Kalendertage von sakemaki (Der Tag, an ...) ================================================================================ Kapitel 7: 7 – Der Tag, an dem die Feuerblumen blühten ------------------------------------------------------ Mit der Jahreszeit Sommer sollte man schöne Dinge assoziieren: Wärme, Strand, Urlaub, Baden, Eis essen, lange Abende im Sonnenuntergang. Für Yuuki und mich wurde es immer mehr zum Tal der Tränen. Er litt sehr darunter, dass Inu sich nun seit zwei Wochen nicht mehr gemeldet hatte. Stets bettelte er, ich solle ihm doch mal eine Nachricht tippen. Einmal sprach er sogar selber eine verzweifelte Nachricht auf. Doch der graue Punkt neben Inus Profilnamen wurde einfach nicht grün. Inu hatte es also noch nicht von Nöten gehalten, es einmal zu lesen oder abzuhören. Es herrschte eine absolute Funkstille, die uns unerträglich schien. Da war es wieder: Mein Problem mit den Ninjas: Ewigkeiten fern von daheim und immer ungewiss, ob sie lebendig oder tot wären. Natürlich versuchte ich da auf ganz nüchterne Art und Weise meinem Sohn klar zu machen, dass Shinobi nunmal auf zugeteilte Missionen zu gehen pflegten, weil sie damit ihr Geld verdienten. Das könnte manchmal wochen- oder gar monatelang dauern. Und natürlich lief da alles unter strengster Geheimhaltung ab. Man wüsste nie, wo sie sich herumtreiben würden. Da war es doch klar, dass Inu sein Handy nicht eingeschaltet hatte. Vielleicht flog das sogar bei ihm daheim herum, wo immer das auch sein mochte. Oder verstaubte in seinem Arbeitsspind, sofern er denn einen hätte. So logisch das auch alles klang, keiner von uns beiden mochte sich damit anfreunden, dass Inu einfach so vom Erdboden verschluckt war. Keiner mehr, der unverschämt auf dem Fensterbrett mitten in der Nacht hockte und mir den Schlaf raubte. Keiner mehr, der hier literweise Kaffee soff und sich trotz Koffeins bewegte wie eine Schlaftablette. Keiner mehr, der Misosuppe inhalierte, als gäbe es keinen Morgen mehr. Keiner mehr, der meinem Sohn eine große Freude bereitete, indem er dessen Interessen teilte und unterstützte. Es war einfach nur grausam. Die familiäre Stimmung war komplett am Boden. Nicht mal das anstehende Hana-Bi konnte uns vom Frust ablenken. Und mit solch einer Laune wie Sieben-Tage-Regenwetter zog ich durch die Einkaufsstraßen. Yuuki war mit einer befreundeten Familie zum Badesee marschiert. Den würde ich erst gegen Abend wiedersehen. Also genoss ich zur Abwechselung mal einen kinder- und arbeitsfreien Tag. Frustshoppen könnte mich auf andere Gedanken bringen. Außerdem interessierte es mich, was gerade in den Bekleidungsläden über die Verkaufstresen ging. Viele Hausfrauen schneiderten noch selber. Aus den Schaufenstern lachten mich große Blumenmuster in Rottönen an. Die Muster gefielen mir sehr, zumal ich sofort sah, dass diese Stoffe zum Großteil aus meinem Kontor bezogen wurden. Ja, da hatte mein Geschäftsfrauenherz wieder alles richtig gemacht und die Zentrale in meiner Heimat konnte stolz auf die guten Umsätze und mein Einkaufsgeschick sein. Dunkel erinnerte ich mich aber auch an eine Saison, in der ich total danebenlag und die falsche Auswahl getroffen hatte. Das gab neben großen, finanziellen Verlusten auch großen Ärger. Nur um Haaresbreite und einer sehr guten Notlösung, um die Verluste wieder auszugleichen, entging ich einem Rausschmiss. Daraus hatte ich gelernt und schaute lieber mehrmals prüfend auf Angebote, bevor ich im richtigen Moment zuschlug. Ich war tatsächlich wieder gut gelaunt, vergaß für den Nachmittag Inu und meinen Kummer, ihn so sehr zu vermissen und beschloss, mir eine neue Yukata schneidern zu lassen. Diese würde zwar nicht rechtzeitig zum Feuerwerksfest fertig werden, war das Fest doch schon heute