Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 106: Turn 97 - Cracks And Bruises ----------------------------------------- Turn 97 – Cracks And Bruises     David konnte sich kaum vorstellen, wen der Sammler mit 'neuen Verbündeten' meinte. Sein Vorgänger, ein Schattengeist namens Orion, hatte die Seiten vor einigen Monaten gewechselt und war jetzt ein Teil des Zirkels, der sich um die Weiße Hexe scharte. Und auch Kyon, sein Butler, war wenig vertrauenerweckend. Seit dem Fall der Villa in Hollow City hatte man nichts mehr von ihm gehört. In Anbetracht dieser beiden konnte man auf weitere Zugänge getrost verzichten. Dass das nicht seine Entscheidung war, akzeptierte David allerdings ohne Weiteres. So folgte er seinem Meister den Gang über den hellroten Teppich entlang, welcher in einer einzigen Tür endete. „Du wirst begeistert sein“, sprach der Sammler in seinem weißen Morgenmantel fröhlich, „unser Gast ist bereits hier.“   Der Brite trat lächelnd in den kleinen Raum herein. Ausgelegt mit grauen Fliesen, befand sich darin nichts weiter als ein riesiger Kristall in Form eines auf dem Kopf stehenden Prismas, welcher über den Boden schwebte. Als David seinem Meister folgte und das Gebilde erblickte, weiteten sich seine Augen. „Whoa! Was ist das!?“ „Die Alternative.“ Eingeschlossen in dem durchsichtigen Kristall war eine düstere Gestalt, gekleidet in einen schwarzen Kimono. Dunkles, schwarzes Haar, lang und seidig, erstreckte sich in alle Richtungen. Eine weiße, dämonische Maske bedeckte das Gesicht des Wesens.   „Das ist dein Ersatz“, sprach der Sammler und legte seine Hand auf die glatte Oberfläche. „M-Meister, ich hätte eher damit gerechnet, dass wir Kyon-“ „Kyon ist nicht länger hier“, schnitt der Brite ihm ins Wort. David keuchte. „Also war er wirklich ein Verräter …“ „Natürlich.“ Der Sammler drehte sich um. Das Lächeln war verschwunden. Sofort meinte sein Diener: „Dann müssen wir gegen ihn vorgehen. Er weiß zu viel!“ „Nein, er ist genau dort, wo er sein soll“, erwiderte der Collector geheimnisvoll. „Wie konnte er nur … erst er, jetzt auch noch Anya Bauer …“ „David“, redete der Sammler sanft und packte den jungen Mann bei den Schultern, „es ist in Ordnung. Auch du wirst mich eines Tages verraten. Wie jeder andere. Das ist mein Schicksal.“ Der Schwarzhaarige riss sich entgeistert los. „Das würde ich niemals!“ „Eines Tages musst du das vielleicht.“ Mit diesen Worten wandte sich der Sammler an den im Kristall eingeschlossenen Dämon. „Genug geschlafen?“   Unmittelbar danach zerbarst das Gefängnis in tausend Teile. Die Splitter flogen an den beiden Männern vorbei, ohne dass jedoch nur einer sie berührte. Statt auf dem Boden liegen zu bleiben, verschwanden sie einfach. Schwebend landete der Dämon auf seinen Füßen. „Ich benötige deine Hilfe“, kam der Sammler unmittelbar zur Sache. „Nein“, dröhnte die unmenschliche, verzerrte Stimme des Maskierten emotionslos. „Ich habe dir die Freiheit geschenkt, obwohl du eine Gefahr für meine Pläne darstellst.“ Und nun sollte der ihm als Dank helfen, fragte sich David verwirrt. Im Gegenteil! Der junge Mann spannte bereits seine Muskeln an, bereit, sich zwischen den Sammler und den maskierten Dämon zu werfen. „Bevor du ablehnst“, sprach sein Herr weiter, „erinnere dich daran, was du wolltest. Sollen die Dinge so bleiben wie sie jetzt sind?“ Der Dämon schwieg, regte sich keinen Millimeter. „Du weißt noch, wer du warst und wofür du eingestanden hast, auch wenn deine Seele fort ist.“ „Meister-“, wollte David dazwischen gehen, als der Dämon nach dem langen Katana an seinem Waffenrock griff. Doch der Sammler hielt ihn mit ausgestrecktem Arm fern. „Nicht, David.“ Der Rotschopf blickte dabei unbeeindruckt sein Gegenüber an. „Ich habe eine Aufgabe für dich, eine, die deine Prinzipien nicht verletzen wird. Besorge mir, was ich benötige und ich werde im Gegenzug etwas für dich tun.“ Stur dröhnte es hinter der Maske des Dämons: „Es gibt nichts, das ich begehre.“ „Bedauerlicherweise täuscht du dich da“, erwiderte der Sammler zuversichtlich, „erinnere dich einfach.“   -~-~-   „Das“, sagte Zanthe und tat wenigstens so, als würde er seine Worte behutsam wählen, indem er Anya mitleidig ansah, „stinkt. Und zwar noch schlimmer als deine Socken und das will was heißen!“ Er hockte vor ihr mir einem ausgestreckten und einem angewinkelten Bein, während sie auf ihrem Bett saß und finster an ihm vorbei in die Leere starrte. „Jep.“ Abby, die am Schreibtisch vor dem Fenster saß und zu ihr gedreht war, faltete die Hände auf ihrem Schoß ineinander. „Ich weiß, es fällt dir schwer, das zu akzeptieren. Ein Homunkulus, e-ein künstlicher Mensch, das ist unvorstellbar. Unethisch! Man kann nicht einfach Leben erschaffen als wäre man Gott! Aber … wenn es der einzige Weg ist, dir zu helfen, müssen wir in den sauren Apfel beißen.“ Die Blonde mit dem Pferdeschweif blinzelte ihre Freundin verständnislos an. „Vielen Dank, dass du für mich deine Moralvorstellungen über Bord wirfst, Abby. Aber darum geht es nicht!“ „Ich weiß“, seufzte sie und ließ den Kopf hängen. „Ihr seht das beide viel zu negativ. Dann ist es eben ein neuer Körper, na und?“ Zanthe sprang auf und grinste Anya an. „Dafür ist er gesund. Und wenn du Onkel Ricther ganz nett bittest, passt er sogar einige Details an. Stell dir vor, du könntest endlich an die Regale kommen, die vorher für dich unerreichbar waren? Wäre das nicht-“ Sie trat vom Bett aus nach ihm, aber wie so oft verfehlte sie den schnellen Werwolf, der tänzelnd auswich. „Nein ehrlich, versuch das Gute darin zu sehen. Welcher normale Mensch hat schon die Chance, sich selbst zu rebooten?“ Abby schlug vor lauter Fassungslosigkeit die Hand vor die Stirn.   „Was wohl Summers dazu sagen würde“, murrte Anya und legte ihre beiden Hände schmollend an die Wangen, stützte die Ellbogen auf ihren Oberschenkeln ab, „aber der ist zu beschäftigt mit Redfield, seit wir zurück sind.“ So schnell hatte sie Abby noch nie erlebt, wie sie von einer Sekunde zur nächsten plötzlich neben ihr saß. „S-sind sie etwa ein Paar?“ „Uh, hast du das mit der Trennung zwischen ihr und Butcher nicht mitbekommen?“ „Wie denn, wenn du dich seitdem nicht gemeldet hast“, murmelte die Chefsirene beleidigt und beugte sich zu Anya vor, „aber ich habe es mir gedacht, ja. Also: Sind sie ein Paar oder nicht?“ Anya wich soweit zur anderen Seite, dass sie fast vom Bett fiel. „Woher soll ich das wissen!?“ Der Werwolf in Anyas unordentlichem Zimmer, welcher Abstand von den beiden Mädchen genommen hatte, gluckste: „Ist da etwa jemand eifersüchtig!?“ „Entschuldigung!?“ Sofort war die brünette Brillenträgerin auf ihn fixiert. „Ich mache mir nur Sorgen! Um Valerie! Ich weiß ja nicht, ob Matt so ein guter Umgang für sie ist.“ „Sie ist Redfields Fangirl“, flüsterte Anya hinter vorgehaltener Hand. Sofort gab Zanthe ein viel sagendes, lang gezogenes: „Oh!“ von sich und kicherte. „Wie wär's, wenn wir uns jetzt erstmal um -dein- Liebesleben kümmern!?“, fauchte Abby und hielt ihrer Freundin aus Kindheitstagen den Zeigefinger unter die Nase. „Du bist mir immer noch eine genaue Antwort schuldig, was dich und diesen Logan betrifft!“ „Oh! Oh!“, machte Zanthe da aufgeregt und streckte die Hände vor sich aus. „Da fällt mir ein, dass ich dir noch etwas sagen wollte, Anya!“ Beide Mädchen drehten sich mit fragendem Gesichtsausdruck zu ihm um. Statt aber die Antwort vorweg zu nehmen, meinte er bloß: „Oder besser gesagt, ich zeig es dir! Lust auf einen kleinen Spaziergang?“   -~-~-   Etwa eine halbe Stunde waren die Drei unterwegs und bereits nach kurzer Zeit wusste Anya, dass es nur einen Ort gab, zu dem der Werwolf sie führen konnte – Logans Werkstatt. In dieser Zeit sprachen sie über Alltagskram und Anya war heilfroh dafür. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was sie bald erwartete. So sehr sie auch versuchte, es als Hoffnungsschimmer zu sehen, war da dieser bittere Beigeschmack. Sie wollte keinen neuen Körper, sie wollte ihren alten behalten! Es war die Angst, was das alles an Veränderungen mit sich bringen würde, die ihr so sehr zu schaffen machte. Würde sie noch sie selbst sein? Wenn selbst Ricther nicht alle Fragen beantworten konnte, was würde dann am Ende wirklich mit ihr geschehen? Allein der Gedanke schnürte ihr die Kehle zu. Das Einzige, was sie tun konnte, war ihn mit aller Macht zu verdrängen und sich abzulenken. Da kam die Hoffnung, gleich jemanden … Besonderes wiederzusehen, gerade recht!   Zusammen mit Zanthe und Abby im Schlepptau schlenderte Anya mit unterdrückter Vorfreude über den Parkplatz herüber zur Werkstatt. Diesmal standen die Rolltore beide offen, hinter einem schwarzen Jeep werkelte bereits jemand fleißig. Yes! Neugierig beugte sich das ehemalige Hippiemädchen beim Gehen zur Blonden vor. „Sag mal, Anya, was läuft denn da jetzt genau zwischen euch?“ „Schon wieder diese Frage! Tch, n-nichts natürlich. Wir sind Freunde.“ „Und wieso wirst du dann rot?“, fragte Zanthe trocken. Er blickte an Anya vorbei zur Sirene. „Ich sag's nur ungern, aber ehe Fräulein hier realisiert, was sie überhaupt will, ist's fürs Kinderkriegen schon zu spät.“ Abby kicherte daraufhin vergnügt. „Nicht so negativ, wir kriegen das schon in den Griff.“ „Klappe, alle beide!“, schnauzte Anya genervt, was aber nur noch mehr Öl ins Feuer kippte. „Sie ist verliebt.“ „Ja, ist sie. Wie alt ist er denn?“, wollte Abby wissen. „Mitte 30“, vermutete Zanthe, während die Adern auf Anyas Stirn schon zu pochen begannen. Erstaunt entgegnete das Mädchen: „So alt? Hmm, aber wo die Liebe hinfällt. Solange sie glücklich wird.“ „Ist jetzt mal gut!?“, fauchte die Gebeutelte, die zwischen den beiden lief.   Knallrot im Gesicht kam Anya vor der Werkstatt an. „H-hey!“ Der Mann hinter dem Jeep trat hervor – und sorgte bei Anya für ein langes Gesicht. In Blaumann stand ihr nicht etwa Logan gegenüber, sondern ein junger Kerl mit blonden Dreads und kurz rasierten, schwarzen Seiten. Exa. „D-du!? Was machst du hier!?“, stammelte das Mädchen schockiert. Sie war ihm einmal begegnet, als dieser maskierte Dämon sie nach dem Viertelfinale des Legacy Cups angegriffen hatte. Er war auf Ricther losgegangen, der Anya seinerseits versucht hatte zu beschützen, obwohl sie zu dem Zeitpunkt noch Feinde waren. Das Resultat war eine Battle Royale mit diesem Typen als Sieger. „Nun“, zuckte Exa mit den Schultern und trat an die Drei heran, „irgendwann wirst du es eh erfahren.“ Er sah dabei Zanthe an, der seufzte und dann nickte. „Anya, das ist Exa. Er ist derjenige, mit dem ich mich während des Turniers öfter getroffen habe.“ „Huh!?“ Im Anschluss erzählte Zanthe davon, wie die beiden sich begegnet waren, dass Exa aus einer anderen Welt stammt, dass er nach der Zerstörung seiner in diese geflüchtet ist und wie sie versucht hatten, Geld durch Duelle im Untergrund zu verdienen. „Oh“, gab Anya trocken von sich. Betroffen legte Abby ihre Hände an die Wangen. „Das ist ja schrecklich! W-wie konnte das passieren?“ „Der-“ „Ist doch egal“, ging die Blonde mit halbherziger Anteilnahme dazwischen, „ist scheiße, aber ändern können wir's eh nicht mehr. Meine Frage ist: Wie kommst du ausgerechnet zu diesem Job?“   Zum Zwerg. Es brannte Anya unter den Nägeln, das herauszufinden. Und warum Zanthe ernsthaft glaubte, dass sie -deswegen- gekommen war! Das war doch Absicht, ihr Hoffnung zu machen, nur um sie dann zu enttäuschen! Aber warte nur, wenn keiner hinsah, schwor sie sich bitterböse.   „Danke für deine Anteilnahme“, erwiderte Exa trocken. „Wir sind uns im Untergrund begegnet. Logan hat mir und Zanthe nachspioniert.“ „W-was? Warum?“ „Für dich, sein Sweetheart“, stichelte Zanthe, „jedenfalls glaube ich das. Als er gesehen hat, wie es im Untergrund zugeht, bekam er Mitleid und hat Exa das Angebot gemacht. Apropos, könntest du Nick noch dazu bringen, ihm offizielle Papiere auszustellen?“ Abby und Anya sahen sich blinzelnd an. Erstere flüsterte pikiert: „Das geht doch nicht so einfach, oder? Das ist doch gesetzeswidrig.“ „Pft. Von mir aus, ich sag’s ihm bei nächster Gelegenheit.“ Exa nickte. „Danke, Anya.“ „Kein Ding. Übrigens habe ich nichts mehr mit dieser Artefaktejagd am Hut.