Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 111: Turn 102 - Only One -------------------------------- Turn 102 – Only One     „Uns wurde eines recht schnell klar. Ohne Hilfe hätten wir genauso gut versuchen können, aus einem Kreis ein Viereck zu machen.“ Zachariah zog im Schutze des rostigen Bunkers um ihn herum an der Zigarette in seiner Hand. „Sie – die Fälschung – war einfach stärker. Aber auch wenn es um sie schlecht bestellt ist, wollen wir sichergehen, denselben Fehler von damals nicht zu wiederholen. Wir warten nicht darauf, dass noch ein Wunder sie rettet.“ Zanthe fasste sich ans Kinn, funkelte dabei aus den Augenwinkeln Anyas Bruder an. „So ist das also? Sie ist stärker? Natürlich … Durch die Conqueror's Soul. Anya hat in dieser Zeit einige starke Feinde bekämpft. Kali nicht.“ Zu seiner vollkommenen Überraschung zuckte Zachariah zusammen. „Was? Woher weißt du von der Conqueror's Soul?“ „Ich stelle hier die Fragen“, gab der Werwolf jedoch eindeutig zu verstehen. Und sein Gegner meinte. „Das hier ist gerade wesentlich interessanter geworden …“   „… und jetzt nochmal: Woher weißt du überhaupt von der Conqueror's Soul?“, fragte Zachariah mit zunehmender Irritation. „Das sind nicht gerade Informationen, die im Internet herumschwirren. Selbst Lady Gardenia wusste nichts davon, bevor Orion den Sammler verraten hat.“ „Ein anderer Hüter hat mich davor gewarnt“, antwortete Zanthe, „er sagte …“   „Eines Tages, und da bin ich mir sicher, wird jemand mit einer Fähigkeit unbekannten Ursprungs erscheinen“, sprach der Mann im Poncho mit dem weiß-grauen, langen Haar prophetisch, „genannt Conqueror's Soul.“ Blätter raschelten leise an jenem Sommertag, als Drazen Zanthe das letzte Mal aufgesucht hatte. „Diese Gabe absorbiert einen Teil der Kraft eines jeden, der Klingen – oder auch Karten – mit ihrem Besitzer kreuzt“, lachte der Alte unter dem Werwolf, dann aber wandelte sich sein Ton wieder, „aber das alleine reicht natürlich nicht, einen Hüter zu entmachten. Deshalb wird er, und da bin ich mir ebenso sicher, eines Tages …“ Zanthe sah auf ihn herab, wie er auf dem Ast einer mächtigen Eiche saß und einfach nur existierte. Selbst das Gezwitscher der Vögel interessierte ihn in diesem Moment mehr als Drazens Worte. „Du solltest mir zuhören“, klagte der Alte beleidigt, aber in scherzhafter Manier. „Was ich zu sagen habe ist zwar nicht immer jugendfrei, aber nichtsdestotrotz in der Regel wichtig.“ Als wäre es eine Last, überhaupt zu antworten, erwiderte Zanthe träge: „Ich wollte nichts von alldem.“ „Und trotzdem hat dein Bruder -dich- ausgewählt.“ „Ist ja nicht so, als ob ich mit meiner neuen Rolle irgendetwas anfangen könnte“, sprach Zanthe lustlos und ließ sich elegant vom Ast hinuntergleiten, um direkt vor Drazen zu landen, „ich bewache eine Duel Monsters-Karte. Yay.“ Väterlich lächelte der Mann den vermeintlich Jüngeren an. „Hoffentlich bleibt es nur dabei.“ Die strahlend grau-blauen Augen des Mannes verengten sich. „Aber sollte irgendwann jemand kommen, der das Artefakt begehrt, wirst du dich entscheiden müssen.“ „Aha?“ „Möglicherweise befindet sich diese Person in großer Not“, erklärte Drazen dem Werwolf mit sanfter Stimme, „und es liegt dann an dir, ihr zu helfen oder nicht.“ „Von mir aus soll derjenige das Artefakt ruhig haben.“ Der alte Mann betrachtete Zanthe mitfühlend und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du wirst wissen, was zu tun ist.“ Jedoch stieß die Geste auf wenig Gegenliebe. Der jung aussehende Mann riss sich gestöhnt nervend los und lief an ihm vorbei. „Wenn das alles ist, würde ich gerne weiter den Vögeln zuhören und mein kümmerliches Selbst bemitleiden. Allein. Vielen Dank.“   Der alte Drazen, erinnerte sich Zanthe. Nach dem 'Tod' seines Bruders hatte der perverse Knacker ihn oft aufgesucht, versucht ihn zu trösten. Aber jetzt war er tot. „Ich hätte es verhindern können“, murmelte er traurig. Als Anya aufgebrochen war, ihn zu finden, war sein Name gefallen. Aber Drazen hatte ihm mal erzählt, dass er gerne sterben würde. Etwas, das Zanthe damals nur zu gut nachvollziehen konnte. Weshalb er Anya nie von seiner Bekanntschaft mit ihm erzählt hätte. „Was nicht verhindern können?“ Zachariah verschränkte die Arme. „Red' Klartext.“ Aus seinen Erinnerungen gerissen, schnappte der Werwolf zurück: „Ich bin dir keine Antworten schuldig.“ „Auch gut. Eigentlich interessiert mich dein Gewäsch' gar nicht.“ Der blonde, junge Mann grinste breit. „Ist sowieso alles bloß Zeitverschwendung.“   [Zanthe: 3900LP / Zachariah: 2900LP]   Vor ihm stand der imposante, brünette Ritterkönig Artus, mit den Schwertern [Noble Arms – Caliburn] und [Noble Arms – Gallatin] in den Händen. An seinem Arm leuchtete zudem der silberne Schild [Noble Arms Of Destiny]. Dazu umkreiste ihn eine Lichtkugel.   Artorigus, King Of Noble Knights [ATK/3500 DEF/2000 {4} OLU: 1]   Zusätzlich verfügte Zachariah noch über eine verdeckte Karte und zwei Handkarten, Zanthe dagegen über gar keine Feldpräsenz und lediglich zwei Handkarten. Oder besser gesagt drei, als er schwungvoll von seinem Duellhandschuh zog. Er betrachtete die Falle und schob sie wortlos in den Apparat an seinem Arm, woraufhin sie liegend vor ihm erschien. Dann streckte er die Hand aus. „Open a door to the unknown!“ Schlagartig hielt er einen kleinen, silbernen Schlüssel in der Hand, der prompt nach oben geworfen wurde. „Erscheine, [Constellar Sombre]!“ Über dem Kopftuchträger entstand daraufhin ein Runenzirkel mit astronomischen Symbolen darin, welcher zerbrach und hinter sich eine engelsgleiche, weiße Gestalt preis gab. Mit kurzen, aber breiten Flügeln versehen, durch die blaue Energie strömte, ließ Sombre einen hellblauen Kreis um sich erscheinen, in dem die Tierkreiszeichen eingelassen waren.   Constellar Sombre [ATK/1600 DEF/1550 (4)]   „Einmal pro Zug kann Sombre einen Sternenkundler von meinem Friedhof verbannen“, erklärte Zanthe und zeigte das schwarz-umrandete Monster [Constellar Praesepe] vor, fügte danach [Constellar Algiedi] seinem Blatt hinzu, „um einen anderen von dort zu bergen. Und ich kann dazu einen weiteren Sternenkundler beschwören! In dem Fall aber nicht das Ziel von Sombres Effekt!“ Zanthe schwang die Hand nach rechts aus, in der ein weiterer kleiner Schlüssel erschien. „Open a door to the archer! [Constellar Kaus]!“ Neben ihm entstand ein weiterer, aufrecht stehender Symbolkreis, aus dem ein weißer Zentaur sprang, der einen goldenen Bogen mit sich führte.   Constellar Kaus [ATK/1800 DEF/700 (4)]   Jener spannte seine Waffe und richtete sie nach oben. „Effekt von Kaus! Zweimal pro Zug kann er die Stufen von Constellar-Monstern um eins erhöhen oder senken. Ich wähle Ersteres je einmal auf Sombre und Kaus!“ Schon schoss der vierbeinige Krieger im weißen Umhang zwei hellblau leuchtende Pfeile ab, die mitten in der Luft eine enge Kurve machten und in ihn sowie seiner schwebenden Mitstreiterin einschlugen.   Constellar Sombre [ATK/1600 DEF/1550 (4 → 5)] Constellar Kaus [ATK/1800 DEF/700 (4 → 5)]   Zachariah beobachtete das alles mit einem unbekümmerten Grinsen. Aber Zanthe sagte sich, dass er diesem Wichtigtuer jenes schneller aus dem Gesicht wischen würde, als Anya bis zehn zählen konnte. Zuversichtlich nahm die eben erst beschworenen Monster von seinem Handschuh und legte sie übereinander, ehe er dann in die Luft griff und plötzlich einen goldenen, riesigen Schlüssel in der Hand hielt. Diesen lehnte er an die Stirn, welcher daraufhin die beiden Sternenkrieger als gelbe Lichtstrahlen absorbierte. Der Werwolf rief: „Open a gate to the Sacred Star Knights! To the Overlay Network! Aus zwei Stufe 5-Lichtern wird ein gleißender Stern! Rang 5!“ Im Anschluss rammte er damit den Schlüssel in den Boden und brach ein neues Siegel, welches sich vor ihm im Gras bildete. „Xyz-Summon! [Constellar Pleiades]!“ Aus diesem erschien ein anmutiger Schwertkämpfer von kräftiger Statur, der ein langes Schwert mit sich trug. Dieses hielt er nach hinten gerichtet. Auf seinem Rücken thronte eine Art Platte, die insgesamt sieben Spitzen aufwies, wobei er noch von zwei Lichtsphären umkreist wurde.   Constellar Pleiades [ATK/2500 DEF/1500 {5} OLU: 2]   Zachariah schmunzelte. „Der also.“ „Ja.“ Sein Widersacher streckte den Zeigefinger aus. „Dank [Noble Arms Of Destiny] kann dein König Artus nicht so leicht durch Kämpfe oder Effekte zerstört werden, aber Pleiades kann das locker umgehen!“ Jener richtete sein Schwert in die Höhe und ließ es eine der gelben Kugeln absorbieren.   Constellar Pleiades [ATK/2500 DEF/1500 {5} OLU: 2 → 1]   „Zum Preis einer Overlay Unit gibt er eine deiner Karten auf die Hand zurück! Los!“ Schon holte Pleiades aus und schwang die Klinge in einer vollendeten Drehung, sodass diese eine Schockwelle auf den feindlichen Ritterkönig losließ. Wofür Zach jedoch nichts als fieses Gelächter übrig hatte. „Ich bitte dich. Du denkst doch tatsächlich, wir wären komplette Vollidioten, was?