Abend, doch man könnte sie auch zu anderen Gelegenheiten tragen. Also ging es von den überfüllten Einkaufsstraßen hinweg in die kleinen Nebengassen, wo die Gebäude nicht solch moderne Glastempel, sondern noch hübsche Holzhäuser waren. Es war erstaunlich wie harmonisch sie wirkten, als hätten sie schon immer hier gestanden und Jahrzehnte überdauert. Aber ein jeder wusste ja, dass Konoha erst vor wenigen Jahren komplett neu wieder aufgebaut worden war und die Häuser demnach auch nicht älter sein konnten, als sie aussahen. In einem dieser Häuser wohnte eine alte Schneiderin mit ihren fleißigen Helferinnen. Wenn man jemandem Stoff anvertrauen sollte, dann genau dieser Schneiderwerkstatt. Die Schnitte waren perfekt gewählt. Es wurde kein Millimeter Stoff verschwendet. Die Näharbeiten und Stickereien strahlten nur so vor der Liebe zum Detail. Die Werkstatt hatte stattliche Preise, doch jeder Taler war es wert, hiergelassen zu werden. Und hier wurde auch nur die allerbeste Qualität ausgewählt und verarbeitet. Ich konnte mich entsinnen, dass die alte Schneiderin bei mir vor einigen Tagen eine dringende Eillieferung geordert hatte: Crepe de Chine Seide, naturbelassen, nicht vorgefärbt. Ich selbst hatte diesen Ballen vorbeigebracht, war er doch ein halbes Vermögen wert. Um die Seide nicht zu schädigen, hatte ich extra Handschuhe getragen. Trotzdem glitt sie so sanft durch die behandschuhten Finger wie eine Daunenfeder. So leicht wie eine Schneeflocke. Ein wunderschöner Stoff. Als ich die Haustür zur Seite schob, wurde ich Ohrenzeuge eines Gesprächs, welches ich erst nicht zuordnen konnte. Doch ich erkannte glasklar die krächzende Stimme der Alten, wie sie jemanden tadelte. Sie tadelte eigentlich immer irgendjemanden. Daher durfte man das nicht so ernst nehmen, wenn sie einen mit einer härteren Tonlage ansprach. Es war nichts ungewöhnliches. Und der Getadelte tat gut daran, auch keine Widerworte zu geben. So kam man am Besten mit ihr aus. Und so war es auch in diesem Falle. „... und dass er mir nicht wieder irgendwo hängen bleibt mit dem Mantel. Ich musste die gesamte Ärmelrückseite heraustrennen und neu einnähen. Sag' ihm das!“, ertönte ihr alte zittrige Krähenstimme, die keine Widerworte erlaubte. Ohje, wenn sie ihr armes Opfer schon duzte, dann musste das zu reparierende Kleidungsstück wirklich einen ziemlichen Flurschaden inne gehabt haben. „Vielen Dank für die sorgfältige Arbeit! Ich werde es ihm ausrichten.“, war die demütige, aber schlaue Antwort. Dann raschelte es. Stoff wurde ordentlich zusammengelegt und in eine Tüte verpackt. Dann näherten sich Schritte aus dem Schneiderraum zum Empfangszimmer, in dem ich gerade meinen Straßenschuhen auszog, um mit meinen Füßen dann in die Gästehausschuhe zu schlüpfen. Also sah ich erst nur aus den Augenwinkeln, dass die getadelte Person die üblichen Beinkleider eines Shinobis trug und sich anschickte, seine Füße hastig, aber gekonnt in die Ninjastiefel zu zwängen. Die Tüte samt repariertem Stück Stoff hatte er sorgsam auf der Eingangsschwelle abgelegt. Meine Augen blieben daran hängen, denn ich erkannte den Stoff sofort: Crepe de Chine. Das war doch mein Stoff … Und dann machte es erst Klick in meinem Kopf. Fast schon ein bisschen zu spät, denn als ich mich aufrichtete, war der Ninja schon fast aus der Tür raus. Natürlich, Crepe de Chine Seide! Der Hokagemantel! Und den Abholer hatte ich auch schon zweimal in meinem eintönigen Leben getroffen. Der ANBU mit der Katzenmaske, welcher auf dem Dach Tee getrunken und bei Yuukis erstem Training neben mir gesessen hatte. Der Typ, der Holz wachsen lassen konnte. Es brannte eine Frage ganz tief in mir, die ich jetzt oder nie stellen musste, denn die Chance war günstig, obgleich ich mit einer Antwort nicht rechnen durfte. „Warte...