“ Sie erinnerte sich noch daran, wie feindselig er am Ende damals war, als er von ihrer Mission erfuhr. Sie reichte ihm die Hand. „Frieden?“ Er schlug ein und beide nickten sich zu. „Und jetzt, da wir wissen, was uns eh nie interessiert hat“, murrte Anya bereits mit den ersten Anzeichen ihrer berüchtigten Premium-Wut, „wo-zur-Hölle-ist-Logan?“ Exa sah sie kurz an und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ist vorhin losgefahren, um irgendetwas zu besorgen. Er hat gesagt, es würde eine Weile dauern.“ Wie in Zeitlupe drehte sich Anyas Kopf in Zanthes Richtung, der sie auch noch ganz frech angrinste. „Flohpelz …!“ „Kann ich doch nicht wissen. Sei froh, denn ohne mich wüsstest du gar nicht, dass er zurück ist!“ „Ah! Sag mal“, wandte sie sich wieder an Exa, „ist er denn jetzt endgültig auf freiem Fuß?“ „Keine Ahnung, ich kenne mich mit den Gesetzen eurer Welt nicht aus. Sie haben ihn wohl gehen lassen, weil jemand anderes das Verbrechen gestanden hat. Aber er hat trotzdem Ärger, weil er gelogen hat, glaube ich.“ Anya schlug sich die Hand gegen die Stirn. „Ugh, na toll!“ „Das ist übrigens deine Schuld“, machte Exa ihr nonchalant klar, „aber du kannst es wieder gut machen, wenn du mir die hübsche Dame da vorstellst.“ Er blickte herüber zu Abby und winkte ihr lächelnd zu, die etwas irritiert zurück winkte – obwohl sie sich auf drei Meter gegenüberstanden. „Ich bin Abigail, aber du kannst mich Abby nennen.“ „Kch! Schluss damit!“ Die Blonde packte ihre beiden Freunde am Kragen und zerrte sie mit sich, entschlossen, später alleine zurückzukommen. „Wir gehen nachhause.“ „Bye“, winkte Exa insbesondere Abby zu, die erneut peinlich berührt zurück winkte, während sie davon geschliffen wurde. Da fiel Anya etwas ein. „Sag mal, wo ist eigentlich Roboburg?“ „Uh“, machte Zanthe und riss sich los, „was das angeht, hatte ich noch schnell ein paar Babysitter bestellt.“ „Huh!?“   -~-~-   Drei junge Menschen saßen auf der Couch in Anya Bauers Wohnzimmer. Claire Rosenburg, die mit starrem Blick aus dem Fenster in die Nachbarschaft starrte. Matt Summers zu ihrer Linken, der hilflos jeglichen Blickkontakt vermied und zu guter Letzt Valerie Redfield, welche ihrerseits in ein Dämonenbuch vertieft war und sich an der Lehne der Couch abstützte. „Gibt es denn nicht irgendetwas, das du magst?“, versuchte Matt einen letzten Versuch, ein Gespräch mit der blonden Weltmeisterin anzufangen. „Nein.“ „Möchtest du irgendwo hingehen?“ „Nein.“ Matt seufzte schicksalsergeben. „Möchtest du überhaupt irgendetwas?“ „Nein.“ Valerie kicherte und klappte ihr Buch zu. „Auf gewisse Weise ist das unterhaltsam. Wenn es nicht so traurig wäre. Aber mir fällt ein, dass ich dir etwas mitgebracht habe, Claire.“   Sie griff nach einer kleinen Tüte, welche an die Couch gelehnt war und holte daraus ein blaues Stirnband hervor. „Hier, für dich.“ Claire sah es an. Aber sie schien den Sinn des Accessoires nicht zu verstehen und machte auch keine Anstalten, es entgegen zu nehmen. Da ergriff Valerie die Initiative, packte die junge Frau am Arm und zog sie durch das Wohnzimmer, über die Treppen ins obere Stockwerk hin mit sich, bis sie im Bad angekommen waren.   Matt folgte ihnen perplex. Als er das kleine Badezimmer betrat, in dem gerade einmal Platz für eine Badewanne, einen Schrank mit Handtüchern und eine Toilette war, sah er Claire vor dem Spiegel des Waschbeckens stehen und Valerie direkt hinter ihr. Jene legte ihr gerade das Stirnband an, was sich als ziemlich schwierig erwies, wenn die neue Besitzerin nicht dabei half. Behutsam schob sie die blonden Haare beiseite. „Voilá“, strahlte sie schließlich, als sie fertig war, „steht dir gut, findest du nicht?“ „Ich erkenne keinen Sinn darin.“ Valeries Euphorie schwand. „Nun, ich dachte, da deine Stirn etwas höher als bei anderen Frauen ist, könnten wir ja einen kleinen Trick anwenden, um das zu retuschieren. Damit kannst du viel mehr aus deinem Look herausholen.“ „Ich verstehe nicht“, kam es mechanisch zurück. „Sie sagt, du siehst besser mit dem Ding aus“, meinte Matt, der im Türrahmen gelehnt stand. Und fing sich gleich einen bösen Blick von der Schwarzhaarigen ein. „Matt! Sei etwas taktvoller!“ Jener hob die Hände hoch. „Sorry!“ Claire sah zu ihm herüber. „Welchen Sinn erfüllt dieses Kleidungsstück? Ein Wärmungseffekt im Winter kann ausgeschlossen werden.“ „Uh … huh?“ „Steigert dieses Objekt irgendeines meiner Attribute?“ Valerie und Matt sahen sich hilflos an, ehe Valerie vorsichtig sagte: „Nun, du … könntest damit deine … Duellgegner ablenken, weil sie … von deinem Aussehen überrascht sind. Positiv natürlich!“ Während sie das vor sich hin stammelte, musste Matt sich das Lachen verkneifen. Anscheinend schien Claire diese Erklärung zu reichen. Sie sah noch einmal in den Spiegel, ohne aber eine Miene zu verziehen. „Dieses Stirnband scheint einen Nutzen zu haben. Ich behalte es.“   -~-~-   „Summers und Redfield?“, fragte Anya wenig begeistert und ließ nun auch eine äußerst dankbare Abby los. „Ist das dein Ernst?“ „Vielleicht lernt Claire ja was von ihnen“, rechtfertigte sich Zanthe. Alle Drei standen auf dem Parkplatz vor Logans Werkstatt. Exa sah ihnen aus der Ferne nach. „Ich will gar nicht wissen, -was- genau“, brummte die Blonde grimmig. „Dieses Mädchen scheint ja wirklich völlig hilflos zu sein“, meinte Abby. Auf dem Weg hierher hatte Zanthe ihr die Geschichte erzählt, „wie schrecklich.“ Aber Anya war da anderer Meinung. „So würde ich das nicht sehen. Sie ist gut darin, Leute umbringen zu wollen. Und andere müssen den Mist dann ausbaden!“ „Du weißt, dass das nicht stimmt!“, widersprach Zanthe sauer.   In dem Moment stieß Exa unvermittelt zu ihnen. „Hey Zanthe, kann ich dich noch ganz kurz alleine sprechen?“ „Hm? Okay“, nickte der und folgte dem Größeren. Abby und Anya taten es ihnen nicht gleich, sondern warteten auf der Stelle. Um die Zeit zu überbrücken, erkundigte sich die Sirene noch etwas genauer nach Claires Zustand.   Während die beiden Jungs sich etwas von den Mädchen entfernten, legte Exa seine Hand auf Zanthes Schulter und flüsterte: „Eigentlich sollte ich das nicht, aber wir sind Freunde.“ „Was soll die Heimlichtuerei?“, wunderte sich der Werwolf mit dem roten Kopftuch. „Es geht um Logan.“ Sofort wurde Zanthe hellhörig. „Ahhhh, daher weht der Wind! Du bist eifersüchtig!“ „Hör auf“, schnappte Exa. Sein Ton war bitterernst. Er blickte über seine Schulter, als wolle er sichergehen, dass die beiden Mädchen auch wirklich nichts mitbekamen. Als sie das Garagentor erreicht hatten, seufzte er. „Zanthe, du musst mir versprechen, dass du das für dich behältst.“ Dem gefiel nicht, welche Richtung dieses Gespräch annahm. „Ok, darin bin ich sowieso gut.“ „Ich bin Logan sehr dankbar für diese Chance, die er mir gibt. Aber er …“ Und was Zanthe dann hörte, ließ ihn erblassen. Gar zittern.   -~-~-   Der Rückweg der Freunde hatte sich durch drei Dinge ausgezeichnet. Anyas schlechte Laune, Abbys Neugier und Zanthes apathisches Schweigen. Normalerweise hätte die Blonde ihn darauf angesprochen, doch sie war zu wütend, um ihr Interesse an ihren Mitmenschen zum Ausdruck zu bringen. Und ihre Stimmung sollte sich nicht gerade heben, als sie ihr Wohnzimmer betrat und dort gleich drei Personen sah, die sie in dieser Konstellation überhaupt nicht ertragen konnte. Claire saß vor einem der Sessel im Schneidersitz und bekam von Redfield das Haar gebürstet. Matt sah auf der Couch ein Football-Spiel an. „Okay“, knurrte Anya. „Ich hatte fast verdrängt, dass es euch auch noch gibt.“ „Hallo Anya“, grüßte Valerie schnippisch zurück, „dein Date ist also ins Wasser gefallen, hm?“ „W-w-was für ein Date!?“ „Mit Logan. Dann schulde ich dir wohl 10 Dollar, Val“, gluckste der Dämonenjäger und guckte scheel zu Anya, die ganz langsam rot anlief. Ihre Erzrivalin kicherte. „Ach Matt, als du vorhin kurz wohin warst, habe ich bei der Werkstatt angerufen. Da war er schon weg.“ Hitze stieg in Anya auf, sie spürte den Vulkan ungehemmten Frusts sprudeln. „Oh man“, stöhnte Matt, „lass dich nie auf eine Wette mit Mädchen ein …“ „Sagt mal hackt es bei euch!?“ Anya explodierte. Oh ja. Abby, die im Türrahmen des Flurs stand, verkroch sich langsam Richtung Küche auf der anderen Seite. Nur Zanthe sagte gar nichts zu der Kabbelei. „Seit wann dreht sich alles nur noch um meine Gefühle für Logan!?“ Der Werwolf erwiderte tonlos: „Vielleicht weil du sie so vehement verleugnest?“ Anya dachte nicht nach, als sie Angel Wing in seiner Speerform beschwor, herum wirbelte und Zanthe damit -wirklich- weh tun wollte. Jedoch war es der Fernseher in der Ecke, der der tatsächliche Leidtragende war, als die Speerspitze über seine Oberfläche kratzte und ihn zu Fall brachte. Es knalle dumpf, der Schlag setzte sich Richtung Zanthe fort. Aber der hielt ihn einfach mit der Handfläche auf. „Hey!“, beklagte sich Matt entrüstet. „Ich wollte das sehen!“ „Oh man.“ Valerie schlug sich die Hand vor die Stirn. „Vielleicht solltest du deine Haltung“, sprach der Kopftuchträger ungewohnt düster, „bezüglich dieser ganzen Sache überdenken.“ „Was soll das jetzt heißen!?“, knurrte sie hochrot und riss die Waffe weg. „Es ist genau so wie ich es schon hundertmal gesagt habe: Wir-sind-Freunde!“ Die beiden blickten sich tief in die Augen. Keiner gab nach. Ihr Anstarrwettbewerb hätte vermutlich den ganzen Tag angedauert, wenn nicht in diesem Moment das Telefon im Flur geklingelt hätte. Zischend ließ Anya den Speer im Nichts verschwinden, rauschte aus dem Wohnzimmer, schnappte sich den schnurlosen, weißen Hörer der auf einem kleinen Tisch lag und fauchte: „Wer zur Hölle wagt es, bei den Bauers anzurufen!?“ „Hallo Anya.“ Jene zuckte regelrecht zusammen, obwohl es eigentlich gar keinen Grund dafür gab. Aber irgendetwas an Nicks Stimme gefiel ihr nicht. „Harper? Warte, wo zum Teufel warst -du- eigentlich die letzten Tage? Keiner wusste wo du steckst!“ „Nicht so wichtig“, wiegelte er ihre, in kratzbürstige Worte gehüllte Sorge ab, „können wir uns treffen?“ Abby kam in dem Moment aus der Küche, Zanthe aus dem Wohnzimmer. Sie fragte: „Ist das Nick?“ Was Anya mit einem Nicken bestätigte. „Uh, klar, komm einfach rüber. Es sind alle hier.“ „Nein, ich möchte dich alleine sehen.“ „Warum?“ „Hat seine Gründe. Und?“ Der Werwolf schüttelte bereits mit düsterem Gesichtsausdruck den Kopf, aber wie für Anya typisch, tat sie immer genau das Gegenteil von dem, was man ihr sagte. „'kay.“ „Beim Basketballfeld“, warf Zanthe schnell ein. Etwas irritiert und sich seinem fordernden Blick beugend, fügte sie hinzu: „Wie wär's beim Basketballfeld? Ich könnte in einer Stunde da sein.“ „Gut“, erwiderte er kurz angebunden, „wir sehen uns dann.“ Ohne sich zu verabschieden legte er einfach auf. Anya blieb mit einem ziemlich verdutzten Gesicht zurück. Kopfschüttelnd schob sie das Telefon in die Ladestation. Abby fragte vorsichtig: „Was hat er gesagt?“ „Er will sich mit ihr treffen“, übernahm der Werwolf das Beantworten, „allein. Es ist eine Falle.“ „Huh?“ Die Blonde blinzelte verdutzt. „Wie zur Hölle kommst du darauf!?“ „Was ist denn hier los?“ Matt drängelte sich zusammen mit Valerie und Claire in den schmalen Flur, der nun so gut wie voll war. „Ist etwas passiert?“ „Ich glaube nicht, dass das Nick war“, sprach Zanthe, „seine Stimme klang anders. Nur ein ganz kleines Bisschen, aber ich habe es bemerkt.“ Damit gab sich Anya aber nicht zufrieden. „Durch's Telefon? Da hören sich Stimmen immer anders an, Einstein!“ „Warum sollte er dich alleine sehen wollen? Das riecht doch nach Kalis Handschrift!“ „Weil er euch nicht leiden kann?“, giftete Anya zurück. „Und manchmal kann ich das sogar verstehen, tch!“ Ehe ein neuer Streit entstand, bat Abby: „Bitte beruhigt euch. Vielleicht hast du dich ja wirklich getäuscht, Zanthe?“ So wie der das Mädchen im Anschluss ansah, könnte man glatt meinen, er und Anya hätten die Körper getauscht. „O-okay, es kann bestimmt nichts schaden, wenn wir trotzdem mitkommen, oder?“ „Da ist ein kleiner Schuppen beim Basketballfeld, wo sie die Bälle und anderen Kram aufbewahren. Wir können uns da verstecken“, erklärte Zanthe, „und eingreifen, falls etwas passiert.“ Valerie warf ein: „Ich glaube irgendwie nicht, dass Kali Anya am helllichten Tag auflauern würde, noch dazu an einem Ort, der gut einsehbar für Dritte ist.