“ Zanthe weitete die Augen. „Als ob ich das nicht habe kommen sehen“, setzte der Blonde nach und streckte die Hand aus, „verdeckte Karte aktivieren, der Schnellzauber [Glory Of The Noble Knights]! Damit rüste ich einen Noble Knight mit einer Noble Arms aus! Artus, die Zeit ist reif! Ziehe [Noble Arms – Excaliburn] aus dem Stein!“ Allerdings geschah dies nicht wirklich. Zachariahs Karte klappte auf und aus dem Artwork jener schob sich ein mächtiges, goldenes Schwert hervor, dessen eine Hälfte von roten, die andere von blauen Energieadern durchzogen war. Recht unspektakulär schwebte es zu Artus, der Caliburn in die Schwertscheide schob und das neue, für einen Einhänder schon viel zu große Schwert ergriff.   Artorigus, King Of Noble Knights [ATK/3500 DEF/2000 {4} OLU: 1]   „Excalibur erhöht zwar keinen seiner Werte, doch verhindert, dass du seinen Träger mit Karteneffekten anzielen kannst.“ Die Schockwelle passierte den sagenhaften König, als wäre sie ein laues Lüftchen, das nicht einmal ein Blinzeln wert war. Zanthe schnalzte genervt. „Wäre ja auch zu einfach gewesen. Zug beendet!“   „Ich fürchte, das wird nicht gut für dich ausgehen, Werwolf-Junge“, amüsierte sich Zachariah mit der Zigarette im Mund und spuckte diese schließlich aus. Mit seinem weißen, blitzeblank geputzten Schuh trat er sie aus. „Ist nichts Persönliches. Draw!“ Dann griff er nach der nächsten Karte und zog. In diesem Moment erschütterte ein heftiges Beben den Wald. Gefolgt von einem ohrenbetäubenden Krachen. Während der Blonde ins Wanken geriet, konnte sich Zanthe problemlos auf den Beinen halten. Er weitete die Augen und sah links an dem Bunker vorbei. Konnte es sehen, wie es sich erhob, dieses riesige Ungetüm, das alles überragte. Obwohl es mindestens einen Kilometer entfernt lag, war es mit seinem flammenden, gehörnten Haupt deutlich zu erkennen. Die kurzen, gezackten Schwingen an seinem dürren Körper glitzerten in der Sonne. Aber der lange Schweif, der peitschend die ganze unmittelbare Umgebung in Schutt und Asche legte, erschreckte den Werwolf am meisten. „W-was zum Geier ist das!?“, stammelte er. Dann aber kam die Erkenntnis. „Da! Anya ist dort!“ „Oh?“, machte Zachariah. Die Erderschütterungen stoppten. „Mist. Jetzt weißt du es. Aber ich kann dir gleich sagen: Nun, da dieses Ding aufgetaucht ist, ist es zu spät. Das Schicksal der Fälschung ist besiegelt.“ „W-was?“ Anyas älterer Bruder lachte finster. „Jap. Das habe ich zwar schon damals gedacht, als ihr ins Flugzeug gestiegen seid, aber diesmal ist es endgültig.“ Der schwarzhaarige Werwolf sah sein Gegenüber verwirrt an. Dann dämmert es ihm. „Flugzeug? Soll das heißen, der Absturz, das warst du!?“ Nur ein böses Lächeln huschte über Zachariahs Antlitz.   ~-~-~   Anya schluckte schwer. „Shit …“ Ein riesiges Loch klaffte in der Decke, zwei der Beine der riesigen Gestalt von [Tierra, Source Of Destruction] standen vor ihrer Widersacherin in der schwarzen Kutte. Kali kicherte leise.   Tierra, Source Of Destruction [ATK/3400 DEF/3600 (11)]   Außer dieser riesigen Gestalt, die über der unterirdischen Anlage thronte, gab es keine anderen Karten auf dem Spielfeld. Oder in den Händen der Mädchen. Oder in deren Friedhöfen. Anya war wehrlos. Und einen Treffer würde sie nicht überstehen.   [Anya: 1000LP / Kali: 800LP]   Selbst Matt sah mit weit aufgerissenen Augen vor dem Stützpfeiler stehend, an den er kurz zuvor noch angebunden war, an der riesigen Tierra empor. „Es ist tatsächlich wie [Sophia, Goddess Of Rebirth] …“ Hinter dem Pfeiler versteckte sich Thoras in der durchsichtigen Gestalt des schwarz-goldenen Schabenritters [Evilswarm Exciton Knight].   Wir sind sowas von am Arsch, Matthew Summers! Wenn das Ding einmal angreift, steht hier nichts mehr!   Anya, die mit einer Kette am rechten Fuß gefesselt und voller Staub war, verengte die Augen zu Schlitzen. „Wenn du denkst, dass ich am Ende bin, täuscht du dich. Levrier?“ Ich bin noch hier. Sie hat mich lediglich vom Feld entfernt – ohne mich zur Abwechslung zu verletzen.   „Sehr gut.“ Die Blonde zeigte ihre Zähne. „Ist lange her, dass wir -das- das letzte Mal gemacht haben, aber es muss sein. Bist du bereit?“ Ich denke, dem steht nichts im Wege.   Sofort streckte das Mädchen daraufhin ihren Arm aus. „Alles klar! Ich rekonstruiere das Overlay Network! Mach dich bereit für die Inkarnation, die alle Regeln missachtet!“ Aber Kali brach in süffisantes Gelächter aus. „Ahahahaha.“ Anya ließ den Arm sinken. Denn nichts geschah. „Wieso erscheint das Overlay Network nicht?“ „Ganz einfach! Auf den Effekt von Tierra kann niemand seine Effekte 'ranhängen. Und da Inkarnationen theoretisch auch Karteneffekte sind, kannst du Pearl nicht inkarnieren, ob er nun auf dem Spielfeld ist oder nicht.“ Ganz langsam klappte Anya die Kinnlade hinunter. Es gab nur eine Chance, [Gem-Knight Pearl] zu inkarnieren – wenn er das Spielfeld verließ. Danach war es zu spät! „Pft. Als ob ich dich so leicht davonkommen lassen würde“, sprach ihr Ebenbild mit der Narbe im Gesicht hochmütig, „sorry, aber ich habe so lange auf meine Rache gewartet. Sie muss perfekt sein, um jeden Preis. Ich werde nicht zulassen, dass du deinem Schicksal noch einmal trotzt, Miststück!“ Sie streckte den Arm nach hinten von sich weg und ließ eines dieser schwarzen, ovalen Portale erscheinen. „Schade, dass ich deine letzten Momente nicht erleben kann. Wie der Quälgeist von Summers richtig festgestellt hat, wird ein Angriff von Tierra alles vernichten. Daher gestatte ich dir ein paar letzte Worte. Komm, bring mich zum Lachen, Fälschung!“ Wie gelähmt senkte Anya ihr Haupt. Das konnte nicht sein. Sie … nein! Es gab doch sicher noch einen Weg, ihrer Lage zu entkommen! Irgendein Karteneffekt! Aber sie hatte nichts! Und wie Kali bereits erklärt hatte, konnte Tierra in diesem Zug angreifen. Es war vorbei … Heiser, gebrochen murmelte sie: „Tja, Summers … hättest vielleicht doch besser wegrennen sollen, als du noch die Gelegenheit dazu hattest.“ Matt erwiderte nichts. „Hey Kali.“ Anya richtete sich auf. Sie atmete tief durch. „Meine letzten Worte also? 'kay. Bitte nimm Summers mit. Er kann nichts für unseren Beef.“ Ihre verhasste Gegnerin sah sie aus unergründlichen, blauen Augen an. Dann erwiderte sie leise: „Nein.“ „Warum!?“ „Er ist mitverantwortlich für mein Schicksal. Ohne ihn wäre ich dem Jinn nie begegnet!“, kam es verbittert zurück. „Seine Sicherheit könnte mir nicht gleichgültiger sein.“ „Das reicht“, kam es unvermittelt hinter Anya zurück. Jene sah über ihre Schulter. Der junge Mann im schwarzen Ledermantel trat Schritt um Schritt näher, bis er vor der unsichtbaren Barriere um das Duellfeld anhielt, gekennzeichnet durch Kreidelinien. „Ob deine Geschichte nun stimmt oder nicht“, sprach Matt, „ist mir ehrlich gesagt egal. Du bist das Original? Dann rühm' dich meinetwegen damit. Aber dadurch bleibt dein Charakter der einer aufmüpfigen, selbstsüchtigen Göre, die keinerlei Mitgefühl kennt. Da bin ich lieber mit einer Fälschung befreundet, die wenigstens Anteil am Schicksal anderer nimmt.“ „Summers“, murmelte Anya erstaunt. Kali lachte auf. „Hah! Du hast Recht. Ich bin egoistisch und gefühlskalt. Denn selbst das Potential, anders zu sein, wurde mir genommen. Ich hatte nie die Chance, dich näher kennenzulernen. Von daher sind wir Fremde und du bedeutest mir gar nichts.“ Sie streckte langsam die Hand mit gespreizten Fingern aus. Voller Verzweiflung rief Anya: „Hau ab, Summers! Ich kann sie nicht aufhalten! Versuch wenigstens dich zu verstecken oder so!“ Statt ihrer Bitte Folge zu leisten, befahl Matt: „Thoras, zerschneide diesen Bannkreis.“   Warum!? Wir sollten auf Anya Bauer hören und das Weite suchen!   „Tu es!“ Anscheinend mit der Erkenntnis gesegnet, dass er sowieso keine Wahl hatte, kam der Schabenritter nach vorne gerannt und zog dabei sein Rapier. Er stach es in die Barriere, die sich kurz als wellenartige Substanz zeigte, doch konnte sie nicht durchdringen. „Pah!“, lachte Kali. „Dachtest du, es wäre so einfach? Wir wissen, dass ihr Dämonenjäger euch teleportieren könnt. Ich habe nicht vergessen, was du Abby und ihrer Familie angetan hast …“ „Und Nick“, ergänzte Matt. „Dafür habe ich mich entschuldigt.“ „Nick … yeah. Pft.“ Die selbsternannte Dämonengöttin schloss die Augen. „Schluss mit diesem Quatsch. Ihr seid Freunde? Dann sterbt beide in dem Wissen, dass ihr euch gegenseitig ins Unglück gestürzt hab.“ „Mach weiter, Thoras!“, drang Matt derweil. Nicht mal bezahlt werde ich dafür!   Trotzdem schlug der Immaterielle die Barriere ein, die sich mit jedem Treffer ein bisschen nach innen bog und rötlich verfärbte.   Ich … ich kann nicht mehr! Es kostet verdammt viel Kraft für einen wie mich, physische Objekte zu beeinflussen!   „Dann gemeinsam!“ Kurzerhand packte Matt ebenfalls zu. Zusammen holten sie weit mit dem Schwert aus und ließen es auf die Barriere sausen, die daraufhin zerbrach wie ein Scherbenhaufen. Kali schnappte nach Luft. „Scheiße! Aber es ist zu spät! Greife sie an, [Tierra, Source Of Destruction]! Simulation's End!“ Weit über dem Giganten begann sich im Himmel ein roter Kreis auszudehnen. Dessen Inneres verfärbte sich schwarz, bis sich nacheinander immer mehr kometenartige Feuerbälle lösten. Sie alle flogen laut pfeifend auf die unmittelbare Umgebung des eingestürzten Bunkerteils zu. Matt eilte an Anyas Seite. „Ich habe einen Plan! Keinen guten, aber besser als nichts.“ „Der lautet hoffentlich Teleportationskarte!“ „Nein … ich habe keine mehr, schon seit geraumer Zeit …“ Die Blonde schnappte entgeistert, wenn auch nicht wirklich überrascht: „Willst du mich verarschen!?“ „Hör zu! Wir sammeln die Kräfte unserer Immateriellen und deiner Artefakte und errichten eine Barriere. Wenn wir Glück haben, überleben wir das!“ In dem Augenblick tauchte Levriers durchsichtige Pearl-Gestalt links neben Anya auf, wohingegen sich Thoras rechts neben Matt positionierte.   Ich bin ein Streiter, kein Gründer! Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe!   Auf das Meckern von Matts Immateriellen hin konnte Levrier nur lachen. Ist es. Aber wir sollten es zumindest versuchen.   Auch Kali brach in schallendes Gelächter aus. „Ihr Idioten! Das wird euch nicht retten! Tierra ist viel zu mächtig, um durch eine lausige Barriere aufgehalten werden zu können!“ Dagegen erwiderte ihre Erzfeindin: „Du hast doch nur Schiss, dass es klappt.“ Sie streckte ihren Arm aus und ließ [Angel Wing Dragon] in seiner weißen Speerform erscheinen, welchen sie neben sich in den Boden rammte. Dann manifestierten sich um ihre Hände zwei metallische Handschuhe. Und zu guter Letzt tauchten in jenen zwei gezackte Kurzschwerter auf. „Okay, bin bereit!“ „Konzentriert euch! Sammelt all eure Kraft und lasst sich in die Kuppel fließen!“, befahl Matt und sah seinen Partner an. „Thoras, du erzeugst das Feld!“ War ja klar, dass -ich- wieder die Drecksarbeit erledigen muss!   „Hahaha“, lachte Kali weiter, „das wird doch niemals was. Aber gut, versucht es halt.“ Anya schloss die Augen. Sie hörte bereits aus der Ferne das Zischen der nahenden Kometen. Fuck, diese blöde Kuh hatte Recht! Selbst mit ihrer geballten Kraft würden sie niemals stark genug sein, einen so mächtigen Schild aufzubauen! „Gib dir mehr Mühe, Thoras!“, hörte sie Matt sagen.   Ich versuche es! Aber ihr seid alle so verschieden, ich kann das Feld gar nicht erzeugen!   „Tu es trotzdem!“ Ich helfe!   Levrier gab ein angestrengtes Geräusch von sich. Aber Anya spürte es – nichts geschah. Sie hatten so etwas noch nie gemacht, natürlich würde es nicht auf Anhieb funktionieren. „Sag ich doch, das wird nichts“, triumphierte Kali. „Ich bin dann mal weg …“ „Shit“, fluchte Anya leise, wagte es nicht hinzusehen. Plötzlich spürte sie Matts Hand auf ihrer Schulter. „Wir kriegen das hin!“ „Lügner“, erwiderte die Blonde mit einem Lächeln, „aber wenigstens gehen wir zusammen unter. Nicht die … schlechteste Art zu sterben …“ „Sag so etwas nicht! Los, strengt euch an!“   Argh! Immer wenn ich es in Form kriege, bringt Levrier es durcheinander!   Thoras ist ein Amateur!   Anya biss die Zähne fest zusammen. Es war vorbei. Jeden Moment. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Einfach so zu sterben. Und dann noch durch Kalis Hand. Lächerlich … Sie wollte nicht. Sie wollte nicht sterben. Es gab so vieles, was sie noch tun musste, tun wollte und da kam sterben nicht infrage. Aber wer sollte sie retten!? Es kam niemand! Der Sammler wäre doch schon längst hier, wenn es ihm möglich wäre. Vielleicht interessierte er sich gar nicht mehr für sie, immerhin hatte sie ihn eiskalt abblitzen lassen! „Ricther“, flüsterte sie verzweifelt, „komm schon!“ Aber der Undying hätte sie längst gerettet. Das heißt, wenn er es sich nicht inzwischen anders überlegt hatte. Sie war eine Gefahr für diese 'ewige Ordnung' oder was auch immer. Wenn sie jetzt hier starb, hatte sich das Problem der Undying von selbst gelöst. Es gab keinen Grund für sie, ihnen zu helfen. „Der kommt nicht! Wir müssen das selbst schaffen!“, drängte Matt, auch bei ihm drang immer größere Verzweiflung durch die Stimme. „Anya, hol' alles aus dir raus!“ „Ich versuch's ja!“ Was tat sie denn? Sie fokussierte sich auf ein Energiefeld, das sie ganz vage um sich herum spürte. Stärkte sie es dadurch überhaupt? Oder musste sie mehr tun!? Sie wusste es nicht! Irgendjemand! Irgendjemand musste sie retten!   Es war wie ein Blitz, der ihre Gedanken durchfuhr. Ganz klar sah sie sie vor sich, eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten. Wie sie mit einer deutlich jüngeren Abby in ihrem Zimmer auf dem Boden hockte. Beide waren über Papier gebeugt und zeichneten fleißig. Anya sah ihrem Teenager-Ich über die Schulter, wie es als Erstes fertig war und ihrer Freundin stolz das gemalte Bild präsentierte. „Hah! Damit gewinne ich den Wettbewerb!“ „Das ist großartig, Anya! So gut bin ich nicht.“ Abby sah betrübt auf ihr Bild herab, einen roten Vogel mit Laubschweif. „Ist doch egal!“, protestierte Teenie-Anya. „Ich werde sowieso dort einmarschieren und diese Weicheier dazu zwingen, beide Bilder gewinnen zu lassen. Andernfalls drehe ich ihnen solange Schrauben durch ihre Körperöffnungen, bis sie-“ „I-ich denke, ich verstehe schon“, stammelte Abby pikiert. Dann verschwamm die Szene vor Anyas innerem Auge. Nebenbei hörte sie Matt panisch etwas rufen, Kali lautstark lachen. Ihre Finger umschlossen die beiden Schwerter in ihrer Hand so fest sie konnten. Aber sie sah etwas Neues. Diesen Typen, dem sie begegnet war, als dieser verrückte Maskendämonen mit dem Katana sie angegriffen hatte. Blondes Haar, geflochten zu langen, zusammengebundenen Braids. Er hatte diese komische Waffe in den Händen, eine Art Schwert, um das ein hellblaues Gehäuse ummantelt war. Die Klinge war zackig wie eine Kettensäge. Warum erinnerte sie sich jetzt an ihn? „Ich habe ein Geschenk für dich“, sprach er unergründlich, „mit ihm wirst du überleben.“ Exa streckte die Hand nach ihr aus. Er sah sie eindringlich an. Anya fackelte gar nicht erst, sondern versuchte sie zu ergreifen. Kurz bevor sich ihre Finger berührten, tauchte zwischen ihnen ein grelles, leuchtendes Licht auf.   Anya riss ihre Augen weit auf. Die Artefakte um sie herum lösten sich auf, das Mädchen streckte die Hand nach vorne aus. „Die Bedingung ist erfüllt!“ Sie schwenkte ihren Arm zur Seite aus. „A rift has been opened!“ Anschließend schlug sie ihre rechte, zur Faust geballte Hand gegen die Brust. „Summoning contract established!“ Kali, die schon halb in ihrem Portal steckte, trat wieder daraus hervor. „Huh?“ „Anya, was machst du da?“, fragte Matt verwirrt. „Du musst-“ Aber die Blonde beachtete keinen der beiden. Sie wusste, was sie da tat. Sie richtete die Faust in die Höhe, aus der acht grelle Lichtfunken aufstiegen, an ihr und den anderen vorbei schwirrten und sich hinter ihnen in einer unregelmäßigen Kreuzformation zu einem runden Tor festigten. Dieses bestand aus mehreren Innenkreisen, in dem jeweils einer der Funken als leuchtendes Symbol eingelassen war. „Witness the creation of the eternal gate!“, rief Anya. Ruckartig schossen die einzelnen Bestandteile des Portals nach hinten. „Reverse the tide of battle!“ Innerhalb des entstandenen Tores erstreckte sich ein bunter Tunnel. „Open the eternal gate! Excel Summon!“ Anya riss den erhobenen Arm hinunter und zeigte ihren Handrücken, in dem eine weiße Sanduhr eingraviert war. „Grade 8! Flow, [Chrono Blades Excel Dragon]!“ In dem Moment schoss eine Kreatur aus dem Portal und brachte dieses zum Einstürzen. An Anya vorbei rauschte der dunkelgraue Drache einmal durch den ganzen, magisch vergrößerten Raum, ehe er sich über dem Mädchen platzierte. Von schlanker Gestalt, hatte er einen fast humanoiden Körperbau. Sein weißer Bauch hatte dabei dieselbe Form wie Anyas Symbol: Eine Sanduhr.   Chrono Blades Excel Dragon [ATK/3000 DEF/2500 X8]   Wirklich beeindruckend waren aber neben den vier rot leuchtenden Schlitzaugen die zehn Schwerter, die wie ein Ring in hoher Geschwindigkeit um ihn rotierten. Kali verfiel in blanke Panik. „Nein … nein, nein, nein!“ Woher kommt dieses Ding?   „Ist doch egal“, erwiderte Matt auf Thoras Frage hin prompt. Beide sahen an der eindrucksvollen Kreatur hinauf. „Hauptsache es ist hier …“ Der Dämonenjäger sah Anya an, doch die hatte sich völlig auf Kali fixiert. Jene konnte sich kaum beherrschen. Sie schrie: „Wie konntest du nur!? Ausgerechnet ihn!“ Sie ging in ein Flüstern über. „Völlig aus dem Nichts … Das sieht dir ähnlich, Miststück!“ Anya sah auf ihren Armrücken hinab. „Es kam nicht aus dem Nichts. Es hat in mir geschlafen, das weiß ich.