“, rief ich ihm leise nach, denn er war schon dabei, die Tür von außen zu schließen. Perplex sah ich, wie die Tür sich wieder öffnete und ein erstauntes Gesicht herein lugte. Der hatte ja verdammt gute Ohren, wenn er mich noch gehört hatte! Und als ich ihm dann ins Gesicht blickte, wusste ich, dass es keine Verwechselung gab. Das kurze braune Haare, die großen schwarzen Augen und das Stirnband, an welchem der Stirnprotektor bis über die Wangen reichte. Innerlich seufzte ich, dass ich für diesen Typen auch keinen Namen hatte. Wenigsten konnte er sich an mich erinnern, denn er musterte mich eine Sekunde lang und hatte dann ein angehendes Lächeln im Gesicht, wie er mich grüßte. „Ich weiß, dass ich wohl keine Auskunft bekomme.“, begann ich meine Bitte und spürte, wie ich im Gesicht errötete. „Aber Inu hat sich schon seit gut zwei Wochen nicht gemeldet. Auch wegen des Trainings. Wie geht es ihm?“, stotterte ich mir zurecht und fand, dass ich total bescheuert klang. „Inu?“ Zwei schwarze Augen guckten mich verwirrt an. War ja auch klar, die Ninja-Bande wusste, wie sie untereinander mit Vornamen hießen. Ich hatte mir ja Namen für die beiden ausdenken müssen. Meine Dummheit, von ihm hellseherische Fähigkeiten zu erwarten. Also musste ich es kurz erklären. „Tut mir leid. Ich habe euch nach euren Masken benannt.“ Aus einem verwirrten Blick wurde ein verdutzter. Dann lachte er kurz auf und starrte mich dann plötzlich an, als würden sämtliche Kronleuchter über seinem Kopf hell erstrahlen. Da war in diesem Augenblick bei ihm ein besonders großer Groschen gefallen. Es schien mir aber, dass es nicht allein darum ging zu wissen, wer denn nun Inu war, sondern da hing noch eine ganz andere Geschichte dran, die ich einfach nicht kapierte. Ich hatte ein Déjà-vu wie ich neulich im Hokageturm auch eine Sache nicht kapiert hatte. Und obwohl mein Bauchgefühl rebellierte, ich müsste wachsamer sein, konnte ich den Sachzusammenhang noch nicht einmal greifbar machen. Da zog ein Handlungsstrang parallel an mir vorüber, dessen Teil ich war und es nicht wusste. Vielleicht bildete ich mir so etwas Aberwitziges auch nur ein, aber die Antwort, die ich dann bekam, brachte mich völlig aus der Bahn. Der ANBU überlegte kurz, grinste dann in sich hinein und sprach zu mir: „Oh, ich denke, dem geht es eigentlich blendend. Da werde ich dem mal dezent auf die Füße treten.“ Dann ließ er sich entschuldigen, verabschiedete sich höflich und verschwand mit dem Hokagemantelpäkchen unter dem Arm in den Gassen Konohas. Ich starrte noch hinterher und hätte wohl den halben Tag gestarrt, hätte sich eine Schneidergehilfin nicht nach meinem Anliegen erkundigt. „Sagen Sie, wie hieß gerade der Herr mit dem Paket unter dem Arm? Ich habe gesehen, meine Seide wurde vorzüglichst verarbeitet.“ „Das war General Yamato. Er leitet im Namen des Hokagen die ANBU-Einheit.“, erklärte mir die Helferin freundlichst und bat mich dann herein. YEESS!! Ich hatte einen Namen! Den würde ich ganz tief in meinen Hirnwindungen parken. Bloß nicht vergessen! Das könnte mal irgendwann von Nutzen sein. Und dann war es mir auch klar, warum Yamato Inu auf die Füße treten konnte, wenn er dessen Vorgesetzte war. Allerdings störte es das Gesamtbild, dass bei den beiden Heimsuchungen, bei denen Yamato einmal draußen auf dem Dach und dann ein weiteres Mal neben mir auf der Bank saß, er nicht den Eindruck bei mir hinterlassen hatte, er wäre ranghöher als Inu. Alles sehr verzwickt und sehr verwirrend. Argh, was schnallte ich denn an der Geschichte nicht? Ich grübelte und grübelte und hätte beinah verpasst, was die Schneidergehilfin mir für wunderschöne Yukata auf dem großen Präsentiertisch vorlegte. Es gab nämlich zwei