“ „Und du meinst, nach ihrer letzten Klatsche schert sie das noch?“, fragte Zanthe provokativ. Da die Schwarzhaarige keine Hellseherin war, konnte sie das nicht hundertprozentig ausschließen und verstummte. Dafür ergriff Matt das Wort: „Ich finde das auch ziemlich übertrieben. Allerdings traue … allerdings weiß man auch nicht, was in Nick manchmal so vor sich geht. Es kann sicher nicht schaden, wenn wir alle gemeinsam gehen.“ „Oh, zum Teufel“, knurrte Anya genervt, „dann versteckt euch halt im Geräteschuppen wie ein Haufen ängstlicher Pfadfinder, mir doch Wurst! Aber wenn ihr euch nicht beeilt, wird Harper vor euch da sein!“ Warum war es jetzt ausgerechnet -sie-, die alle darauf hinweisen musste, was für ein Kindergarten das hier war!?   -~-~-   Sie hatten es geschafft, noch vor Nick an ihrem Ziel anzukommen. Das Basketballfeld war ringsherum von einem hohen Zaun umringt. An den beiden Längsseiten des Spielfelds gab es jeweils eine vierstufige Tribüne, falls jemand zusehen wollte. An einer davon war der Geräteschuppen angeschlossen, in dem ihre Freunde sich gegenseitig auf die Zehen traten. Anya stand alleine in der Mitte des Felds. Während zur Rechten der Livingtoner Park begann, in dem sie letztes Jahr eine nicht ganz so nette Begegnung mit Marc und Isfanel hatte, verlief zur Linken eine gut besuchte Straße voller Geschäfte und Gaststätten entlang – eine mieser als die andere, aber keine so schlecht wie ihre Laune. Darüber hinaus ragten die mehrstöckigen Bürogebäude der Innenstadt.   Eigentlich sollte Anya ja belustigt über das seltendämliche Verhalten ihrer Freunde, insbesondere das des Flohpelz' sein, aber da war nur blanke Wut. Ob diese überhaupt ihnen geschuldet war, wusste das Mädchen gar nicht so genau. Lag es daran, dass alle ihr etwas einreden wollten oder an ihrer eigenen Unsicherheit? Warum fiel es ihr so schwer, über Logan mit anderen zu reden? Sie hatte darüber nachgedacht, was er für sie war. Ob sie … mehr in ihm sah als einen Freund. Wann immer sie an diesem Punkt ankam, fühlte sie sich plötzlich unwohl. Als sie noch auf Marc Butcher gestanden hatte, war alles so einfach gewesen. Sie wusste es, sie wusste, dass sie ihn mochte und mit ihm ausgehen wollte. Aber der hatte sich nicht mal für sie interessiert. Und bei Logan? Der tat praktisch alles, um ihr zu helfen, opferte sogar seine eigene Freiheit für sie und hatte auch stets ein Ohr für ihre Probleme. Wann immer sie ihn sah, machte ihr Herz einen Hüpfer. Der Fall war also eigentlich klar. Wenn da nicht dieser Nachgeschmack war, dieses unbestimmte Gefühl, das alles durcheinander warf …   „Hallo Anya“, wurde sie unvermittelt aus ihren Gedanken gerissen. Sie zuckte zusammen, als Nick direkt vor ihr stand. Er trug ein weinrotes Hemd und schwarze Jeans, darüber einen schwarzen Mantel, ähnlich dem von Matt. „H-Harper, verdammt, erschreck' mich nicht so!“, fauchte sie zurück. Wie konnte er das Basketballfeld so leise betreten haben, dass sie rein gar nichts bemerkt hatte. Anya gefiel die Antwort dazu überhaupt nicht. Nick betrachtete sie einen Moment lang skeptisch. Er sah so anders aus, dunkle Augenringe stachen hervor, sein Gesicht war abgemagert und das, obwohl es nur ein paar Wochen her war, seit sie sich zuletzt gesehen hatten. „Alles okay?“, fragte das Mädchen zögernd. „Willst du mir jetzt verraten, wo du gesteckt hast?“ „Ist besser, wenn du das nicht weißt.“ „Und was willst du mit mir bereden, das du nicht auch bei mir zuhause kannst?“ Der junge Mann atmete tief durch. „Die Bedingung war, dass wir ungestört sind.“ „Tch …“ Hatte er die anderen bemerkt? Natürlich, scheinbar hatte Nick einen sechsten Sinn für 'Verrat'. Anya verschränkte die Arme und wandte sich von ihm ab. Derweil traten ihre Freunde aus dem Geräteschuppen heraus, allen voran Zanthe. „Lange Zeit nicht gesehen, Bohnenstange! Wieso haben wir dich nicht bemerkt?“ „Hallo Nick“, war Matt da deutlich kühler und Valerie schwieg gleich mit düsterem Gesichtsausdruck. Dagegen war Claire Rosenburg fast noch friedlich, wäre sie nicht gewohnt ausdruckslos. Einzig Abby stach durch ein Lächeln hervor. „Wie schön, dich zu sehen!“ Aber anstatt sie zu beachten, wie sie auf ihn zu treten und umarmen wollte, wich Nick zurück und die Brillenträgerin blieb betroffen vor ihm stehen.   „Von mir aus, dann hört eben mit“, zeigte Nick sich unzufrieden. Anya drehte sich wieder zu ihrem ältesten Freund um. „Anya, der Sammler ist an mich herangetreten, um die Aufgabe zu erfüllen, die er dir gegeben hat.“ „Der kann mich mal!“, fauchte das Mädchen sofort. „Ich mache da nicht mehr mit und das weiß er auch!“ „Er hat mir von eurem Gespräch erzählt“, entgegnete Nick kühl. Matt fragte argwöhnisch: „Und da wollte er dich zwingen, Anya zu überzeugen?“ „Nein. Es ist alles geklärt.“ „Was ist geklärt?“, verlangte Anya zu wissen. „Mach dir keine Gedanken. Ich werde dafür sorgen, dass du deine gestohlene Zeit zurückbekommst.“ Aber das war für Anya keine zufriedenstellende Antwort. „Was soll das heißen!?“ Derweil verfinsterte sich Matts Gesichtsausdruck immer mehr. „Es heißt, dass Nick jetzt für den Sammler arbeitet.“ „Was!?“, schoss es da aus Valerie heraus. „Stimmt das!?“ „Fakt ist, dass euer Einmischen Anya in eine sehr gefährliche Lage gebracht hat. Vielleicht solltet ihr in Zukunft nicht mehr interferieren.“ Nick funkelte Matt und Valerie aus den Augenwinkeln eiskalt an. Abby indes zeigte sich äußerst geschockt. „N-Nick, du kannst doch nicht-!“ „Anders als ihr nehme ich die Sache ernst genug, um zu wissen, dass es keinen 'Ausweg' gibt!“, polterte der plötzlich los. „Die Undying werden Anya nicht retten können!“ Der junge Mann beugte sich nach vorne und wurde von Abby wieder weggedrückt. Dabei schrie er die anderen, perplexen Anwesenden an. „Ihr habt keine Ahnung was ihr anrichtet, wenn ihr so weitermacht!“ Während Anya das Ganze schweigend aufnahm, konterte Matt nicht minder aufgebracht: „Ach ja!? Was hast du denn die letzte Zeit über gemacht!? Wir haben es wenigstens versucht!“ „Und hättet beinahe Anyas Untergang herbeigeführt!“ Nick wandte sich an das Mädchen. „Du weißt, was die mit dir und deinem Körper anstellen werden!“ Zanthe wurde hellhörig. „Woher-!?“ Aber Anya würgte ihn sofort mit einem Handschwenk ab. „Harper, arbeitest du wirklich für den Sammler?“ Er gab ihr keine Antwort. Stattdessen bäumte er sich provokativ auf, woraufhin Abby sich ihm sofort entgegen stellte. „Was hast du vor? Nick!?“ Plötzlich wurde die Blonde von Valerie, Zanthe und Matt umringt. Erstere sagte: „Das kann nicht dein Ernst sein. Nach allem, was er uns angetan hat …“ „Das ist wirklich keine gute Idee“, meinte auch der Werwolf, „unser Lieblingsginger wird dich über's Ohr hauen, darauf kannste Gift nehmen.“ „Und das, obwohl wir versuchen, von dem wegzukommen“, zischte Matt verächtlich, „wann hat der Sammler jemals etwas ohne Hintergedanken getan?“ Nick lachte auf, während er sich provokativ gegen Abby stemmte, die versuchte ihn wegzuschieben. „Ach was? Aber wenn es euch so stört, dann haltet mich doch auf!“ Valerie drehte sich zu Anya um. „Anya?“   Die nickte stumm. Und zum ersten Mal zeigte der hagere, junge Mann mit dem zerzausten, brünetten Haar eine andere Emotion als Wut. Mit einer Nuance Fassungslosigkeit fragte er: „Ist das dein Ernst? Du traust deren Urteilsvermögen mehr als meinem?“ Anstatt ihm zu antworten, löste sich Anya von der Gruppe, schritt zurück zum Ende des Basketballfeld und lehnte sich an den Maschendrahtzaun. Nick lachte mit einer gewissen Zufriedenheit auf. „Verstehe. Du willst sehen, ob ich es ernst meine. Also gut.“ Aus dem Nichts erschien an seinem Arm eine pechschwarze Duel Disk im Battle City-Stil. „Erst teleportierst du dich, jetzt das hier?“ Matt aktivierte das neue, schwarze D-Pad an seinem Arm, das er zusammen mit Valerie vor ein paar Tagen gekauft hatte. „Du hast dir wohl zum Ziel gesetzt, selbst ein Dämon zu werden, was?“ Derweil bat Zanthe Abby und Claire, sich zu Anya zu begeben, was bei Ersterer für mächtigen Protest sorgte. „I-ich verstehe das nicht. Was wird das hier!? Nick!“ Aber der ignorierte die Sirene eiskalt. „Komm her, Masters. Das ist 'ne Sache zwischen denen“, forderte Anya streng. Natürlich konnte die Reinkarnation von Mutter Theresa das nicht so einfach hinnehmen. „Anya! Sag nicht, du findest das in Ordnung!? Ich lasse nicht zu, dass sich hier irgendjemand-“ Zanthe legte der Brünetten sanft die Hand auf die Schulter. „Keine Sorge, niemandem wird etwas passieren. Deswegen duellieren wir uns ja.“ Noch immer nicht vollständig überzeugt, schüttelte Abby den Kopf, sah noch einmal Nick an, der immerhin ausdruckslos zurück starrte und trottete mit Claire im Schlepptau herüber zum Zaun.   Zanthe drückte einen Knopf an dem Armreif an seinem linken Arm, welcher sich sofort um seine Hand zu einem Duell-Handschuh schloss. „Du hast übrigens ein sehr schlechtes Timing, Nick.“ Seine unterschwellige Drohung ignorierte der große, junge Mann schlichtweg. Zu dritt stellten sich Anyas Freunde ihm gegenüber, mit Matt ganz links, Zanthe in der Mitte und neben diesem Valerie. Hinter den beiden Parteien befanden sich die Tribünen. „Du bist zu weit gegangen“, klagte die Schwarzhaarige, die als letzte ihre blaue Duel Disk aktivierte. „Wir sind genauso Anyas Freunde wie du!“ „Der Unterschied ist nur, dass ihr nichts zu ihrer Rettung beitragt. Im Gegenteil.“ Sein Blick verfinsterte sich noch mehr als ohnehin schon möglich. „Eure Unfähigkeit gefährdet sie noch. Der kopflose Angriff auf den Sammler ist das beste Beispiel. Sie auch nur eine Sekunde länger in eurer Nähe zu lassen ist unverantwortlich.“ Daraufhin erwiderte Zanthe: „Sie ist alt genug um selbst zu entscheiden, was das Beste für sie ist. Nun sag doch auch mal was, Anya!“ Als der Werwolf sich aber zu ihr umdrehte, verschränkte Anya nur die Arme und lehnte sich stärker gegen den Maschendrahtzaun. Murmelte: „Das könnte interessant werden. Mal sehen, was Harper wirklich drauf hat.“ Claire neben ihr rührte sich wie immer gar nicht, sondern beobachtete mit starrem Blick das Geschehen. Dagegen war Abby drauf und dran, aus der Haut zu fahren – aber sie konnte im Vergleich zu anderen auch in schwierigen Situationen die Beherrschung wahren. Zanthe, der eine andere Reaktion erwartet hatte, drehte sich schnaufend wieder dem gemeinsamen Widersacher zu. „Leute, unsere Hohlbirne vom Dienst macht ihrem Titel mal wieder alle Ehre und denkt nur an sich und ihren Spaß.“ „Du bist gefährlich, Nick. Du solltest dich von ihr fernhalten, nicht wir“, sprach Matt ruhig, aber bestimmend. Valerie stimmte ihm umgehend zu. „Auch wenn du nur einem Irrtum unterlegen warst, werde ich dir nicht verzeihen, dass du in mein Haus eingebrochen bist und mich angegriffen hast.“   Anya hob eine Augenbraue. Die Geschichte kannte sie noch nicht. Das wurde ja immer interessanter. Und das Problem an der Sache war, dass sie keine Partei ergreifen konnte. Einerseits schien Nick allen dreien richtig ans Bein gepisst zu haben, andererseits war er seit Kindheitstagen ihr Freund. Wohlgemerkt ein lügender, betrügender Freund. Aber einer, der ihr zu Reichtum und Wohlstand mit einem Tastendruck verhelfen konnte. Und der offensichtlich zulange in irgendeinem Zauberkessel geschlafen hatte, wenn er sich jetzt offensichtlich teleportieren konnte. „Verdammte scheiße“, murmelte sie so leise, dass es allenfalls Zanthe hören konnte. Nein, sie wollte erst sehen, was hierbei rauskam, ehe sie irgendetwas zu den gegenseitigen Vorwürfen sagte.   „Wenn ihr nicht freiwillig das Feld räumt, räume ich euch eben hiermit aus dem Weg“, entschied Nick und hob nochmal demonstrativ seine schwarze Duel Disk hoch. Und kurz darauf riefen alle vier: „Duell!“   [Matt: 4000LP Zanthe: 4000LP Valerie: 4000LP //// Nick: 4000LP]   „Da ihr drei ein Team bildet, beginne ich. Und anders als bei normalen Duellen nach den neuen Regeln, kann ich schon im ersten Zug eine Karte ziehen“, sprach Nick unterkühlt und nahm gleich sechs Karten auf einmal auf, die anderen dagegen nur fünf. „Ich aktiviere [Shard Of Greed].“ Er spielte einen permanenten Zauber aus, auf dem ein Bruchstück des sagenhaften grünen Topfs der Gier zu sehen war. „Zug beendet.