“ „Das bezweifle ich! Aber glaub was auch immer du willst! Selbst damit entkommst du deinem Schicksal nicht!“ Die sogenannte Fälschung sah wieder auf und erklärte beherrscht: „Sehe ich anders. Wenn [Chrono Blades Excel Dragon] während der Battle Phase beschworen wird, beendet er diese sofort.“ Ihre Widersacherin ploppten bald die Augen heraus. „Was!?“ „Tu nicht so überrascht“, murrte Anya grimmig. Indes waren die Kometen nur noch wenige Kilometer vom Einschlagpunkt entfernt. „Aber das ist noch nicht alles. Danach kann er sich und alle anderen Monster auf dem Feld verbannen. Temporal Disturbance!“ In dem Moment streckte der Drache eine seiner mit scharfen Klauen besetzen Pranken aus. Mit dem 'Zeigefinger' zog er langsam einen immer größer werdenden Riss im Raum-Zeit-Gefüge, eine schwarz glitzernde Pforte, in die er langsam hineingezogen wurde. Aber nicht nur er. Vor Kali ereignete sich analog das gleiche Phänomen. Die beiden Beine Tierras wurden verzerrt in den Spalt hineingezogen. Dann geschah es. Immer schneller wurde das gigantische Wesen durch den allenfalls eine Elle langen Riss wie von einem Staubsauger hineingesaugt. Dabei ging strahlend blaues Licht von ihm aus. Kali fiel aus allen Wolken. „Nein! Das kannst du nicht tun! Tierra!“ Doch es war zu spät. Beide Monster waren längst verschwunden, die Pforten auf den Seiten der Mädchen schlossen sich wieder. Die Kometen verschwanden, als hätten sie nie existiert. „Das habe ich aber gerade“, erwiderte Anya unterkühlt. „Und das ist erst der Anfang.“ Denn etwas war von ihrem neuen Drachen verblieben: Sein Schwertring. Jener flog über ihrem Kopf hinweg durch das Loch im Bunker. Und dann regnete es Klingen. Nacheinander rammten sich vier der schlichten Einhänder vor Anya in den Boden. Dann geschah dasselbe bei Kali. Die verbliebenen beiden Schwerter verschwanden. „Selbst das …“, keuchte die und wich zurück. Ihr Portal war ebenfalls fort. „Die Monster, die Chrono Blades verbannt hat, sind nicht fort. Ihre Zonen bleiben unbenutzbar, bis sie zurück sind“, erklärte ihre Feindin, „und in alle anderen werden seine Schwerter in Verteidigungsposition beschworen, die sogenannten Chrono Blade-Spielmarken.“   Chrono Blade-Token x4 [ATK/100 DEF/0 (1)] (Anya) Chrono Blade-Token x4 [ATK/100 DEF/0 (1)] (Kali)   Anya Bauer, das ist beeindruckend! Woher kommt dieses Monster? Und du kennst seinen Effekt, ohne ihn überhaupt gelesen zu haben!   „Yeah“, stimmte Matt dem durchsichtigen Levrier zu, „das ist tatsächlich beängstigend.“ Er atmete tief durch. „Puh. Aber danke, dass auf dein Talent, das Schicksal zu umgehen, immer wieder Verlass ist.“ Als sie das hörte, musste Anya ihn ansehen und grinsen. „Danke.“ Dann aber wurde sie wieder ernst, sah wieder Kali an. „Wenn du wirklich ich bist, dann solltest du eigentlich wissen, was dieses Monster ist. Und was es in etwa kann.“ „Kch! Damals … mit Abby …“ „Yeah. Aber Erinnerungen sind trügerisch“, murmelte Anya geheimnisvoll, „und manchmal ändern sich Pläne ein wenig. Ich hatte vor einiger Zeit einen Traum. Und seitdem denke ich -anders- über Chrono Blades. Du siehst ja, er ist kein reguläres Effektmonster mehr. Um ehrlich zu sein weiß ich selber nicht, -was- er jetzt ist …“ Sie senkte ihr Haupt. Sie hatte einen anderen Beschwörungsspruch verwendet als in ihrem Traum. Welcher dort in etwa „The fallen comrades become witnesses of a new beginning!“ gelautet hatte, aber den hatte sie sich damals als Teenager ausgedacht. Er war nicht mehr aktuell. Und die Karte auf ihrer schwarzen Duel Disk? Die hatte nicht einmal einen farbigen Rand, stattdessen war sie komplett vom Artwork ausgefüllt, welches beim Effekttext extrem aufgehellt war. „Einen Traum?“, fragte Matt. Dann erinnerte er sich daran, dass sie mal etwas im Traum genuschelt hatte, beim Duell Marc Butcher gegen Kakyo Sangon. „Das ist interessant. Aber wie um alles in der Welt hast du es geschafft, ihn zur Realität werden zu lassen?“ „Weiß nicht“, zuckte Anya mit den Schultern. „Ist mir auch egal. [Chrono Blades Excel Dragon] existiert seit vielen Jahren in meinem Kopf. Ich habe ihn selbst entworfen, damals, als ich und Abby an einem Zeichenwettbewerb teilgenommen haben. Zwar habe ich damals nicht gewonnen …“ Sie sah wieder auf ihre Duel Disk. „… aber er ist hier. Gekommen, um mich zu retten. Nur das zählt.“   Matthew Summers! Ich finde, wir sollten auch damit anfangen, uns mächtige Karten aus dem Arsch zu ziehen, wenn es drauf ankommt.   Anya bedachte den Schabenritter Thoras eines stechenden Seitenblicks. „Das habt ihr vor gar nicht allzu langer Zeit, 'Zitronenritter'!“   Sie will mich umbringen!   Kreischend kauerte der Immaterielle hinter Matt, der genervt stöhnte. Kali lachte, aber deutliche Verunsicherung klang dabei hindurch. „Das hast du also aus [Chrono Blades Dragon] gemacht, huh? Von mir aus. Damit werde ich auch fertig. Ich lasse mir meine Rache nicht noch einmal nehmen!“ Sie streckte die Hand aus. „Ich beende den Zug! Jetzt aktiviert sich der Effekt von [Celestial Gear – Synthetic Saga Griffon]. Ich habe ihn und [Celestial Gear – Synthetic Saga Phoenix] aus meinen Pendelzonen verbannt und nun kehren sie beide auf mein Blatt zurück!“ Während Kali jene beiden Monster aus ihrer Verbannungszone zog, meinte Anya: „Yeah, kann sein, aber in der End Phase aktiviert sich auch der Effekt von [Chrono Blades Excel Dragons] Hinterlassenschaft.“ Die Schwerter vor Kali begannen silbrig zu glühen. Dann schossen sie alle gleichzeitig Blitze auf die Kuttenträgerin ab, die schreiend getroffen wurde und auf die Knie sank. Dann zersprang eine der Klingen. „Ugh!“   [Anya: 1000LP / Kali: 800LP → 400LP]   Chrono Blade-Token x3 [ATK/100 DEF/0 (1)] (Kali)   „Während der End Phase erhält der Spieler, der gerade am Zug ist, 100 Schadenspunkte für jede Chrono Blade-Spielmarke, die er kontrolliert. Danach wird eine zerstört“, erklärte Anya. „Und wenn alle fort sind …“ „… verliert der Spieler das Duell“, schloss Kali verstimmt ab und erhob sich. Ein wissendes Grinsen huschte über Anyas Gesicht.   ~-~-~   Der schwarzhaarige Werwolf sah sein Gegenüber verwirrt an. Dann dämmert es ihm. „Flugzeug? Soll das heißen, der Absturz, das warst du!?“ Nur ein böses Lächeln huschte über Zachariahs Antlitz. „Ja.“ Fast nebensächlich schnippte er mit dem Finger. „Heileffekt von [Noble Arms – Caliburn]! Ich erhalte 500 Life Points!“ Das Schwert in der Scheide am Waffenrock Artorigus' begann zu leuchten. Ein grünlicher Funkenregen ergoss sich über Zachariah.   [Zanthe: 3900LP / Zachariah: 2900LP → 3400LP]   „Warum!?“, platzte es aus einem zutiefst schockierten Zanthe heraus. „So viele Menschen sind dadurch gestorben!“ „Na und?“ Er zuckte mit den Schultern. Eiskalt. Selbst der Werwolf, der sonst eine Menge ab konnte, spürte in diesem Moment eine ungekannte Übelkeit aufkeimen. Das war Anyas Bruder und er war ein Massenmörder! „Sind dir“, flüsterte Zanthe leise, „sind dir Menschenleben gar nichts wert …?“ „Sicher doch. Aber es war der einfachste Weg, euch loszuwerden. Dachte ich jedenfalls.“ Wieder zuckte der große Blonde mit den Schultern. „Wie seid ihr da bloß rausgekommen? Hat euch jemand gewarnt? Der Sammler vielleicht?“ Aber der Kopftuchträger zog es vor gar nicht erst zu antworten. Er wandte den Blick ab. „Tu nicht so scheinheilig. Du würdest dasselbe tun, wenn jemand dir Wichtiges so leiden muss.“ „Niemals!“, widersprach Zanthe aufgeregt. Und doch spürte er, dass ein Teil von ihm für Alessandro sehr viel weiter gehen würde als er es sich eingestand. „Das ist … hast du jemals darüber nachgedacht, wie sinnlos das alles war!?“ „Du meinst, weil der Sammler Anya einfach durch Kali oder sogar … hehe … jemand Drittes ersetzen kann, der die Conqueror's Soul besitzt? Bevor du fragst: Ich besitze sie nicht, was irgendwie schade ist. Egal.“ Zachariah schürzte die Lippen. „Jedenfalls hast du es wohl immer noch nicht kapiert. Ich wollte -deine- Anya vernichten, damit -meine- ihren Platz einnehmen kann. Und in einem Flugzeug sollte sie nicht entkommen können. Ich habe extra Sprengstoff verwendet, damit Levrier nichts bemerkt. Und trotzdem …“ Er sagte das auf eine Art und Weise, als würden sie sich über das Wetter unterhalten. Das war ein Psychopath, begriff Zanthe dadurch mit Schrecken. „Ich aktiviere den Effekt von [Artorigus, King Of The Noble Knights]! Im Austausch gegen eine Overlay Unit kann ich beliebig viele Zauber- und Fallenkarten zerstören, solange er mindestens ebenso viele Noble Arms ausgerüstet hat. Ich wähle dich“, meinte er und zeigte verschmitzt auf Zanthes gesetzte Karte. Dann auf das Schwert am Waffenrock seines Königs. „Und dich, [Noble Arms – Caliburn]!“ Jener streckte sein Excalibur in die Höhe und ließ es die verbliebene, um ihn kreisende Lichtkugel absorbieren.   