Kalendertage von sakemaki (Der Tag, an ...) ================================================================================ Kapitel 29: 29 – Der Tag, an dem Hanami war ------------------------------------------- Nachdem ich an Kakashis Geschichte in Auszügen teilgehabt haben durfte, hatten wir trotz der gekippten Stimmung unseren Spaziergang fortgesetzt. Es war ein idyllischer Weg durch naturbelassene Winkel Konohas, die ich wohl selbst niemals allein entdeckt hätte. Es ging durch malerische Wiesen und Felder und über kleine Waldpfade an Bächen entlang bis ich wieder aus der Ferne den Backsteinwohnklotz sehen konnte, der meinen Hausrat und mein Leben beherbergt. Viel hatten wir unterwegs nicht geredet, denn mein Kopf sprudelte über vor lauter Informationen. Ja, ich würde sogar von mir selber behaupten, dass ich total verstört war und nur kreisende Gedanken hatte, die mich immer mehr aus der Bahn brachten. Da war mir der Smalltalk ganz recht. Er lenkte mich etwas ab und brachte unserer Miteinander wieder ins Gleichgewicht. Als wir über einen schmalen Holzsteg gingen, schaute ich auf den klaren Rinnsal unter mir. Winzige Fischlein versuchten sich zwischen den Steinen gegen die Wasserströmung zu behaupten. „Bist du viel 'rum gekommen auf deinen Missionen?“ „Überall und nirgends. Ich glaube, es gibt kaum eine Gegend, die ich noch nicht durchquert habe.“ „Wenn du mit den Wolken mitfliegen könntest, wohin würden sie dich auf der Welt tragen?“ „Das ist eine gute Frage“, antwortete Kakashi und überlegte kurz. „Es gibt wirklich schöne Ecken auf der Welt, aber letztendlich war ich immer wieder froh, wenn ich zuhause war. Und kaum war ich zuhause, war ich am liebsten schon wieder unterwegs. Schräg, oder?“ „Ein ruheloser Geist“, schlussfolgerte ich. „Kann man sich immer gar nicht so recht vorstellen, wenn man dich immer so durch die Gegend schleichen sieht.“ „Sieht das echt so schlimm aus?“ Wir beide lachten kurz auf über unsere hobbypsychologischen Erkenntnisse und setzen unseren Gang langsam fort. Nur noch ein paar Meter am Fluss entlang. Vorbei an ein paar alten knorrigen Trauerweiden, deren Äste wie grüne Wollfäden im Wasser angelten und eine grünes Kuppeldach über uns aufspannten. Wie ein großes Zelt. Dort blieb er plötzlich stehen und sah mich prüfend an, als würde er den Versuch unternehmen, meine Gedanken zu lesen. Auch wenn er so gefasst und ruhig wirkte, kannte ich ihn doch nun schon gut genug um zu wissen, dass ihm etwas wichtiges auf der Zunge lag. Das spuckte er dann auch schneller aus als erwartet. „Warst du hier schon mal auf dem Hanami unterwegs?“ „Naja, ich habe mal mit Yuuki eine Runde durch die Parks gedreht, aber in diese ganzen geschlossenen Gesellschaften kommt man ja nicht so richtig rein.“ Oben Rosa, unten Blau. So muss man sich Hanami vorstellen. Salopp übersetzte ich es für die Heimat immer mit „Blumen begaffen“. Oben, da waren die rosa Blüten der Kirschbäume, die wie dicke Wattewolken über den Köpfen ein luftiges Gewölbe bildeten. Dazwischen säumten unzählige Lampions die Hauptwege. Unter den Bäumen saß man auf blauen Plastikplanen oder seltener auf bunten Decken. Die Schuhe wurden aber natürlich höflichst vor der Plane ausgezogen und standen ordentlich aufgereiht davor. Dann hockte man da mit Familie und Freundeskreis, picknickte einen Haufen Fingerfood und konservierte sich selbst mit reichlich Alkohol, bis man ebenso blau wie die Plastikplane war. Hinterher war man so dicht, dass man sich unter den Bäumen in seine Plastikplane einrollte und seinen Rausch ausschlief. Das Spektakel