Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 107: Turn 98 - Nightmare -------------------------------- Turn 98 – Nightmare     Überall nur Getuschel und Leute in dunkelblauen Uniformen. Zoey stöhnte genervt, war das hier genau das Gegenteil von dem, was sie sich erhofft hatte. Aber man hatte ihr klar gemacht, dass die Zeit der 'Sonderbehandlung' jetzt vorbei war. Die Kantine der CLEAR-Organisation war erstaunlich groß und halbmondförmig angelegt, mit der Essensausgabe in der Mitte der Sichel. Fast alle der schräg zur Biegung stehenden Tische waren schon bis auf den letzten Platz besetzt. Dementsprechend stand das blonde Mädchen mit der Beanie etwas verloren mit dem Tablett in den Händen in der Mitte der unterirdischen Kantine, umgeben von lauter Schlümpfen. Viele der CLEAR-Mitarbeiter schienen sich nicht an den Uniformen mit dem Logo auf dem Rücken zu stören. Zoey schon, weshalb ihre in ihrem Spind versauerte. „Zoey! Hier!“, hörte sie in dem Moment jemanden zu ihrer Rechten rufen. Als sie sich in die Richtung drehte, sah sie sie schon winken. Diese nervige Perso-irgendwas, die an der Ecke eines der Tische neben dem Hünen Ares saß. Vor dem war tatsächlich noch ein Platz frei. „Kch.“ Besser als im Stehen zu essen, sagte sich die Blonde nur widerwillig und trotte zu dem Tisch herüber und quetschte sich auf die Bank. „Keine Sorge, das Essen hier ist gar nicht so schlecht“, plapperte die junge Frau mit dem schwarzen, gewellten Haar sofort drauf los, als Zoey noch dabei war, sich in die Lücke zu zwängen. Neben ihr an der Ecke saß ein brünetter Mann mit Dreitagebart, der still seine Tomatensuppe vor sich hin löffelte. „Beachte sie nicht“, sagte Ares, der regelrecht über sein Steak herfiel. „Ich versuch's“, knurrte Zoey und riss mit den Zähnen ein Stück Brot ab. „Da will man einmal nett sein“, maulte Persephone, „seit du hier bist, kriegt man dich kaum zu Gesicht.“ „Wenn ich nicht gerade irgendwo ausgebildet werde, vergammle ich in meinem Zimmer!“ „Also hat man dir noch keine Aufgabe übertragen?“, hakte der Mann links neben ihr nach. „Das ist Ruud“, stellte Ares diesen vor. „Und die hübsche Rothaarige hier ist Nell.“ Erst jetzt schenkte Zoey der Frau neben sich ein Minimum an Aufmerksamkeit. Als eine der wenigen trug sie keine Uniform, sondern ein knappes, graues Top, wodurch ihr bis zum Hals vollkommen tätowierter Körper zur Geltung kam. Ihr rotes Haar reichte ihr bis zum Kinn. Sie nickte Zoey kurz zu. „Schön dich kennenzulernen, Zoey“, sagte Ruud. „Nein, haben die nicht“, antwortete die grimmig auf seine voran gestellte Frage. „Bis das passiert, bin ich schon halb verrottet … tch.“ „So schnell geht das nicht“, quasselte Persephone, „erst musst du die Grundlagen beherrschen. Was wir tun, wie wir es tun und wofür.“ „Das ist mir alles Banane. Ich will nur meiner Cousine helfen, mehr nicht.“   Ares, dessen rechte Gesichtshälfte von einem Tribaltattoo geschmückt wurde, zog eine seiner dicken Augenbrauen an. „Hast du überhaupt eine Ahnung, was wir hier tun?“ „Nö. Dämonen verkloppen?“ Die anderen Vier tauschten verwirrte bis ziemlich genervte Blicke aus. Schließlich räusperte sich Persephone. „Also kann man davon ausgehen, dass du bisher komplett auf Durchzug gestellt hast?“ „Jep“, nickte Anyas Cousine stolz. „Dann hör' dieses Mal wenigstens zu.“ Die Schwarzhaarige piekte während ihrer Erklärung pausenlos in ihrem Essen. „CLEARs Hauptziel ist es, die Dämonenartigen auszulöschen. Vollständig. Um das zu erreichen, sammeln wir Äther.“ „Auf moralisch eigentlich nicht vertretbare Art und Weise“, fügte Ruud trocken an. „Ja, aber wen juck's, anders geht's nicht. Also, wie sammeln wir Äther? Indem wir arme, hach, unschuldige Bürger zu Duellen zwingen und einen Teil ihres Äthers absorbieren.“ Persephone kicherte böse. „Und wenn wir genug gesammelt haben, zünden wir unsere Anti-Dämon-Atombombe.“ Zoey blinzelte einmal. „Aha. Cool. Glaub ich. Wenn ich damit Levrier loswerde …“ „Wie gesagt, was wir tun ist alles andere als legal“, gab ihr Banknachbar ihr nochmals zu verstehen. „Was wären wir nur ohne dich, unseren Moralapostel? Find' dich damit ab. Es ist die einzige Möglichkeit. Dämonen können wir nicht angreifen, denn das wäre zu gefährlich für die Operation.“ Ruud lachte auf Persephones Hinweis hin. „Die Großen -werden- irgendwann bemerken, dass etwas vor sich geht. Ist nur die Frage, ob wir rechtzeitig fertig werden, bevor sie dahinter kommen, was wir vorhaben.“ „Ja, was auch immer“, gab sich Zoey aufrichtig desinteressiert und aß weiter. Persephone stellte resignierend fest: „Bei dir ist Hopfen und Malz verloren. Aber egal, solange du dich wenigstens halbwegs geschickt anstellst. Wir sind zwar noch in den Vorbereitungen, aber die Mehrzahl unserer Rekruten ist gelinde gesagt nicht mal als Kanonenfutter geeignet.“   Da Zoey langsam zu der Erkenntnis kam, dass sie der Unterhaltung nicht entkommen konnte, ohne am Ende doch im Stehen essen zu müssen, heuchelte sie gezwungenermaßen Interesse an ihren 'Kollegen' vor. „Und ihr? Was seid ihr für Typen?“ „Dämonenjäger. Hatte es satt“, brummte der Hüne mit dem kurz rasierten, schwarzen Haar. „Und ich bin seit ein paar Jahren sein Partner“, erklärte Ruud geknickt. „Es war bitter zu erkennen, dass unser Tun sinnlos war. Die Unterwelt ist überall. Eines Tages wird sie sich den Menschen zeigen, wenn sie stark genug ist. Um das zu verhindern sind wir hier.“ Dagegen giggelte Persephone: „Ich will Spaß haben! Außerdem bin ich die Tochter eines wichtigen Politikers, der uns unterstützt, also-“ „Yeah. Merkt man“, murrte Zoey dazwischen und sah die rothaarige Nell an. „Und du?“ „Nell ist stumm“, antwortete Ruud für sie. Jene lächelte und nickte, besonders als Zoey ein leises 'cool' murmelte. „Aber auf sie kann man zählen.“ „Und ihr macht das schon wie lange?“ „Ein halbes Jahr, vielleicht etwas länger“, antwortete Ares. „Wir haben die ersten Prototypen getestet, zu dem Zeitpunkt hauptsächlich an kleinen, unbedeutenden Dämonen. Gerade so in dem Maß, dass es nicht auffiel wenn einer von ihnen verschwand. Allerdings gab es Probleme mit der Technik.“ Ruud fügte an: „Und es wurde zu gefährlich, da wir die Aufmerksamkeit der Großen nicht auf uns ziehen wollten. Allen voran die des Sammlers und der Weißen Hexe. Die Undying haben sogar schon an unsere Haustür geklopft.“ „Ging es da nicht um etwas anderes?“, wunderte sich Persephone. „Aber neugierig sollen sie schon gewesen sein, wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf.“ Ares brummte. „Mhm. Mr. Densmore, der Vorsitzende und unser Anführer, konnte sie jedoch davon überzeugen, dass wir ein Pharmaunternehmen sind. Und …“   Für Zoey war das alles nur Blabla, ihre Gedanken drifteten langsam ab. Sie stützte einen Ellbogen auf dem Tisch ab und legte ihr Gesicht auf der Handfläche ab. Dabei fiel ihr ein junger Mann auf, der wie sie eben ziemlich verloren in der Mitte der Kantine stand und nach einem Sitzplatz suchte. Sein hellblondes Haar war an den Seiten kurz geschoren, dafür hing ihm der Pony ins Gesicht. Auch er steckte in einer blauen Uniform. Zoey erinnerte sich. Das war doch das Großmaul von neulich, bei dieser Einführungspräsentation.   