Artorigus, King Of Noble Knights [ATK/3500 DEF/2000 {4} OLU: 1 → 0]   Im Anschluss schwang er das Schwert beidhändig aus, wobei nicht nur die Schwertscheide zerplatzte, sondern von Excalibur auch eine elektrische Schockwelle losgelassen wurde. Jene fegte über das Gras, an [Constellar Pleiades] vorbei und traf schließlich auf die gesetzte Karte vor Zanthe. Welcher gar nicht lange fackelte. „Dann aktiviere ich sie gleich! [Constellar Meteor], eine Falle!“ Die Falle klappte noch rechtzeitig auf, bevor sie von der Schockwelle zerrissen wurde. Plötzlich ging sein Sternenkundler in rötlicher Feueraura auf, so stark, dass man ihn kaum noch erkannte. „Wenn du in diesem Zug gegen Constellar-Monster kämpfst, werden deine Monster ins Deck zurückgeschickt!“ Zanthe atmete tief durch. „Selbst all die Schwerter und Schilde deines König Artus können diesen Effekt nicht abwehren.“ „Mag sein.“ Zach streckte die Hand aus. „Da [Destiny Arms – Caliburn] zerstört wurde, kann es sich einmal pro Zug an ein passendes Monster auf dem Feld ausrüsten.“ So wie die Schwertscheide am Waffenrock des brünetten Königs verschwunden war, so setzte sie sich aus dem Nichts wieder zusammen. „Und das heißt: Mehr Lebenspunkte für mich. Effekt von Caliburn!“ Wieder ergoss sich über Zachariah ein grüner Funkenregen.   [Zanthe: 3900LP / Zachariah: 3400LP → 3900LP]   Zanthe knirsche mit den Zähnen. Diese Strategie Zachariahs, sich dauernd zu heilen, war ihm nicht neu. Und das alles diente nur dazu, ihn daran zu hindern, zu Anya vorzudringen. Er sah am Bunker vorbei zu der riesigen Kreatur. Und erkannte mit Schrecken, dass sie zahllose Meteore beschworen hatte, die zwar noch weit oben am Firmament hingen, jedoch bald einschlagen würden. „Verdammt, ich muss hier weg!“, keuchte er zerknirscht. „Wozu die Eile? Ist doch ohnehin egal.“ Zachariah lachte auf einmal resignierend. „Früher oder später ereilt deine Freundin sowieso ein grausames Schicksal. Also lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“ Zanthe sah ihn mit geweiteten Augen an. Was war denn jetzt los!? „Alles was du tust, ist umsonst. Was ich tue ist umsonst. Was Anya tut ist umsonst. Wirklich alles.“ Zanthe schnappte zurück: „Was soll das jetzt heißen? Sind wir unter die Nihilisten gegangen oder was?“ „Nein“, erwiderte der große Blonde kühl, „nur, dass wir alle verdammt sind. Also was spielt es für eine Rolle, ob ich ein paar Menschen durch die Explosion getötet habe? Immerhin habe ich ihnen die Hölle erspart, die sich Zukunft nennt.“ Mit nervösem Blick auf die Feuerbälle, die es vom Himmel regnete, fragte Zanthe: „Hölle? Du hast sie direkt dorthin geschickt!“ „Ach wirklich? Da wäre ich mir nicht so sicher. Ihr wisst es nicht, aber wir haben einen Überläufer auf unserer Seite“, erklärte Zachariah, „ein ehemaliger Diener des Sammlers. Ein Schattengeist namens Orion.“ Der Name sagte Zanthe etwas. Anya hatte ihn ein oder zweimal erwähnt, als sie ihm während einer ihrer etwas geselligeren Stunden von ihren Abenteuern erzählt hatte. „Orion? Das war der Vorgänger von Kyon.“ Kyon … der Immaterielle, der den Körper seines Bruders Alessandro besetzte! Auch er war ein Diener des Sammlers. Und ebenso daran interessiert, diesen zu Fall zu bringen. „Genau der.“ Der Blonde nickte. „Viel weiß er nicht, aber das, was er uns sagen konnte, war gelinde gesagt erschreckend.“   Eigentlich hatte Zanthe keine Zeit für dieses Gespräch. Aber objektiv gesehen wusste er, dass er sowieso nicht rechtzeitig bei Anya sein würde. Und selbst wenn doch, was könnte er im Moment tun, um sie zu beschützen? Sie musste sich wohl oder übel selbst helfen. Vielleicht war Matt wenigstens bei ihr.   „Und das willst du mir wirklich erzählen?“, fragte der Werwolf schließlich und doch haftete sein Blick einzig an den herabfallenden Meteoren. Zachariah zuckte mit den Schultern. Anscheinend eine blöde Angewohnheit, so oft wie der das tat. „Vielleicht sorgt das für ein wenig Vernunft in eurer Chaostruppe. Eure Anya ist in wenigen Augenblicken Geschichte.“ Er grinste böse. „Wenn ihr wollt, könnt ihr ja Lady Gardenia dienen.“ „Das halte ich für unwahrscheinlich. Und damit meine ich nicht den Teil mit deiner Herrin.“ „Glaub was du willst. Jedenfalls hat sie mir keinen Maulkorb verpasst. Also: Der Verräter namens Orion. Lästige Kreatur. Aber er weiß ein paar Dinge. Zum Beispiel, dass es ein Phänomen namens 'Planet Eater' gibt.“ Zanthe hob die Augenbrauen an. „Planet … Eater?“ „Da ist der Name Programm. Und dieses Ding hat in wenigen Monaten diverse Welten zerstört. Der Sammler beobachtet es anscheinend. Und soll ich dir was sagen? Wir vermuten, dass der Planet Eater es auf diese Welt abgesehen hat.“ „Was ist das überhaupt?“ „Anscheinend selbst eine Art Himmelskörper. Sobald er nah genug an einen Planeten heran kommt, beginnt er seinen Äther zu absorbieren. Er verschlingt alles, bis nur noch ein lebloser Steinbrocken übrig bleibt.“ Zachariah schien das alles nicht wirklich zu kümmern. Vielleicht weil er nicht wirklich etwas vom Übernatürlichen verstand. Er ratterte einfach Fakten hinunter. „Allein seine Anwesenheit bringt Planeten aus ihrer Umlaufbahn. Kann man ihn mit bloßem Auge erkennen, ist es so oder so zu spät. Oder so ähnlich.“ „Und ihr denkt, der Sammler …?“ Da platzte Zachariah in schallendes Gelächter aus. „Der Sammler ist dafür verantwortlich? Mach dich nicht lächerlich! Das glauben vielleicht die Undying, aber denk doch mal genau nach! Der Sammler hat eurer Anya zwar geholfen, in den Turm von Neo Babylon zu gelangen, aber nie mit der Absicht das Tor Eden zu öffnen.“ Sein Gesicht wurde ernst. Er gestikulierte wild mit den Händen. „Soweit ich weiß, hat er doch sogar versucht, diese verrückte Immaterielle aufzuhalten, die nach dem Fall des Turms das Tor durch das Opfern von Livingtons Bewohnern öffnen wollte. Was glaubst du, war ihre Absicht dabei? Sie wollte den Planet Eater rufen!“ Auch davon hatte Anya ihm mal erzählt. Urila hieß sie, soweit sich Zanthe erinnern konnte. Abschließend meinte der große Blonde mit dem Goldkettchen um den Hals: „Der Sammler ist kein angenehmer Zeitgenosse, aber er braucht diese Welt für irgendetwas. Wenn der Planet Eater sie zerstört, würde er damit auch die Pläne des Sammlers durchkreuzen. Und niemand kann dieses Ding aufhalten, weder der Sammler noch die Undying.“   Wieso geschah da nichts, fragte sich Zanther derweil mit wachsender Panik. Inzwischen hatten die mindestens zwanzig Meteore den Himmel durchbrochen und flogen mit immer höherem Tempo ihrem Einschlagpunkt entgegen. Begleitet von einem lauter werdenden, pfeifenden Geräusch. Anya, wehr' dich endlich, fluchte er innerlich.   „Nette Geschichte“, presste Zanthe hervor, „angenommen das stimmt überhaupt, was der Schattengeist euch da erzählt. Er könnte genauso gut ein Doppelagent sein.“ Zach schmunzelte. „Lady Gardenia ist überzeugt davon, dass er die Wahrheit spricht. Ihr kann man nichts vormachen.“ „Aber ihr habt keine Beweise dafür, dass der Planet Eater wirklich auf die Erde Kurs genommen hat.“ „Der Sammler ist überzeugt davon, dass jemand ihn steuert. Es gibt ein System. Jede der bereits zerstörten Welten barg gewisse Besonderheiten. Die Welt der Immateriellen, Welten mit wirklich mächtigen Individuen …“ „Und was ist an dieser Welt so besonders?“ „Ein Hinweise darauf konnte Orion uns geben, wenn auch nicht mehr als das.“ Zanthe konnte seinen Blick für einen kurzen Moment von der riesigen Kreatur in der Ferne lösen und sah Zachariah in die blauen Augen. Welche funkelten. „Sprich!“ „'In dieser Welt existieren die Reste einer verbotenen Vergangenheit'.“ Der Blonde in Weiß zuckte mit den Schultern. „Das waren die Worte des Sammlers zum Schattengeist, der übrigens keinen Schimmer davon hat, was sein Meister überhaupt so ausheckt. Fast so als hätte der erwartet, irgendwann verraten zu werden.“ Damit hatte sich Zanthes nächste Frage wohl erübrigt.   „Aber jetzt wird es Zeit, dich endgültig-“, sprach Zachariah mit einem zuversichtlichen Lächeln auf den Lippen und zückte eine Karte. Doch als Zanthe aufschreckte, lag dies nicht an seinem Gegner. Grelles, hellblaues Licht strahlte von unterhalb der riesigen, gehörnten Kreatur in der Ferne hervor. Und jene begann zusammenzuschrumpfen. Auch Zachariah wirbelte um, blickte an dem Bunker vorbei. „Sag nicht-!“ Die flammenden Felsbrocken verschwanden jedoch ebenfalls, kurz bevor sie einschlagen konnten. „Sieht ganz so aus“, meinte Zanthe und atmete erleichtert auf. Manchmal war halt doch auf Anya Verlass, wie es schien. „Ugh! Wenn das so ist, sollte ich wohl gerade ganz woanders sein.“ Er wandte sich dem Werwolf wieder zu. Dann ging er auf ihn zu. „Und du auch.“ „Schätze schon.“ Der Schwarzhaarige mit dem Kopftuch schritt ihm entgegen. Als sie sich in der Mitte des Spielfelds trafen, sahen sie sich tief in die Augen. Zach meinte schließlich mit einem Grinsen: „Um deine Würde zu bewahren, biete ich dir einen Deal an. Wir einigen uns auf ein Unentschieden.