“   „Keine Monster?“, wunderte sich Matt, der wegen der Regeln als Spieler ganz links als nächster dran war und nicht ziehen durfte. Zanthe fasste sich grübelnd ans Kinn. „Gar nicht so blöd. Da wir ihn eh nicht angreifen können, braucht er sich nicht mit Monstern zu schützen, die wir durch Karteneffekte aus dem Weg räumen würden.“ „Na dann“, zuckte der Dämonenjäger mit den Schultern, „mache ich eben den Auftakt! Und rufe [Evilswarm Castor] und durch dessen Effekt auch [Evilwarm Thunderbird] als Normalbeschwörungen!“ Vor dem jungen Mann materialisierte sich ein Krieger, dessen eine Körperhälfte komplett schwarz, die andere dagegen weiß war. Neben ihm dagegen zeigte sich ein pechschwarzer Vogel mit langen Tentakeln am Kopf.   Evilswarm Castor [ATK/1750 DEF/550 (4)] Evilswarm Thunderbird [ATK/1650 DEF/1050 (4)]   „Die haben jedoch nur einen kurzen Auftritt!“ Matt streckte den Arm nach vorne aus. Plötzlich nickte er und grinste. „Jep. Ich errichte das Overlay Network!“ Ein schwarzes Loch öffnete sich vor ihm und absorbierte seine beiden Monster als violette Lichtstrahlen. „Aus meinen beiden Stufe 4-Schwärmern wird ein Rang 4-Schwärmer!“ Eine mächtige Explosion entstand im Wirbel, gefolgt von einem schrillen Kreischen. „Xyz Summon! Erscheine, Drache des Eises! [Evilswarm Ophion]!“ Was anschließend aus dem Strom empor stieg, konnte nur als majestätisch bezeichnet werden. Ophions Schwingen bestanden fast vollständig aus hellblauem Eis, das im starken Kontrast zum ansonsten dunklen Körper des Drachen stand. Sein langer, klingenbesetzter Schweif peitschte nur Zentimeter von Matt entfernt wütend vor dessen Nase. Die Flügel weit spreizend, positionierte er sich vor Matt. Um ihn kreisten zwei Lichtsphären. Evilswarm Ophion [ATK/2550 DEF/1650 {4} OLU: 2]   „Ich entfernte eine Overlay Unit und erhalte dank seines Effekts eine Infestation-Karte von meinem Deck“, erklärte Matt, als sein Drache erneut einen schrillen Schrei ausstieß und eine der Lichtsphären verschlang, „[Infestation Pandemic]!“   Evilswarm Ophion [ATK/2550 DEF/1650 {4} OLU: 2 → 1]   Jener Schnellzauber schob sich umgehend aus seinem Deck und wurde ins Blatt aufgenommen. Danach mischte Matt jenes durch und setzte eine Karte verdeckt, die zu seinen Füßen erschien. Nick rollte mit den Augen. Als ob er großartig raten müsste, was da lag. „Solange Ophion noch eine Overlay Unit hat, kannst du keine Monster der Stufe 5 oder höher als Spezialbeschwörung beschwören“, sprach der Dämonenjäger selbstbewusst, sah zur Seite, „aber das gilt nicht für Teammitglieder.“ Und zwinkerte prompt Valerie zu, die ihm zuversichtlich zunickte, aber dann wieder eine ernste Miene aufsetzte. „Ich bitte dich. Wann habe ich das je getan?“ Nick schüttelte den Kopf. „Was auch immer. Ich gebe an Zanthe ab.“   Auf den Zuruf des Mannes im schwarzen Ledermantel hin zuckte der Angesprochene mit den Schultern. „Da ist jemand ja ziemlich von sich überzeugt. Wüsst' ich's nicht besser, würde ich glatt sagen, du und Anya wäret verwandt.“ Nick zuckte kaum merklich zusammen. Etwas, das dem Werwolf nicht entging. Er sah über die Schulter zu seiner Freundin, die allerdings keine Miene verzog und das Geschehen verfolgte. Genauso wie Claire. Wenn Zanthe es tatsächlich nicht besser wüsste, würde er eher sagen, dass die beiden blonden Mädels da drüben verwandt waren, wie sie da nebeneinander standen und exakt den gleichen Gesichtsausdruck hatten. Sich wieder Nick zuwendend, stimmte dessen Reaktion den Kopftuchträger nachdenklich. „Also“, murmelte der und nahm zwei Karten aus seinem Blatt, „dann will ich mal mithalten. Ich beschwöre [Constellar Pollux] und dank dessen Effekt ebenso [Consteller Kaus] als Normalbeschwörung! Open a door to the twins! Open a door to the archer!“ Gleich zwei Schlüssel tauchten in Zanthes Hand auf, die er beide nach vorne schmiss. Vor ihm bildeten sich zwei Portale, aus denen die beiden Monster hervor brachen. Dass Zanthes Strategie dabei bekannt vorkam hatte einen guten Grund. So war Pollux die unverdorbene Version von [Evilswarm Castor], und anders als der völlig in weißer Rüstung gekleidet. Dagegen war Kaus ein weißer Zentaurkrieger, der einen mächtigen, goldenen Bogen mit sich führte.   Constellar Pollux [ATK/1700 DEF/600 (4)] Constellar Kaus [ATK/1800 DEF/700 (4)]   „Das kennst du ja bereits. Aber ab hier wähle ich einen anderen Pfad und benutze Kaus' Effekt, um die Stufen meiner beiden Sternenkundler um jeweils eins zu erhöhen!“ Der Zentaur spannte seinen Bogen und schoss zwei Lichtpfeile in die Höhe, die kerzengerade hinab auf die beiden Krieger sausten und in goldenes Licht hüllten.   Constellar Pollux [ATK/1700 DEF/600 (4 → 5)] Constellar Kaus [ATK/1800 DEF/700 (4 → 5)]   Zanthe streckte unmittelbar danach seine Hand aus, in der sich ein großer, goldener Schlüssel manifestierte, den er in den Boden rammte. Dabei rief er: „Open a gate to the Sacred Star Knights! To the Overlay Network! Aus zwei Stufe 5-Lichtern wird ein gleißender Stern! Rang 5!“ Unter ihm entstand ein weiteres Siegel, das sich ausbreitete. „Xyz Summon! [Constellar Pleiades]!“ Wie Glas zersplitterte der Zirkel, aus dem vor Zanthe ein imposanter Krieger aufstieg. Von kräftiger Statur, trug er ein langes Schwert mit sich, das er aber mit der Klinge nach unten zeigend hielt. Auf seinem Rücken war eine Art Platte angebracht, die insgesamt sieben Spitzen aufwies und ein wenig wie ein Stern anmutete. Zwei Lichtsphären kreisten um Pleiades.   Constellar Pleiades [ATK/2500 DEF/1500 {5} OLU: 2]   „Ich werde nicht zulassen, dass du Karten nachziehst!“, rief Zanthe aufgebracht und zog eine der Karten unter Pleiades' hervor. „Im Austausch für eine Overlay Unit schickt mein Kumpel eine Karte zurück vom Feld auf die Hand! Los!“   Constellar Pleiades [ATK/2500 DEF/1500 {5} OLU: 2 → 1]   Der stolze Sternenritter hielt seine Klinge hoch, damit sie eine der Sphären absorbieren konnte. In einer 360°-Drehung schwang Pleiades anschließend sein Schwert und erzeugte eine Schockwelle, die Nicks aufrecht stehenden Zauber mit sich riss. Jener zog ihn aus seiner Duel Disk. „Zwei Karten verdeckt“, kündigte Zanthe noch an und ließ jene Fallen zischend zu seinen Füßen erscheinen. „Du bist, Valerie.“ Die beiden nickten einander zuversichtlich zu.   Abby, die das alles sehr genau beobachtete, musste zugeben: „Ich glaube, zusammen sind sie ein wirklich gutes Team.“ „Jup“, kam es desinteressiert von Anya. „Auch wenn ich immer noch gegen eine Verbindung zwischen Matt und Valerie bin.“ „Jup.“ „Dieser Streit ist auch so furchtbar sinnlos. Können wir uns nicht alle einfach vertragen?“ „Nope.“ Empört rückte die Brünette ihre Brille zurecht. „Anya, wie immer kommt von dir rein gar nichts Konstruktives.“ Als höre sie gar nicht zu, sagte die bloß: „Nope.“ Das Einzige, was sie interessierte, war Nick. Was war mit ihm geschehen? Und wie stark war er inzwischen geworden?   Mit konzentriertem Gesichtsausdruck betrachtete Valerie ihr Blatt. Dann nahm sie eine Zauberkarte und zeigte sie vor. „Ich werde ebenso nicht zulassen, dass du dein Blatt mit Zauberkarten wie [Shard Of Greed] aufstockst!“ Im Kampf gegen drei Duellanten war jede Ressource essentiell, wusste die Schwarzhaarige. Umso wichtiger war es, Nick daran zu hindern, Nachschub zu bekommen. „[D. D. Designator]! Sie verbannt eine Karte von deiner Hand, wenn ich jene genau benennen kann. Was ich gerade getan habe.“ Aus der aufrecht vor ihr stehenden Karte schoss ein weiß leuchtendes Schwert, das der darauf abgebildeten Kriegerin gehörte. Prompt wurde die Karte links außen in Nicks Blatt durchbohrt und von ihm in die Hosentasche gesteckt. Dabei sah er nicht besonders beeindruckt aus und zeigte sein Restblatt vor, das aus den Monstern [Wind-Up Knight], [Wind-Up Magician] sowie den Zaubern [Inferno Reckless Summon], [Oni-Gami Combo] und [Zenmailfunction] bestand. Kein Grund für Valerie allerdings, sich eingeschüchtert zu fühlen. „Ich nutze den Effekt von [Gishki Shadow] in meiner Hand und werfe ihn ab, um [Gishki Aquamirror] zu bekommen.“ Sie schob das Monster in ihren Friedhofsschacht, woraufhin ihr Ritualzauber aus dem Deck ausgeworfen wurde. „Und den aktiviere ich gleich, mit [Gishki Vision] als volles Opfer für das Ritual!“ Wasser begann vor ihr aus dem Boden zu sickern, dann zu wabern, bis es einen Kreis vor dem Mädchen schloss. Dessen Mitte entstieg ein golden umrahmter Spiegel, in dem eine aufrecht stehende Amphibie in düsterer Robe reflektiert wurde. „Erscheine aus endlosen Kristallkaskaden!“, rief Valerie selbstbewusst und ließ mit einem Fingerschnippen um den Wasserkreis herum ein Dutzend Fontänen entstehen. Dabei tauchte langsam ein riesiger Schatten in des Zirkels Mitte auf. „Ritual Summon! [Evigishki Soul Ogre]!“ Die Fontänen verebbten und ließen eine aufrecht stehende Mischung aus Amphibie und Dinosaurier zurück. Deren dunkelblaue, schuppige Haut und der feine Kamm aus Schwimmhäuten, der sich von seinem Haupt hin zu seiner massiven Schwanzflosse erstreckte, schimmerten förmlich. Das über drei Meter große Ungetüm kniete vor dem Mädchen nieder.   Evigishki Soul Ogre [ATK/2800 DEF/2800 (8)]   Mit einer verbliebenen Handkarte sprach Valerie: „Damit ist es jetzt an dir, uns in unsere Schranken zu weisen, Nick!“   „Mit Vergnügen.“ Nachdem dieser auf eine sechste Karte aufgezogen hatte, lächelte er herablassend. „Ihr macht es mir wirklich einfach. Ob ihr nun eure stärksten Monster ausspielt oder eure schwächsten, es ist völlig bedeutungslos.“ Er nahm eine andere Karte aus seinem Blatt und zeigte sie den Dreien mit dem Rücken voran, wodurch jene untereinander fragende, nervöse Blicke austauschten. „Umso besser für mich, je schneller das hier vorbei ist“, stichelte Nick arrogant weiter und drehte langsam die Karte in seiner Hand um. Es war ein Zauber. „[Dark Hole].“ Sofort klingelten bei Valerie alle Alarmglocken. Der war doch gar nicht unter denen gewesen, die sie eben gesehen hatte! Ein kleiner Spalt öffnete sich vor Nick, der rasend schnell immer größer wurde und einen starken Sog erzeugte – ein richtiges, schwarzes Loch, nicht eines wie das des Overlay Networks. Die Monster von Anyas Freunden begannen sich zu verzerren, wie sie nach und nach hineingezogen wurden. „[Dark Hole] zerstört alle Monster auf dem Feld“, erklärte Claire die Lage mechanisch. „Dich hat keiner gefragt“, zischte Anya grimmig zurück. Und die Chefsirene klagte: „Sei nicht so gemein zu ihr, Anya!“ „Hmpf!“ Indes sah Zanthe zu Valerie herüber und nickte ihr, oder besser gesagt ihrem [Evigishki Soul Ogre] zu, doch das Mädchen reagierte mit einem Kopfschütteln. Daraufhin nickte Zanthe erneut und wandte sich dem gemeinsamen Widersacher zu. „Ich rette [Constellar Pleiades], indem ich seinen Effekt gegen ihn selbst richte!“ Jener absorbierte mit seiner Klinge die letzte Lichtkugel und rammte sich das Schwert durch die Brust. Keinen Moment später weitete sich das schwarze Loch so weit aus, dass niemand mehr etwas sehen konnte. Nick grinste kaum merklich. Als der Effekt seines Zaubers nachließ, waren von [Evigishki Soul Ogre] und [Constellar Pleiades] nichts mehr zu sehen. Doch Matts [Evilswarm Ophion] befand sich wider Erwarten weiterhin auf dem Feld. „Tja“, feixte der, „[Infestation Pandemic] ist ein Schnellzauber, der meine Schwärmer für einen Zug vor Zauber- und Falleneffekten feit. Dadurch konnte selbst dein [Dark Hole] ihn nicht vernichten.“ „Ich weiß“, erwiderte Nick, „das ist alles mit einkalkuliert.“ Woraufhin der Dämonenjäger erstaunt Luft ausstieß. „Um genau zu sein“, sprach der große, junge Mann weiter, „ist es sogar essentiell. Ich beschwöre [Wind-Up Magician] als Normalbeschwörung. Danach kann ich [Wind-Up Shark] als Spezialbeschwörung rufen, weil ich ein Wind-Up-Monster normalbeschworen habe.“ Wie schon bei Matt und Zanthe tauchten gleich zwei Monster vor ihm auf. Ein violetter Spielzeugmagier mit Zauberstab in den Zangenhänden und ein blauer Aufziehhai.   Wind-Up Magician [ATK/600 DEF/1800 (4)] Wind-Up Shark [ATK/1500 DEF/1300 (4)]   „Nun, da ein Monster mit maximal 1500 Angriffspunkten als Spezialbeschwörung mein Feld betreten hat, kann ich den Schnellzauber [Inferno Reckless Summon] dazu nutzen, zwei weitere Kopien aus meinem Deck zu rufen.