Der Raum war dunkel und nicht besonders groß. In mehreren Reihen standen einfache Klappstühle aufgestellt, zwischen denen sich in der Mitte ein Gang befand. Nur wenige von ihnen waren besetzt. Zoey ächzte, hatte sie wirklich keine Lust auf solchen Quatsch. Aber sie war von der Chefin dieses Ladens dazu verdonnert worden, da gab es keine Diskussionen. Also nahm sie auf einem Stuhl in der letzten Reihe Platz und richtete, wie alle anderen, ihre Aufmerksamkeit auf die weiße Tafel am Ende, auf welche eine Präsentation projiziert wurde. Derzeit war dort nur das Logo von CLEAR zu sehen: vier ineinander liegende, hellblaue Halbkreise unterschiedlicher Ausrichtungen und in der Mitte C.L.E.A.R. in schwarzen Lettern.   Da schritt sie auch schon zwischen den Stühlen den Gang entlang. Ein dunkelhäutiges Mädchen mit Dreadlocks, die anders als andere hier keine blaue, sondern eine schwarze Uniform trug. Als sie sich vor der Tafel aufstellte, konnte man ihr ihren Unmut ansehen. Die vollen Lippen waren zusammengepresst, als hätte sie auf eine Zitrone gebissen. „Na klasse“, murrte Zoey genervt. Ob man Wetten abgeben konnte, wer hier als Erster einschlafen würde? „Mein Name ist Edna Caines“, stellte jene sich schließlich vor, „und ihr seid heute hier, um die Grundlagen unserer Organisation kennenzulernen.“ Zoeys Gedanken begannen bereits abzudriften. „… Dämonenplage. Wenn wir nichts unternehmen, wird die Menschheit in einigen Jahren fallen. Dazu …“ Wie langweilig. War das hier ein B-Movie? Ernsthaft, sie wollte endlich die Sache mit Anya klären und sich keine ellenlangen Vorträge über diesen Mist anhören. „… subterrane Anlage. Nach außen hin fungieren wir als Pharmaunternehmen. Fragt man euch, seid ihr Probanden für diverse Behandlungen. Welche das sind, erfahrt ihr noch.“ „Also Testsubjekte?“, machte ein Kerl aus der ersten Reihe und lachte höhnisch. „Das wird ja immer besser.“ Diese Edna sah den Kerl, irgendeinen Blonden, der in einem feinen Anzug steckte, aus den Augenwinkeln scharf an, ignorierte ihn aber. Zumindest war dadurch Zoeys Interesse jetzt minimal geweckt. „Die Grundstruktur unserer Organisation sieht wie folgt aus“, erklärte sie tonlos und drückte einen Knopf auf der Fernbedienung in ihrer Hand, wodurch das Bild der Präsentation umschwenkte. „Sie ist in vier Hauptdivisionen eingeteilt: Ausbildung, Aufklärung, IT und Verwaltung.“ Jene vier Begriffe tauchten nebeneinander am oberen Ende auf. Unter ihnen erschienen Namen. „Dabei steht jeder der Divisionen ein Direktor vor: Gregory Haigh für Ausbildung, Cassandra Wrythe für Aufklärung, Zyxx für die IT-“ „Was für ein Name ist das denn?“, fragte derselbe, vorlaute Typ und prustete los. Auch Zoey musste böse kichern. „-und Kathea Musgrave ist Vorsitzende der Verwaltung und Finanzen.“ Edna fuhr ungerührt von dem Gekicher der insgesamt fünf anwesenden Neulinge fort. „Diese vier bilden den Inner Circle, den Rat, der unsere Organisation steuert. Und sie unterstehen dem Vorsitzenden Seraphix, welcher das Unternehmen nach außen hin als CEO Roger Densmore vertritt.“   Dann begann sie die Aufgaben der einzelnen Divisionen zu erklären. Zoey schlief dabei fast ein, wurde nur aufmerksam, als es um die Aufklärung ging. „Zunächst werdet ihr ausgebildet. Das dauert je nach Rekrut mehrere Wochen, doch wir haben nicht mehr viel Zeit, da die Operation schon bald beginnt. Solltet ihr eure Abschlusstests bestehen, werdet ihr an Feldeinsätzen teilnehmen. Näheres dazu erfahrt ihr später.“ „Wir hauen auf die Kacke!“, freue sich der Blonde. „Wer sein Können unter Beweis gestellt hat, wird einer Bezeichnung zugewiesen. Der Rest bekommt entweder andere Aufgaben oder muss die Organisation verlassen.“ Zoey hoffte inständig, dass sie bald damit anfangen konnte. Sie wollte nicht mehr Zeit in diesem Miefloch verbringen als unbedingt nötig. „Werden wir Leute umbringen?“, fragte der Typ in der ersten Reihe schließlich. „Nein. Unser Ziel sind Dämonen, keine Zivilisten, auch wenn unsere Taten zunächst eine andere Sprache sprechen werden“, erwiderte Edna sichtlich genervt. „Schade.“ „Yeah“, machte Zoey provokativ mit. Da drehte der Typ sich zu ihr um und die beiden grinsten sich an.   „Hey! Hier ist noch'n Platz frei!“, rief Zoey demselben, jungen Mann schließlich zu und deutete auf eine inzwischen frei gewordene Stelle neben Ares. Als er sie bemerkte, trottete er erleichtert zu ihrem Tisch herüber und nahm Platz. „Wer hätte gedacht, dass es hier doch so viele Menschen gibt“, redete er drauf los. Er sah Zoey an und weitete die Augen. „Warte, du bist doch die von neulich. Bei der Präsentation. Die, die am Ende eingeschlafen ist.“ „Yeah“, machte die stolz. „Zoey. Und du bist?“ „Jack. Jack Leonhard jr., zu deinen Diensten.“   ~-~-~   Alles war so schnell gegangen. Nicks Worte und seine Offenbarung hatten eingeschlagen wie eine Bombe. Matt war losgestürmt und begann sofort, seine Sachen zu packen. Nur mit Mühe und Not konnten Anya und Zanthe ihn davon überzeugen, überhaupt mitkommen zu dürfen. Anya auch nur deshalb, weil sie unter sichtlichem Zwang die finanziellen Mittel für die Reise stellte. Am Morgen nach der Begegnung mit Anyas Sandkastenfreund waren sie bereits zu dritt unterwegs Richtung San Augustino. Kaum ein Wort hatten sie seitdem gewechselt.   Im Zug saßen Anya, die zur Abwechslung in einer schwarzen Totenkopf-Jeansjacke steckte, und Zanthe dem Dämonenjäger gegenüber, der stur aus dem Fenster starrte und sie keines Blickes würdigte. Dunkle Augenringe zeugten von seiner schlaflosen Nacht. Es würde noch ein paar Stunden dauern, ehe sie ankamen. „Summers-“, begann Anya vorsichtig. Und wurde sofort angefahren: „Sag nichts, Anya. Bitte.“ Nicht weniger betroffen sah Zanthe den Freund an. „Hör mal, noch ist doch gar nicht klar-“ „Bitte!“, knurrte der Schwarzhaarige jedoch nur gereizt. Es war nur allzu offensichtlich, dass er ihr zumindest eine Mitschuld an der Tragödie gab. Und Anya musste ihm zugestehen, dass sie genauso fühlte. Sie hatte ihn mitgenommen, von dem Waisenhaus weggeholt. Doch konnte man das so stehen lassen? Matt war einen Handel mit dem Sammler eingegangen, um das Leben seiner Freundin Tara Hartwell zu retten. Dieser verlangte von ihm, Anya bei ihrer Mission, die sieben Hüterartefakte zu beschaffen, zu unterstützen. Aber Tara war erst durch den Sammler in diesen ganzen Eden-Konflikt von vor einem Jahr hineingezogen worden. Also war im Grunde der Sammler die Ursache für alles. Die Frage war nur, was dort in San Augustino wirklich passiert war? Und wieso man die Kinder, Erzieherinnen, Big Al und Alector noch nicht gefunden hatte. Wenn Anya so darüber nachdachte, wollte sie die Antwort dazu gar nicht wissen. Sie hatte ein sehr schlechtes Gefühl bei der Sache. Und sie mochte sich nicht mal annähernd vorstellen, wie Matt reagierte, wenn sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten. Plötzlich erhob sich Matt. „Entschuldigt mich …“ Prompt verließ er das Abteil beinahe fluchtartig. Anya und Zanthe sahen sich kurz an und schwiegen dann für den Rest der Fahrt, auch als Matt noch blasser als zuvor zurückkehrte.   