Anfertigungen, die aber von der Kundschaft nicht abgeholt, sondern der Auftrag insgesamt storniert worden war. Und ich hätte das unheimliche Glück, da ich hier als gute Geschäftspartnerin galt, ein Kleidungsstück sofort zu einem Spottpreis zu erwerben und müsste nicht auf eine eigene Anfertigung warten. Also betrachtete ich die hochwertige Handarbeit. Beide waren überragend. Da fiel die Qual der Wahl schwer. Ich wählte dann aber die mit dem rötlichen Grundton und den zarten Chrysanthemenmustern. Dazu suchte ich den passenden Obi in Dunkelblau aus. Fertig war mein Feuerwerksoutfit. Freudestrahlend zog ich durch die Gassen, stieß in einem Cafe mit einem Eiskaffee auf meinen Glückskauf und mich selbst an und vergaß darüber meine Begegnung mit Yamato. Inu war schon ganz weit aus meinem Kopf verschwunden. Der Abend kam in großen Schritten näher und mein Sohnemann vom Badeausflug nach Hause. Schnell hängte ich das nasse Badezeug noch auf die Wäscheleine, dann kleideten wir uns unsere Yukata an, um dann bei der Nachbarschaft aufzuschlagen. Wir waren dort eingeladen worden, was wir fröhlich angenommen hatten. Bevor wir uns zum Nachbarhaus aufmachten, verabschiedete ich mich von meinem Spiegelbild, welches mich aus dem Flurspiegel anlächelte. Ich sah aufgeweckt aus, fast jugendlich. Makeup trug ich nie. Ich mochte es nicht. Aber meine Haare hatte ich zu einer Hochsteckfrisur gebändigt und noch zwei kleine Blumen mit eingeflochten. Im Gegensatz zu den letzten Tagen konnte ich mich endlich mal wieder zivilisiert sehen lassen ohne das die Leute vor Panik davon stoben, weil sie dachten, ein Monster stünde ihnen gegenüber. Ich fand mich zur Abwechselung mal hübsch, obwohl ich schon wieder den Verdacht hegte, die Speckrollen um meine Hüfte wären gewachsen. Auf die Waage stellte ich mich schon lange nicht mehr. Man musste sich nicht ständig selber schocken. In der dortigen Familie, zu welcher wir nun gingen, gab es ebenfalls einen Sohn in Yuukis Alter. Beide kannten sich auch von der Schule, denn sie besuchten dieselbe Klasse, und verstanden sich gut. So war das Problem, dass Yuuki sich ohne die Gesellschaft durch Gleichaltrige langweilen würde, gelöst. Die Familie stammte aus dem Wasserreich, betrieb ein Kontor für Meeresfrüchte und servierte, wie könnte es anders sein, unzählige Spezialitäten aus dem Meer. Die Stunden verstrichen schnell, die Schüsseln und Teller leerten sich, die Mägen füllten sich, und die Stimmung wurde feuchtfröhlich. Ich hatte einen guten Wein als Gastgeschenk mitgebracht. Er passt vorzüglich zum Fisch und stieg einem schnell zu Kopfe. Doch es war mir gleich. Heute wollte ich nur für ein paar Stunden alles vergessen, was mich die letzten Wochen so sehr runter gezogen hatte. Ich wollte nichts hören von zerstörten Häusern, vererbten Jutsus und schon gar nichts von ANBUs. Inu hatte ich mit jedem Schluck Wein weiter verdrängt. Er war mir ja sowas von egal. Solle er doch tot über dem nächsten Zaun hängen, wenn er noch nicht mal Anstand besaß, sich bei uns zu melden. Idiot! Alle Ninjas sind doof! So, und fertig war die Meinung im Suff. Mein Handy piepte. Ein Lieferant bestätigte mir in einer Mail den Zahlungseingang. Nein, ich wollte heute auch nicht an die Arbeit denken. Ich hatte frei! Jawohl! Aber dann verfluchte ich mich doch, auf das Handy geschaut zu haben, denn der graue Punkt neben Inus Profilbild hatte sich grün gefärbt. Hatte Yamato es tatsächlich bewirken können, das der Idiot seine Nachrichten mal abrief? Verflucht nochmal! Ich wollte doch heute lustig sein und nicht an blöde Ninjas denken. Ich seufzte laut hörbar, griff zur Weinflasche und schenkte großzügig nach. Als ich das Glas in einem Zuge runterkippte, wurde ich erstaunt gefragt: „Alles in Ordnung, Sherenina-san?