“ Nick legte den Zauber in seine Duel Disk ein. Daraufhin schoben sich zwei durchsichtige Kopien links und rechts aus dem Hai und gewannen feste Form. „Da das nur geht, wenn wenigstens einer von euch ein Monster kontrolliert, verweise ich auf meine Aussage von eben. Bedauerlicherweise kannst du, Matt, den Nebeneffekt, auch eines deiner Monster zu verdreifachen, nicht nutzen. Denn die Kopien müssen sich in deinem regulären Deck aufhalten, wohingegen [Evilswarm Ophion] im Extradeck beheimatet ist.“ Matt kratzte sich irritiert am Kopf beim Anblick der drei Spielzeughaie.   Wind-Up Shark x3 [ATK/1500 DEF/1300 (4)]   „Und eines sollten wir dabei auch nicht vergessen. Die Beschwörung des ersten [Wind-Up Sharks] war eine Effektaktivierung, die es [Wind-Up Magician] ermöglicht, einmalig ein weiteres Spielzeug aus meinem Deck in die Verteidigungsposition zu rufen.“ Nick hielt nur die Hand über sein Deck und ließ eine Karte daraus hervorschießen, die er aufnahm und auf seine Duel Disk legte. „[Wind-Up Dog].“ Und schon materialisierte sich vor ihm ein Sitz machender, blau-weißer Spielzeughund.   Wind-Up Dog [ATK/1200 DEF/900 (3)]   So war es Nick in wenigen Schritten gelungen, sein gesamtes Feld mit Monstern zu füllen. „Das ist … nicht gut“, stammelte der Dämonenjäger und sah Valerie besorgt an, die völlig ungeschützt war. Denn Zanthe blieben wenigstens dessen zwei verdeckten Karten und ihm sein Ophion, der – und darauf lag die Betonung – noch das stärkste Monster auf dem Feld war. Valerie ihrerseits war immer noch mit dem beschäftigt, was sie glaubte gesehen zu haben. Da war kein [Dark Hole] in seinem Blatt gewesen! Aber er hatte es nicht als die Karte ausgespielt, die er nachgezogen hatte. Also wie …? Nick bemerkte ihre Irritation und grinste sie finster an. „Probleme?“ „Du-!“ „Valerie, wieso hast du dein Monster beschworen, wenn du wusstest, dass er es in seinem nächsten Zug zerstören würde?“, fragte Matt plötzlich verständnislos. „W-was?“ Zanthe seufzte. „Ist ja toll, dass du erwartet hast, dass wir das verhindern können, aber das Risiko wäre -ich- nicht eingegangen.“ Das Mädchen verstand die Welt nicht mehr. „A-aber ich-!“ „Was denn?“, fragte Nick herausfordernd. „Hast du dich etwa täuschen lassen?“ Ihr klappte die Kinnlade hinunter, wie er sie abfällig betrachtete. Zähneknirschend ballte sie eine Faust. „Anscheinend …“ „Egal“, beendete Nick die Diskussion resolut. „Wie ihr unschwer erkennen werdet, war das nur der Anfang. Ich benutze den Effekt eines meiner [Wind-Up Sharks], um seine Stufe zu korrigieren – um eins nach unten. Und errichte das Overlay Network, um die beiden Stufe 3-Monster zu einem Rang 3-Monster zu machen!“ Während der Hai als blauer Lichtstrahl in den sich vor Nick öffnenden Galaxienwirbel eintauchte, tat sein Hund dies als hellbrauner. Parallel zur daraus entstehenden Lichtexplosion rief Nick: „Xyz Summon! Erhebe dich, [Wind-Up Carrier Zenmaity]!“ Und so geschah es auch – ein verdammt großes, blau lackiertes Spielzeugschiff, ein Flugzeugträger, entstieg dem Overlay Network. Zwei Lichtkugeln umrundeten es wie kleine Monde.   Wind-Up Carrier Zenmaity [ATK/1500 DEF/1500 {3} OLU: 2]   Statt zu verschwinden, weitete sich der Strom ein wenig aus. Nick rief: „Als Nächstes mache ich aus dem Stufe 4-Magier und dem Stufe 4-Hai ein Rang 4-Monster!“ Besagter, violetter Hexer und der zweite Hai tauchten als rote beziehungsweise blaue Lichter in den Sog ein. Eine weitere Explosion folgte. „Xyz Summon! [Wind-Up Zenmaister]!“ Mit einem Satz landete neben dem Spielzeugschiff ein Roboter mit ausfahrbaren Armen.   Wind-Up Zenmaister [ATK/1900 → 2500 DEF/1500 {4} OLU: 2]   Anya wusste, dass Zenmaister für jedes Xyz-Material, das er besaß, 300 Angriffspunkte erhielt. Ein schmales, antizipierendes Lächeln zierte ihre Lippen. Ihr Sandkastenfreund war längst noch nicht durch. „Jetzt der Effekt von [Wind-Up Carrier Zenmaity]. Im Austausch gegen eine Overlay Unit beschwört er ein Spielzeug von meinem Deck! Los, [Wind-Up Rat]!“ Eine der Lichtkugeln verschwand im Schiff, welches von seinem Bug einen blauen Torpedo abfeuerte. Dieser wurde mitten in der Luft zu einer kleinen, blauen Ratte, die in der Mitte des Spielfelds landete und zu Nick zurückkehrte. Dabei begann sich der goldene Schlüssel auf ihrem Rücken immer schneller zu drehen. „Indem ich sie vom Angriffsmodus durch ihren Effekt in die Verteidigung wechsle, kann [Wind-Up Rat] ein Spielzeug von meinem Friedhof im Verteidigungsmodus rufen“, rief Nick autoritär mit ausgestreckter Hand. „[Wind-Up Dog]!“ Die blaue Ratte zog einen großen Kreis unterhalb des Schiffs, wo aus dem Boden der kleine Spielzeughund empor stieg. Jener begann wild zu bellen.   Wind-Up Rat [ATK/600 DEF/600 (3)] Wind-Up Dog [ATK/1200 → 1800 DEF/900 (3 → 5)]   Matt stand regelrecht der Schweiß auf der Stirn, Zanthe stierte Nick böse an und Valerie sah betreten weg. „Was ihr hier beobachten könnt, ist bereits der Effekt von [Wind-Up Dog] aktiviert, der seine Stufe um zwei und den Angriffswert temporär um 600 erhöht.“ Nick schnippte mit dem Finger. „Ich nutze den Effekt meines dritten [Wind-Up Sharks] und passe seine Stufe an, diesmal um eins nach oben. Nun wird aus meinen beiden Stufe 5-Monstern ein Rang 5-Monster!“ Das Dreiergespann keuchte erschrocken, als sich zum nunmehr dritten Mal das Overlay Network öffnete und den Hund als hellbraunen sowie den Hai als blauen Lichtstrahl absorbierte. „Xyz Summon! [Wind-Up Arsenal Zenmaioh], zeig' dich!“ Sofort wurde das Schwarze Loch in einer Explosion auseinandergerissen. Ein noch größerer Roboter als Zenmaister, Nicks rot lackiertes Assmonster, betrat das Spielfeld. Einer seiner Arme hing lose, von einer unsichtbaren Kraft gehalten, abseits des Körpers in der Luft, bestückt mit einem Bohrer. Auch Zenmaioh wurde von zwei Lichtsphären umkreist.   Wind-Up Arsenal Zenmaioh [ATK/2600 DEF/1900 {5} OLU: 2]   „Effekt von Zenmaioh! Im Austausch gegen eine Overlay Unit zerstört er zwei verdeckte Karten“, rief Nick aus. Sein Robokrieger schnellte auf Zanthe zu, welcher entsetzt keuchte. Kaum war er angekommen, hämmerte er seinen Bohrerarm in die beiden Fallen, welche [Draining Shield] und [Constellar Meteor] waren und zerfetzte sie.   Wind-Up Arsenal Zenmaioh [ATK/2600 DEF/1900 {5} OLU: 2 → 1]   „So ein Mist“, fluchte der Werwolf mit dem roten Kopftuch leise. „Ich bin noch nicht fertig! Zauberkarte [Zenmailfunction]! Sie reanimiert [Wind-Up Dog] in Verteidigungsposition“, erklärte Nick, „und zusammen mit [Wind-Up Rat] errichten sie zum letzten Mal das Overlay Network!“ Kaum erst war der blaue Spielzeughund aus einem Loch im Boden aufgetaucht, verwandelten er und die kleine Spielzeugratte sich in braune Lichtstrahlen, die von einem sich abermals öffnenden, schwarzen Loch absorbiert worden. „Xyz Summon! Rank 3, [Wind-Up Zenmaines]!“ Eine grelle Lichtsäule schoss aus dem Wirbel und brachte einen Kampfbomber mit sich, der eine ungefähr dreieckige Form hatte und aufrecht flog. Zwei Zangenhände flogen losgelöst vor ihm.   Wind-Up Zenmaines [ATK/1500 DEF/2100 {3} OLU: 2]   Matt fasste sich an die Stirn. „Oh Junge. Viermal hintereinander …“ „Das wird nicht gut ausgehen“, prophezeite Zanthe, „zumindest nicht für mich.“ „Für keinen von euch“, prophezeite Nick düster und legte seine letzte Handkarte in die Duel Disk ein. „Ich aktiviere [Oni-Gami Combo]. Das davon betroffene Xyz-Monster verliert all seine Overlay Units, kann aber dafür in diesem Zug zwei Angriffe durchführen.“ „Oh nein!“, keuchte Valerie erschrocken, als sich die Lichtkugel um Zenmaioh auflöste.   Wind-Up Arsenal Zenmaioh [ATK/2600 DEF/1900 {5} OLU: 1 → 0]   „Zuerst du“, kündigte Nick düster an und zeigte dabei auf Matt. „Los Zenmaioh, vernichte sein Monster und setze einen direkten Angriff nach! Wind-Up Power Punch!“ Der in der Zwischenzeit zu ihm zurückgekehrte Roboter schoss erneut auf sein Ziel zu. Zwar versuchte sich Matts [Evilswarm Ophion] mit einem pechschwarzen Odem an einem Gegenangriff, dem jedoch mühelos ausgewichen wurde. Kaum bei dem düsteren Drachen angelangt, schmetterte Zenmaioh seinen Bohrer in dessen Brust und zerriss ihn förmlich. Und als er damit fertig war, flog er herüber zu Matt und verpasste ihm mit seiner normalen Faust einen mächtigen Hieb in den Magen. „Ah!“, stieß Zanthe erschrocken hervor. Valerie kreischte: „Matt!“ Jener wurde von der Wucht des Angriffs in die Höhe gehievt und flog wie ein nasser Sack durch die Luft. Nur mit Mühe konnte er sich einigermaßen fangen und landete im Anschluss in kniender Haltung, kippte über und übergab sich.   [Matt: 4000LP → 1350LP Zanthe: 4000LP Valerie: 4000LP //// Nick: 4000LP]   Sofort eilte Valerie zu ihm und packte ihn an den Schultern. „Matt!“ „Dieser Schlag“, keuchte der atemlos, „das war kein normaler. Nicht, als wären nur die Sicherheitsoptionen deaktiviert. Als ob ein Immaterieller …“ Die Schwarzhaarige blickte entgeistert auf. „Du bist verrückt!“ „Denkt ihr“, sprach Nick eisig und deutete dabei auf Zanthe, „dass eine Macht wie diese ausreichend wäre? Zenmaister, Angriff auf diesen da. Wind-Up Armored Fist!“ Der andere Roboter ließ seine Faust an einer langen Sprungfeder Richtung Zanthe ausfahren und das mit einer Geschwindigkeit, die es nicht erlaubte, ausweichen zu wollen. Stattdessen hielt der Werwolf seine Arme über Kreuz und blockte den Treffer ab, aber nicht, ohne einen halben Meter weggeschoben zu werden. „Uff!“   [Matt: 1350LP Zanthe: 4000LP → 1500LP Valerie: 4000LP //// Nick: 4000LP]   „Dein Glück, dass ich so robust bin“, knurrte der Werwolf böse. „Niemand von uns kann sich -ihm- widersetzen“, führe Nick aber seine Ansprache fort, „ihr am allerwenigsten. Zenmaines, Zenmaity, nehmt euch ihre verbliebenen Lebenspunkte vor.“ Vom Rande des Felds schrie Abby aufgelöst: „Nick, tu das nicht! Bitte!“ Aber es war bereits zu spät. Der Schiffsträger feuerte mehrere Torpedos in Matts Richtung. Zeitgleich flog der Bomber über Zanthe hinweg und ließ mehrere Raketen auf ihnen fallen, wodurch die beiden letztlich in einen Hagel aus Explosionen eindeckt wurden. „Nein!“, platzte es aus Abby verzweifelt heraus. „Nick, was tust du da!? Sie sind doch-!“   [Matt: 1350LP → 0LP Zanthe: 1500LP → 0LP Valerie: 4000LP //// Nick: 4000LP]   Nick beendete den Satz für sie. „Nur im Weg.“ Der Rauch verzog sich. Matt lag auf dem Rücken, Zanthe auf dem Bauch. Die Einzige, die noch auf den Beinen war, war Valerie. Und sie zitterte am ganzen Leib. „Wenn du möchtest, kannst du auch gerne aufgeben“, bot Nick ihr emotionslos an, „andernfalls vernichte ich dich wie diese beiden da.“ Tränen standen in Abbys Augen, doch als sie dazwischen gehen wollte, packte Anya sie am Handgelenk. „Misch dich nicht ein.“ „Anya!“, polterte Abby. „Siehst du nicht, was er da macht!?“ „Die sind hart im Nehmen“, stellte die Blonde nicht weniger mechanisch wie Nick klar, „lass sie das bis zum Ende austragen.“ Sie konnte gar nicht so schnell gucken, wie sie sich von Abby eine fing. „Bist du wirklich so gefühlskalt!? Ist dir das Wohl deiner Freunde egal!?“ „Masters“, murmelte Anya, ließ sie los und rieb sich die Wange, „im Gegenteil. Deswegen lasse ich sie kämpfen.“ „Ich verstehe dich nicht!“ Sie wirbelte herum zu Nick. „Und dich noch viel weniger!“ Nick begann auf einmal zu lachen. Erst leise, dann immer lauter.   ~-~-~   Einige Tage zuvor …   „Was zur Hölle denkt der sich?“ Nick in derartiges Erstaunen zu versetzen war schwierig, doch nichts, das Henry Ford nicht mindestens einmal am Tag zu vollbringen vermochte. Während der Spross des Ford-Imperiums mal wieder mit Abwesenheit glänzte, saß Nick mitten in der Nacht vor seinem Laptop in seinem Büro. Und durfte sich einmal mehr davon vergewissern, warum Benjamin, so Henrys erster Vorname, bisher nie auf viel Gegenliebe stieß, was seine Ideen anging. „Wenn dein Vater sieht, wie teuer -das- wird … wow!“ Nick fuhr sich über das Kinn. „Bewundernswert. Beängstigend, aber auch bewundernswert. Damit rechnet wohl niemand.“ Eigentlich wollte er gar nicht mehr hier sein, schließlich wartete ein gewisser, verräterischer Immaterieller darauf, mit ihm eine kleine 'Reise' zu unternehmen. Aber er konnte nicht gehen, ohne zumindest noch ein paar Vorbereitungen zu treffen und für seine Abwesenheit innerhalb der Firma vorzusorgen. Nicht, dass Aiden noch auf dumme Gedanken kam.   