Die Fahrt zog sich lang wie ein Kaugummi. Und als sie endlich den Bahnhof von San Augustino erreichten, wurde alles nur noch schlimmer. Matt begann sofort damit, die wenigen Fahrgäste, die auf den Zug gewartet hatten, nach dem Waisenhaus auszufragen. Kaum einer von ihnen wusste überhaupt, dass es so eines gab, geschweige denn was damit geschehen war. Also zog es sie via Taxi in die Ortschaft. Sie war noch genau so, wie Anya sie in Erinnerung gehabt hatte. Grau, öde, menschenleer. Selbst Matt kannte nur wenige Einwohner überhaupt beim Namen und es war unmöglich, überhaupt mit ihm zu sprechen. Schließlich erreichten sie zu Fuß seine alte Arbeitsstelle, den einzigen Supermarkt der Stadt.   Matt steuerte sofort von der Tür aus auf die Kassiererin zu, die einen Kaugummi kaute und mit dem langen, roten Fingernagel vor seinen Augen lang zog. Anya gab ihr eine mittelgute Note für ihr Auftreten, aber auch nur deshalb, weil sie derart gelangweilt dreinschaute, als würde sie jeden Moment einschlafen. Der Laden war hell, mit wenigen, ordentlich sortierten Regalen zu ihrer Rechten bespickt – und leer. „Entschuldigen Sie“, sprach er das dunkelhäutige Mädchen an. Anscheinend kannte er es nicht. „Vor ein paar Wochen ist ein Waisenhaus in der Nähe eingestürzt. Wissen Sie etwas darüber.“ „Uh-huh“, kam es monoton. Anya stellte sich neben Matt. „Und was?“ „Gasexplosion.“ „Noch mehr?“ Dem Schwarzhaarigen fiel es schwer, sich zu beherrschen. Aus den Augenwinkeln bemerkte Anya die Faust, die er ballte. „Die Kinder, was wurde aus ihnen?“ „Na die sind tot“, kam es gefühllos von der Kassiererin. Zanthe drängte sich zwischen die anderen beiden und lächelte das Mädchen freundlich an. „Ein älterer Herr sagte nur, man habe keine Leichen gefunden. Und so stand es auch in den Zeitungen.“ „Ach so, ja.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Die sind trotzdem tot. Sonst wären sie doch längst aufgetaucht. Arme Dinger.“ Matt knirschte mit den Zähnen. „Sie sehen nicht so aus, als würde sie das sonderlich interessieren.“ „Hey, man, ist doch nicht meine Schuld, was da passiert ist! Außerdem ist jeder-“ „Schönen Tag!“, fuhr der Dämonenjäger sie mit dem letzten Rest Geduld an und stürmte aus dem Laden wie ein Wirbelsturm. Anya und Zanthe folgten ihm, doch nicht, bevor Erstere vor den Augen der Verkäuferin noch eine kleine Packung Kaugummis mitgehen ließ. Und was geschah? Gar nichts. Was Anya frustriert dazu brachte, das Diebesgut in die nächste Mülltonne zu pfeffern.   Ziellos eilte Matt über den schlecht gepflasterten Fußgängerweg. „Warte mal“, rief Zanthe ihm nach. „Ich muss es sehen. Mit eigenen Augen!“, entschied der Schwarzhaarige da. Er wirbelte zu seinen Freunden um und blieb stehen. „Wieso interessiert es offenbar keinen, was mit den Kindern ist!?“ „Na ja, -dass- etwas passiert ist, wussten ja ein paar“, meinte Anya vorsichtig. „Aber niemand schert sich! Hat überhaupt jemand nach ihnen gesucht!?“ Anya zuckte mit den Schultern. „Vielleicht die Polizei?“ „Ja, fragen wir die! Fragen wir die ganzen zwei oder drei Polizisten im Ort!“, überschlug sich Matt außer sich. „Gasexplosion! Du hast es gehört! Damit war die Sache für die erledigt!“ Der Werwolf schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Die sind dazu verpflichtet, der Sache nachzugehen. Und ein eingestürztes Wohnhaus ohne eine einzige Leiche, obwohl dort zig dutzende von Kindern gelebt haben, da hätte eine Untersuchung stattfinden müssen.“ „Es sei denn“, überlegte Anya. Und sie wagte es nicht, den Gedanken auszusprechen. Stattdessen schwenkte sie schnell um. „Yeah, lasst uns dort hingehen. Vielleicht … finden wir ja etwas heraus?“ „Meinst du, du kannst das?“, fragte Zanthe skeptisch. Matt funkelte beide böse an, nickte aber schließlich.   ~-~-~   Es eine Ruine zu nennen wäre noch eine Untertreibung gewesen. Das einst dreistöckige Waisenhaus war platt, als wäre ein Riese hineingetreten. Teile des Daches und der Außenverkleidung lagen noch mehrere Meter weit in alle Himmelsrichtungen verstreut. Niemand hatte sich die Mühe gemacht aufzuräumen. Das Gebäude war so stark eingestürzt, dass von den oberen Stockwerken nichts mehr zu sehen war. Nichts, aber auch gar nichts deutete darauf hin, dass überhaupt nach Überlebenden gesucht worden war. Einzig ein lieblos um das Gelände herum gestellter Zaun mit Hinweis, dass das Betreten verboten sei, zeugte überhaupt davon, dass Polizei und Feuerwehr hier gewesen waren. Matt stand vor ebendiesem Zaun und starrte das Waisenhaus mit offenem Mund an. Stille Tränen rannen seine Wangen hinab. Keiner sagte etwas. Dann trat er den Zaun um und stampfte über ihn hinweg. Anya und Zanthe tauschten betroffene Blicke aus, folgten ihm schließlich. „Alles fort“, flüsterte der Schwarzhaarige erstickt. Er sah sich um. Nur Trümmer, Staub, zersplittertes Glas, „alles. Jeder … die Kinder …“   Er drehte sich nach links. Selbst der Geräteschuppen, in dem Alastair seine Sachen verstaut hatte, war nicht verschont geblieben. „Wo seid ihr bloß“, hauchte Matt fassungslos und schluckte schwer, „ja … ich … glaube, ich spüre es auch. Energiereste … Tod …“ Langsamen Schrittes näherte er sich dem Geräteschuppen, oder besser gesagt, was noch von diesem übrig war. Und dies war nicht besonders viel. Bis auf ein paar abgebrochene Stützpfeiler und ein paar Bretter war alles fort. Der Großteil der Trümmer war auch hier einfach liegen gelassen worden. „Hier … haben wir-“, stockte Matt und ihm versagte dabei die Stimme. Anya hinter ihm sah betroffen zur Seite. Ganz egal was sie jetzt sagen würde, es wäre unangemessen, falsch. Plötzlich nahm Matt einen schnellen Schritt nach vorn und kniete nieder. Über seine Schulter beobachtete sie, wie er ein Brett wegschob und etwas darunter hervorholte. „… er hat gekämpft“, sprach Matt mit erstickter Stimme. Die Karte, die er in der Hand hielt, war [Vylon Disigma]. Unten am Boden lagen weitere. „Vielleicht sollten wir mal bei den Fords durchklingeln und fragen, gegen wen er sich duelliert hat“, schlug Zanthe vorsichtig vor. „Na die Polizei wird es jedenfalls nicht gemacht haben“, murmelte Anya, „die haben gar nichts gemacht. Das ist kein Zufall.“ „Du meinst, jemand hat das hier alles vertuscht?“ Zanthe fasste sich nachdenklich ans Kinn. „Den Gedanken hatte ich auch schon. Die Fords hätten uns informiert, wenn ein Duell so große Zerstörung angerichtet hätte. So etwas kann die Solid Vision-Technologie nicht.“ Matt lachte finster. „Schön, dass wir uns alle einig sind. Fakt ist: Niemand hat etwas getan. Weder die Polizei, noch der Bürgermeister, noch sonst verdammt nochmal irgendjemand!“ In dem Moment brach Anya ihr Schweigen. „Aus welchem Grund?“ Aus den Augenwinkeln sah der Dämonenjäger sie auf eine Weise an, die selbst einer Anya Bauer einen kalten Schauder über den Rücken jagte. „Weil jemand sie zum Schweigen gebracht haben wird.“ „Wartet mal kurz!“ Zanthe drehte sich von ihnen weg und reckte die Nase in die Höhe. „Irgendwas riecht hier sehr vertraut.“ Die Blonde schlug ihm mit der Hand prompt auf den Hinterkopf. „Idiot, das ist nicht der Zeitpunkt-!“ „Anya!“, wirbelte der Werwolf sauer herum. „Das ist kein Witz! Ich kenne diesen Geruch und mein Gefühl sagt mir, dass er nichts Gutes bedeutet!“ „Willst du uns auch verraten, was du da erschnüffelst, Flohpelz!?“ Anstatt die Frage aber zu beantworten, hechtete der Kopftuchträger Richtung Wald los. Dabei drehte er sich zu den beiden um. „Ich seh‘ mir das mal an, bin gleich zurück!