“ „Netter Versuch. Dich hätte ich fertig gemacht.“ Beide schlugen trotz ihrer Feindseligkeit mit den Händen ein. Die Hologramme ihrer beiden Monster verschwanden.   [Zanthe: 3900LP → 0LP / Zachariah: 3900LP → 0LP]   „Glaub mir. Was immer da vorgeht“, sagte Anyas größerer Bruder und sah wieder zurück zu der Stelle, wo eben noch die riesige Kreatur gestanden hatte, „willst du nicht verpassen.“ Zanthe nickte. Und keine Sekunde später rannten beide in jene Richtung los, wobei es Zanthe mühelos gelang, seinen Widersacher abzuhängen.   Obwohl er sich nichts hatte anmerken lassen, war er ziemlich erstaunt von diesem Angebot gewesen. Und er begriff, dass dies wohl tatsächlich auf Bruderliebe beruhen musste. Zachariah wollte an Kalis Seite sein, nachdem ihr Sieg offensichtlich doch nicht so sicher war wie er dachte. Blieb nur zu hoffen, dass was immer Anya dort gelungen war, sie lange genug über Wasser halten würde. Vielleicht konnte er ihr irgendwie helfen!   ~-~-~   „Mein Zug! Draw!“ Anya riss eine Karte von ihrem Deck. „Zug beendet!“ „Was!?“, staunte Matt. Anya Bauer, bist du sicher!?   Auch Levrier wunderte sich über diese Ansage. Doch es war bereits zu spät, das Mädchen noch umzustimmen. Die vier Schwerter vor ihr leuchteten allesamt silbern auf und gaben zusammen einen gebündelten Stromschlag ab, der sie beinahe in die Knie zwang. „Kch! Am Ende des Zuges erhalte ich 100 Punkte Schaden für jede Chrono Blade, danach wird eine zerstört.“ Eine der Klingen zerplatzte. [Anya: 1000LP → 600LP / Kali: 400LP]   Chrono Blade-Token x3 [ATK/100 DEF/0 (1)] (Anya)   „Mein Zug! Draw!“, wiederholte Kali exakt dieselben Worte, die Anya zu Beginn ihrer Runde gesagt hatte und zog schwungvoll von ihrem Deck. Dann sah sie auf ihre rote V-Duel Disk. Die mittlere Zone war durch ein rotes Kreuz ausgeleuchtet, auf den anderen zeigten die eingebauten Minibildschirme die grau-umrahmten Spielmarken an. Kali blickte auf. „Die Chrono Blades haben Angriffspunkte.“ „Und?“ Anya kniff die Augen fest zusammen. „Der originale [Chrono Blades Dragon] hätte sie ohne Angriffspunkte beschworen.“ „Ich sagte bereits, dass ich seinen Effekt überdacht habe.“ Kali lachte böse. „Natürlich. Aber so ist das bei Fälschungen. Nah am Original, aber eben doch nur eine schlechte Kopie. Wenn diese Dinger tatsächlich angreifen können, könnte ich deine Schwerter damit locker zerstören. Also heißt das wohl, dass du gar nicht verlieren wirst, wenn das letzte Schwert verschwindet.“ Das angekettete Mädchen grinste. „Finde es doch heraus.“ „Warum sollte ich?“ „Weil dir die Zeit davon läuft. Noch zwei Züge und deine verbliebenen Chrono Blades nehmen dir die letzten Lebenspunkte. In diesem Zug 300, im nächsten dann 200. Ich dagegen halte länger durch.“ Anya verschränkte betonend die Arme. Aber ihre Erzfeindin grinste nur, zeigte eines ihrer Monster vor. „Mir ist schon bewusst, dass du mich auf diese Weise besiegen willst. Aber ich habe den Stufe 8-Saga Phoenix auf der Hand. Ich opfere zwei Spielmarken, bekomme etwas Schaden und am Ende des Zuges verschwindet dann die letzte. Problem gelöst.“ „Ach wirklich? Vielleicht fangen deine Probleme dann erst an?“ Anya schloss die Augen. „Etwas wird passieren, wenn alle Chrono Blades verschwinden. Du wirst verlieren.“ „Kch!“ Kali sah ihr Monster in der Hand angestrengt an.   Sie ist sich unsicher. Ihre Erinnerungen raten ihr, nicht leichtfertig mit den Klingen umzugehen. Aber sie weiß, dass sie dir vielleicht in die Hände spielt, wenn sie zu vorsichtig ist.   Levrier sah Anya an. Ebenso Thoras, der hinter Matt hervorlugte. Sie wüsste, was sie erwartet, wenn sie sich die Karteneffekte durchlesen würde.   „Dazu ist sie nicht der Typ.“ Der Dämonenjäger selbst grinste seine Freundin an. „Nicht, Anya?“ „Halt die Klappe.“ „Das habe ich bereits versucht“, gestand Kali schließlich und sah auf, „aber die Duel Disk kann die Daten nicht abrufen. Geschickt eingefädelt, Fälschung.“ Anya zuckte mit den Schultern. „Dafür kann ich nichts. Und selbst wenn, ändert es nichts am Ausgang des Duells. Also was wirst du tun, Kali? Auf deinen Untergang warten? Oder dein Schicksal selbst in die Hand nehmen?“ Eine Schweißperle rann der Kuttenträgerin über die Stirn. „Wer wird davon profitieren, wenn eine Seite seine Klingen – seine Zeit – verliert? Das ist das Konzept von Chrono Blades. Aber ich bin nicht so dumm zu glauben, dass du daran festgehalten hast.“ Sie nahm eine Karte aus ihrem Blatt. „Deshalb beschwöre ich in meine im letzten Zug frei gewordene Monsterzone [Celestial Gear – Synthetic Saga Griffon]!“ Vor ihr stiegen grelle, grüne Lichtkugeln auf. Sie bildeten einen dreidimensionalen Körper, indem sie zwischen sich etliche Verbindungslinien zeichneten. Es war der eines riesigen Greifs, der metallische Form annahm. Ganz aus Silber, waren seine Löwenpranken von grünen Streifen gekennzeichnet. Er brüllte schrill auf.   Celestial Gear – Synthetic Saga Griffon [ATK/800 DEF/2100 (4) PSC: <9/9>]   „Keine Tributbeschwörung?“, fragte Anya tonlos. „Wenn meine Theorie korrekt ist, dann wäre das für mich fatal.“ Kali streckte den Arm nach vorne aus. „Ich wechsle sämtliche Chrono Blades in den Angriffsmodus!“ Nacheinander schoben sich die drei Schwerter aus dem Boden und richteten sich auf, zielten auf Anya.   Chrono Blade-Token x3 [ATK/100 DEF/0 (1)] (Kali)   „Ich würde meinen Gegner dazu bringen zu denken, dass es eine Falle ist. Dass ich -will-, dass er meine eigenen Schwerter zerstört. Aber in Wirklichkeit will ich ihn davon abhalten. -Deswegen- haben die Klingen in deiner Version Angriffspunkte.“ Kali verschränkte die Arme, genau wie ihr Gegenüber. „Ich bin gespannt zu sehen, ob ich damit Recht habe! Meine Chrono Blades greifen deine an! Los!“ Nacheinander schossen ihre drei Schwerter auf Anya zu. Deren Waffen erhoben sich ebenfalls aus dem Beton und flogen den feindlichen Klingen entgegen. Es rasselte und klirrte nur so, doch am Ende zersprang ein Chrono Blade Anyas nach dem anderen. „Heh. Was nun?“, fragte Kali herausfordernd. „Nichts.“ „Dann hast du ein Problem! Denn wenn Saga Griffon angreift, fügt er Kampfschaden in Höhe seiner Verteidigung zu! Lo-!“ Aber da unterbrach sie ein lautes Dröhnen. Das nur von Anyas strengen Worten übertönt wurde, als diese sagte. „Mit nichts meine ich, dass sich nichts an meiner Haltung geändert hat, du hohle Nuss! Du irrst dich nämlich gewaltig! Wenn ein Spieler keine Chrono Blades mehr kontrolliert, kehren seine Monster zurück aufs Spielfeld! Zeig dich, [Chrono Blades Excel Dragon]!“ Der Ursprung des Lärms entpuppte sich als eine schwarze Zeit-Raum-Spalte, die vor dem Mädchen entstand und rasend schnell über sie hinaus wuchs. Aus ihr befreite sich durch das Auseinanderpressen der Öffnung niemand anderes als der dunkelgraue Drache, der brüllend zum Vorschein kam. Kaum war er seinem Gefängnis entflohen, positionierte er sich wieder über Anya.   Chrono Blades Excel Dragon [ATK/3000 DEF/2500 X8]   „Stopp!“, befahl Kali ihrem Mecha-Greif, der sich bereits auf ihre Widersacherin stürzen wollte. Sie lachte. „Oh, das ist alles? C'mon, ich hätte -wirklich- mehr erwartet.“ „Das ist mehr als genug“, war sich Anya sicher. Aber dann sah sie, wie ihre Feindin eine Faust ballte. „Elendes Miststück. Dir reicht es nicht, nur mein Leben zu stehlen. Dieser Drache war vor langer Zeit mein Traum. Ich wollte ihn als Karte sehen, eines Tages. Aber nicht -so-! Du hast das ganze Konzept mit deinem magischen Dreck durcheinander gebracht!“ Sie atmete schwer, presste die Luft aus den Nasenlöchern. „Dafür wirst du doppelt und dreifach bezahlen!“ „Ideen ändern sich mit der Zeit“, schritt Matt ein, „wer bist du zu bestimmen, was ihrer Fantasie entspringt?“ „Chrono Blades war meine Idee! Ich habe ihn damals erschaffen!“, fauchte Kali zurück. „Und nun … und nun ist er auf ihrer Seite! Und er ist genauso falsch wie sie!“ Anyas trockener Kommentar dazu lautete schlicht: „Shit happens.“ „Ich werde diese Missgeburt mit euch zusammen begraben! Das ist nicht -mein- Drache!“ Kali nahm eine ihrer beiden Handkarten. „Eine Karte verdeckt! Und ja, ich weiß, dass ich Schaden erleide!“ Tatsächlich bildete sich zwischen den drei aufrecht vor ihr schwebenden Schwertern eine silberne Entladung, die sie schließlich heimsuchte. „Argh!“ Dann zersprang wieder eines der Chrono Blades, während sich die gesetzte Karte zu ihren Füßen materialisierte.   [Anya: 600LP / Kali: 400LP → 100LP]   Chrono Blade-Token x2 [ATK/100 DEF/0 (1)] (Kali)   Trotzdem hielt sich Kali auf den Beinen. Keuchte: „Ich … bin noch nicht … am Ende …!“ „Aber fast“, sagte Matt ungewöhnlich hartherzig, „wenn ich das richtig verstehe, kehrt Tierra erst wieder, wenn die letzten beiden Schwerter verschwinden. Und die sind im Angriffsmodus!