Weiß, an deren Zauberstab eine Stimmgabel angebracht war. Und nicht zuletzt, vor ihnen der rote Drache mit den Metallauswüchsen auf dem Rücken, in dem sich rechts eine grüne und links eine rote Kugel befand. Jener brüllte wütend und peitschte mit seinem langen Schweif umher.   Wisdom-Eye Magician [ATK/1500 DEF/1500 (4) PSC: 5] Doomstar Magician [ATK/1800 DEF/300 (4)] Harmonizing Magician [ATK/0 DEF/0 (4) PSC: 8] Odd-Eyes Pendulum Dragon [ATK/2500 DEF/2000 (7) PSC: 4]   „Gleich 'ne ganze Armee, huh?“ Anya grinste keck. „Die wirst du auch brauchen!“ „Wie gut, dass durch [Harmonizing Magicians] Effekt gleich noch Verstärkung kommt“, entgegnete Othello und griff nach seinem Deck. „Wenn sie aus meiner Hand via Pendelbeschwörung gerufen wird, holt sie einen Pendelmagier direkt vom Deck auf mein Feld, aber sie wird verbannt, wenn sie es wieder verlässt! Zeig' dich, [Timebreaker Magician]!“ Die pinkhaarige Magierin schüttelte ihren Zauberstab hin und her, welcher daraufhin Schallwellen aussendete. Und plötzlich tauchte ein jugendlicher Krieger in Schwarz mit braunem Haar auf, welcher beidhändig ein Schwert führte.   Timebreaker Magician [ATK/1400 DEF/0 (3) PSC: 2]   Der Bursche, der ein gezacktes Diadem trug, welches exakt der Waffe von [Timegazer Magician] entsprach, ging in die Knie. Und viele Zuschauer staunten über Othello, der sein komplettes Feld mit wenigen Handgriffen gefüllt hatte. „Wahnsinn!“ „Das ist der Sieger des Legacy Cups!“ „Auch wenn er Claire Rosenburg nicht besiegen konnte, wird er es in der Profiliga weit bringen!“ Anya sah sich um. Inzwischen konnte man schon gar nicht mehr von einer Menschentraube sprechen. Die Leute hatten die Mall regelrecht überfüllt. Vom oberen Stockwerk hingen sie über den Geländern. Dagegen waren die Geschäfte beinahe leer. Das Mädchen wurde aus ihrer Faszination gerissen, als Othello unkontrollierbar zu husten begann. „H-hey“, stammelte sie unbeholfen. „Es geht schon“, murmelte der junge Mann mit dem langen, strohblonden Haar und wischte sich mit dem Handrücken ein Rinnsal Blut vom Mundwinkel. „Danke.“ In dem Moment wurde Anya schmerzhaft daran erinnert, dass Othello aufgrund einer Infektion in seinem Spenderherz schwer krank war und wohl nicht mehr lange zu leben hatte. Damals hatte sie zum ersten Mal derart starkes Mitleid empfunden, dass sie sogar bereit war, den Legacy Cup aufzugeben, damit er seinen Traum erfüllen konnte, Claire Rosenburg zu besiegen. Letztlich war weder ihm noch ihr das gelungen. Und das alles nur, weil dieses Miststück mit ihrem Manager die Realität zu ihren Gunsten gebogen hatte. Zanthe hatte ihr das alles versucht zu erklären, aber wenn er nur davon anfing, wurde sie schon stinksauer.   Othello sah lächelnd auf. „Du musst dir keine Sorgen machen, mir geht es gut.“ „Lügner“, brummte Anya ernst. „Haha. Ok, so ganz stimmt das nicht. Aber bezüglich meiner Weiterentwicklung habe ich nicht geschwindelt! Das hier habe ich mir von dir abgeschaut.“ Plötzlich streckte er den Arm aus. „Ich stimme meinen Stufe 4-[Harmonizing Magician] auf meinen Stufe 3-[Timebreaker Magician] ein!“ Jene tippte mit dem Zeigefinger gegen die Stimmgabel an ihrem Stab, welche unkontrollierbar zu vibrieren begann. So stark, dass die Magierin vor Schreck in vier grüne Lichtringe zersprang, die sich hintereinander ausrichteten. Auch der Schwertschwinger-Jüngling verschwand, wurde zu drei grünen Lichtkugeln. „Spread those wondrous and beautiful wings, and strike down your enemies at the speed of light!“ Jene Sphären passierten die vier Ringe. Ein Lichtblitz blendete die Anwesenden. „Synchro Summon! Appear now! Level 7! [Clear Wing Synchro Dragon]!“ Anya konnte noch gar nichts erkennen, da rief Othello: „Ich errichte das Overlay Network! Aus meinen Stufe 4-Magiern Doomstar und Wisdom-Eye wird ein Rang 4-Monster!“ Das Rauschen des sich öffnenden Schwarzen Lochs war zu vernehmen, welches besagte Hexer als violette beziehungsweise gelbe Lichtstrahlen absorbierte. „Formed from pitch-black darkness, to fight those foolish enough to oppose it with its treacherous fangs! Now, descend! Xyz Summon! Rank 4! [Dark Rebellion Xyz Dragon]!“ Die Blonde versuchte hinzusehen, aber in dem Moment erfolgte aus dem Overlay Network eine Explosion, die sie sofort wieder blendete. „S-shit!“ „Und jetzt aus meiner Hand die Zauberkarte [Pendulum Fusion]! Ihr besonderer Effekt lässt mich die Monster in meinen Pendelzonen als Fusionsmaterialien benutzen.“ Othello streckte den Arm in die Höhe, wo seine beiden Magier aus den Lichtsäulen traten und in einen gelb-blauen Wirbel gezogen wurden. „Two darks with the power of clairvoyance! Now become one, and from the hell of your visions, give birth to a new terror! Fusion Summon! Appear! Poisonous dragon with hungry fangs. Level 8! [Starving Venom Fusion Dragon]!“ „Was!?“, keuchte Anya entsetzt, als sie nun endlich hinsah. Zur Linken flog ein weißer Drache mit schwarzer Brustpanzerung und schwarz-weiß gestreiftem Schweif über Othello, dessen vier Flügel aus transparentem, grünem Glas bestanden. Neben diesem hielt sich ein pechschwarzer, schlanker Drache in der Luft, dessen dürre Metallschwingen wie Rohre anmuteten. Unter seinem Kinn ragten zwei spitze Stoßzähne hervor, dazu umkreisten ihn zwei Lichtsphären. Und zu guter Letzt trat ganz rechts aus dem Fusionswirbel ein schlangenhafter Drache mit langem Schweif heraus, der nicht nur gehörnt war, sondern auch gelb leuchtende Kugeln an Knien, Schultern und Fingeransätzen besaß – jene an den Knien öffneten sich und entpuppten sich als hungrige Mäuler.   Clear Wing Synchro Dragon [ATK/2500 DEF/2000 (7)] Dark Rebellion Xyz Dragon [ATK/2500 DEF/2000 {4} OLU: 2] Starving Venom Fusion Dragon [ATK/2800 DEF/2000 (8)] Anya betrachtete die vier Drachen auf Othellos Seite mit weit aufgerissenen Augen. Pendel, Synchro, Xyz und Fusion. „Genial …“ Selbst Isfanel und Kali war es nicht gelungen, so viele verschiedene Beschwörungsarten in nur einem Zug durchzuführen. Anya erkannte an, dass ihr dazu ebenso noch das nötige Können fehlte. Sie grinste breit. „Das ist echt cool!