“ „Warte!“, rief Anya ihm hinterher, da war er schon über den Zaun gesprungen und im an das Gelände angrenzende Waldstück verschwunden. „Lass ihn“, meinte Matt hinter ihr düster. Eine Weile starrte Anya nur in den Wald hinein, in der Hoffnung, dass Zanthe gleich wieder zurückkehren würde. Doch es war unmöglich zu erahnen, wie weit die Quelle seiner Witterung überhaupt von hier entfernt lag. Mit Unbehagen drehte sie sich schließlich zu Matt um, der sie die ganze Zeit über angestarrt hatte. „Also“, begann sie zögerlich, „du sagtest, die Polizei wurde zum Schweigen gebracht? Von wem?“ „Kannst du dir das nicht denken?“ Da war es wieder, dieses klamme Gefühl im Magen. Anya schluckte. „Dann sag ich es dir“, zischte Matt hasserfüllt und ging dabei auf sie zu, „du hast sie direkt vor unsere Haustür geführt.“ Das Mädchen tat etwas, das sie sonst nie getan hatte. Sie wich zurück. „Wen?“ Sie sah in seine Augen, die gefährlich funkelten. Man konnte sagen, dass dieser Mann kaum etwas mit dem Matthew Summers gemein hatte, den sie einst kennengelernt hatte. Ein bitterböser Ausdruck zeichnete sein Gesicht. „Deine neuen Verbündeten, die Undying!“ „W-was!? Die sollen-!?“ „Nicht die. Er. Stoltz!“ Anya weitete die Augen. Hier im Wald waren sie das erste Mal auf die Undying in Form von der irren Mumie getroffen, nachdem Matt den Hüter Drazen besiegt und ihm das Artefakt abgenommen hatte. Damals sind sie und Zanthe mit Matt im Schlepptau abgereist, damit das Waisenhaus nicht zum Ziel eines Angriffes wird. Und genau das soll geschehen sein? Hatte diese irre Mördermumie sich auf die Kinder, Alector und Big Al gestürzt, obwohl sie nichts mit alldem zu tun hatten!? Angst. Ein Gefühl, dass Anya so nur sehr selten in ihrem Leben verspürt hatte. Keine Todesangst, keine Furcht um ihretwillen. Sie hatte Angst um Matt. „Summers-“ „Sag. Nichts.“ Was das Mädchen zumindest versuchte. Erfolglos. „H-hör mal-“ Erneut schnitt er ihr ins Wort, leise und bestimmt. „Ich wusste von Anfang an, dass es ein Fehler sein würde. Schon als der Sammler mich praktisch dazu gezwungen hat, dir zu helfen. Ich wusste es, als dieser Mann vor meinen Augen zu Staub zerfiel. Und erst recht, als Stoltz aufgetaucht ist.“ Anya wich immer weiter Richtung Wald zurück. Er blieb jedoch stehen. „Trotzdem habe ich still daran festgehalten, dass es besser wäre, mit dir zu gehen, damit das Waisenhaus nicht zur Zielscheibe wird.“ Er schloss kalt. „Das war ein Fehler.“ Unbeholfen erwiderte Anya: „Ich wollte nicht, dass das passiert!“ „Und trotzdem ist es passiert. Du bist schuld.“ Er ballte eine Faust. „Du bist an allem schuld. Einfach allem!“ „Summers, i-ich“, stammelte das Mädchen und wollte einen Schritt auf ihn zunehmen, doch er schwang den Arm aus. „Genug!“ Und Anya wurde von einer Druckwelle meterweit weggeschleudert, prallte gegen den Zaun und riss diesen um. Sie rollte sich zurück, um sich dann abzufedern und kniend auf den Füßen zu landen – und das in erstaunlich hoher Geschwindigkeit. „W-was!?“ Wie hatte sie das gemacht? Wie hatte -er- das gemacht!? Mit dem Wald im Nacken erhob sie sich. „Summers, bitte! Beruhig' dich, verdammt nochmal!“ „Was weißt du schon!?“, fuhr er sie an. „Sie sind alle … alle fort! Alle! Wie soll ich damit … ich bin …“ Seine zusammenhangslosen Satzbrocken erschütterten sie zutiefst. Matt hielt sich die Hände vor die Augen, dann riss er sie jedoch wieder weg. Sie waren weit geöffnet, strahlten puren Hass aus. „Alastair hatte von Anfang an Recht, was dich angeht. Vom ersten Tag an hast du uns nur in Schwierigkeiten gebracht, ohne je einen Gedanken an das Wohl anderer zu verschwenden. Das hat sich bis heute nicht geändert!“ Anya schluckte schwer, aber er ließ ihr gar nicht erst die Chance, sich zu verteidigen. „Du hast Marc Butcher getötet. Du hast mich dazu missbraucht, diesen Mann, Drazen, zu töten. Und jetzt -das-!“ Er breitete die Arme weit aus. Langsam bildete sich eine dünne, schwarze Aura um ihn. „Du hast mir alles genommen, Anya!“ „N-nein!“ „Doch! Du warst es!“, überschlug er sich immer mehr in seiner Wut. „Aber ich wollte nie wahrhaben, was für einen Einfluss du auf mich hast!“ Anya hörte zwar seine Worte, doch sie beschäftigen sie nicht halb so sehr wie die sich immer weiter ausbreitende Aura um den jungen Mann, der vor dem zerstörten Waisenhaus stand. Irgendetwas stimme nicht mit ihm! „Summers, schalt' 'nen Gang runter!“, befahl sie harsch. „Du-!“ „Selbst als ich diesen Artikel gelesen habe, wollte ich es nicht wahrhaben. Aber Alastair hatte Recht. Und -er- auch!“ Matt ballte beide Fäuste zusammen. Er sah sie verachtend an. „Du bist gefährlich. Zu gefährlich, um-!“ Anya spürte einen Stich in ihrem Herz. „Was sagst du da?“ Langsam erhob Matt den Arm, an welchem sein D-Pad hing. Er wurde mit einem Mal ganz ruhig, eisig. „Ich kann dich nicht leben lassen, Anya. Auch wenn du nur die Marionette des Sammlers bist und vielleicht ungewollt in alles hineingezogen wurdest, kann nichts die Dinge ungeschehen machen, die du getan hast. Um zu überleben.“ „Mit dem Sammler bin ich durch!“ „Aber er nicht mit dir“, erwiderte Matt und schloss die Augen, „außerdem … alles was ich im Moment will … ist Rache!“ Er riss die Lider weit auf. „Stell dich mir! Übernimm Verantwortung für deine Verbrechen!“ „S-Summers!“ Anya wollte das nicht. Sie konnte doch nicht mit ihm in diesem Zustand kämpfen! Er war völlig durcheinander, aufgelöst, verständlicherweise. Selbst sie wusste, nicht zuletzt aus eigener Erfahrung, dass man in solchen Situationen nicht mehr klar denken konnte. Und Sachen, die man sagte oder tat, am Ende nur bereuen würde. Und das alles hatte er nicht verdient. Wieso immer er? Anya schluckte schwer. Sie wollte die Herausforderung nicht annehmen. Aber sie musste. Es war das einzig Richtige. Nein! War es nicht! Wie konnte sie das denken, fühlen!?   „Irgendetwas stimmt nicht mit ihm“, sprach sie leise und hob ihren eigenen Arm mit der neuen, schwarzen Duel Disk daran, „und damit meine ich nicht was er sagt, sondern-“   Ich verstehe schon. Es ist dieselbe dunkle Kraft, die ihn schon damals während des Urila-Vorfalls beinahe in den Abgrund gerissen hatte.   Zumindest war sie dank Levrier nicht allein. Auch wenn ihr nicht gefiel, was er sagte: „Aber Urila ist tot!“   Womöglich steckt ihre Energie noch in ihm. Überreste? Vielleicht sogar ihr Wahnsinn. Oder … etwas zum Verwechseln Ähnliches.   „Hoffentlich nicht.“ Anya nickte ihrem Freund zu. Ihr kam eine Idee. „Ich stelle mich deiner Herausforderung. Ich renne vor gar nichts davon, damit du das weißt!“ Matt grinste finster. „Du wirst dir noch wünschen, du könntest es.“ Davon ging sie auch aus. Aber sie musste jetzt ertragen, was er ihr entgegen warf – egal ob es starke Monster oder verletzende, vielleicht sogar wahre Worte waren. Er musste sich abreagieren. An ihr. Es war okay. Wenn er danach wenigstens etwas klarer in der Birne wurde … „Ich werde dich töten, Anya! Duell!“   [Anya: 4000LP / Matt: 4000LP]   „Summers, hör auf so'nen Quatsch zu sagen!“, rief die aufgebracht. Aber ihr Freund war taub für ihr Flehen und riss in einer einzigen Bewegung fünf Karten von seinem Deck. „Ich beginne!