“ Jaha! Gefundenes Fressen, Maskenlady!   „Du sei still“, knurrte Kali Thoras genervt an. „Ausnahmsweise darfst du sprechen“, erlaubte Anya dem Immateriellen ihres Freundes mit gespielter Großzügigkeit, obschon diese nur dem Trotze entsprang.   Dann aber griff Anya nach ihrem Deck. Sie atmete auf. Diesmal hing nicht alles davon ab, was sie jetzt zog. Gar kein schlechtes Gefühl … Sicherheit. Aber woher kam es? Woher kam [Chrono Blades Excel Dragon] und was war er? Sie kannte diese Art von Monster gar nicht. Niemand hier tat das. „Was auch immer“, war ihre Anya-typische Reaktion darauf. Solange es ihr einen Vorteil verschaffte, war ihr das nur recht. So rief sie schließlich entschlossen: „Draw!“ Und zog mit Schwung ihre Karte. Kaum steckte diese zwischen ihren Fingern, streckte sie die Hand aus und erklärte konzentriert: „[Chrono Blades Excel Dragon] ist, wie Matt richtig sagte, die Entwicklung einer alten Idee. Und daher wirst du jetzt einen Effekt kennenlernen, der dir neu sein dürfte! Continuity Recreator!“ Schlagartig blieb der rotierende Ring aus Schwertern um ihren Drachen stehen, als hätte die Zeit angehalten. Kali keuchte. Besonders als das Biest seine beiden Hände zusammen klatschte und zwischen ihnen eine schwarze Energiekugel formte, die Lichtpartikel in sich hinein zog. „Das Monster in deinen Händen, [Celestial Gear – Synthetic Saga Phoenix]“, sprach Anya mit einer leisen Ahnung, „lass mich raten. Du kannst es während meines Zuges rufen, indem du Monster von deinem Feld opferst?“ „Woher-!?“ „Intuition. Heh. Ich bin doch deine 'Kopie'“, knurrte Anya verbittert, „oder soll es zumindest sein. Und -ich- würde nie so schwache Monster im Angriffsmodus lassen, wenn ich nicht genau weiß, wie ich sie schützen soll. Deine Falle ist nur ein Bluff. Die wahre Gefahr ist in deiner Hand, dort, wo es schwer ist sie vorzeitig auszuschalten!“ Während sie ihre Ausführungen darlegte, wuchs die Kugel in den Händen ihres Drachen langsam. „Aber ich fürchte, du hast die Rechnung ohne den Wirt gemacht“, schrie Anya mit einem Mal los, „denn der Continuity Recreator zerstört dein gesamtes Spielfeld, wenn du noch Chrono Blades besitzt! Los!“ Ein immer lauter werdendes Dröhnen erklang. Die Schwerter, die um ihren Drachen schwebten, flogen nacheinander eigenständig in die Sphäre, welche über den Kopf gehievt und schließlich auf Kali geworfen wurde. Im Flug wuchs sie dabei noch weiter. „Verdammter Kackmist!“, entfleuchte es der Anya in Schwarz hysterisch, bevor sie in einer gewaltigen, finsteren Explosion unterging. Doch plötzlich rief Matt alarmiert dazwischen: „Warte, Anya! War das nicht ein Fehler!?“ Sie hat Recht! Ohne die Chrono Blades …!   Doch Thoras' Panikmache wurde unlängst von Kalis Gelächter übertönt. Der Rauch legte sich. Ihr Feld war leer, doch mit einem Mal tat sich vor ihr ein Riss im Raum-Zeit-Gefüge auf. Welcher nach oben durch das Loch in der Decke schoss und sich immer mehr ausdehnte. Dann bebte die Erde. „Yeah, du hast meinen Plan zunichte gemacht. Aber wie Summers richtig festgestellt hat“, gurrte Kali genüsslich, „hast du damit [Tierra, Source Of Destruction] aus der Verbannung geholt. Danke.“ Dann materialisierte sich vor ihr ein Bein der riesigen Gestalt mit dem langen Schweif. Lichterloh brannte der gehörnte Helm der Kreatur, die sich vor beugte und in das Loch hinab starrte.   Tierra, Source Of Destruction [ATK/3400 DEF/3600 (11)] Chrono Blades Excel Dragon [ATK/0 DEF/2500 X8]   Matt fiel als Erster auf, dass der Drache über Anya plötzlich die Arme und das Haupt hängen ließ. „Anya, dein Chrono Blades, er-!“ „-ist vom Effekt von [Rust Gear] getroffen wurden“, beendete Kali den Satz für ihn. Tatsächlich steckte im Rücken des dunkelgrauen Monstrums ein verrostetes, großes Zahnrad. „Du hast meinen Schnellzauber durch einen Karteneffekt zerstört, also kann ich die Angriffskraft deines Monsters zu 0 werden lassen.“ Kali grinste fies. „Ziemlich praktisch, zumal ich mir schon gedacht habe, dass du irgendeinen Bullshit verzapfen wirst.“ „Spielt keine Rolle“; kam es tonlos zurück. Kali weitete die Augen. „Huh!?“ „Ihr habe es dir bereits einmal gesagt: Chrono Blades hat sich entwickelt. Ich habe mich entwickelt“, sagte Anya energisch und schwang den Arm aus, „damals war er dazu da, der ultimative Finisher zu sein! Aber mein Deck ist längst keine Solo-Show für ein bestimmtes Monster mehr!“ Anya Bauer, wovon redest du?   Der durchsichtige Levrier sah sie fragend von der Seite an. Anya bedachte dies mit einem zuversichtlichen Lächeln. „Dass ich aus meinen Fehlern gelernt habe. Alle Karten in meinem Deck sind dazu da, zusammenzuarbeiten.“ Sie richtete sich an Kali. „Und deshalb ist es nicht er, der dir den Gnadenstoß versetzt, Miststück! Ich aktiviere den letzten Effekt von [Chrono Blades Excel Dragon]! Wenn er Continuity Recreator benutzt hat, kann er im Anschluss auch seinen letzten Effekt aktivieren! Hourglass Portal!“ Brüllend bäumte ihr Drache sich auf. Der weiße Bauch in Form einer Sanduhr begann golden zu leuchten, blendete Kali. Welche da schrie: „Willst du mich verarschen!?“ „Ich will es beenden!“, stellte Anya klar. „Ich weiß nicht mehr, was wahr ist oder nicht! Ob ich die Fälschung bin oder du! Aber in diesem Universum ist nur Platz für eine von uns, so viel steht schon mal fest! Und das werde ich sein!“ Matt schreckte bei der aggressiven Wortwahl seiner Freundin auf. „Anya! Sag nicht, du willst-!?“ Gleichzeitig aber wurde ihr Drache bereits in das Licht gezogen, dass er selbst erzeugt hatte. Welches ein Tor in Form der Sanduhr bildete, welches hinab vor Anya schwebte und sich dort zu einem Loch ausweitete. Sie erklärte: „Indem ich Chrono Blades und eine meiner Handkarten verbanne, kann ich ein Monster von meinem Deck, Extradeck, Friedhof oder von meiner Hand beschwören, solange es wenigstens einmal zuvor in diesem Duell ausgespielt wurde!“ Die Blonde streckte die Hand aus. Dabei sah sie aus den Augenwinkeln Levrier an. „Vielleicht nächstes Mal, 'kay? Und jetzt erscheine, [Gem-Eyes Value Dragon]!“ Welcher bereits auf ihrem Blatt verweilte, weshalb sie ihn nur noch auf die Duel Disk klatschen musste. Schon schoss der Drache in goldener Rüstung aus dem Portal hervor und breitete brüllend seine insgesamt sechs Tragflächen-artigen Schwingen aus.   Gem-Eyes Value Dragon [ATK/2400 DEF/2000 (7) PSC: <5/5>]   Kali stammelte: „W-warum er!? Er kann Tierra nicht besiegen!“ „Aber er kann dich besiegen“, knurrte Anya hasserfüllt. Sie streckte den Arm aus. „Typenwechsel, Sight Transition! Werde zu einem Pyro-Monster!“ Die vierfarbigen Scheiben am Helm ihrer Kreatur begannen sich rapide zu drehen, bis die roten Segmente vor seinen Augen anhielten und sich wie eine Brille vor seine Augen klappten. Kurz darauf durchzogen rote Energielinien seine Rüstung, seine Schwingen gingen in Flammen auf. Das Mädchen spreizte die Finger ihrer nach vorne gerichteten Hand. „Solange er die Kraft des Feuers in sich trägt, kann er einmal pro Zug 500 Punkte Schaden zufügen. Und jetzt sag gefälligst die Wahrheit! Wer ist die echte Anya Bauer! Du? Oder ich!?“ Ihre Widersacherin weitete vor Angst die Augen, ihre Lippen zitterten. Aber sie fasste sich trotz ihrer scheinbar aussichtslosen Lage und knurrte: „Was denkst du wohl?“ „Ich“, und Anya biss die Zähne zusammen, ehe sie weitersprach, „weiß es nicht.“ „Frag den Sammler. Er kennt die Wahrheit“, war alles, was Kali ihr noch zu sagen hatte. „Vielleicht werde ich das. Aber das wirst du nicht mehr erleben! [Gem-Eyes Value Dragon], vernichte ihre verbliebenen Lebenspunkte durch deinen Effekt!“   Gerade als sie zum Befehl ansetzte, hörte sie jemanden ihren Namen rufen. „Anya! Bist du ok!?“ Es kam von oben. Alle fünf blickten auf, als Zanthe an den Rand des Loches in der Decke geschlittert kam, wodurch ein wenig Schutt hinab bröckelte. „Whoa!“ Beim Anblick Kalis verschlug es ihm für einen Moment die Sprache, bis er schließlich fassungslos flüsterte: „Also ist es wahr?“ „Diese Tratschtante von Zach“, knurrte Kali, die sofort begriff. Als wäre das sein Stichwort, tauchte der großgewachsene Blonde neben Zanthe auf. „Was zur Hölle machst du da, Anya!?“ „Sie besiegen!“, knurrte die, die damit eigentlich nicht gefragt war. Und wandte sich an Kali. „Friss das! Ruby Flare!“ „Warte!“, schrien Zanthe und Zachariah da im Einklang. Dazu war es allerdings zu spät. Der goldene Drache öffnete sein Maul und spie eine dunkelrote, schimmernde Stichflamme über das Feld. Erschrocken sprangen die beiden Neuankömmlinge den Hang hinab. Und während der Werwolf elegant in der Hocke landete und sogleich auf die Beine kam, stürzte der Blonde vorne über, keuchte vor Schmerz auf. Kali ihrerseits biss sich auf die Lippe dass es blutete, ehe sie mitten in die Brust getroffen wurde. Die Wucht des Angriffs schleuderte sie zurück und noch während sie davon flog, rannen Tränen aus ihren Augen. Sie wimmerte: „Warum … warum kann ich nicht gewinnen?