konnte sich über zwei oder gar drei Tage hinziehen. Das war die Zeit, in der in Konoha nichts lief. Fast alle Geschäfte und Betriebe hatten geschlossen. Jeder, der es möglich machen konnte, hatte Urlaub. Es war ein ganz besonderes Fest, denn es kündigte den Frühling an, aber einsam als Single mit Kind war es doch recht langweilig. Man stand dort wie bestellt und nicht abgeholt. Es machte sicherlich nur in einer größeren Gruppe in guter Gesellschaft so richtig Spaß. Allerdings war es fast unmöglich, als Außenstehender in solch einer Gruppe Anschluss zu fanden. „Magst du dann vielleicht mir ein wenig Gesellschaft leisten?“ Wer? Was? Ich? Verdattert schaute ich ihn an. War das eben eine richtig echte Einladung zu einer Verabredung in aller Öffentlichkeit? Mit solch einem Kurswechsel hatte ich nicht gerechnet. Und schon gar nicht nach den Dingen, die gerade noch vor nicht einmal einer knappen Stunde geschehen waren. Ich konnte nur stumm nickten und mich voller Überrumpelung zuerst gar nicht richtig freuen, weil mein Gehirn die tiefere Ebene hinter diesem Satz noch nicht begriffen hatte. Trotzdem musste ich nach außen hin gestrahlt haben wie eine Leuchtrakete, denn Kakashi strahlte nun ebenso zurück. Voller Erleichterung, nach der erzählten Lebensgeschichte und meiner nicht kompatiblen inneren Einstellung gegenüber Ninjas keinen Korb bekommen zu haben. Ich mochte seine Augen, wenn sie so fröhlich leuchteten. Es war, als könnte einem in dem Moment nichts passieren und alles wäre unverrückbar in Ordnung. Nein, ich konnte es mir nicht im mindesten vorstellen, das diese Augen mal tot und kalt geschaut haben könnten. Die Situation damals in der Küche verdrängte ich einfach in den hintersten Hirnwinkel. Zufrieden nahmen wir unsere Spaziergang wieder auf. Kurze darauf trennten sich unsere Wege, nachdem ich vor meiner Haustür verabschiedet worden war. So wie immer, wenn wir auf offener Straße standen. Ein respektvoller Abstand zwischen uns und nur kurz eine Hand zum Abschied erhoben. Eher angedeutet, als ernsthaft gegrüßt. Aber das Strahlen in den Augen verriet alles. Hatte ich schon mal erwähnt, wie sehr ich diese dunklen, blitzenden Augen liebte? Nach der Freude über die Einladung kam der Stress. Es gab kein festes Datum für Hanami, sondern fachkundige Botaniker und Wetterexperten beobachteten tagtäglich die Knospen und gaben Prognosen ab, wann sie sich wohl zu ihrer vollen Pracht entfalten würden. Alles in allem könnte man schon in zwei Wochen mit dem rosa Blütentraum rechnen. Zwei Wochen und die große Frage: Was zum Teufel ziehe ich an? Klar hatte ich die obligatorische Yukata dafür im Schrank hängen, aber ich hatte mich nie damit auseinandergesetzt, wie man sie wirklich standesgemäß trug, wie man Stoffmuster auswählte und sie mit dem Obi kombinierte. Blankes Entsetzen machte sich in mir breit. Hallo? Ich ging doch nicht wie eine Touristin zum Fest und stolperte in jegliche Fettnäpfchen, sondern ich stand da neben Hokage-sama. Nach meinem Ausflug nach Otafuku wollte ich ihm nicht schon wieder indirekt Ärger bereiten, nur weil ich herumrannte wie eine Mischung aus Lumpensammler und Silvesterrakete und dabei ein Benehmen an den Tag legte, wie frisch aus der Anstalt entkommen. Nein, diesmal wollte ich einen besseren Eindruck hinterlassen. Zumindest hatte ich ernste Absichten, das einzuhalten. Ich blickte verzweifelt in den Spiegel. Mein Spiegelbild blickte müde zurück. Dunkle, lockige Haare standen mir wie so üblich in alle Richtungen ab. Maaannn, diese Haare trieben einen doch echt in den Wahnsinn. Die mussten an