“ „Danke“, strahle Othello zurück, „ganz ehrlich: Du hast mich dazu inspiriert.“ Das Mädchen blinzelte verdutzt. War das so? Weil sie inzwischen auch so viele verschiedene Monstertypen benutzte? „He he, dann bin ich ja doch zu etwas gut“, lachte sie selbstironisch. Dann kniff sie die Augen fest zusammen. „Und jetzt zeig mir gefälligst, was die Biester so drauf haben, bevor ich dich platt mache!“ Jetzt musste sie sich nur noch einfallen lassen, -wie- sie an vier solcher Bestien vorbei kam. Auch die Zuschauer waren sich einig, dass das alles andere als leicht fallen würde. Aber vielleicht gerade deswegen feuerten nicht wenige die Blonde an, nicht zuletzt, weil sie trotz allem aus Livington stammte. „Den Anfang macht [Starving Venom Fusion Dragon]! Hell Feast!“, rief Othello und streckte den Arm aus. Die Mäuler an den Knien des größten der Drachen schossen an dünnen Ranken hervor und umwickelten Gem-Eyes, bissen ihn gar. „Damit erhält er bei seiner Beschwörung nicht nur für einen Zug Angriffspunkte identisch zu denen des Ziels, sondern auch dessen Effekt!“ Als der goldene Drache mit den flammenden Flügeln losgelassen wurde und beinahe zusammensackte, ging Starving Venom selbst in Flammen auf, ohne aber von ihnen verschlungen zu werden.   Starving Venom Fusion Dragon [ATK/2800 → 5200 DEF/2000 (8)]   Mehr als ein entsetztes Keuchen presste Anya nicht hervor. Othello schwang den Arm aus. „Jetzt du, [Dark Rebellion Xyz Dragon]! Treason Discharge!“ Ebender absorbierte mit den Stoßzähnen unter seinem Kinn seine beiden Overlay Units. Die metallischen Elemente an den Flügeln des pechschwarzen Drachen fuhren daraufhin aus und gaben elektrische Ladungen ab, welche das Ungetüm unter lautem Heulen auf [Gem-Eyes Value Dragon] schleuderte. Einmal getroffen, brach jener sofort dampfend zusammen.   Dark Rebellion Xyz Dragon [ATK/2500 → 3700 DEF/2000 {4} OLU: 2 → 0] Gem-Eyes Value Dragon [ATK/2400 → 1200 DEF/2000 (7) PSC: 5] „Dieser Effekt absorbiert die Hälfte der Angriffspunkte deines Gem-Eyes und überträgt sie auf Dark Rebellion! Und dieses Mal ist es dauerhaft!“ Anstatt aber von Othellos Ausruf eingeschüchtert zu sein, gab Anya sich zuversichtlich. „Diese Dinger sind ganz schön übel. Aber ein bisschen Herumspielerei mit meinen Angriffspunkten macht dich noch lange nicht zum Sieger!“ Auch der junge Grieche strahlte eine gesunde Portion Selbstbewusstsein aus, als er den Zeigefinger ausstreckte. „Ach ja? Dann beweis' es! Los, Starving Venom, greif' ihren [Gem-Eyes Value Dragon] an! Reckless Devouring!“ Was für die Anwesenden bisher nicht sichtbar war: Auch die Schultern des Giftdrachens waren tatsächlich Mäuler, die sich weit öffneten und an langen Ranken vom Körper lösten. Zeitgleich schossen sie auf den geschwächten Golddrachen zu. „Wenn dieser Angriff trifft, ist sie sofort besiegt!“ „Der geht echt ab!“ „Los, Anya, das war doch nicht schon alles, oder!?“ Die Blonde sah über ihre Schulter zu ihrer Managerin, die mit verschränkten Armen da stand und sie anlächelte. Motiviert zeigte das Mädchen ihr einen Daumen – eine Geste, die Cynthia grinsend erwiderte. Dann sah Anya nach vorn. „Als ob! Falle, [Negate Attack]! Sie stoppt den Angriff und beendet deine Battle Phase sofort!“ Jene Konterfalle klappte im letzten Moment auf und baute vor ihrem Monster eine unsichtbare Barriere auf, an der die gierigen Mäuler abprallten. Unverrichteter Dinge kehrten sie zu ihrem Besitzer zurück und wurden zu seinen Schulterblättern. „Glück gehabt“, sagte ein Zuschauer. Eine andere Dame meinte: „Er hat wohl ihre verdeckte Karte vergessen, hm?“ „Das hätte auch schief gehen können für ihn, wenn da etwas anderes gelegen hätte.“ Othello selbst hatte sich scheinbar keine Sorgen darum gemacht. „Oh man, das war ja zu erwarten gewesen. Aber ich kann dir trotzdem Schaden zufügen.“ „Huh?“ Anya legte den Kopf schief. „Und wie?“ „Schon vergessen? Starving Venom trägt den Effekt deines Gem-Eyes in sich. Und wirst du ihn am eigenen Leibe erfahren: Ruby Flare!“ Und plötzlich öffnete der entflammte Giftdrache sein Maul und spie einen dunkelroten, schimmernden Odem aus, der Anya voll erfasste. Jene fluchte leise: „Shit!“   [Anya: 4000LP → 3500LP / Othello: 2800LP]   „Du bist dran“, nickte Othello ihr zu, als Anya wieder sehen konnte. „Damit normalisieren sich die Werte von Starving Venom.“ Das Feuer, das um jenen brannte, verschwand einfach.   Starving Venom Fusion Dragon [ATK/5200 → 2800 DEF/2000 (8)]   Der Junge im Rollstuhl besaß nichts außer den vier Drachen, um sich zu schützen. Anya musste irgendwie einen Weg finden, an ihnen vorbei zu kommen. Aber sie hatte keine Ahnung, wie sie es mit allen vier gleichzeitig aufnehmen konnte. Nachdem das Mädchen aufzog, weitete es die Augen. Vielleicht musste sie das auch gar nicht. Nicht, wenn diese Dinger für -sie- arbeiten würden. Ein heimtückisches Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus.   ~-~-~   Ein dunkler Raum, nur durch das Licht eines Laptops erhellt, vor dem Harrier saß. Hinter ihm öffnete sich eine Tür und warf unerwünschtes Licht vom Gang dahinter hinein. Ein Schatten legte sich über ihn. „Und?“, fragte Kathea gespielt neugierig. „Es war lachhaft“, erwiderte der Blonde, ohne sich umzudrehen, „sie dachte, eine Viertelstunde wäre zu wenig. Ich wollte schon gehen, weil sie nicht aufgekreuzt ist.“ Die Frau mit dem langen, schwarzen, zur Mitte hin ins Weiß übergehende Haar lachte künstlich, wie sie hinter ihm stand. „Ich erinnere mich gar nicht, dir die Anweisung gegeben zu haben, Melinda Ford überhaupt zu einem Duell herauszufordern.“ „Ich erinnere mich nicht, überhaupt Anweisungen von Ihnen entgegen genommen zu haben“, konterte Harrier eisig und sah über seine Schulter, „ich unterstehe Zyxx, wie Sie hoffentlich nicht vergessen haben.“ „Ja, aber der ist leider verschollen.“ „Nicht mehr lange.“ Kathea lächelte. „Natürlich. Dafür werde ich sorgen. Wir brauchen ihn schließlich. Also, konntest du die Daten schon auswerten?