“ Es bedarf nur eines kurzen Blickes in sein Blatt, ehe er voller Ehrgeiz verkündete: „Ich beschwöre [Evilswarm Castor]! Durch seinen Effekt kann ich einen weiteren Schwärmer als Normalbeschwörung rufen, [Evilswarm Zahak]!“ Vor ihm materialisierte sich ein Krieger mit halb weiß-grauer, halb schwarzer Körperhälfte, welcher einen zerschlissenen Umhang trug und mit einem Schwert bewaffnet war, das zwei parallel beieinander verlaufende Klingen besaß. Jenes schwang er zur Seite aus und erschuf im Boden einen Runenzirkel, aus dem ein pechschwarzer, dreiköpfiger Drache auftauchte, an deren Häupter scharfe Klingen befestigt waren. Evilswarm Castor [ATK/1750 DEF/550 (4)] Evilswarm Zahak [ATK/1850 DEF/850 (4)]   Matt streckte seinen Arm nach vorne aus. „Und jetzt erschaffe ich das Overlay Network!“ Vor ihm öffnete sich ein Schwarzes Loch, das die beiden Monster als violette Lichtstrahlen absorbierte. Anya zischte verächtlich. „Aus meinen beiden Stufe 4-Schwärmern wird eine Rang 4-Bestie! Xyz Summon!“ Der Sog ging in einer mächtigen Explosion auf, aus der ein imposanter Drache stieg, dessen Schwingen fast völlig aus Eis bestanden, ebenso wie die Spitze in seinem langen Schweif. „Erhebe dich, [Evilswarm Ophion]!“, verkündete Matt düster seinen Namen. Zwei Lichtsphären umkreisten das Ungetüm, das sich vor ihm platzierte und die Flügel spreizte.   Evilswarm Ophion [ATK/2550 DEF/1550 {4} OLU: 2]   Sofort im Anschluss griff Matt unter die Karte auf seinem D-Pad und riss ein Xyz-Material von ihr vor. „Ich aktiviere Ophions Effekt! Expand Infection!“ Eine der Sphären schnappend und hinunterschluckend, spreizte der Drache seine Schwingen erneut aus und ließ sie schwarze Wellen ausstrahlen. Der Dämonenjäger erklärte: „Mit diesem Effekt erhalte ich eine Infestation-Karte von meinem Deck! [Infestation Pandemic]!“ Jener Schnellzauber schoss unmittelbar aus seinem Deck, wurde von Matt gezogen und zusammen mit einer anderen Karte verdeckt ausgespielt. Die beiden Karten materialisierten sich zu seinen Füßen mit nach oben zeigendem Kartenrücken. „Dein Zug!“   „Draw!“, murrte Anya und riss schwungvoll eine Karte von ihrem Deck. Mit beherrschter Stimme sprach sie weiter: „Summers, du darfst-!“ „Halt den Mund, Anya!“ „Das hier ist scheiße!“ „Es ist, was ich längst hätte tun sollen!“ Der junge Mann weitete die Augen so sehr, dass rote Äderchen sichtbar worden. „Ich bekämpfe die Wurzel all unserer Probleme! Wo immer du hintrittst, zerstörst du die Leben anderer!“ Anya stand vor Sprachlosigkeit der Mund offen. War das sein Ernst!? „Sei es meins, Alastairs oder sogar Valeries. Gäbe es dich nicht, wären wir alle glücklich.“ Ihm versagte dabei die Stimme. „Stattdessen … stattdessen …“ Getroffen sah das Mädchen zur Seite. So gerne sie widersprechen wollte, konnte sie das nicht abstreiten. Verdammt, sie hatte doch auch nicht gewollt, dass so etwas passiert! Aber das war es und nichts konnte es jetzt noch ungeschehen machen. Umso mehr durften sie sich jetzt nicht bekriegen, das würde alles nur noch schlimmer machen. Sie musste dieses dämliche Duell schnellstmöglich beenden!   Äußerlich die Taffe spielend, zeigte sie eine Zauberkarte vor, während Matt schluchzend den Kopf hängen ließ. „Ich aktiviere [Absorb Fusion], um eine Gem-Knight-Karte von meinem Deck zu erhalten!“ Mit Tränen in den Augen sah der Schwarzhaarige auf. „Wenn du fusionieren willst, kannst du diesen Gedanken sofort verwerfen! Solange Ophion noch eine Overlay Unit hat, kannst du keine Monster der Stufe 5 oder höher spezialbeschwören.“ „Kch! Lässt wohl nichts anbrennen, was?“ Als hätte der Drache das gehört, stieß er einen bedrohlichen Schrei aus. Levrier manifestierte sich neben Anya.   Das stellt uns vor ein Problem. Aber keines, das sich nicht lösen lässt.   Seine Partnerin sah ihn von der Seite an. Beide tauschten einen zuversichtlichen Blick aus und nickten einander zu. Dann wandte sich Anya an Matt. „Mit [Absorb Fusion] könnte ich im Anschluss sogar fusionieren, aber das geht dann wohl nicht mehr. Das Monster, das ich mir aussuche, ist [Gem-Knight Turquoise]!“ Von Anyas Duel Disk ging ein tiefes Surren aus, ihre Konturen begannen schwarz aufzuflimmern. Edelsteine traten aus dem Nichts um sie herum hervor und wurden in den Apparat gezogen, der die gewünschte Karte auswarf. Anya nahm jene in ihr Blatt auf. „Und da ich von [Absorb Fusion] nicht genug bekommen kann, aktiviere ich [Magical Stone Excavation]!“ Noch ein Zauber stellte sich vor dem Mädchen auf und zeigte einen Kristall, der in fliederfarbenem Licht aufleuchtete. „Zum Preis zweier Handkarten bekomme ich einen Zauber aus meinem Friedhof zurück!“ Jene beiden wurden in den Friedhofsschlitz geschoben, aus dem gleichzeitig der eben erst benutzte Zauber austrat. Und von dort holte sich Anya auch die eben erst abgeworfenen Karten zurück. „Tja, was ich entsorgt habe waren [Gem-Knight Garnet] und [Gem-Knight Fusion]! Ersteren verbanne ich jetzt, um mir die Fusion zurückzuholen!“ Matt schien sie gar nicht zu beachten, hielt den Kopf wieder gesenkt. Es fiel Anya schwer, ihn überhaupt anzusehen. Aber sie musste das jetzt durchziehen, damit er nicht auf noch mehr dumme Gedanken kam. Falls das überhaupt Sinn ergab. „Du weißt, dass ich nicht nur Fusionen spiele, Summers! Ich rufe [Gem-Knight Turquiose] und benutze sofort seinen Effekt!“ Vor ihr tauchte ein in türkisfarbener Rüstung steckender Ritter auf, der einen mächtigen Großbogen mit sich führte.   Gem-Knight Turquiose [ATK/1400 DEF/2000 (4)]   In jenen spannte er einen Pfeil ein, den er gen Himmel richtete. „Ich werfe [Gem-Knight Fusion] ab, um einen verbannten Gem-Knight zurück aufs Feld zu bringen! Komm hervor, Garnet!“ Turquiose schoss den Pfeil in die Luft. Weit über ihnen zerplatzte er und öffnete einen Dimensionsriss, aus dem ein Ritter in bronzener Rüstung fiel. Jener landete mit einem dumpfen Knall auf den Knien vor Anya und entzündete mit seinen brennenden Handschuhen die Erde unter seinen Füßen.   Gem-Knight Garnet [ATK/1900 DEF/0 (4)]   „Ich habe jemanden, der mit deinem Drachen den Boden aufwischen wird“, raunte Anya mit Seitenblick auf Levrier, bevor sie den Arm ausschwang. „Ich erschaffe das Overlay Network! Aus meinen beiden Stufe 4-Monstern wird ein Rang 4-Monster!“ Nun öffnete sich das Schwarze Loch vor ihr und zog die beiden Ritter in sich, welche sich in braune Lichtstrahlen verwandelten, die wirbelnd ins Zentrum gezogen wurden. „Zeig ihm, aus welchem Holz du geschnitzt bist, Levrier! Xyz Summon!“ Wie bei Matt erfolgte eine Explosion im Wirbel. Levriers durchsichtige Gestalt verschwand und stieg aus dem Überlagerungsnetzwerk empor. Der weiße Ritter hatte dabei diesmal sieben Kohlkopf-große Perlen um sich schweben, denen er seinen Namen zu verdanken hatte.   Packen wir es an, Anya Bauer!   Gem-Knight Pearl [ATK/2600 DEF/1900 {4} OLU: 2]   Jetzt sah Matt plötzlich auf. Seine Augen waren geschwollen, dunkel unterlaufen. Er murmelte leise, aber mit deutlicher Verachtung: „Levrier …“ Ebenjener sprach respektvoll zu dem Dämonenjäger. Selbstverständlich werde ich keine körperliche Gewalt gegen dich anwenden, Matthew Summers.   „So ist das …“ Gerne können wir dieses Duell auch abbrechen, solltest du dich inzwischen beruhigt haben.   Matt lachte verbittert auf. „Nein … habe ich nicht.