“ „Alles bestens!“, log ich gespielt freundlich zurück. Die erste Rakete flog in den mittlerweile dunklen Himmel. Es war eine warme Sommernacht mit tausenden von Sternen. Der Alkohol zeigte Wirkung, denn ich wurde melancholisch. Guckte man sich solch einen tollen Sternenhimmel und solch ein buntes Feuerwerk nicht lieber zu zweit an? Wieder einmal stand ich hier als Single total allein. Vergessen von der Männerwelt. Vermutlich auch schon viel zu alt und abgewrackt. Ausrangiert aus dem Weltbild der suchenden männlichen Singles. Welcher Kerl brauchte schon eine Frau Mitte dreißig mit Kind? Frustriert stapfte ich von der Brüstung weg, wo sich alle aufhielten und das Feuerwerk bestaunten. Ich suchte den dunkleren Teil der Dachterrasse auf, wo sich der Tisch mit dem Buffet befand. Und natürlich mit dem Wein. Mann, ich war so traurig. Und dabei hatte ich eben noch gelacht. Plötzlich zuckte ich zusammen und blickte mich hilflos um. Da war doch was? Es war ein Gefühl, als hätten einen Blicke durchbohrt, als wäre ein Kunai in meinen Rücken geflogen. Ich wurde beobachtet. Ich spürte es ganz genau. Aber ich war doch mal abgesehen von der hier wohnenden Familie ganz alleine? Die Dachterrasse war übersichtlich. Auf der einen Seite war Freifläche und die Brüstung, auf der anderen Seite waren Tische und Stühle eingebettet in einen Wald voller hoher Kübelpflanzen. Ich musste mich geirrt haben. Oder ich war schon zu sehr angetrunken, dass ich phantasierte. Schnell drehte ich mich wieder mit dem Rücken zum Pflanzenwald und zur Dunkelheit. Mit dem Glas in der Hand verlor sich mein Blick in dem bunten Feuerwerk. Hana-Bi – Feuerblume. Und genauso wie dort oben am Himmel die Raketen explodierten, so explodierte es auch in meinem Magen in allen Gefühlsfarben. Es war ein warmes Kribbeln, was immer heißer wurde und sich in jede Zelle meines Körpers ausbreitete. Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen und wäre diesem wohligen Gefühl verfallen, hätte die ganze Welt um mich herum vergessen. Doch ich regte mich kein Stück und starrte wie gebannt in den Himmel auf die Feuerblumen. Verlegen kaute ich auf meiner Unterlippe und schniefte einmal auf. Als da wieder dieser Kloß war im Hals, der wuchs und mir die Tränen in die Augen presste. Dabei sollte ich total glücklich sein. Ich musste nicht zur Seite schauen, um Gewissheit zu haben, dass ich nicht alleine war. Seine Finger streiften die meinen. Sie verflochten sich ineinander und wollten sich wieder lösen, doch ich hielt sie einfach fest. Wie zwei schüchterne Schulkinder standen wir dicht an dicht, hielten Händchen und verfolgten stumm eine Rakete nach der anderen. Wir brauchten keine Worte. Das hier war eine einfache, simple Geste. Aber für uns beide war sie wohl im Moment das Innigste und Intensivste überhaupt. Mit der letzten Rakete verschwand auch Inu wieder in die Dunkelheit der Nacht. Mit dem artigen Versprechen, von nun an den Kontakt regelmäßig zu halten. Das schlechte Gewissen sah man ihm sogar trotz Holzmaske an. Aber da war auch eine unendlich große Unsicherheit, die ich spürte, wie ich seine Hand hielt. Da wäre jeder Schritt, den ich auf ihn zulaufen würde, für ihn zu groß, zu hektisch, zu überfallartig und zu schnell. Erst jetzt wurde mir bewusst, warum er bei uns aufgekreuzt war, und ich war viel zu geblendet von meinen Enttäuschungen und habe so die Zartheit seines feinen Gefühles nicht sehen können. Es war so unendlich verrückt, sich auf jemanden einzulassen, der das Phantom spielte. Aber genauso aufregend, spannend und interessant war es auch. Das Feuerwerk war abgebrannt. Unser Moment auch. Wieder stand ich da allein. Aber ich war so unendlich glücklich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)