Obschon von draußen bereits das Mondlicht in sein Büro drang, hatte Nick das Licht in seinem karg eingerichteten Büro noch nicht angeschaltet. Er liebte es, im Dunkeln zu arbeiten. Und er liebte Glasoptik, wie sich anhand seines gläsernen Tisches zeigte. Weiß dagegen war nicht seine Farbe, die Wände hätte er irgendwann noch einmal streichen lassen. Aber er ging nicht davon aus, dass er noch einmal hierher zurückkehren würde. Hier zu arbeiten hieß für Aiden Reed zu arbeiten, dem CEO von Micron Electronics, einem Hersteller für Microchips und anderen elektronischen Komponenten. Und wenn sich Nick vor Augen hielt, wie er zu seinem Job als Berater von MEs Geschäftspartner, welcher niemand Geringeres als Henry, ergo die AFC, war, wurde ihm selbst heute noch speiübel. Mit Henry würde er umgehen können, der war nur ein stures Kind, versessen darauf, seinem Vater seine Unabhängigkeit zu beweisen, indem er zusammen mit ME heimlich ein Konkurrenzprodukt zu Duel Monsters schaffte. Aber Aiden … sein ehemaliger Verlobter, der Mensch, der ihn durch Erpressung in diese Lage gebracht hatte. Nein, mit Aiden wurde er nicht so einfach fertig. Das hatte jener zuletzt bewiesen, als er einen Cyberangriff auf Mr. Bauer, Anyas – und Nicks – Vater verhindert hatte, den Nick eigentlich Aiden in die Schuhe schieben wollte. Und nun wusste Mr. Bauer vermutlich von 'Monochrome'. Nick hatte sich geschworen, Aiden dafür zu vernichten. Jedoch war dies nicht so einfach, denn in dem einen Monat, den er jetzt hier arbeitete, war ihm kein adäquater Akt der Vergeltung in den Sinn gekommen. Und was normalen Menschen lächerlich kurz erschien, war für Nicks Verhältnisse eine halbe, zermürbende Ewigkeit. Umso mehr aufgrund der Tatsache, dass Nick die leise Befürchtung hegte, nicht ganz hinter seinen eigenen Rachegelüsten zu stehen. Er liebte Aiden nicht mehr, aber er verdankte ihm das Leben, das er jetzt führen konnte. Der Bruch zwischen ihnen beiden … Und nicht zuletzt gab es dringendere Angelegenheiten, die seiner Aufmerksamkeit bedurften. Es ist noch keine Woche her, da war in Ephemeria City ein Flugzeug abgestürzt. Anyas Flugzeug! Er wusste, dass es ihr gut ging, aber für wie lange noch? Wenn er ihre Feinde nicht bald aus dem Weg räumte, könnte der nächste Anschlag gelingen. Zumal nicht einmal er wusste, wer dafür verantwortlich war. Nein, er konnte seine Zeit nicht länger hier verschwenden. Aiden würde ohne ihn auskommen müssen, ob er nun wollte oder nicht.   Während Nick gedankenverloren auf den Bildschirm starrte, bemerkte er nicht, wie sich hinter ihm schwarze Schatten erhoben. Umeinander wirbelten und ein Portal bildeten, aus dem eine einzelne Person trat. „Guten Abend, Nick Harper.“ Mit einem gedämpften Aufschrei drehte Nick seinen Stuhl um 180 Grad. Seine Augen weiteten sich bei dem Anblick, der sich ihm bot. Ein feiner, schwarzer Designeranzug. Dunkelrotes, zu einem Mittelscheitel gegeltes Haar. Eine Narbe auf der Wange. Und ein schmieriges Lächeln auf den Lippen. „Der Teufel kommt, um meine Seele zu holen“, brachte Nick trotz seiner inneren Schockstarre noch einigermaßen fest hervor. Der Sammler lächelte falsch. „Nicht heute, mein Lieber.“ „Du streitest es nicht einmal ab“, stellte Nick fest und erntete ein weiteres, gekünsteltes Lächeln, während er sich vorsichtig von seinem Stuhl erhob, „muss ich jetzt beeindruckt sein oder Angst haben?“ „Ein bisschen von beidem.“ „Was willst du?“, fragte Nick scharf, ließ seine sarkastische Maske sinken. „Zu Ende bringen, was deine … was auch immer sie auch sein mag, nicht geschafft hat?“ Der Sammler verzog keine Mimik, stand ihm ruhig gegenüber. „Zweifelsohne sprichst du von Valerie Redfield.“ „Du warst es also tatsächlich …“ Nick fasste sich ans Kinn, gab ein entrüstetes Stöhnen von sich und blickte zur Seite. Auch wenn er längst zu der Erkenntnis gekommen war, wer ihn vor einiger Zeit in der alten Lagerhalle in eine Falle gelockt hatte, war die Bestätigung derer doch ein ungewöhnlich harter Schlag. „Was immer du daraus schließen magst, es ist falsch.“ Der Sammler wandte sich leicht von ihm ab und umrundete den Schreibtisch. „Meine Valerie hat dich nicht angegriffen, weil ich dich töten wollte.“   Nick sah ihm fassungslos hinterher, wie er auf die Fensterfront zu schritt, die sich direkt gegenüber seinem Schreibtisch befand. „'Deine' Valerie!?“ Als hätte er die Frage gar nicht gehört, fuhr der Sammler fort. „Du missverstehst mich, Nick. Ich würde nie meinen besten Mann ausschalten.“ Er drehte sich vor dem Fenster zu jenem um. Lächelnd fügte er hinzu: „Ohne dich wäre -sie- verloren.“ Nick tat es dem Sammler nun gleich und ging langsam um seinen Schreibtisch herum. „Was war das!? Was hat mich da angegriffen und wieso!?“ „Sagen wir, ich wollte etwas testen.“ „Mich!?“ Der Sammler gab ein amüsiertes Kichern von sich. „Sei bitte nicht albern. Euch habe ich lange genug getestet. Nein. Es reicht, wenn du weißt, dass es nicht meine Absicht war, dir zu schaden.“ Mit bedachten Schritten näherte sich Nick seinem Gegenüber. „Tut es das jemals, wenn du Antworten schuldest?“ „Ich schulde niemandem etwas, Nick Harper“, kam die eisige Retour. „Warum bist du hier?“, stellte der erneut seine Ausgangsfrage, wenn diesmal auch in gedämpften Tonfall. „Ich fürchte, wir haben ein kleines Problem. Deine Schwester ist unkooperativ. Sie möchte nicht mehr mit mir zusammenarbeiten. Mehr noch, haben ihre kleinen Freunde doch tatsächlich versucht, mich zu töten“, erwiderte der Sammler geschäftsmännisch, „stell dir meine Überraschung vor. Als ich Anya daraufhin konfrontiert habe, hat sie mir sogar gedroht.“ Nick kam ihm so nahe, dass seine Nase beinahe gegen die Stirn des Rothaarigen stieß. Dieses Monster wusste also um seine wahre Herkunft. „Wer wollte dich umbringen?“ „Valerie Redfield und Matthew Summers. Schade, ich dachte, gerade diese beiden wären die Vernunft innerhalb eurer kleinen Spielgruppe.“ Der Sammler lächelte diesmal nicht. „Sie haben mir tatsächlich einen kleinen Kratzer zugefügt.“   Was!? Redfield und Summers haben versucht, den Sammler umzubringen!? Sind die wahnsinnig geworden, dachte Nick aufgeregt. Es war -seine- Aufgabe, sich darum zu kümmern, sobald erst alle Vorbereitungen getroffen waren. Wie konnten diese Idioten so gedankenlos interferieren und dabei noch Anya in Gefahr bringen!? Um seine innere Fassungslosigkeit zu überspielen, murmelte er: „Ach ja? Nanu … was ist das?“ Theatralisch fasste sich Nick an die Brust. Er konnte sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen. „Mein Herz!“ Er zog seinen Kopf zurück, legte die zweite Hand auf den Bauch. „Und mein Bauchgefühl. Warum fühlt es sich so gut an, wenn du es so sagst wie du es tust?“ Auch der Sammler lächelte wieder, rührte sich nicht, ja blinzelte nicht einmal. „Du bist schon immer ein talentierter Spaßvogel gewesen, ob zur Tarnung, oder zum Überspielen deiner Angst.“ Er schwang den Arm zum Fenster aus. „Und das hat dich hierher gebracht. Es könnte dich auch weiter bringen. In eine glorreiche Zukunft. Aber die wird es nur geben, wenn du die Wahrheit kennst.“ „Welche Wahrheit?“, fragte Nick und nahm wieder etwas Abstand. „Die Wahrheit“, erwiderte der Sammler ernst, „die ich dir als Friedensangebot anbiete.“ Sein Gegenüber musste nicht lange überlegen. „Ich verzichte.“ Der großgewachsene junge Mann erinnerte sich nur zu gut daran, was dasselbe Angebot Anya einst angetan hatte. Es hatte sie in ihre missliche Lage gebracht! Nie im Leben würde er auf denselben Trick hereinfallen! „Wie du willst“, meinte der Sammler routiniert und ließ den Arm sinken, „es steht dir frei, deine eigenen Gedanken zu hegen. Solange sie sich darum drehen, Anya Bauer zu helfen.“ „Ich hab 'ne andere Idee. Duellieren wir uns doch genau darum.“ Nick leckte sich demonstrativ über die Lippen. „Ich bin richtig heiß drauf, weißt du?“ Und er Sammler lachte erneut. „Du denkst, du bist zu dem imstande, das nicht einmal ein Undying vollbracht hat? Obwohl er über Mittel verfügte, um mich zu kitzeln? Im Gegensatz zu dir. Welche Hoffnung könntest du dann hegen?“ Als Antwort fuhr Nick sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe. Zeigte ihm, dass sie genau -da- lag. „Wenn das deine Hoffnung ist, sage ich dir eins“, hauchte der Sammler und trat näher an Nick heran, „sie ist nichts. Der Ausgang wäre derselbe.“ „Ich werde meine Schwester aus deinen Klauen befreien!“, schwor Nick zornig, ließ dabei die Hand sinken. „Das wirst du, in der Tat. Und wo wir schon dabei sind“, erwiderte der Sammler und streckte sich hoch zu seinem Gegenüber, um ihm ins Ohr zu flüstern: „wir wissen doch beide, dass sie nicht einfach -nur- deine Schwester ist.“   Derart erschrocken von dieser Aussage, wich Nick zurück und stolperte dabei. In seinem Fall sah er den Sammler entgeistert an, landete auf dem Ellbogen. Es dauerte einen Moment, ehe er ein Wort herausbekam. „Was soll das heißen!?“ „Die Antwort ist genau hier“, erwiderte der Sammler und legte seinen rechten Zeigefinger an die Schläfe. „Aber wie dem auch sei, ich habe leider nicht die Muße, unsere Konversation noch lange aufrecht zu erhalten.“ Er griff in die Innentasche seines Sakkos und warf Nick einen einzelnen, weißen Handschuh mit goldenen Nähten darin vor die Füße. „Meine Forderung ist simpel. Setze fort, was sie angefangen hat. Dann bekommst du sie zurück.“ Hastig rappelte sich Nick wieder auf und trat demonstrativ auf das 'Geschenk'. Der Sammler sah auf den schwarzen Schuh missbilligend herab. „Nun sieh was du getan hast. Jetzt ist er schmutzig.“ Er blickte auf. „Man könnte auch sagen, du trittst damit das Leben deiner eigenen Schwester.“ Nick schwieg. „Vielleicht sollte ich dir erklären, was sie erwartet, wenn sie sich auf die Undying verlässt“, sprach er und lächelte besonnen, als Nick überrascht die Augen weitete, „oh ja, deine Schwester hat das eiskalte Herz der Undying zum Schmelzen gebracht. Ihr Anführer liegt ihr praktisch zu Füßen.“ „Auch wenn ich diese Frage bereuen werde: Was haben sie vor?“ Der Sammler schnalzte mit der Zunge, drehte sich um und trat an die Fenster heran. „Oh Nick, das Grausamste, was man einem unabhängigen Mädchen wie Anya antun könnte. Sie wollen ihr einen neuen, völlig ungetesteten Körper zur Verfügung stellen. Einen Homunkulus.“   Jener Begriff war Nick kein Unbekannter. Alexandra hatte bereits einmal darüber gesprochen, als Nick sie gefragt hatte, wie man Anya retten könnte. Es handelte sich um einen künstlich erschaffenen Mensch ohne Seele, der als Gefäß dienen sollte. Etliche 'Zauberer', 'Hexen' und weiß der Geier was noch hatten sich in den letzten Jahrhunderten daran versucht, aber die wenigsten Homunkuli hielten länger als ein paar Monate. Niemand konnte sich erklären warum.   „Anhand deines Blicks sehe ich, dass du verstehst. Du wirst zugeben müssen, dass das keine nennenswerte Alternative zu meinem Vorschlag ist“, meinte der Sammler mit fester Stimme, „obschon selbst ich neugierig bin, wie ein Homunkulus der Undying funktioniert. Solltest du meinen Vorschlag ablehnen, werden wir es vielleicht bald wissen – dann kannst du mir davon berichten. Du musst wissen, ich liebe gute Geschichten.“ „Wovon redest du!?“ Nick war beinahe sprachlos. „Denkst du, ich gebe etwas auf dein Wort!?“ „Nein, tust du nicht.“ „Dann kennst du meine Antwort!“ Er nahm einen schnellen Schritt auf den Sammler zu. Noch während der nachfolgenden Bewegung konnte Nick in dessen Augen etwas erkennen, mit dem er nicht gerechnet hatte. Verwirrung. Doch seine Lippen waren bereits in Bewegung, genau wie seine Hände. „Ich werde Anya selbst retten!“ Damit stieß er den Collector von sich. Es schepperte. Das Glas zerbarst unter der Last des Dämons, der mit weit aufgerissenen Augen in die Tiefe fiel. „Bis bald. Und ruf nächstes Mal an, bevor du kommst“, zischte Nick hinterher, der von dem sanften Wind erfasst wurde, der die Nacht begleitete. Dann drehte er sich um.   