“ „Ich bin schon längst dabei, die Ergebnisse umzusetzen“, antwortete Harrier mit beleidigtem Unterton, „es handelte sich bei Zyxx' Duell um sogenannte Excel-Monster. Prototypen, deren Konzept verworfen wurde.“ „Interessant.“ Kathea kicherte wieder herablassend. „Dann können sich unsere 'Feinde' ja auf eine Überraschung der besonderen Art gefasst machen.“ Harrier stimmte mit ein. „In der Tat. Ich hatte gehofft, mit Melinda Ford etwas Feldforschung betreiben zu können. Allerdings hat sie diese Karten nicht gegen mich eingesetzt. Sie entstammen der Feder ihres Bruders.“ „Wie auch immer, ich hoffe, dass diese Prototypen bald schon mehr als das sein werden. Ich verlasse mich auf dich, Harrier.“ Damit verschwand sie aus dem Türrahmen und ließ ihn in seiner geliebten Dunkelheit zurück, die nur durch das Licht eines Bildschirms gebrochen wurde.   ~-~-~   Die Landschaft zischte nur so an ihr vorbei. Ab und zu ruckelte es ein wenig im Abteil des Zuges, dessen nächster Halt Livington sein würde. Sie war alleine, genoss die Ruhe. Es war schön, die Bäume, den blauen Himmel, die Wolken ihrer Heimat zu sehen. Auch wenn sie Angst davor hatte, was geschehen würde, sobald sie wieder zuhause war. Die junge Frau, deren brünettes Haar von einem weißen Sonnenhut bedeckt war, seufzte schwer.   ~-~-~   Unter dem Geschrei der Zuschauer, denn anders konnte man das nicht nennen, schwang Anya kämpferisch den Arm aus. „Ich aktiviere den Effekt von [Gem-Knight Pyrite] in meiner Pendelzone! Er kann eine Gem-Knight-Karte von meinem Deck auf den Friedhof schicken! Lazuli!“ Ihr weißer Schildritter blitzte kurz auf. Die Karte des Effektmonsters [Gem-Knight Lazuli] wurde automatisch von ihrem Kartenstapel hervor geschoben und von Anya prompt in den Friedhofsschlitz gesteckt. Kaum war sie dort gelandet, tauchte die durchsichtige Silhouette der kleinen Kriegerin in lehmbrauner Rüstung auf, welche sich in ihren namensgebenden, bröckeligen Edelstein verwandelte. „Wenn sie durch einen Effekt auf dem Friedhof landet, bekomme ich ein normales Monster von dort zurück“, erklärte Anya und zeigte [Gem-Knight Garnets] Karte vor. Im Anschluss streckte sie den Arm in die Höhe. „Und jetzt sieh gut hin! Schwinge bis in alle Ewigkeit, Pendulum!“ Über Anya, zwischen ihren beiden in den Lichtsäulen stehenden Kriegern, öffnete sich das bunte Pendelportal. „Aus meiner Hand beschwöre ich die Stufe 4-Gem-Knights Tourmaline und Garnet! Pendulum Summon!“ Zwei rote Strahlen schossen aus dem Loch und schlugen vor ihr ein. Ein goldener Ritter sowie einer in bronzener Rüstung knieten vor ihr nieder.   Gem-Knight Tourmaline [ATK/1600 DEF/1800 (4)] Gem-Knight Garnet [ATK/1900 DEF/0 (4)]   Vor ihnen bäumte sich der geschwächte Gem-Eyes kreischend auf. Anya streckte entschlossen den Arm aus. „Ich aktiviere den Effekt von [Gem-Eyes Value Dragon] und wechsle seinen Typen! Sight Transition! Werde zum Fels in der Brandung!“ Die Scheiben am Helm des Drachen begannen sich zu drehen. Doch zu Anyas Überraschung schwang Othello den Arm aus. „Daraus wird nichts! Ich kontere mit [Clear Wing Synchro Dragons] Effekt!“ Jener spreizte seine gläsernen Schwingen aus, sammelte in ihnen grünliche Energie und feuerte sie in gebündelten Strahlen auf Anyas Monster ab. Ihr Gegner rief: „Dichroic Mirror! Damit wird der Effekt eines Monsters der Stufe 5 oder höher negiert und es zerstört!“ „Huh!?“ Anya wich zurück, als die Strahlen in Gem-Eyes einschlugen und ihn regelrecht zerfetzten. Mehr aber noch, begann der in der Luft hängende, schwarz-weiß gestreifte Drache in grünlicher Aura aufzulodern. Clear Wing Synchro Dragon [ATK/2500 → 4900 DEF/2000 (7)]   „Durch den Dichroic Mirror absorbiert Clear Wing für den Rest des Zuges die Stärke des zerstörten Monsters!“, erklärte ihr Freund energisch. „Ein perfekter Konter für deine Assmonster!“ Anya lachte in sich hinein. Das war's dann wohl mit ihrem Plan, [Gem-Knight Lady Brilliant Diamond] aufs Feld zu bringen. Damit wäre alles sehr einfach gewesen. Aber es gab immer noch einen Plan B! „Nicht alle“, erwiderte sie selbstbewusst, „sieh her!“ Sie schwang den Arm aus und rief: „Ich errichte das Overlay Network! Aus meinen beiden Stufe 4-Monstern wird ein Rang 4-Monster!“ In der Mitte des Feldes öffnete sich unter dem Aufschrei der Zuschauer ein Schwarzes Loch, das ihre beiden verbliebenen Ritter als braune Lichtstrahlen absorbierte. Anya murmelte leise: „Ich verlasse mich auf dich.“ Es folgte eine Explosion im Inneren des Überlagerungsnetzwerks. „Xyz Summon! Erscheine, [Gem-Knight Pearl]!“ Aus ihr stieg der weiße Ritter empor, umgeben von sieben riesigen Perlen sowie zwei Lichtkugeln, die ihn umkreisten. Als er seine Augen öffnete, leuchteten diese blau auf. Ich werde dich nicht enttäuschen, Anya Bauer.   Gem-Knight Pearl [ATK/2600 DEF/1900 {4} OLU: 2]   Jene streckte den Arm weit aus. „Los! Vernichte seinen Odd-Eyes! Blessed Spheres of Purity!“ Mit den Handbewegungen eines Dirigenten steuerte Levrier seine sieben Perlen und verwandelte sie in Geschosse, die nacheinander auf den roten Drachen zuschossen. Othellos Lächeln schwand, aber er kommentierte den Angriff nicht. Gleich sieben Explosionen suchten ihn im Anschluss heim und als der Rauch verschwand, war sein Signaturmonster fort.   [Anya: 3500LP / Othello: 2800LP → 2700LP]   Anya zischte wütend. „Tch! 100 zu wenig.“ Sie nahm ihre beiden verbliebenen Handkarten, zwei Fallen, und setzte sie in ihre Duel Disk ein. Die tauchten surrend in vergrößerter Form vor ihren Füßen auf. „Dein Zug. Nutze ihn gut, denn es wird dein letzter sein!“ Ihre Drohung sorgte für überraschte Ausrufe seitens des Publikums. Selbst Cynthia, die zwischen den Absperrungen auf dem roten Teppich stand, musste in sich hinein schmunzeln. „Na wenn du den Mund da nicht etwas zu voll nimmst. Aber wer weiß …“ Indes schwand die grüne Aura um Clear Wing.   