“ „Wäre ja auch zu schön gewesen“, klagte Anya, die dasselbe gehofft hatte, „aber wenn du es so willst, dann bitteschön! Angriff auf den schwarzen Eisdrachen Ophion! Blessed Spheres of Purity!“ Unter einem zuversichtlichen Ausruf schwang Levrier den Arm aus. All seine Perlen schossen nacheinander auf Matts Bestie, die einen schwarzen Odem abfeuerte. „Heh, und damit es auch so richtig weh tut, aktiviere ich den Effekt von [Gem-Knight Pearl]!“ Ihr Widersacher verschränkte die Arme voreinander. „Du meinst [Gem-Knight Turquoises] Effekt.“ „Yeah, aber Pearl ist der, der ihn ausführt.“ Ganz zu Anyas Verwunderung zuckte Matts Mundwinkel für einen kurzen Augenblick. „Indem ich Turquoise und einen anderen Gem-Knight als Overlay Units abhänge, verdopple ich während des Kampfes [Gem-Knight Pearls] Angriffspunkte!“ Eine weiße Aura begann um Levrier aufzuflammen, während seine Geschosse Ophion bombardierten und sogar den pechschwarzen Flammenstrahl abwehrten.   Gem-Knight Pearl [ATK/2600 → 5200 DEF/1900 {4} OLU: 2 → 0]   Mit unheilvoll düsterer Stimme sagte Matt leise: „Du machst es mir viel zu einfach, Anya.“ „Huh!?“ Anstatt sich aber zu erklären, fauchte Matt völlig zusammenhangslos: „Ich weiß! Und es ist mir egal!“ „W-was soll das, Summers!?“ Aber er beachtete sie gar nicht. Stattdessen richtete er zornig einen Zeigefinger auf das zerstörte Waisenhaus. „Etwa dahin!? … nein! Was verstehst du überhaupt von all dem!? … Ach ja!? Dann verhindere es doch!“ Dabei entflammte eine schwarze Aura um ihn herum, die langsam, aber stetig anwuchs.   Etwas stimmt da nicht! Anya Bauer, ich fürchte er … er redet mit einem Immateriellen!   „Was zur Hölle!? Summers, ist das wahr!?“ Als wäre er sich ihrer erst jetzt gewahr geworden, warf er einen Seitenblick auf das Mädchen. „Überraschung! Aber das hat nichts mit dem zu tun, was dich jetzt erwartet!“ Die Erde begann zu erzittern. Matt stieß die Hand nach vorne aus und rief: „Ich rekonstruiere das Overlay Network!“ Wodurch sich unter Ophion unmittelbar ein Schwarzes Loch öffnete, in das dieser eintauchte. Dabei verstärkte sich Matts Aura noch weiter. „Aus meinem Rang 4-Schwärmer wird die erste Saat geboren. Rank Up-Incarnation!“ Der Wirbel wurde ruckartig von Innen zerschmettert, die ganze Umgebung begann stärker und stärker zu vibrieren. „Dominiere, [Primalswarm Yggdrasil]! Inkarnationseffekt: Chain Annihilator!“ „Fuck!“, fluchte Anya, die gar nicht wusste, wie ihr geschah. Zwar war seine Kreatur noch gar nicht erschienen, kehrte sie durch ihre Macht jedoch sämtliche Farben um, das Overlay Network erzeugte in Zeitlupe eine Schockwelle. In Matts rechtem Auge leuchtete in Rot eine geschwungene, unterstrichene Eins auf, kurz darauf stieß er einen heftigen Schmerzensschrei aus. „Summers-!“ „Kümmere dich lieber um Levrier! Chain Annihilator setzt sofort bei der Beschwörung Yggdrasils ein und annulliert wie zerstört alle anderen Teile der Kette in die er hineinbeschworen wurde“, erklärte Matt ächzend und hielt sich die Brust vor Schmerz. „Argh!“ Keine Sekunde später beschleunigte die Schockwelle derart schnell, dass Anya nicht einmal mehr schreien konnte. Levrier wurde wie ein Stück Papier in der Luft zerrissen und verschwand vor ihren Augen, als das Farbbild sich wieder normalisierte. Es dauerte einen Moment, bis sie erschüttert schrie: „Levrier!“ Dabei beachtete sie kaum, wie sich der mächtigste Schwärmer vor dem Schwarzhaarigen wie ein Turm langsam entfaltete. Der Unterleib bestand aus neun Drachenköpfen an langen Hälsen, die wie Wurzeln von Yggdrasil herab hingen und auf Hüfthöhe umeinander geschlungen waren. Ab dort begann nur noch ein schwarzer Torso einer humanoid wirkenden Kreatur, ausdruckslos, da sämtliche Merkmale eines Gesichts fehlten. Sie hatte Arme und an diversen Stellen zogen sich dünne Fäden in alle Himmelsrichtungen und verschwanden im Nichts. Die Haut der Kreatur schien in Bewegung zu sein, da sie an einigen Stellen manchmal unter der schwarzen Schicht violett hervor schimmerte.   Primalswarm Yggdrasil [ATK/3050 DEF/1650 {12} OLU: 2]   „W-was zur … was zur Hölle ist da passiert?“, stammelte Anya fassungslos. „L-levrier, geht es dir gut?“ Keine Reaktion seinerseits. Verständnislos sah sie Matt daraufhin an. „Hast du dich ernsthaft mit einem Immateriellen verbündet? D-der dir dieses Ding gegeben hat?“ Sie zeigte mit zitternder Hand auf die riesige Kreatur, um die zwei schwarze Sphären kreisten. „Vielleicht. Vielleicht auch nicht“, presste Matt hervor, „was geht es dich an? Du interessierst dich ohnehin für niemanden außer dich selbst.“ „D-das stimmt nicht!“ „Ach ja!? Was hast du dann jemals für mich getan, huh!? Für Tara!? Für Alastair!? Du hast immer nur genommen, Anya! Und das ist das Resultat!“ Er schwang den Arm wieder zum zerstörten Waisenhaus hinter ihm aus. Der Blonden fehlte die Stärke zu widersprechen. Weil sie insgeheim nicht wusste, wie sie überhaupt darauf antworten sollte. „I-ich …“, stammelte sie und sah nervös, unkonzentriert in ihr Blatt. Sie wollte etwas sagen, aber sie konnte nicht! „I-ich setze eine Karte verdeckt. Zug beendet!“ Zischend materialisierte sich die Falle zu ihren Füßen.   „Draw!“, brüllte Matt im Anschluss und zog schwungvoll seine Karte, die er augenblicklich ausspielte. „Das hier passt zu dir: [Evilswarm Heliotrope]!“ Vor ihm materialisierte sich ein Ritter in dunkelgrüner Rüstung mit schwarzen Akzenten, welcher mit rot leuchtenden Augen ein Schwert in der Hand hielt. Ein schwarz-roter Edelstein, der namensgebende 'Blutstein', steckte in seiner Brust.   Evilswarm Heliotrope [ATK/1950 DEF/650 (4)]   Anya zischte: „Ein korrumpierter Gem-Knight!“ „Ich sagte doch, 'passend'!“ Matt atmete tief durch. Das Mädchen konnte den Schweiß auf seiner Stirn erkennen, das Zittern seiner Hand, als er diese nach vorne streckte. „Zeit, mein Versprechen wahr zu machen! Direkter-“ „Oh scheiße, Summers! Tu das nicht!“ „-Angriff auf ihre Lebenspunkte, meine Schwärmer!“ Da leuchtete es auf. Ein rotes Licht am Kopf des gesichtslosen, riesigen Yggdrasils. Kein Auge, eher ein Schlund, der sich öffnete. Und aus diesem wurde ohne Verzögerung ein mächtiger Laserstrahl abgefeuert, der die schutzlose Anya anpeilte. „Du Idiot!“, fauchte die außer sich und schwang ihren Arm aus. „Du bist ja schlimmer als ich, wenn ich wütend bin! Konterfalle [Negate Attack]!“ Matt verschränkte die Arme. „Dacht' ich mir …“ Der Laserstrahl seiner Kreatur prallte an einer unsichtbaren Mauer vor Anya ab und wurde zerteilt, richtete jedoch große Verwüstung an, als er zweigeteilt die Erde links und rechts neben ihr aufriss, dann Risse in den aufgestellten Zaum brannte und weiter in den Wald drang, wo er Bäume und Sträucher zersetzte. Kleinere Feuer entstanden dabei. Anya wirbelte erschrocken um. Hätte ihre Falle nicht die Battle Phase beendet, wäre das jetzt sie gewesen. Sie wandte sich an ihren Freund. „Fuck! Summers, tickst du noch ganz richtig!?“ Doch sie erschrak als sie sah, wie er beinahe in die Knie sackte, sich die linke Brusthälfte keuchend hielt. Langsam dämmerte es ihr. „Alter, dieses Ding da killt dich!“ „Nicht dein Problem! Da ich nicht mehr mit Heliotrope angreifen kann, nutze ich wenigstens noch den Effekt von Yggdrasil.“ Trotz seines erbärmlichen Zustands grinste er. „Er macht einen Schwärmer, [Evilswarm Coppelia], von meinem Deck zu einer seiner Overlay Units. Black Law!