Hanami irgendwie zu bändigen sein. Eigentlich müsste ich Kakashis Vornamen tragen, denn ich bildete mir ein, wie eine Vogelscheuche auszusehen. Plötzlich fühlte ich mich wieder elendig. Ich sah aus wie ein zerrupfter Spatz. Mit so einem Spatz hatte man höchstens Mitleid, aber so einen hatten man nicht unbedingt lieb oder nahm in auf irgendwelche Feste mit. Wie so üblich kaute ich auf meiner Unterlippe, hing Selbstzweifeln nach und nahm mir fest vor, Kakashi zu fragen, wieso seine Wahl ausgerechnet auf mich gefallen war und nicht auf eine von tausend anderen Frauen. An der Optik konnte es auf jeden Fall nicht liegen. Und so sprunghaft und kodderschnäuzig wie ich war, gab es da im Grunde auch nicht viel, was man ertragen konnte. Zwei Kaffeetassen später hatte ich mich dann doch aufgerafft, meinen Trübsal ad acta zu legen und in der Stadt zu bummeln. Ich klapperte die Kaufhäuser auf und schaute mir das aktuelle Angebot an Yukatas an. Man merkte tatsächlich, dass man dieses Gewand zu einem Feste wie Hanami trug, denn die Auswahl in den einschlägigen Geschäften war überwältigend. Größer als sonst. Erstaunt war ich von den vielen Farbmustern. Ein Gewand bunter als das andere. Zumindest für die Damen. Bei den Herren gab es sehr gedeckte Musterungen und Farbgestaltungen. Zufrieden stellte ich fest, dass man auch für wenig Geld einen qualitativ guten Baumwollstoff mit hübschen Mustern erwerben konnte. Schlagartig bekam ich wieder gute Laune. Ich umgab mich mit unzähligen Stoffen, die ich voller Freude prüfte, und besah mir die vielen schönen Motive. Da gab es nicht nur großrahmige Blumenabbildungen, sondern auch viele trickreiche Grafiken, die erst aus der Nähe ihre kleinen Details preisgaben. Da schwammen Kois, verwoben sich Wellen oder schlugen Fächer auf. Ich vergaß die Zeit. So sehr war ich beschäftigt. Eine Handvoll Yukata gefiel mir sofort, und ich suchte Obi nach meinem Geschmack dazu aus. Dann beschloss ich, mich recht dumm zustellen und eine Verkäuferin nach fachmännischem Rat auszuquetschen. Zum Schluss hatte ich alles beisammen, was ich brauchte. Von der Yukata über die passende Yukata-Unterwäsche bis hin zu Schuhen. Mal ehrlich, ich wusste bis dato gar nicht, dass es sogar Unterwäsche für Yutakas gab. Die sah aus wie die Yukata selber, aber in sehr hellen Uni-Farben. Nervös betrachtete ich mich in der Umkleidekabine im Spiegel. Die Verkäuferin hatte sich nach allen Kräften bemüht. Ich sah wirklich hübsch aus. Selbst meine übergewichtigen Kilos versteckten sich perfekt. Aber diese Haare … Wie ein Afro. Ein dunkelhaariger Clown in einem Blumenumhang. Ich würde dringend einen Frisör konsultieren müssen. Von mir aus sollte er ruhig tonnenweise Haarspray verwenden. Hauptsache, er machte aus diesen Haaren so etwas wie ein ansehnliche Frisur. Mit Sack und Pack stand ich dann auf der Straße und setzte meine Gedankengänge fort. Hmmm, war es nicht üblich, dass man beim Fest picknickte? Ein Bento wäre doch gar nicht mal so verkehrt. Ich zückte mein Handy und fragte nach, wie es um die Verköstigung bestellt wäre und bekam als Antwort, dass in der kleine Runde, jeder etwas mitbringen würde. Und ich solle mir auf gar keine Fall solch einen Stress machen. Ha, keinen Stress machen. Ich war schon mittendrin! Also kaufte ich schon mal ein paar Lebensmittel ein, die ich nicht bei uns im Viertel bekommen würde, und machte mich wie ein Packesel auf den Weg nach Hause. Dort wurde ich von einem missmutigen Kind empfangen. Wo ich denn solange gewesen wäre, wurde ich gefragt. Oh Schande! Ich hatte total die Zeit verschwitzt