Zielstrebig steuerte er auf seinen Schreibtisch zu, besser gesagt daran vorbei zu der Garderobe dahinter, an der sein schwarzer Mantel hing. Er nahm sein altes, an einigen Stellen am Gehäuse verätztes Handy hervor und wählte eine Nummer. Als er sich den Apparat ans Ohr legte, atmete er tief durch und fuhr sich über die Stirn. „Geh ran!“, forderte er nervös, nachdem mehrere Male das Freizeichen ertönte. Dann hörte er eine verschlafene, sanfte Stimme. „H-hallo …?“ „Abby! Du wirst mir nicht glauben, was gerade passiert ist.“ „N-Nick. Hast du eine Ahnung wie spät es hier in London ist? Ich wollte noch etwas ausschlafen.“ „Nein, sorry, tut mir leid“, stammelte er unbeholfen und drehte sich zum kaputten Fenster um, „es ist nur … der Sammler war hier.“ Er hörte, wie Abby leise aufschreckte und nun völlig wach klang. „Wie bitte!?“ In kurzen Sätzen erklärte er ihr, was bei dem kleinen 'Besuch' vorgefallen war. „Abby“, Nick sog tief Luft ein. „wenn es dir nicht zu viel ausmacht, komm bitte zurück nach Livington und behalte sie im Auge. Ich weiß, es ist viel verlangt, aber-“ „N-Nick, selbstverständlich, aber was ist mit dir?“ „Ich werde eine Weile fort sein. Nicht lange, versprochen. Aber es muss sein.“ Abbys Stimme klang belegt. „Was hast du vor?“ „Das kann ich dir nicht sagen.“ Bevor er sich bei ihr dafür jedoch entschuldigen konnte, wurde die Tür zu seinem Büro weit aufgerissen. „Nick, was ist passiert!?“ Aiden kam hereingestürmt und sah Nick aufgelöst an. Und es gehörte viel dazu, den brünetten Mit-Dreißiger in einen derart panischen Zustand zu versetzen. Eine Kunst, die nur Nick jemals wirklich gemeistert hatte, was ebenjenem in diesem Moment wieder bewusst wurde. „Ich muss auflegen. Gute Nacht und entschuldige die Störung“, nuschelte er in den Hörer und tat, was er ihr angekündigt hat. Das alte Handy in die Hosentasche steckend, lächelte er seinen Ex-Freund zuckersüß und bitterböse zugleich an. „Nichts, Daddy.“ Aiden streckte die Hand aufgeregt zur Seite aus, auf das zersplitterte Fenster gerichtet. „Was ist das!?“ „Ich wollte … umdekorieren“, mimte Nick bewusst unglaubwürdig den Unschuldigen. „Etwas mehr frische Luft-!“ „Was hast du getan!? Ich hab dich schreien hören! Mit wem hast du da gestritten!?“ Die Augen rollend, gestand Nick schmollend: „Na gut … du hast mich erwischt.“ Aiden näherte sich dem jungen, zerzausten Mann im weißen Hemd, packte ihn an den Oberarmen und fragte eindringlich: „Was hast du getan?“ Nick, der es regelrecht genoss, seinen Boss so angespannt zu sehen, lächelte künstlich. „Als ich umdekorieren sagte, meinte ich eigentlich deine Belegschaft.“ Wäre es nicht so dunkel, hätte Nick schwören können zu sehen, wie die Farbe aus dem Gesicht des CEOs von Micron Electronics wich. Er nickte verspielt zum Fenster. „Ich hab bei deiner PA angefangen.“ Fassungslos ließ Aiden ihn los und trat mit aufgerissenen Augen zurück. „Was? Oh!“ Nick klatschte in die Hände. „Ich weiß! Wie unhöflich von mir. Du als CEO hättest bestimmt gerne den Vortritt gehabt.“ Jetzt war er es, der seine Hand zum Fenster streckte. „Aber bitte. Es sind noch genug heile Fenster übrig.“ Während er das noch mit einem Wimpernklimpern unterlegte, würgte Aiden hervor: „Das ist nicht witzig, Nick!“ „Ich finde schon“, erwiderte der im einem 180 Grad-Wandel eisig, „kümmere dich um deine Angelegenheiten, Aiden. Du kannst mich gerne entlassen, wenn dich meine Allüren stören.“ Ohne auf dieses Angebot einzugehen, schritt, nein eilte Aiden herüber zur Fensterfront und starrte die dutzenden Stockwerke hinab auf die Straße. Es war fast völlig dunkel geworden, das Licht der Straßenlaternen da unten warf seinen grellen Schein auf den tristen Asphalt. Einen Moment lang geschah gar nichts. Als Aiden dann wieder aufsah und sich an Nick wandte, stellte er seine Frage leise. Zu leise. „Was hast du bloß getan, Nick?“ Und in diesem Moment war diesem plötzlich überhaupt nicht mehr nach Spaßen zumute.   Du solltest an deinen Manieren arbeiten, Nick Harper. Ich lasse dir die Wahl. Vollende, was deine Schwester angefangen hat, oder lebe mit den Konsequenzen.   Ein eiskalter Schauder lief ihm über den Rücken. Er trat neben Aiden und sah die junge Frau dort unten liegen, in blutverschmierter, weißer Bluse und dunklem Rock, wie sie mit seltsam verdrehten Gliedmaßen auf dem Bauch lag.   ~-~-~   Nick ballte eine Faust. Er würde den Sammler dafür töten, eigenhändig. Aber bis er dazu in der Lage war, könnte Anyas Zeit bereits abgelaufen sein. Bis dahin musste er gehorchen, ob er wollte oder nicht. „Du bist wahnsinnig“, sagte Valerie und bewegte ihre Hand Richtung Deck, „aber wenn du denkst, dass ich Angst vor dir habe, täuscht du dich!“ Sie griff nach ihrem Deck und zog schwungvoll. „Dein Körper spricht eine andere Sprache“, kam es von Nick zurück. „Aber nicht deine“, flüsterte sie fast, „ich zittere nicht vor Angst. Ich zittere vor Wut!“ Sie betrachtete ihre beiden Handkarten und rief dann aus: „Von meiner Hand der Zauber [Salvage], mit dem ich zwei Wasser-Monster mit maximal 1500 Angriffspunkten von meinem Friedhof berge! [Gishki Vision] und [Gishki Shadow]!“ Jene schoben sich aus ihrer ebenfalls brandneuen, hellblauen Duel Disk. Als sie nach ihnen griff, holte sich gleich noch zwei weitere Karten hervor. „Ferner mische ich [Gishki Aquamirror] in mein Deck zurück, um ein Ritualmonster wie [Evigishki Soul Ogre] vom Friedhof zurück ins Blatt zu nehmen!“ Besagte Ritualmagie legte sie auf ihren Kartenstapel, der sich automatisch selbst mischte. So hatte sie innerhalb eines Zuges ihr Blatt von einer auf vier Karten aufgestockt. Doch als sie die drei Monster, von denen eines blau umrandet war sowie die Zauberkarte ansah, musste sie innerlich schlucken. Damit konnte sie Nick nicht besiegen. Es wäre ihr allenfalls möglich, Soul Ogre erneut aufs Feld zu bringen, aber ohne ein Gishki-Monster in Reserve konnte sie [Wind-Up Zenmaines] nicht beseitigen. Ein Monster, das sich durch seine Overlay Units vor Zerstörung schützen und am Ende des Zuges bei so einem gescheiterten Versuch eine ihrer Karten vernichten konnte. „Ich bin erstaunt, dass du trotzdem weiterkämpfst“, warf ihr Nick entgegen, „nach allem, was dir widerfahren ist, hätte ich erwartet, dass du die Duel Disk an den Nagel hängst.“ Valerie erwiderte taff: „Es wäre schön, wenn du dich aus meinen Angelegenheiten heraushalten würdest.“ „Sag mir, Valerie, wenn es keine andere Möglichkeit gäbe, wenn dein Leben auf dem Spiel stehen würde“, redete der große, junge Mann auf sie ein, „würdest du dann betrügen?“ „W-was?“ „Antworte.“ Sie sah in ihr Blatt. Plötzlich änderten sich die Bilder und Rahmenfarben ihrer Karten, mal hatte sie vier Fallen im Blatt, dann vier hochstufige, normale Monster – Karten, die sie gar nicht in ihrem Deck spielte. „W-was …?“ „Was würdest du tun, Valerie?“, bohrte Nick nach. Er starrte sie aus seinen dunkel unterlaufenen Augen herausfordernd an. „Fair bleiben und deinem Ende entgegen sehen? Oder überleben?“ Die Karten in ihrer Hand änderten so schnell ihre Artworks und Beschaffenheit, dass es nur noch ein Farbenmeer war, das sie da in den Händen hielt. „Ah!“ „Jeder würde das eigene Leben vorziehen.“ Konzentriere dich, mahnte sie sich harsch im Gedanken! Sie wusste genau, aus welchen Karten ihr Blatt bestand. Und wie sie Nicks Frage begegnen musste! „Ich kenne mindestens eine Person, die das nicht tut“, konterte Valerie mit weit aufgerissenen Augen und zeigte mit dem Finger herüber zu einer überraschten Anya, „sie!“ Darauf schien ihrem Gegner nichts mehr einzufallen. Ohne in ihre Karten zu sehen, fuhr die Schwarzhaarige fort: „Selbst im Angesicht einer Psychopathin, im Angesicht der Weißen Hexe, hat Anya ihre Ehre behalten. Etwas, von dem du nur träumen kannst!“ Sie zog die Karte ganz rechts aus ihrem Blatt. „Deine kleinen Tricks, wo auch immer du sie gelernt hast, beeindrucken mich nicht! Zauberkarte [Moray Of Greed]! Ich mische zwei Wasser-Monster von meiner Hand ins Deck und ziehe drei neue Karten!“ Sie wählte dafür schweren Herzens [Gishki Vision] und [Evigishki Soul Ogre] aus, legte sie aufs Deck, ließ dieses durchmischen und zog dann hintereinander weg drei neue Karte. Nick verengte die Augen zu Schlitzen, was Valerie nicht entging. Er versuchte es schon wieder! Aber den Gefallen würde sie ihm nicht tun und erneut seiner Täuschung zum Opfer fallen. Statt ihre neuen Karten anzusehen, hielt sie jene flach nach unten und zog die ganz linke heraus. „[Gishki Shadow] kann abgeworfen werden, um mir einen Gishki-Ritualzauber vom Deck ins Blatt zu holen!“ Nick lachte spöttisch auf. „Riskant. Solange du dein Blatt nicht kennst, kann das durchaus nach hinten losgehen.“ Denkst du, erwiderte Valerie nur im Gedanken und grinste. Wortlos nahm sie ihr Deck aus der Halterung, fächerte es auf und pickte sich den [Gishki Photomirror] heraus. Derweil runzelte Anya die Stirn. „Verdammt, Redfield …“ „Anya?“, wunderte sich Abby über deren leises Gefluche. Das nahm sie sofort zum Anlass, erneut ins Gewissen der Blonden reden zu müssen. „Kannst du denn wirklich nichts tun, um diesen sinnlosen Streit zu stoppen? Sieh dir Matt und Zanthe an, sie-!“ Da fuhr Anya ihre Freundin an: „Herrgott, kapierst du es nicht, Masters!? Ich -kann- keine Partei ergreifen! Sie alle sind … 'gleich'.“ Abby sah sie für einen Moment lang an. Doch anstatt etwas zu erwidern, breitete sich ein warmes Lächeln auf ihren Lippen aus. „Daher weht der Wind …“   „Eine interessante Wahl“, kommentierte Nick Valeries Entscheidung, „aber kannst du ihn überhaupt nutzen?“ Die Schwarzhaarige sah ihn fest an. „Selbstverständlich kann ich das. Ich habe ihn bewusst ausgewählt.“ „Hm?“ Plötzlich weitete Nick die Augen. Nur um sie wieder zu schließen und ein seltenes, anerkennendes Lächeln zu zeigen. „Brillant, wie man es nur von jemandem deines Kalibers erwarten könnte.“ Er öffnete seine Lider wieder und funkelte sie voller Verachtung an. „Ein Jammer nur, dass du außerhalb von Duellen nicht dieselbe Intelligenz an den Tag legst.“ „Genug von deinem Gerede“, fauchte Valerie, „ich spiele alle vier Karten von meiner Hand gleichzeitig aus! Zuerst [Gishki Photomirror]! Mit ihm kann ich ein Gishki-Ritualmonster beschwören, indem ich statt Monster für jeden seiner Stufensterne 500 Lebenspunkte zahle!“   [Valerie: 4000LP → 1000LP / Nick: 4000LP]   Eine riesige Wassersäule schoss vor dem Mädchen aus dem Basketballfeld in die Höhe. Anya staunte nicht schlecht. „Wie zur Hölle kann sie ihre Karten kennen, wenn sie sie nicht mal angesehen hat?“ Niemand Geringeres als ausgerechnet Claire Rosenburg antwortete. „Sie hat die Karten studiert, die in ihrem Deck verblieben sind und daraus Rückschlüsse auf ihr Blatt gezogen.“ „Huh!?“, reckte Anya ihren Kopf zu der neben ihr stehenden Weltmeisterin. „Wahnsinn!“, staunte Abby begeistert. „Valerie ist wirklich etwas Besonderes. Aber wieso tut sie so etwas überhaupt? Dafür gibt es doch gar keinen Grund, oder?“ Daraufhin fiel Anyas Augenmerk auf Nick. „Weiß nicht …“   Valerie streckte die Hand nach vorne aus. „Erscheine, [Evigishki Mind Augus]!“ Die Fontäne verebbte und hinterließ einen riesigen Fisch mit sechs langen Spinnenbeinen, der sein monströses Maul weit aufriss. Eine goldene Aura zog sich für einen kurzen Moment von seiner Schwanzflosse hin zu seinem Haupt. „Durch meine Ausrüstungszauberkarte [Ritual Weapon] erhält er 1500 Zusatzpunkte auf beiden Werten!“   Evigishki Mind Augus [ATK/2500 → 4000 DEF/2000 → 3500 (6)]   Die Schwarzhaarige erkannte es in den Augen ihres Gegenübers. Ein kurzer Anflug von Nervosität. Wäre sie jemand, der mit ihren Gegnern spielt, würde sie das auskosten. Jedoch war alles, was Valerie wollte, dass dieses Duell so schnell wie möglich endete. „Meine letzte Zauberkarte: [Riryoku]. Sie halbiert die Stärke eines deiner Monster und überträgt sie auf meines.“ Plötzlich sackte der schwebende Roboter Zenmaioh vor Nick zusammen. Seine frei schwebende Faust fiel polternd zu Boden, während er in die Knie ging. Eine bläuliche Essenz trat aus ihm aus, die von dem Monsterfisch absorbiert wurde.   Wind-Up Arsenal Zenmaioh [ATK/2600 → 1300 DEF/1900 {5} OLU: 0] Evigishki Mind Augus [ATK/4000 → 5300 DEF/3500 (6)]   Als sie sich umdrehte, fuhr Valerie sich durch ihr Haar – ein Akt von Arroganz, wie sie in diesem Moment selber feststellen musste. Vielleicht genoss sie es ja doch ein wenig. Leise sprach sie zu ihrem Monster. „Beende es. Serenade Of The Abyss.