Clear Wing Synchro Dragon [ATK/4900 → 2500 DEF/2000 (7)]   Othello schloss die Augen. Anya tat es ihm gleich. Sie hatten während des Duells kaum gesprochen, aber das war okay. Sie verstanden einander auch so. Es war bis hierher großartig. Und es würde mit einem Knall enden. Obwohl sie es nicht sah, spürte sie, wie seine Hände sein Deck berührten. Es war fast, als hörte sie seine Gedanken. Odd-Eyes würde ihn nicht im Stich lassen, das waren seine Worte damals und auch heute. Er zog. Beide öffneten gleichzeitig die Augen. Und Othello rief: „Ich aktiviere [Amazing Pendulum]! Wenn keine Karten in meinen Pendelzonen liegen, bekomme ich zwei unterschiedliche Magier von meinem Extradeck auf die Hand zurück!“ Über dem Jungen im Rollstuhl öffnete sich das bunte Pendelportal. Zwei gelbe Lichtsäulen schossen daraus hinab. „[Stargazer Magician] und [Wisdom Eye-Magician]! Und ich aktiviere beide sofort!“ Und genau jene befanden sich in den Strahlen, der weiße Hexer mit dem Stab in der Hand und der in einen düsteren Umhang gehüllte, welcher eine Laterne mit sich führte. Allerdings war der Grieche noch nicht fertig. „Ich kann [Wisdom Eye-Magician] zerstören, um einen anderen Magier aus meinem Deck zu aktivieren! Ich wähle [Timegazer Magician]! Pendulum scales set!“ Ersterer hob seine Laterne erneut an, ließ sie ein grelles Licht ausstrahlen und verschwand mit ihr, um Platz für den in schwarz gekleideten, vermummten Magier mit der Zahnradklinge an seinem Arm zu machen.   <1> Othellos Pendelbereich <8>   Anya sagte nichts. Doch sie wusste, dass er ihre Gedanken lesen konnte, welche nur ein einziges Wort hinausschrien: Shit! Denn -das- hätte nicht passieren dürfen! Schweiß stand ihr auf der Stirn gezeichnet. „Schwinge bis in alle Ewigkeit, Pendulum!“, rief Othello und stieß die flache Hand empor. „Kehre zu mir zurück, Odd-Eyes!“ Das über ihm noch geöffnete Pendelportal stieß einen einzelnen, roten Strahl aus, der vor ihm einschlug. Und brüllend erhob sich der kräftige, rote Drache mit den bunten Kugeln an seinen metallischen Schulterauswüchsen.   Odd-Eyes Pendulum Dragon [ATK/2500 DEF/2000 (7) PSC: 4]   „Heh, alle vier Beschwörungsarten wieder vereint. Nicht schlecht“, gab Anya mit einem kecken Grinsen anerkennend zu. „Aber wo ist der Ritualdrache?“ „Es gibt einen?“, erwiderte Othello belustigt. „Und wenn, braucht man den überhaupt?“ „Die Einstellung gefällt mir!“ Hoffentlich hatte Redfield, wo immer sie sich hier rumtrieb, die Spitze verstanden. Aber Anya musste feststellen, dass sie ihre Rivalin beim Umsehen nirgendwo entdecken konnte. Dabei hatte der Flohpelz doch gemeint, sie wäre hier. Was auch immer … Die Leute begannen Othellos Namen wie einen Singsang von sich zu geben. Andere konterten mit Ausrufen für Anya, die mit strengem Gesichtsausdruck die Arme verschränkte. „Bereit?“, fragte Othello, lachte dann aber. „Natürlich bist du. Also los, entscheiden wir das hier! [Dark Rebellion Xyz Dragon], greife [Gem-Knight Pearl] an! Rebellious Lightning Disobey!“ Die mechanischen Schwingen des schwarzen Drachen fuhren noch ein wenig weiter aus und begannen pinkfarbene Stromschläge abzugeben. Mit hoher Geschwindigkeit schoss das Biest auf Levrier zu, die Keile an seinem Kiefer begannen ebenfalls pink aufzuleuchten. „Ich kann nichts tun“, keuchte Anya und sah beschämt weg. Ist das ein Witz!?   Nein, war es nicht. Halb zu Anya sehend, wehrte Levrier den Angriff mit seinem rechten Ellbogen ab, welcher prompt durchbohrt wurde. Die Entladungen übertrugen sich auf ihnen und resultierten in einer Explosion, die ihn regelrecht zerfetzte. Anya Bauer, du elende-!   Doch die winkte mit zusammengekniffenen Augen ab. „Ja ja, spar dir dein Gejammer!“ Auch sie wurde von einigen Funkenschlägen getroffen, blieb aber ruhig.   [Anya: 3500LP → 2400LP / Othello: 2700LP]   „Du hast genau das getan, was du solltest!“, rief sie anschließend und schwang den Arm aus.   Im Kampf fallen!?   „Yeah! Falle aktivieren!“ Ihre rechte verdeckte Karte sprang auf. „[Brilliant Spark]! Damit füge ich meinem Gegner die Angriffskraft des Gem-Knights als Schaden zu, den er tolldreist umgenietet hat!“ Ihr Gegenüber gab einen überraschten Laut von sich. Vor Anya entstand ein wunderschöner Brillant, in dem sich gelbliche Energie sammelte. Jene wurde in einem konzentrierten Strahl abgefeuert und fegte am schwarzen Drachen und seinen drei Mitstreitern vorbei, bis er in Othellos Brust einschlug. „Ah!“   [Anya: 2400LP / Othello: 2700LP → 100LP]   Die Menge war plötzlich still. Othello saß mit herunterhängendem Kopf da und regte sich nicht. Auch Anya stand wie eine Salzsäule da, erstarrt, ausdruckslos. „Ha ha“, begann der Grieche plötzlich zu lachen und sah auf. „Ich verstehe! 100 zu wenig! Aber für dich sind es 101.“ Sich aus ihrer verkrampften Haltung loslösend, atmete Anya auf. „Yeah.“ „Trotzdem liefern wir ihnen einen fulminanten Abschluss!“ „Yeah!“ Othello streckte den Arm aus. „[Odd-Eyes Pendulum Dragon], greife sie direkt an und lösche ihre verblieben Lebenspunkte aus! Spiral Strike Burst!“ Der rote, am Boden stehende Drache lud in seinem Maul einen roten Odem auf, den er auf Anya abfeuerte. Um ihn schlugen schwarze Entladungen. Im Gegenzug betätigte das Mädchen den Auslöser an ihrer Duel Disk. „Nicht so hastig! Ich aktiviere-!“ „Vergiss es“, fuhr ihr Othello dazwischen, „durch den Effekt meiner beiden Magier in den Pendelzonen kannst du bei dem Angriff eines Pendelmonsters weder Zauber- noch Fallenkarten aktivieren!“ Anya lächelte. Das wusste sie doch längst. Als der rote Strahl sie erfasste und die Leute um sie herum beinahe ausrasteten, zuckte sie lediglich mit den Schultern.   [Anya: 2400LP → 0LP / Othello: 100LP]   ~-~-~   Entgegen Zanthes Aussage gegenüber Anya, Matt wäre ebenfalls im Einkaufszentrum, lag dieser tatsächlich auf dem Bauch in Valeries Schlafzimmer. Jene war neben ihm in ein Buch vertieft, das sich mit übernatürlichen Wesen beschäftigte. „Stimmt eigentlich irgendetwas von dem, was die hier schreiben?“, fragte sie skeptisch und fuhr sich durch das lange, schwarze Haar, das durch einen weißen Reif gehalten wurde. Der Dämonenjäger im schwarzen Ledermantel neben ihr lachte. „Ein wenig. Die ganz offensichtlichen Dinge.“ „Was ist hiermit?