“ Ebenjener streckte seinen Arm aus und erzeugte eine dritte schwarze Sphäre, die um ihn zu kreisen begann.   Primalswarm Yggdrasil [ATK/3050 DEF/1650 {12} OLU: 2 → 3]   „Na dann, versuch doch ihn zu besiegen“, forderte Matt sie bitterböse lachend heraus, „dein Zug!“ Anya wich zurück, sah über ihre Schulter. Im Wald waren ein paar kleine Feuer entfacht, die sich schon bald ausdehnen würden. Dieser bekloppte Summers! Wollte er sie alle umbringen!? … was fragte sie sich das überhaupt, natürlich wollte er! Aber durch einen Waldbrand!? „Levrier!“ Nichts. „Scheiße, wach auf! So stark war dieser Treffer nun auch wieder nicht! Du hast Schlimmeres überstanden!“ Aber ihr Freund schien immer noch bewusstlos zu sein, oder wie auch immer man diesen Zustand penetranten Schweigens bei Immateriellen nannte. „Kch!“ Sie konnte nichts tun, um den Brand zu verhindern, der im Entstehen war. Ihre Artefakte waren alle nicht auf sowas ausgelegt! „Verdammter Kackmist“, fluchte sie leise, als sie sich wieder Matt zuwandte. Welcher gar keine Notiz von der Zerstörung nahm, die er verursacht hatte.   Dann griff sie verzweifelt nach ihrem Deck. Sie musste sich beeilen! „Draw!“ Kaum gezogen, rief sie: „Ich aktiviere [Absorb Fusion] und erhalte das Pendelmonster [Gem-Knight Tiger's Eye] von meinem Deck!“ Wieder tauchten Edelsteine um sie herum aus, die in ihrem Deck verschwanden, welches die gewünschte Karte im Gegenzug auswarf. Parallel dazu steckte sie bereits [Gem-Knight Pearls] Karte in ihre Hosentasche. „Außerdem verbanne ich Levrier und erhalte [Gem-Knight Fusion] von meinem Friedhof zurück!“ Matt richtete sich wieder gerade auf. „Im Anschluss aktiviere ich Tiger's Eye mit dem Pendelbereich 2 und nutze seinen Effekt, um [Gem-Knight Fusion] abzuwerfen und ein normales Monster aus meinem Deck meiner Hand hinzuzufügen!“ Links neben ihr schoss eine hellblaue Lichtsäule aus dem Boden, in der ein Ritter in gelb-schwarzer Rüstung und einem dreieckigen Helm empor stieg. Er hielt eine Peitsche in der Hand. „Ich wähle [Gem-Knight Pyrite], den ich sofort aktiviere, Pendelbereich 8! Pendulum Scales set!“ Auch rechts neben ihr entstand eine Lichtsäule, in der ein weißer Ritter mit zwei riesigen, runden Schildhälften an den Armen nach oben geschickt wurde.   <2> Anyas Pendelbereich <8>   „Als Nächstes also eine Pendelbeschwörung, huh?“, schlussfolgerte Matt. „Falsch! Ich nutze Pyrites Effekt!“ Anya richtete ihren Arm nach oben. Der weiße Schildritter stampfte mit seinem Fuß in der Luft auf und sendete eine kleine Druckwelle die Säule hinab, bis sie in den Boden eindrang. „Damit kann ich einmal pro Zug eine Gem-Knight-Karte vom Deck auf den Friedhof schicken. [Gem-Knight Lazuli]! Und wenn die durch einen Karteneffekt dort landet, gibt sie mir ein normales Monster von meinem Friedhof auf die Hand zurück!“ Anya zeigte bereits ihre Wahl vor: [Gem-Knight Garnet]. Dann fächerte sie diesen aus und offenbarte, dass sie tatsächlich zwei Karten in der Hand hielt. Die andere war ihre allseits bekannte [Gem-Knight Fusion]. Sie erklärte: „Und ich verbanne Lazuli auch gleich, um mein Prachtstück zurückzubekommen.“ Matt gluckste. „Was denn jetzt? Fusionieren oder pendeln? Du verwirrst mich.“ Als er bemerkte, wie offen er gesprochen hatte, schnappte er schnell: „Nicht, dass es eine Rolle spielt. Im Endeffekt kenne ich deine Tricks.“ „Ach ja? Diesen hier vielleicht noch nicht! Ich aktiviere den permanenten Zauber [Brilliant Fusion]!“ Vor ihr richtete sich die Karte auf, vor dessen Artwork – ein riesiger Brillant, der eine rote und eine blaue Kreatur in sich hineinzog – ein glitzernder Vortex öffnete. „Mit der kann ich Gem-Knights von meinem Deck als Fusionsmaterialien benutzen, dafür verliert das beschworene Monster aber seine Angriffspunkte!“ „Das ist in der Tat neu“, keuchte der Dämonenjäger irritiert. „Ich verschmelze die Gem-Knights Lapis, Iolite und Amber von meinem Deck!“ Jene Drei tauchten nicht nur über ihr in Form eines beigefarbenen, blauen und goldenen Ritters auf und wurden in den Sog gezogen, zusätzlich wurden ihre Karten auch aus dem Deckschacht geschoben, sodass Anya sie grinsend auf den Friedhof legen konnte. Dabei rief sie: „Herz, Seele, Gefäß! Vereint euch zur reinsten aller Ritterinnen, deren Klinge jeden Hoffnungsstrahl zerteilt! Fusion Summon! Strahle, [Gem-Knight Lady Brilliant Diamond]!“ Aus dem Wirbel schoss daraufhin eine großgewachsene Ritterin, die in einer edlen Platinrüstung steckte und ein schlichtes, schmuckloses Schwert schwang. Brustpanzer und Helm waren von schimmernden Brillanten bedeckt, von ihren Schultern hing ein kurzer, roter Umhang. Matt weitete die Augen, doch noch bevor er überhaupt reagieren konnte, rief Anya bereits: „Aber [Brilliant Fusions] Schwächungseffekt ist nicht endgültig! Ich kann eine Zauberkarte abwerfen, um das gerufene Monster bis zur End Phase deines Zuges zur Originalstärke zurückfinden zu lassen!“ Schon war [Gem-Knight Fusion] die nächste Karte, die auf Anyas Friedhof landete. Gleißendes Licht begann von den Edelsteinen an Lady Brilliant Diamonds Rüstung auszugehen, welche kämpferisch schrie.   Gem-Knight Lady Brilliant Diamond [ATK/3400 → 0 → 3400 DEF/2000 (10)]   Matt rieb sich ächzend den Hinterkopf. „Langsam wird mir das zu viel …“ Dann lachte er gehässig. „Yeah. Besonders, wo Levrier ihr nicht helfen kann.“ Der schnippische Spruch entging Anya keineswegs, doch sie war gerade zu sehr im Fluss und wollte nicht Gefahr laufen, abgelenkt zu werden. Das würden sie alles später 'auswerten'! „Als Normalbeschwörung kommt [Gem-Knight Garnet]!“, rief Anya und knallte diesen auf ihre neue, schwarze Duel Disk. Jener Ritter in bronzener Rüstung tauchte vor ihr auf und ließ eine Stichflamme über seiner Hand schweben.   Gem-Knight Garnet [ATK/1900 DEF/0 (4)]   „Aber der wird nicht lange bleiben“, verriet Anya, „denn ich opfere ihn für Lady Brilliant Diamonds Effekt! Dadurch wird sofort ein Gem-Knight-Fusionsmonster aus meinem Extradeck beschworen! Contradiction Fusion!“ Hinter Garnet öffnete sich ein Edelsteinwirbel und zog diesen in sich hinein. Anya schrie: „Ich brauche dich, [Gem-Knight Prismaura]!“ Da schoss bereits ein weißer Ritter in rotem Cape aus dem Vortex, welcher einen Schild sowie eine Mischung aus Lanze und Schwert mit sich führte, die aus blauem Kristall bestand.   Gem-Knight Prismaura [ATK/2450 DEF/1400 (7)]   Kaum war er erschienen, griff Anya nach ihrem Friedhof. „Und jetzt verbanne ich [Gem-Knight Amber] von meinem Friedhof, um [Gem-Knight Fusion] zu recyclen!“ „Aber du wirfst sie gleich wieder ab, um den Effekt von Prismaura zu aktivieren, habe ich Recht?“ Matts gelangweilte Stimme verunsicherte Anya. „Huh? J-ja! Dann weißt du ja, was das heißt! Prismaura kann dadurch eine deiner offenen Karten vernichten! Los!“ Der Ritter richtete seine Schwertlanze gen Himmel und ließ einen Blitz in diese einschlagen. Elektrische Energie begann um sie zu knistern, als er sie auf das riesige, schwarze Ungetüm richtete und einen gleißenden Lichtstrahl abfeuerte. „Berechenbarer geht's nicht“, maulte Matt und schwang den Arm aus. „Verdeckte Falle, [Shift]! Sie wechselt das Ziel deines Effekts auf Heliotrope!“ Jene klappte vor ihm auf. „Shit!