“   [Anya: 600LP / Kali: 100LP → 0LP]   Dann prallte sie auf den Rücken und spuckte dabei Blut aus, schlitterte im Anschluss ein ganzes Ende bis zum Pfeiler, vor dem sie wenige Zentimeter entfernt liegen blieb. Mit letzter Kraft erhob sie den Oberkörper, kroch näher ran und lehnte sich an ihn. „Dafür … wirst du …“ Weiter kam sie nicht. Die Lider schlossen sich, ihr Kopf kippte zur Seite. Anya keuchte schwer. „Das hast du nun davon.“ „Anya!“, schrie Zachariah und erhob sich, doch strauchelte und fiel wieder auf alle Viere. Anscheinend musste er sich den Knöchel verstaucht haben. Ächzend begann er zu dem bewusstlosen Mädchen zu robben. Doch die 'andere' Anya würde das nicht zulassen. Nochmal entkam ihr dieses Miststück nicht! So ließ sie in ihrer rechten Hand den weiß-goldenen Speer erscheinen und holte zum Wurf aus. „Was machst du da!?“ Zanthe blieb vor Schreck auf halbem Weg zu ihr stehen. Auch Matt stieß alarmiert hervor: „Anya, willst du sie etwa umbringen!?“ „Sie hat es provoziert!“, fauchte die, doch bevor sie Angel Wing werfen konnte, packte der Dämonenjäger sie am Handgelenk. „Lass mich los, Summers!“ Die Blonde fackelte gar nicht lange und stieß ihm mit der anderen Hand gegen den Oberkörper und das mit so viel Kraft, dass er einen Schritt zurückgeworfen wurde. „Ah!“ Sofort wirbelte Anya wieder herum und holte erneut weit aus. Zachariah war noch zu weit entfernt, um sie beschützen zu können. Nicht so wie letztes Mal, als er ihr im Ephemeria Bridge Stadium in die Quere gekommen war. Das Mädchen ließ ihren linken Fuß nach vorne rutschen und schleuderte den Speer in Kalis Richtung. Nichts als Hass und Verzweiflung flackerte in ihren Augen auf. Geradewegs flog der Speer auf Kali zu und hatte sie fast erreicht, als er an einer unsichtbaren Barriere abprallte. Klirrend überschlug er sich meterweit und blieb schließlich liegen. Zeitgleich verformte sich die unmittelbare Umgebung von Zachariah und Kali, goldene Streifen durchzogen plötzlich den Beton, der begann weiß zu werden. Und aus dem Nichts trat eine brünette Frau in weißer Robe und grauem Mantel vor das bewusstlose Mädchen. Die Hälfte des Raums hatte sich völlig gewandelt, strahlte förmlich in endlosem Weiß. „Du!“, presste Anya zornig hervor. Alles vor ihren Augen verschwamm langsam. Ihr stand der Mund offen beim Anblick der Weißen Hexe. „Uh!“ Dann kippte sie rücklings um und konnte gerade noch so von Matt aufgefangen werden, der unter ihrer Last in die Knie ging. „Anya!“ In dem Moment schlitterte Zanthe über den Boden an ihre Seite und rappelte sich sofort auf, um sie von hinten zu stützen. „Hey Schneewittchen, dein Nickerchen kommt ein -wenig- ungelegen!“ Sie muss all ihre Kräfte verbraucht haben.   Thoras trockene Feststellung wandelte sich jedoch in heimtückische Überlegenheit. Los, du hast jetzt zwei Möglichkeiten, Matthew Summers: Entweder du killst sie. Oder du küsst sie wach. Beides hat seinen Reiz …   „Ist das …?“, staunte Zanthe beim Anblick des Schabenritters neben Matt. Dann grinste er über beide Backen. „Oh, ich glaube, den mag ich jetzt schon.“ „Habt ihr sie noch alle!?“, fuhr Matt beide an und deutete auf Gardenia. „Wisst ihr überhaupt, wer das da ist!?“ „Anscheinend nicht“, sprach die brünette Hexe mit einem belustigten Unterton. Daher streckte sie den Arm vor sich aus, als wolle sie sich verneigen. Was sie aber nicht tat. „Mein Name ist Gardenia, doch ich bin den meisten eher bekannt als Weiße Hexe oder Die Gelehrte.“ Matt presste aufgewühlt hervor: „Und jetzt bist du hier, um Kalis Werk zu vollenden?“ „In der Tat. Ich kann ihr Leid nicht länger mitansehen.“ Die Frau in weißer Robe und grauem Umhang streckte ihre Hand aus. „Vergebt mir, aber ich muss euch eure Freundin entreißen.“ Um ihre Finger begannen rötliche Flammen zu tanzen.   ~-~-~   Velvet war so tief versunken in ihre Hausaufgaben, dass sie gar nicht merkte, wie ihre Brille bereits auf die Spitze ihrer Nase gerutscht war. Und als es dann noch lautstark an der Tür des schwarzhaarigen Mädchens klopfte, fiel die Sehhilfe endgültig auf ihren Notizblock. „J-ja?“, schreckte sie auf und drehte sich mit ihrem Stuhl um. Die Tür flog auf und ihr zwölfjähriger Bruder Axel stand da. Mit einem weißen Schnurlostelefon in der Hand. Und wenn er sich ansonsten wenig für seine Mitmenschen interessierte, sah er seine Schwester mit einer gewissen Bewunderung an. „Velvet, Henry Ford ist am Telefon. Und er will -dich- sprechen!“ „O-oh!“ Sofort sprang sie auf und eilte zu ihm, doch als sie nach dem Hörer griff, wich Axel zurück. Hinter ihm tauchte Sammy mit wedelndem Schwanz auf, doch der Junge mit dem zu Spitzen gegelten Haar trat nach dem Golden Retriever. „Hau ab!“ „Wie oft muss ich dir noch sagen“, fauchte Velvet ihn daraufhin an und riss ihm in für sie äußerst untypischer Manier das Telefon aus der Hand, „du sollst ihn nicht so behandeln!“ Als hätte er sie jedoch gar nicht gehört, fragte Axel: „Ist das wirklich der echte Henry Ford von der AFC? Nie im Leben, oder? Der würde sich niemals für jemanden wie dich interessieren!“ „R-raus!“, stotterte Velvet getroffen und verscheuchte ihren pubertierenden, bösartig lachenden Bruder mit einer Handbewegung. Der ließ zum Schluss noch die Tür krachen.   Kaum war Velvet allein, legte sie den Hörer ans Ohr. „J-ja?“ „Was ist denn da los?“, fragte Henry am anderen Ende der Leitung halb belustigt, halb erschrocken. „N-nichts. Mein Bruder war nur frech.“ „Haha. Das kenn' ich irgendwoher.“ Dann nahm seine Stimme einen ernsten Unterton an. „Ich rufe dich an, weil ich dir ausrichten soll, dass Melinda inzwischen aus dem Koma erwacht ist.“ Es war, als würde der Mount Everest von Velvets Herzen fallen. Sie schritt langsam durch ihr Zimmer zu ihrem Bett am Ende und setzte sich auf dessen Kante. Sammy folgte ihr und machte vor ihren Füßen Platz. „D-das ist großartig! Geht es ihr gut!? Kann ich sie sprechen!?“ „Sie ist noch etwas benommen und desorientiert, aber das wird schon.“ „Es .. es tut mir so leid. Wenn ich nicht-“ Henry stöhnte. „Bitte nicht das schon wieder. Es war nicht deine Schuld.“ Trotzdem standen dem Mädchen die Tränen in den Augen. Sie bemerkte gar nicht, dass Sammy neugierig an ihr vorbei schaute und unter das Bett lugte. „Okay“, nickte sie und spielte nervös mit ihrem zur Rechten zusammengebundenen Haar, zwirbelte eine Strähne um ihren Finger, „können Sie ihr bitte ausrichten, dass sie mich anrufen soll, sobald es ihr möglich ist?“ „Natürlich. Geht es dir denn gut?“ „J-ja.“ Skeptisch fragte er: „Es ist seitdem nichts Ungewöhnliches mehr passiert?“ „Nein“, sprach sie wahrheitsgemäß, „alles in Ordnung.“ „Ich weiß, du hörst das nicht gern, aber ich kann dir helfen, Velvet. Dich an einen sicheren Ort bringen.“ Deutlicher Verdruss schwang in seiner Stimme mit. „Glaub mir, ich weiß wie es ist, wenn man Dinge erlebt, die man nicht erklären kann. Du solltest-“ Aber da schnitt Velvet ihm heiser ins Wort. „I-ich wurde gerade gerufen. Sorry! Aber danke für das Angebot und den Anruf. Bye!“ Panisch legte sie auf und schmiss den Hörer auf die Bettdecke, ehe er sich überhaupt verabschieden konnte.   Panik stieg in ihr auf. Sie durfte ihnen nichts von ihren Kräften erzählen, es war zu gefährlich. Einen sicheren Ort gab es sowieso nicht für sie, diese Organisation fand sie überall. Aber vielleicht hatte Henry ja Recht damit, dass sie fort musste? Allein um ihre Familie zu schützen. Aber davor hatte sie genauso große Angst. Wohin sollte sie gehen? Hier hatte sie wenigstens ihre Freunde, aber auch die schwebten in Gefahr, wenn diese Männer wiederkamen.   Aus ihren deprimierenden Gedanken wurde sie unlängst gerissen, als Sammy damit begann unter ihrem Bett zu schnüffeln. „Hey! Was machst du da?“ Er sah zu ihr auf und bellte. Dann versuchte er, sich unter den Spalt zu zwängen, kam jedoch nur mit dem Kopf durch. Und bellte weiter. „Sammy!“ Aber er hörte nicht auf. Schließlich packte Velvet ihn an seinem Halsband und zerrte ihn von ihrem Bett weg, während er immer weiter bellte. „Du lässt mir keine Wahl!“ Prompt zerrte sie ihn zur Tür und buchsierte ihn aus dem Zimmer. Kaum hatte sie die Tür geschlossen, hörte sie ihn dahinter winseln. „Was ist bloß mit dir?“ Dass tatsächlich zwei weiß leuchtende, ovale Augen unter ihrem Bett lungerten, war ihr nicht aufgefallen. Welche sofort verschwanden, als das Mädchen sich seufzend umdrehte.     Turn 103 – A Minor Inconvenience Die Begegnung mit Gardenia nimmt einen unerwarteten Verlauf, als auch auf Anyas Seite ein unerwarteter Besucher auftaucht. So wird kurzerhand aus dem Kampf um das Existenzrecht zweier Mädchen ein verdrehter Stellvertreterkrieg. Anderenorts ist Zoey es endgültig leid, wie ein rohes Ei behandelt zu werden und … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)