“ Mind Augus stieß einen seltsamen Singsang aus und krabbelte im Anschluss in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit auf den knienden Roboter zu. Nick stand mit weit aufgerissenen Augen da wie angewurzelt. Fassungslos sah er mit an, wie die riesige Bestie seine Maschine mit einem Bissen verschlang.   [Valerie: 1000LP / Nick: 4000LP → 0LP]   Indes lief Valerie an Zanthe vorbei, der sich unbekümmert aufgerappelt hatte. Anerkennend sagte er ihr dabei: „Gut gemacht!“ Sie zeigte ihm grinsend einen Daumen nach oben und stellte sich vor Matt, reichte ihm die Hand. Er öffnete die Augen und lächelte: „Ich glaube, ich habe irgendwo etwas scheppern gehört. War das sein Ego?“ Das Mädchen kicherte, als sie ihm aufhalf. „Wahrscheinlich.“   „Interessant.“ Nick lachte leise, als die Hologramme verschwanden. „Das ist also mein Limit. Zwei von euch.“ Als seine drei Gegner nebeneinander standen und ihn anfunkelten, sagte er: „Aber ihr habt gewonnen. Das akzeptiere ich. Ich hoffe, ihr werdet noch mithalten können, wenn euch wirklich gefährliche Gegner gegenüberstehen.“ Matt erwiderte: „Um genau zu sein versuchen wir unser Bestes, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen.“ Nick sah herüber zu Anya, merkte sarkastisch an: „Dann kann ich euch für eure bisherigen 'Erfolge' nur gratulieren.“ „Lass uns endlich in Ruhe!“, forderte Valerie erzürnt. „Du bist wahnsinnig! Du bist es, der alle in Gefahr bringt! Deine Fähigkeiten sind nicht normal! Was ist dein Ziel? Willst du zu einem Dämon werden!?“ Er sah sie scharf aus den Augenwinkeln an. „Vielleicht? Aber gut, ich will eure Spielgruppe nicht länger stören.“   Ruhigen Schrittes verließ Nick unter den gespannten Blicken der anderen seine Position, machte sich auf in Richtung des kleinen Geräteschuppens. Dabei nahm er das Deck aus dem Schacht seiner Duel Disk. Überheblich funkelte er es an. „Und das hier … das brauche ich ebenso wenig.“ Sprachs und warf die Karten in eine vor ihm stehende Mülltonne. „Nick!“, keuchte Abby entsetzt und rannte ihm entgegen, doch als er sie von der Seite auf eine Art und Weise ansah, die nur als unmenschlich beschrieben werden konnte, fror sie in ihrer Bewegung ein. „Wir sehen uns wieder, Abby. Keine Sorge.“ Dann wandte er sich von allen ab und schnippte mit dem Finger. Neben ihm öffnete sich ein ovales, schwarzes Portal, auf das er langsam zuschritt.   Selbst Anya hatte inzwischen das volle Ausmaß der Lage erfasst und eilte zu Abby. „Harper, bleib verdammt nochmal stehen!“ „Du hast dich entschieden. Ich verstehe das.“ „Nein, du Hohlbirne, du verstehst gar nichts! Ja, Summers und Redfields Plan -war- dämlich, da sind wir uns einig, aber sie haben es verdammt nochmal für mich getan! Obwohl sie allen Grund dazu hätten, mich elendig krepieren zu lassen, nach dem, was im Turm vorgefallen war.“ Tatsächlich blieb Nick stehen. „Danke. Dass ich dir nicht egal bin. Keine Sorge, ich kümmere mich um alles.“ „Halt ihn auf“, flüsterte Abby ihrer Freundin eindringlich zu, welche verstand, dass nur sie noch dazu imstande war. „Bist du dir sicher, dass du das durchziehen willst?“, fragte Anya ernst. „Was hast du die ganze Zeit getrieben, dass du auf einmal solche Pforten öffnen kannst?“ Nick lachte leise auf. „Anders als deine Freunde bin ich nicht untätig. Ich kann dir nur den gut gemeinten Rat geben, sie zu vergessen. Sie tun dir nicht gut.“ „Sagt mein dämonischer BFF“, murrte die Blonde grimmig und wurde finster von ihrer besten Freundin angesehen, die hektisch mit dem Kopf schüttelte. Aber Anya konnte nicht so tun, als wäre es okay, Nick derart verändert zu sehen, dass sie nicht einmal mehr wusste, wer er überhaupt war. „Ich werde dich aus deiner Lage befreien. Und noch dazu dafür sorgen, dass du nie wieder irgendjemandes Marionette wirst. Aber das braucht Zeit. Solange solltest du tun, was der Sammler von dir verlangt.“ „'nen Teufel werd' ich!“ Anya stampfte wütend auf. Konnte er ihr wenigstens dabei in die Augen sehen und nicht mit dem Rücken zugekehrt in sein dämliches Portal gaffen!? „Wenn ich das tue, werden mich die Undying schneller entsorgen als ich Tina Wisemans String Tanga-“ „-und du kennst den Rest“, kürzte Abby den Ausflug in Anyas glorreiche Vergangenheit ab und stierte ihre Freundin mit ihrem bring-das-jetzt-sofort-in-Ordnung-Blick an. Die zuckte rechtfertigend mit den Schultern. Seufzend erklärte sie: „Die Undying sind vielleicht die Einzigen, die mir helfen können. Mach das nicht kaputt, Harper. Bitte.“ „Ah. Weil du gerade 'kaputt' erwähnst“, sprach Nick und drehte sich tatsächlich zu Anya um. Er griff in die Innenseite seines Mantels und zog daraus eine Zeitung hervor, die er jedoch erstaunlich weit vor Matts Füße warf. Jener starrte irritiert auf die Schlagzeile herab. „Deine Freunde sind nicht einmal auf dem aktuellen Stand der Dinge. Du solltest wirklich überdenken, den Undying zu vertrauen.“ Anya drehte sich zu Matt um, der gerade die Zeitung aufhob. Und als er las, begann seine Hand immer mehr zu zittern, bis sie ihm aus der Hand fiel. Irritiert fragte sie: „Was ist? Was steht da?“ „Das soll er dir selbst erklären. Ich hoffe, dass du danach erkennst, woran du bist.“ Nick drehte sich wieder um. „Ich werde dich immer unterstützen, das weißt du.“ Und mit diesen Worten trat er durch das schwarze Portal, das sich sofort nach ihm schloss. Abby stand mit offenem Mund da und schritt langsam zur Mülltonne. „Summers, was ist?“, wollte Anya mit Nachdruck wissen. Erst als Zanthe neben den Dämonenjäger trat und für ihn das Schriftstück auflas, konnte Matt sich bewegen. In seinem Gesicht stand unendlicher Schrecken. „San Augustino … das Waisenhaus, es ist …“ „Verdammter Mist“, fluchte Zanthe und hielt die Zeitung hoch, damit Anya das Bild selbst sehen konnte – ein großes Haus, vollkommen in sich zusammengestürzt. Der Werwolf sagte: „Anya, das ist über einen Monat her!“ Sofort eilte die Blonde zu ihren beiden Freunden auf dem Basketballfeld und riss dem Kopftuchträger die Zeitung aus der Hand, um sich selbst davon zu überzeugen. Und wie sie las, weitete sie ihre Augen. „Shit!“   Abby, die nur mit einem Ohr hingehört hatte, nahm die Karten aus der Mülltonne und führte sie zusammen. Seufzend dachte sie daran, dass Nick sich damit wohl endgültig von seiner alten Persönlichkeit getrennt hatte. Was bewegte ihn bloß dazu, solch gefährliche Pfade zu bestreiten? Bei der letzten Karte, die sie aufnahm, erschrak sie. Es war [Evilswarm Ouroboros], von dem sie eine unglaubliche, dunkle Präsenz ausgehen spürte. Panisch drehte sie sich zu Matt um, der in diesem Moment schrie: „Wir müssen sofort zurück! Alastair, Alector, die Kinder! D-die schreiben … die schreiben … aber das kann nicht sein! Sie würden doch nicht …“ „Nur eine Zahl von Opfern wird erwähnt, nicht wie viele davon Kinder und Erwachsene sind. Gasexplosion als Ursache. Hmm. Weißt du, wie viele ihr wart, als-“ Aber auf Zanthes leise Frage hin schüttelte Matt nur mit tränennassem Gesicht den Kopf. „Scheiße“, fluchte Anya leise, „wer hat das getan? 'kay, wir schnappen uns den nächsten Zug, jetzt sofort. Vielleicht gibt es Überlebende, vielleicht war Big Al ja gar nicht anwesend, als-“ „Halt den Mund, Anya“, fuhr Matt sie zornig an, „halt einfach den Mund!“   -~-~-   Tatsächlich hatte Nick sich nicht ans andere Ende der Welt teleportiert, sondern lediglich auf das Dach eines der Hochhäuser der Innenstadt. Von dort hatte man einen guten Blick auf den Basketballplatz, wenngleich Anya und ihre Freunde von dort aus nur kleine Punkte waren. Und, wenn Nick ehrlich war, waren sie für ihn sowieso nie etwas anderes gewesen. Er stand am Rand des Hochhauses und betrachtete die Gruppe. Neben ihn trat Alexandra heran, die wie immer ihren braunen Trenchcoat anhatte, obwohl es ein sonniger Tag war. In der Hand hielt die Blonde ein Fernglas, da Nick ihr ausdrücklich verboten hatte, in Anyas Nähe zu kommen – zu ihrem eigenen Wohl, angesichts der Deckklauaffäre.   „Ich hätte gedacht, dass du wütender sein würdest. Dass ausgerechnet Valerie Redfield dich besiegt“, sprach sie dabei und blickte ins Fernrohr. Beiläufig berichtete sie: „Oh! Ich glaube, du hast Matt Summers richtig aus der Bahn geworfen. Er ist gerade in die Knie gesackt.“ Nick lachte. „Du hast den Sinn des Ganzen nicht verstanden. Es ging nie darum, meine Stärke zu beweisen. Ich habe nur ein paar Dinge auf die Probe gestellt.“ Sie sah ihn an. „Lass mich raten: Deine neuen Fähigkeiten?“ „Unter anderem.“ „Und?“ Der große, zerzauste Mann schnalzte mit der Zunge. „Unterwältigend. Ich konnte nicht einmal alle drei täuschen, sondern nur Redfield. Damit brauche ich es gar nicht versuchen.“ Die selbsternannte Schatzjägerin sah ohne Fernglas das Gebäude hinab. „Das hätte ich dir gleich sagen können. Die Conqueror's Soul absorbiert schließlich nur einen Bruchteil der Kraft deiner Opfer. So, dass du ihre Fähigkeiten benutzen kannst. Aber nicht im vollen Ausmaß. Außerdem war Loyd eine Flasche, es gibt bessere.“ Nick sah sie aus den Augenwinkeln an. „Zum Beispiel?“ „Du kennst ihn bereits.“ Einen Moment lang überlegte er, dann kam die Erkenntnis. „Natürlich. Nigel McPherson. Aber auch das wird noch eine Weile warten müssen. Ich bin noch nicht bereit, mich mit jemandem seines Kalibers zu messen.“ Neckend stieß sie ihm ihren Ellbogen gegen den Arm. „Oh? Einsicht? Von dir? Habe ich dort unten etwas verpasst?“ „Zuerst muss ich stärker werden. Und mir ein Deck besorgen, das meinen Ansprüchen entspricht.“ Dabei packte er sie am Arm und zog sie vom Rand des Gebäudes weg, da sie jenem gefährlich nahe war. „Das ist eine Baustelle, derer ich mich in Kürze widmen werde.“   „Und die Baustelle da unten?“, fragte sie mit einem verspielten Tonfall. Als er nichts darauf antwortete, fügte sie verstimmt hinzu: „Ich verstehe dich nicht. Willst du sie loswerden oder nicht? Worum ging es dir bei diesem Streit?“ Es war regelrecht erstaunlich, dass er sich ihr diesbezüglich unvermittelt öffnete. „Ich wollte sehen, wie stark ihre Freundschaft mit Anya ist. Und wurde … nicht enttäuscht. Auch wenn ihnen die größte Prüfung jetzt noch bevor steht.“ Er lachte bitter auf. „Trotzdem habe ich keine Wahl, sie ist bei Ihnen im Moment sicherer als bei mir. Für eine Weile werde ich ihnen Anya also anvertrauen. Aber wir alle wissen, dass sie bei einer Konfrontation mit dem Sammler den Kürzeren ziehen werden. Selbst mit Summers geheimen Freund …“ „Solange du das nicht verhinderst, heißt es.“ „Ich werde es nicht verhindern“, widersprach Nick eisig. „Und ich kann dir wieder nicht folgen. Wieso willst du überhaupt tun, was der Sammler verlangt?“ Er schüttelte den Kopf. „Das wirst du noch früh genug verstehen. Ich werde Artefakte sammeln, aber nach meinen eigenen Regeln.“ Da sie daraus immer noch nicht schlau wurde, setzte die Blonde das Fernrohr wieder an und machte einen belustigten Ausruf. „Oha! Die Brünette mit der Brille wühlt doch tatsächlich in der Mülltonne herum, um dein Deck herauszuholen. Warte mal. Ich glaube, sie hat da was entdeckt, das da nicht hingehört. Sie … sie zeigt es den anderen. Summers sieht auf und … ballt eine Faust.“ Jetzt zeichnete sich ein kleines, böses Lächeln auf Nicks Lippen. „Sieht so aus, als hätte Abby [Evilswarm Ouroboros] gefunden. Soll sie sie ihm ruhig zurückgeben, ist ja ohnehin seine Karte.“ „Und was wirst du jetzt tun?“ Nick funkelte sie düster an, drehte sich dann um. „Meinen Horizont erweitern. Nicht wahr, Kyon?“   Jener Mann lehnte an das kleine Treppenhaus am anderen Ende des Dachs. Er trug immer noch seinen schwarzen Butleranzug und eine Sonnenbrille, die von seinem langen, schwarzen Haar umrahmt war. Er nickte. „Ich denke, ich habe eine Welt gefunden, die für den Anfang genügen sollte.“     Turn 98 – Nightmare Nach Nicks schrecklicher Offenbarung machen sich Anya, Matt und Zanthe auf den Weg nach San Augustino. Doch die Hoffnungen des Dämonenjägers werden zerschlagen, als er vor den Trümmern des Waisenhauses steht. In einem Anflug unbändigen Zorns stellt er sich gegen Anya, die er für alles verantwortlich macht. Und … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)