“, fluchte Anya, als der Strahl mitten auf seinem Weg einen Bogen machte und stattdessen den korrumpierten Gem-Knight traf, welcher lautstark explodierte. Das konnte doch nicht wahr sein! Matt grinste sie finster an. „Dachtest du ich wüsste nicht, dass du versuchen würdest, [Primalswarm Yggdrasil] durch einen Karteneffekt zu vernichten? Als Inkarnation kann er schließlich nur durch Xyz-Monster im Kampf bezwungen werden.“ „Tch!“ Ja, genau das war ihr Plan gewesen. Der jetzt in Rauch aufgegangen war. „Sieh das hier als Metapher an“, provozierte Matt sie weiter, „du hast durch dein Tun am Ende dich selbst ins Aus geschossen. Oder einen verlorenen Freund? Such's dir aus …“ Anya aber blieb stur. „Und wenn schon. Wenn du mit verlorenen Freund dich meinst, dann schreib dir eins hinter die Ohren, Summers! Du bist nicht verloren! Bloß verdammt dämlich!“ Aber ihre Worte erreichten ihn nicht, er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Die Blonde stöhnte innerlich, fragte sich, was sie tun musste, damit er sich zumindest ein wenig beruhigte. Scheiße! So hilflos zu sein war schlimmer als irgendwelche Undying oder Weiße Hexen als Gegner zu haben! „Ich setze eine Karte verdeckt!“, verkündete Anya und ließ diese zu ihren Füßen erscheinen. „Und zum Abschluss bekommst du noch eine Kostprobe von Lady Brilliant Diamonds Schwert! Brilliant Fate Severing!“ Die edle Ritterin stieß sich vom Boden ab und flog wie ein Pfeil auf Yggdrasil zu. Die neun Drachenköpfe am Unterleib des Schwärmers richteten sich auf und feuerten schwarze Feuerstrahlen auf sie ab, doch Lady Brilliant Diamond wich allen geschickt aus. Mit erhobenem Schwert zielte sie schließlich auf den gesichtslosen Kopf, doch der Hieb wurde letztlich durch die Hand des Titanen abgewehrt.   [Anya: 4000LP / Matt: 4000LP → 3650LP]   „Zug beendet!“, knurrte Anya mehr als unzufrieden. Dabei dachte sie auch an Levrier. Hoffentlich ging es ihm gut.   „Draw!“, rief Matt aus und zog eine Karte. „Ich aktiviere [Primalswarm Yggdrasils] Effekt und mache [Evilswarm Golem] in meinem Deck zu seiner Overlay Unit! Black Law!“ Wie schon in der Runde zuvor, streckte seine riesige, schwarze Schattenkreatur ihren Arm aus und erschuf über dessen Handfläche eine düstere Lichtsphäre.   Primalswarm Yggdrasil [ATK/3050 DEF/1650 {12} OLU: 3 → 4] „Was zum Henker soll das?“, wollte Anya wissen. „Wozu sammelst du so viele-“ Doch Matt unterbrach sie scharf. „Das findest du gleich heraus! Denn ich aktiviere jetzt den zweiten Effekt von Yggdrasil! Er kostet ihn all seine Overlay Units, doch im Gegenzug entfesselt er all seine Macht!“ Anya biss sich auf die Unterlippe. So wie er das formulierte, gefiel ihr das überhaupt nicht. „Zwar kann ich in diesem Zug keine Battle Phase durchführen“, erklärte Matt, „doch das muss ich auch gar nicht. Yggdrasil richtet die kombinierte Kraft all seiner Overlay Units gegen deine Monster, was sie umgehend zerstört! Und die Differenz der beiden Angriffssummen wird dir zusätzlich als Schaden zugefügt!“ Und was tat Anya? Sie legte den Kopf schief. „Huh?“ Matt stöhnte. „Vereinfacht gesagt: Die Gesamtstärke deiner Monster beträgt 5850! Die meiner 9000! Deine Monster werden durch diesen Angriff zerstört und du erleidest die restlichen 3150 Punkte als Schaden! Oder noch einfacher gesagt: Fahr zur Hölle! Blackening Infestation Stream Of Destruction!“ Anya stieß einen entsetzten Seufzer aus, als die neun Drachenköpfe am Unterleib der Kreatur sich erhoben und allesamt in ihrem Maul schwarze Energie aufluden. Ihr Resümee: „Shit!“ Da schoss auch schon jeder von ihnen synchron einen schwarzen Flammenstrahl auf das Mädchen ab. Auf der Hälfte des Weges bündelten diese sich zu einer riesigen, alles vernichtenden Säule. Reflexartig sprang Anya zur Seite, sah noch, wie ihre Monster regelrecht geröstet wurden, als sie damit in Kontakt kamen. Und sie spürte die Hitze, als der Strahl an ihr vorbei in den Wald schoss.   [Anya: 4000LP → 850LP / Matt: 3650LP]   Statt wie sonst auf dem Bauch zu landen, konnte sie sich diesmal abrollen und landete mit einem Knie und einer Hand auf dem Boden abgestützt einigermaßen sanft. Doch als sie über ihre Schulter sah, spürte sie einen eiskalten Schauder über den Rücken laufen. Das mit dem drohenden Waldbrand hatte sich erledigt. Eine riesige, endlos erscheinende Schneise der Zerstörung zog sich durch das Dickicht. Ein halb weggeätzter Baum brach vor ihren Augen in der Mitte durch und landete in der mindestens fünf Meter breiten Spur. „Oh verdammter Kackmist!“, fluchte sie fassungslos. Da hörte sie noch einen dumpfen Knall. Sie wirbelte herum und sah Matt am Boden liegen, schwer atmend. „Summers!“   ~-~-~   Indes sah sich Abby einer ganz anderen Herausforderung ausgesetzt. Sie saß neben der blonden Claire Rosenburg auf dem Sofa der Familie Bauer und starrte auf den großen, neuen Fernseher in der rechten Ecke, wo eine Quiz-Sendung über den Bildschirm flimmerte. Sie hatte heute morgen Anyas Mutter Sheryl dabei geholfen, ihn zu beschaffen. Auf Anyas Anweisung hin. Und die hatte sie im Anschluss eiskalt als Babysitterin für die Duel Monsters-Weltmeisterin eingesetzt, anstatt sie nach San Augustino mitzunehmen. Dabei war das Babysitten, wie Abby herausgehört hatte, sonst eigentlich die Aufgabe von Zanthe. Das adrette, brünette Mädchen mit der Brille räusperte sich. „Sag mal Claire, was machst du eigentlich besonders gerne?“ Keine Reaktion. Die junge Frau, die das blaue Stirnband von Valerie trug, starrte stur in die Flimmerkiste. Vorsichtig beugte sich Abby etwas nach vorn und betrachtete den Brustkorb Claires. Hob der sich überhaupt? Sie war sich nicht ganz sicher. Scheinbar hatte Anya guten Grund, dauernd Roboterwitze zu reißen … „Wir könnten in die Bibliothek gehen“, schlug Abby trotz ihrer Skepsis freudestrahlend vor. „Nein.“ Das war das erste Wort, das Claire heute gesprochen hatte. Die Chefsirene wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. „Shoppen?“ „Nein.“ Wesentlich weniger enthusiastisch versuchte sie es mit: „Kino?“ „Nein.“ Abby stöhnte. „Duel Monsters? Ich bin nicht schlecht, glaube ich.“ Claire drehte ihr tatsächlich den Kopf zu. „Kein Interesse.“ „Wer hätte das gedacht …“ Mit schwerem Seufzen ließ sie von ihrem 'Baby' ab und wandte sich dem Fernseher zu. Traurigkeit stieg in ihr auf. Anya hatte es ihr nur kurz erzählt. Was mit Matts Zuhause geschehen war. Wie schrecklich das für ihn sein musste. Vermutlich hatte ihre beste Freundin sie nicht mitgenommen, da Abby mit den Dämonenjägern nicht besonders gut ausgekommen war. Die Situation hatte sich zuletzt gebessert, aber vergessen konnte die Sirene nicht, dass Matt damals ihren kleinen Bruder entführt hatte. Trotzdem fühlte sie mit ihm und hätte die Drei am liebsten begleitet. Hoffentlich ging alles gut aus …     Turn 99 – Left Undone Alle Versuche, dem stark angeschlagenen Matt gut zuzureden, scheinen vergebens. Die Lage wird noch verschlimmert, als er ihr Dinge über Nick offenbart, die sie nie für möglich gehalten hätte. Dazu stellt [Primalswarm Yggdrasils] vernichtende Kraft Anya vor ein gewaltiges Hindernis. Gerade als sie glaubt, dieses überwinden zu können, erlebt sie eine böse Überraschung … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)