“ Sie deutete auf die Abbildung eines wandelnden Toten. „Zombies? Uh“, Matt überlegte kurz, „es gibt, soweit ich weiß, zwei Sorten. Die klassischen und die Ghule.“ „Sind wir nicht damals welchen begegnet, als in Livington 'Monsternacht' war?“ „Ja. Ich denke, Urila hat mit einem Zauber das Potential der Anwohner irgendwie erhöht und sie mit einem zweiten dann in das verwandelt, was ihnen am ähnlichsten ist.“ Matt kratzte sich nachdenklich an der Stirn. „Jetzt, da wir von den Undying bestätigt bekommen haben, dass Äther als Bestandteil allen Lebens existiert, muss sie wohl den Äther der Leute erhöht haben. Wie auch immer das geht …“ „Hat sie nicht euer Grimoire benutzt, um die Zauber zu wirken?“, warf Valerie ein. „Ja. Moment, vielleicht hat sie damals gar keine bestimmte Anzahl an Opfern gebraucht, um das Tor Eden zwangszuöffnen, sondern eine bestimmte Menge Äther?“ Valerie kicherte belustigt. „Witzig, wie manche Sachen im Nachhinein Sinn ergeben.“   Dann tippte sie auf die Abbildung des Zombies. „Wie dem auch sei, was ist nun mit dem hier? Du sagst, es gibt sie? Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Wie soll das funktionieren, wenn ihr Gehirn bereits verwest ist?“ „Ein normaler Zombie kann nicht eigenständig agieren.“ Matt zeigte auf die Beschreibung unter dem Bild. „Was da steht ist totaler Quatsch. Es gibt keine Viren, die totes Gewebe beeinflussen. Das machen in der Realität sogenannte Nekromanten, Totenbeschwörer.“ Valerie, die mit den Beinen strampelte, erwiderte freudig: „Ja, den Begriff habe ich schon mal gehört. Die gibt es also?“ „Ja. Sie können Tote wie Marionetten steuern, indem sie ihnen ihren 'Willen' verleihen. Wahrscheinlich durch Übertragung von Äther.“ Matt seufzte auf einmal. „Mit Ghulen ist es anders.“ Das Mädchen blätterte ein paar Seiten vor. Auf der rechten war ein grausiges, graues Ungetüm abgebildet, was über einen menschlichen Kadaver hing. Blut tropfte die langen Fangzähne hinab. „Was steht hier? Leichenfresser …“ „Pft.“ „Was?“ Beleidigt runzelte die Schwarzhaarige ihre Stirn. „Willst du dein Wissen mit mir teilen?“ Matt räusperte sich. „Ahem. Da steht, dass diese Untoten – Betonung auf untot – einen unstillbaren Appetit nach verdorbenem Fleisch haben.“ Die Augen fest zusammenkneifend, erwiderte Valerie trocken: „Untote benötigen keine Nahrung. So ein Schwachsinn.“ „Yeah!“ Beide begannen zu lachen. Matt fiel es entsprechend schwer zu erklären, was es wirklich mit Ghulen auf sich hatte. „Sie sind Untote, aber anders als bei Zombies, gleich zum Zeitpunkt ihres Todes wiedererweckt worden. Dadurch besitzen sie noch eine gewisse Intelligenz. Anders als die Autoren dieses Buchs.“ „Haha! Werden Sie auch von Nekromanten gesteuert?“ „Sie sind diejenigen, die sie reanimieren. Sie können ihnen Befehle geben. Ich meine mich zu erinnern, dass sie die Seele des Ghuls an das tote Fleisch binden und damit absolute Gewalt über ihn haben.“ Valeries Lachen verstummte abrupt. „Heißt das, dass sie keinen … Frieden finden werden?“ „Ein Ghul stirbt erst endgültig, sobald sein Beschwörer den Zauber löst oder selbst das Zeitliche segnet.“ Der schwarzhaarige Dämonenjäger sah Valerie fragend an, als diese ihr Haupt senkte. „Stimmt etwas nicht?“ Sie schreckte auf, schüttelte den Kopf. „N-nein.“ „Du denkst an Marc“, lautete Matts Feststellung. „Meinst du, er ist …?“ „Nein. Ich weiß nicht, was er ist.“ Der junge Mann sah zur Decke. „Aber er hat einen freien Willen, also ist er weder Zombie noch Ghul.“ Zögerlich kam von ihr ein: „Verstehe. Danke.“ Kurz darauf erhob Valerie sich, gerade als Matt seine Hand auf ihre legen wollte. Den Kopf für den Bruchteil einer Sekunde hängen lassend, tat es ihr unverrichteter Dinge gleich und las dabei das Buch auf. „Ich denke, ich gehe dann mal“, sagte er, „wenn du möchtest, versuch dich ein wenig über andere Wesen zu informieren. Morgen werten wir dann aus, was Fakt und Fiktion ist.“ Er reichte ihr das Buch. „Und … denk nicht so viel an Marc.“ „Sicher.“ „Du willst das wirklich durchziehen?“, fragte er, immer noch mit dem Wälzer in der Hand. „Eine Dämonenjägerin werden?“ Sie sah ihn an, sagte aber nichts. „Ich … ich denke nicht, dass du-“ Etwas in ihren Augen blitzte auf. „Stop. Matt, ich weiß deine Sorge zu schätzen, aber ich weiß, was ich möchte. So sehr sie es auch wollen, können manche Menschen nicht der Bestimmung nachgehen, die sie sich erträumen.“ „Valerie …“ „Ich bin nicht dazu bestimmt, Profiduellantin zu werden. Und ganz sicher auch nicht dazu, eine Diplom-Architektin zu sein.“ Valerie nahm ihm das Buch ab. „Also suche ich nach etwas, das am nächsten liegt. Ich will kämpfen. Menschen beschützen. Gute Dämonen beschützen, wie Levrier oder Abby. Sollte das auch nicht-“ Matt unterbrach sie sanft. „Ok, ich verstehe schon. Aber bis dahin ist es noch ein sehr langer Weg.“ „Ich weiß. Ich habe Zeit.“ Sie lächelten sich kurz an, dann gab der Dämonenjäger ihr die Hand. „Ok, dann bis morgen.“ „Bye.“   ~-~-~   „'Es ist nicht schlimm, zu verlieren'“, äffte Anya die Worte ihrer Mentorin nach, kurz nachdem sie irgendwie aus der Menschentraube ausgebrochen war. Vor sich schob sie Othellos Rollstuhl, eine Geste der Freundlichkeit, die die Livingtoner aller Voraussicht nach mit einem Zeitungsartikel würdigen würden. „War es das denn?“, fragte der junge Grieche, wie sie zusammen durch die Mall zogen. Auf den Metallboden spiegelten sich ihre Antlitze verzerrt. „Weiß nicht“, gestand Anya und verscheuchte mit einem Wink und ziemlich finsterem Gesichtsausdruck herannahende Fans. Othellos Fans selbstverständlich. „Gusch, weg mit euch, wir wollen allein sein!“ Der Junge kicherte. „Dann erinnere dich, was sie noch gesagt hat.“ „Hab nicht zugehört.“ „'Es ist nicht schlimm, zu verlieren, besonders, wenn dein Gegner ein Freund war. Gerade am Anfang ist der Weg steinig und voller Rückschläge. Und das Erste, was ich meinen Schülern beibringe, ist damit umzugehen.'“ Er gab ein nachdenkliches Geräusch von sich. „Ich denke, da ist was dran.“ „Yeah, was auch immer. Hey!“ Sie hielten direkt vor einem großen Café, das durch eine gläserne Fassade von der Mall abgeschirmt war. In bunten Neon-Lettern stand über dem Eingang 'Bikini Fruit'. „Was meinste, wollen wir was trinken?“ „Ja. Aber bitte alkoholfrei.“ „Tch, Spießer!“ „Ich mache mir bloß Sorgen was passiert, wenn du betrunken ist.“ Anya runzelte auf die Neckerei ihres Freundes hin die Stirn, verwarf die Gedanken an sofortige Vergeltung ausnahmsweise, als sie das Café betraten und an diversen Tischen vorbei zu einem Fensterplatz schlängelten. Zur Rechten gab es eine riesige Bar, an der man bestimmt Cocktails bekam, die einem das Hirn wegballerten. Aber sie würde wohl nie in den Genuss kommen … Nachdem die beiden einen freien Tisch gefunden hatten und Anya Othellos Rollstuhl entsprechend abgestellt hatte, saßen sie sich gegenüber. Der junge Grieche orderte nur ein Wasser, wohingegen Anya gleich einen 'Killer Bikini-Tornado' bestellte – ein Eisbecher mit sechs Kugeln verschiedener Fruchteissorten, garniert mit Schlagsahne, Obststücken und gottgleichen, hausgemachten Waffeln. „Ich dachte, wir wollten nur etwas trinken. Da bekommt man ja beim Anblick schon Karies“, gluckste Othello, als er seine amerikanische Freundin dabei beobachtete, wie sie mit ihrem Blick dem 'Killer Bikini-Tornado' huldigte. Wenn sie schon keine Drinks bekam, dann wenigstens das hier! „Yeah“, hauchte sie, die sie ihn seit Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, „gesponsort von der Zahnarztriege. Und fuck, der ist es wert, schlechte Zähne zu bekommen.“ Othello lachte erneut. „Na dann guten Appetit.“ Er hatte noch gar nicht zu Ende gesprochen, da landete schon die erste Waffel mit Schlagsahne in Anyas Mund. Was sie aber nicht daran hinderte, trotzdem zu reden. „Awo, wa mawhst du eiwenwich whir?“ „Ach nichts Besonderes. Deine Managerin hat mich angerufen und gefragt, ob ich nicht Lust auf eine Revanche hätte.“ „Huh?“ Anya schluckte erstmal kräftig und schnappte sich dann den Löffel, der neben dem Eisbecher lag. „Ich kenne Cynthia nicht mal eine Woche. Wie bist du so schnell …?“ „Ich bin schon seit drei Tagen in Livington. Die Anfrage hat sie kurz nach dem Legacy Cup gestellt“, wunderte sich Othello. Und beobachtete Anya anschließend dabei, wie sie wütend Schlagsahne in sich hinein schaufelte und dabei vor sich hin fluchte. „Diese hinterhältige Schlange. Also hat sie mich schon seit Wochen im Visier gehabt. Und so selbstsicher zu sein, dass sie mich kriegt … blöde … der werd' ich-“ „Sachte“, hob der Grieche die Hände, „du verschluckst dich noch.“ „Bah! Hast Recht, von der lass ich mir nicht den Tag versauen. Hier, willste auch?“   Othello schreckte zurück, als er schlagartig einen Löffel mit Erdbeereis vor der Nase hatte. Anyas Blick verriet, dass sie ein Nein nicht akzeptierte. Mit leicht geröteten Wangen beugte er sich vor und nahm das Eis gezwungen bereitwillig an. „Guter Junge“, strahlte sie stolz.   Dass ich das noch erleben darf, Anya Bauer. Du teilst dein Essen. Vergiss' Team Logan Carter, ich bin ab sofort Team Othello Nikoloudis!   Was faselte Levrier da, wunderte sich Anya aufrichtig naiv. Um gar nicht erst in die Verlegenheit zu geraten, sich darüber weitere Gedanken zu machen, wechselte sie schnell das Thema. Dabei fiel ihr auf, wie ihr neuer Freund bewusst aus dem Fenster auf die Straße hinab starrte. „Und wie lange bleibst du noch?“, wollte sie wissen. „W-weiß ich nicht. Wir haben es nicht eilig.“ „Cool! Wenn du willst, kann ich dir die Stadt zeigen.“ Wie er immer noch vermied, sie direkt anzusehen. Hatte sie was im Gesicht? „G-gerne. Aber nicht heute. Ich bin müde. Und morgen geht's auch nicht, da muss ich zum Arzt, wegen ein paar neuer Medikamente.“ Er schielte aus den Augenwinkeln zu Anya. „Also wäre dir übermorgen recht?“ Anya nickte. „Klaro! Aber komm wenigstens kurz mit nachhause. Wenn du willst, kann ich dann auch gleich ein Duell mit Roboburg organisieren.“ „W-wen bitte?“ „Claire Rosenburg.“ Anya rollte mit den Augen. Natürlich wusste Othello nichts von ihr und ihrem zweifelhaften Spitznamen. „Sie wohnt bei mir – leider! Wenn du magst, kannst du sie jeden Tag herausfordern. Ich habe bloß keine Ahnung, wie gut sie nun wirklich ist. Letztens habe ich im wahrsten Sinne des Wortes ihren Staub gefressen.“ Othello sah die Blonde verwirrt an. Keiner der beiden sagte etwas. Man konnte förmlich hören, wie es in seinem Denkkasten ratterte. Und das gefiel Anya irgendwie nicht. „Moment … du hast dich gegen Claire duelliert? Wann?“ „Uh … na ja …“ „Doch nicht etwa … wart ihr das!?“ Der Junge war so laut, dass die anderen Gäste sich überrascht zu ihnen umdrehten. Auf Anyas hektisches Handgewedel hin wurde er leise. „Habt ihr beide die halbe Riding Duel-Strecke in Ephemeria City auseinander genommen!?“ Anya sah sofort, dass es keinen Sinn hatte, es abzustreiten. „V-vielleicht?“ „Da hätten Menschen verletzt werden können!“ Okay, für den Abby-Tonfall gab's gleich Abzüge in der B-Note! B wie besonders rücksichtsvoll, was eventuelle Fehltritte anging. Bisher hatte keiner da jemals eine gute Note von ihr bekommen. Anya fragte sich bis heute, ob ihr jemals so jemand begegnen würde.   „Es wurde aber keiner verletzt!“, zischte sie so leise sie konnte und beugte sich vor. „Das war nicht meine Schuld, sie hat angefangen! Ich hab mich nur gewehrt!“ Othello sah sie immer noch tadelnd an. „Das musst du mir erklären!“ „Ich habe sie … vielleicht etwas provoziert“, log Anya, wobei das eigentlich sogar der Wahrheit entsprach. Nur dass sie ihren Manager auf sich aufmerksam gemacht hatte, nicht Claire selbst. „Und wie habt ihr die Sicherheitsmechanismen deaktiviert?“ Mittlerweile klang er eher neugierig als alles andere. „Die weiß eben, wie das geht. Na ja, eins kam zum anderen …“ „Aber da wurde doch jemand festgenommen-“ Sofort würgte Anya ihn ab. „-und freigelassen! Ja, ich weiß!“ „Will ich überhaupt wissen, was da abgegangen ist?“ „Das fragst du, -nachdem- du mich schon ausgehorcht hast!?“ Die beiden blinzelten einander an. Und lachten.   ~-~-~   Das blonde Mädchen lief in ihrem kleinen Zimmer auf und ab. Wofür sie wie viel, vielleicht vier bis fünf Schritte brauchte!? Was dachten sich diese Schwachmaten dabei, sie hier einzupferchen? Sie war noch nicht lange hier, aber bereits jetzt kristallisierte sich eins heraus: Bis sie dazu kam, die Dinge zu tun, die ihr versprochen worden waren, würde noch sehr viel Zeit vergehen.   Schließlich ließ sich Zoey frustriert auf ihrem Bett nieder, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und ließ sich in das Kissen fallen. Dieses Zimmer ähnelte eher einer Gefängniszelle als allem anderen. Ein kleiner Schreibtisch neben dem Bett sowie ein Schrank gegenüber waren alles, was sie hier hatte. Da die Anlage unter der Erde lag, gab es hier nicht einmal Fenster und entsprechend störend war das ständige, leise Rauschen der Lüftung. Na ja, wenigstens musste sie das Zimmer nicht noch mit jemandem teilen.   In ihren Gedanken verloren, bemerkte sie gar nicht, dass jemand im Türrahmen stand. Mit der Faust klopfte die schwarzhaarige, junge Frau gegen die Innenwand und wartete auf eine Reaktion. Zoey aber hob nur ein Lid an. „Was?“ „Ich war neugierig, was es mit unserem neuesten Mitglied auf sich hat“, trällerte die Besucherin fröhlich und trat ohne Aufforderung ein. „Na, hast du dich schon eingelebt?“ „Geht so“, bekam sie eine lasche Antwort. „Ich bin Persephone“, stellte jene sich vor und trat an Zoey herab, welche sie aus ihrem einen, offenen Auge betrachtete. Eins musste man der mit dem unaussprechlichen Namen lassen – sie war hübsch. Das wellige, schwarze Haar glänzte im Licht der Deckenbeleuchtung, reichte ihr bis zum Becken. Die Haut war blass, was ihr etwas Puppenhaftes verlieh. Wie alle, trug sie die dunkelblaue Uniform von CLEAR.   Persephone ließ sich neben Zoey nieder. „Wenn du willst, führe ich dich ein bisschen herum. Die Einweisung hat dich sicher mehr verwirrt als alles andere.“ „Nope. Eigentlich weiß ich ganz genau, was ich zu tun habe“, antwortete Zoey selbstbewusst. Das entlockte dem ungebetenen Gast ein erstauntes Raunen. „Oh? Was machen wir denn, wenn ich fragen darf?“ „Ziele eliminieren.“ Die Schwarzhaarige lachte. „Gewissermaßen, ja. Aber ganz so einfach ist es nicht. Wir sammeln Äther, indem wir Personen mit verhältnismäßig hohem Aufkommen zum Duell zwingen.“ In der Tat war der Teil für Zoey neu. Sie richtete sich mit Schwung auf und sah Persephone an, welche ein bitterböses Grinsen aufgelegt hatte. „Ich war an den Testläufen beteiligt. Macht Spaß.“ „Wirklich?“, fragte die Blonde träge. „Und was passiert mit den Leuten wenn wir fertig sind?“ „Na ja …“ Die Schwarzhaarige kicherte. „Die meisten kippen danach um. Wenn sie Glück haben. Arme Idioten.“ „Aha … was auch immer.“ Desinteressiert ließ Zoey sich wieder zurück ins Kissen sinken. Nachdem beide beharrlich schwiegen, erhob sich Persephone und merkte verstimmt an: „Besonders gesprächig bist du ja nicht.“ „Du dafür umso mehr.“ „Ich versteh' schon“, lamentierte die Schwarzhaarige und zuckte mit den Schultern, „dich interessiert das alles nicht.“ „Mir geht eben keiner dabei ab, Unschuldige umzubringen.“ „Tch!“ Sichtlich beleidigt wandte sich Persephone ab und verließ das Zimmer, nur um auf der Türschwelle noch einmal umzukehren. „Nur damit du es weißt: Davon war nie die Red- Aua!“ Zoey sah erstaunt auf und sah die Frau, wie sie sich den Hinterkopf rieb. Hinter ihr stand ein wahrer Hüne von Mann. Auch er trug eine Uniform, sein schwarzes Haar war kurz rasiert und, was ihn besonders herausstechen ließ, besaß er ein Tribal-Tattoo, das seine komplette, rechte Gesichtshälfte zierte. „Ares, was soll das!?“, fauchte Persephone. „Hör' nicht auf sie“, richtete der seine Worte jedoch direkt an Zoey. „Die Zielpersonen erholen sich nach einiger Zeit. Es gibt Berichte, in denen manche temporär ins Koma fielen, aber das sind Ausnahmen.“ Die Blonde rollte mit den Augen. „Was auch immer …“ „Sie hat keine Ahnung“, grummelte ungebetener Gast #1 weiter. „Was wir tun dient dem größeren Wohl“, erklärte der Mann namens Ares daher, „siehst du, jeder von uns hat etwas an die Dämonen verloren. Manche Familienmitglieder, andere ihre Unabhängigkeit …“ Er sah auf die wesentlich kleinere Persephone herab. „… und manche sogar ihren Verstand.“ „Klappe!“, zischte die und stieß ihm ihren Ellbogen in den Magen, was den Hünen aber gar nicht juckte. Zoey betrachtete beide und schüttelte dann den Kopf. „Seid ihr jetzt endlich fertig?“ „Wenn du Hilfe brauchst, kannst du dich gerne an mich, Persephone oder auch Ruud wenden.“ Mit diesen Worten folgte Ares der sehr direkten Aufforderung und griff den Arm der Schwarzhaarigen, welche sich nur unter wüsten Schimpftiraden wegziehen ließ.   Nachdem sie endlich für sich war, zog Zoey die Beine an und legte den rechten Arm über das rechte Knie. Ihr war scheißegal, was diese Typen vor hatten oder wofür sie kämpften. Alles, was für sie zählte, war Rache an Anya zu nehmen. Und an Levrier … Da war es ihr auch recht, Missionen für CLEAR auszuführen. Wehe, die ließen sie lange zappeln …   Zoey saß neben dieser schwarzhaarigen Fremden, die in ein elegantes, eierschalenfarbenes Kleid gekleidet war. Ihre Hände lagen dabei auf dem Schoß. Das Mädchen hielt nicht viel von gemischten Haarfarben, schon gar nicht, wenn die untere Hälfte komplett weiß war wie bei der da. „Oma hat immer gesagt, man soll nicht mit Fremden mitgehen. Schon gar nicht mit Weibern“, begann die Beanie-Trägerin schließlich feindselig. Kathea kicherte. „Eine weise Frau.“ „Was willst du von mir?“ „Ich kam nicht umher, den kleinen … Disput mit deiner Schwester mitanzusehen.“ Zoey schnaubte. „Ich bin nicht ihre Schwester. -Nur- eine Cousine …“ Und dafür war sie ihr bis hierher gefolgt? Was stimmte nicht mit der? „Trotzdem sind Streitigkeiten in der Familie eine ernste Sache. Wie traurig.“ Man musste kein Verhaltensforscher sein, um die Falschheit dieser Frau durch ihre Worte hindurch zu erkennen. Skeptisch betrachtete Zoey sie aus den Augenwinkeln. „Ja, aber ich wüsste nicht, was dich das angeht.“ „Nichts. Da hast du vollkommen Recht. Allerdings solltest du etwas über deine Cousine wissen. Sie wird kontrolliert.“ „Ah ja? Von wem?“ Der Anflug eines Lächelns zierte Katheas Lippen, wie sie starr geradeaus blickte. „Levrier.“ „'kay.“ „Du willst nicht wissen, wer das ist? Oder eher: Was er ist? Ein Immaterieller. Ein Dämon.“   Zoey sagte gar nichts. Sie starrte die Frau lediglich abweisend an. Schließlich wandte sich die Schwarzhaarige ihr zu und bedachte sie mit diesem mitleidigen Blick, der geradezu danach bettelte, mit einem Faustschlag ausgelöscht zu werden. „Sie hat mit ihm während eures Duells gesprochen.“ „Aha.“ Wenig überrascht verschränkte Kathea die Arme. „Natürlich glaubst du mir nicht. Wer würde das schon? Aber es ist die Wahrheit.“   Die Frau zückte ein Smartphone und spielte ein Video ab, das Anya aus der Vogelperspektive zeigte, wie sie bei Nacht in einem riesigen Stadion stand. Sie stritt schwer verständlich mit ihrem Bruder Zachariah und … beschwor gezackte Schwerter, griff ihn mit Blitzwellen an. „Was zur Hölle!?“, entfuhr es Zoey da. Kathea hielt das Video an. „Einer unserer Mitarbeiter hat das mit seinen Drohnen gefilmt. Durch ihre Aktivitäten ist deine Cousine ins Visier mächtiger Dämonen geraten. Und das verdankt sie allein Levrier.“ Perplex starrte Zoey auf das teure Markentelefon, sah die Blitze im Standbild. „Gibt es noch mehr Videos?“ „Natürlich.“ Kurz darauf spielte sie ein Video ab, ebenfalls aus der Vogelperspektive, in dem zwei Motorräder früh am morgen über eine Riding Duel-Strecke rasten. Die zurückliegende Person stand unter heftigen Beschuss einer Kanone am Heck des anderen Motorrads. Der Asphalt explodierte förmlich bei den Treffern, als der Angegriffene mit Mühe und Not auswich. „Dies ist ein Duell zwischen deiner Cousine und Claire Rosenburg“, erklärte die Frau. „Unnötig zu erwähnen, wer wer ist.“ „Ugh …“ Zoey sah weg. Und überlegte. Schließlich fragte sie: „Und wie spielt ihr da rein?“ „Ich bin die Repräsentantin von CLEAR. Einer Organisation, die dämonische Bedrohungen bekämpft.“ Nun lachte Zoey auf. „Im Namen der Regierung?“ „Nein. Wir agieren eigenständig.“ Madame Big Boss, oder wer auch immer sie wirklich war, fuhr sich durch das lange Haar. „Deine Cousine ist uns wohlbekannt. Unglücklicherweise hat sie ein Talent dafür, sich permanent in Schwierigkeiten zu bringen, wie du siehst. Bisherige Versuche, Levrier von ihr zu trennen, sind leider fehlgeschlagen.“ „Aha.“ Zoey wandte sich von ihr ab und blickte durch die getönte Scheibe des Wagens auf die Straße. „Ich mache es kurz: Uns fehlt es an Personal. Jemand mit einer Verbindung zu ihr könnte Anya Bauer vielleicht retten. Und Levrier vernichten. Darüber hinaus arbeiten wir an einem großen Projekt, das diese Welt retten könnte.“ „Bin dabei …“, war Zoeys knappe Antwort darauf.   Ja, dachte sie rückblickend. Da war nicht viel Überredungskunst von dieser Kathea nötig gewesen, keine langen Erklärungen, keine Machtdemonstrationen. Zoey war nach Livington gekommen, um nur noch einmal Anya von Auge zu Auge gegenüber zu stehen. Ihre Cousine, die sie einfach vergessen hatte. Und jetzt, da sie wusste, dass jene sich nicht mehr um sie scherte, war ihr jedes Mittel recht, um an ihre Rache zu gelangen. Und wenn sie dabei diese CLEAR-Gruppe ausnutzen konnte, umso besser. Zoey knirschte hasserfüllt mit den Zähnen. Anya würde bekommen, was sie seit jeher verdient hatte. Und Levrier gleich mit!   ~-~-~   Anya schob grinsend Othellos Rollstuhl vor sich. Es hatte ihr nichts ausgemacht, ihn durch halb Livington zu kutschieren. So hatte sie ihm wenigstens die besten Plätze zeigen können, entgegen vorheriger Proteste. Die große Stadttour würden sie dann später nachholen. Und nun war es Zeit, ihm ihr Zuhause vorzustellen. Die beiden hatten bereits Cynthias bunten Wohnwagen im Blickfeld, der noch immer vor dem Garten der Bauers parkte. „Na ja“, meinte Anya nachdenklich und ging auf die Frage ihres Freundes ein, „sie hat sich mehr oder weniger selbst eingeladen. Und mich überredet mitzumachen.“ „Ich denke, mit Cynthia Taslitz hast du eine gute Managerin. Selbst heute bewundern die Leute sie noch für ihre Ehrlichkeit. Sie hat nie ein Blatt vor den Mund genommen, wenn es darum ging, Probleme in der Liga anzusprechen“, erklärte der Blonde ihr. „Ach ja?“ „Ja! Und sie kümmert sich um hilfsbedürftige Menschen und Tiere. Früher war sie bei vielen Charity Events dabei. Heute nicht mehr so, eher im Hintergrund.“ Anya grinste. „Du kennst dich ja gut aus.“ „Nein“, konterte er und sah sie genauso verschmitzt über die Schulter an, „du hast keine Ahnung.“ „Boah!“ Um ihren Freund zu trietzen, nahm Anya Anlauf und schoss mit ihm regelrecht über den Bürgersteig. Statt aber zu schreien, lachte er nur laut, woraufhin sie einstimmte.   Was die beiden nicht sahen, war, dass vor Cynthias Wohnwagen ein Taxi stand, aus dem gerade eine junge Frau in einem weißen Sommerkleid ausstieg. Die beiden fegten an dem Wohnwagen vorbei und waren so mit sich selbst beschäftigt, dass sie gar nicht bemerkten, wie jemand vor ihnen ausstieg. „St-Stopp!“, rief der Fahrgast noch mit erhobenen Armen. Anya weitete die Augen. Mit quietschenden Reifen kam sie knapp vor der jungen Frau zum Stehen. Auch Othello verstummte abrupt und sah nach vorne. „A-Anya!“, fauchte der Neuankömmling erbost. „Du musst vorsichtiger sein!“ Jene ließ vor Schreck die Griffe des Rollstuhls los. Als sich ihr Gegenüber straffte und den Hut abnahm, fiel brünettes, leicht gelocktes Haar ihre Schultern hinab. Abigail Masters sah sie strafend hinter ihren Brillengläsern an. Und gewann gleich darauf ihr Lächeln wieder, als sie wusste, dass sie erkannt worden war. „Schön, dich zu sehen.“ „A-Abby … w-was machst du denn hier!?“     Turn 96 – Witch Fight Während Abby den Grund ihres Besuches erklärt, taucht der Undying-Anführer Ricther unvermittelt auf und will Anya mit sich nehmen. Anderenorts kommt es zu einer Konfrontation zwischen zwei Hexen, die unbemerkt von Velvet um deren Schicksal kämpfen … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)