und hatte Yuuki hier schon gute zwei Stunden warten lassen. Man gut, dass man sich auf ihn verlassen konnte und er für sein Alter schon sehr vernünftig war. Artig hatte er daheim auf mich gewartet, sich viele Sorgen gemacht und sich dann total ausgehungert über den Kühlschrank hergemacht. Die Krümmelspuren und das dreckige Geschirr waren stumme Zeugen. Ich seufzte, schallte mich selbst und lud in zur Entschädigung zum Fastfood-Abendessen ein. Das war gar nicht so mein Ding, aber das von Yuuki. Und somit waren wir wieder versöhnt. Der Frühling brach wie ein Paukenschlag über uns herein. Nur eine gute Woche später kam über Nacht der langersehnte Temperaturwechsel zu uns. Wohlige Wärme strömte am frühen Morgen durch die geöffneten Fenster, als ich nach dem Aufstehen einmal kräftig die Wohnung durchlüftete. Meine Lungenflügel saugten die frische Luft wie ein Schwamm auf. Minutenlang stand ich im offenen Fenster, genoss mit geschlossenen Augen die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut und spürte eine angenehme Brise in den Haarsträhnen. Der Himmel war Azurblau. Die Knospen an den Bäumen waren schlagartig explodiert. Ganz Konoha versank im zarten Rosa. Es war zum Heulen schön. Ich hätte in der Vergangenheit dem Feste mehr Aufmerksamkeit schenken sollen: Wir hatten uns erst zum Mittag verabredet, doch als ich noch einige Zutaten einkaufen und dann weiter zum Frisör ging, waren die besten Plätze in den Parks wohl schon belegt. Jeder freie Platz unter den Kirschbäumen war bereits mit blauer Plane zugepflastert. Unzählige Menschen bevölkerten schon ihre Lager, aßen fröhlich beisammen und kippten um einiges mehr an Sake hinunter. Die Stadt war ein quirliger Ameisenhaufen. Es mbrachte jetzt schon gute Laune, obgleich ich ein unglaubliches Kribbeln im Bauch hatte, als hätte ich tonnenweise Brausepulver verschlungen. Ich machte mir viel zu viele Gedanken. Ob mein Essen schmecken würde, denn ich hatte mir gedacht, mal etwas aus meiner Heimat zuzubreiten. Ob meine Kleidung nicht etwas zu übertrieben war. Ob Kakashi mich so mögen würden. Und so ließ sich die Sorgenliste unendlich fortsetzen. Wie ein Fuchs auf Tollwut tigerte ich in meiner Wohnung herum, weil die Stunden bis zu unserem Treffen einfach nicht verstreichen wollten. Doch dann war es irgendwann soweit. Ich schlüpfte in meine Kleidung und warf nochmal einen prüfenden Blick in den Spiegel. Ein ungewohntes Ich blickte zurück. Der Frisör hatte ganze Arbeit geleistet, indem er mir mit wenigen geschickten Handgriffen einen Zopf geflochten und das Ende hochgesteckt hatte. Nie im Leben hätte ich es für möglich gehalten, solche Zottelsträhnen in solch eine Form bringen zu können. Es sollte nun nicht heißen, ich wäre zu Geschäftsterminen wie ein Waldschrat aufgeschlagen. Aber ich hatte mich immer mit einem offenen Zopf zufrieden gegeben, weil ich für alle anderen Frisurkniffe kein Händchen hatte. Ein wenig dezente Kosmetik gab meinem Gesicht eine frische Farbe. Von Tuschkastenfarben um die Augen herum war ich noch nie ein großer Fan. Darum ließ ich es einfach weg. Immerhin wollte ich nicht wie verkleidet aussehen. Im Grunde sah ich aus wie immer, doch die Hochsteckfrisur machte einen komplett neuen Look, an den sogar ich mich selbst gewöhnen musste. Meine Yukata hatte einen Untergrund aus schwarzen und weißen Blättern. Trotz des Kontrast sehr unauffällig. Darauf hoben sich auffällige rote Kamelien ab. Dazu trug ich einen roten Obi. Das mag zwar sehr kitschig klingen, sah aber ganz und gar nicht so aus, sondern sehr harmonisch und ausgewogen. Insgesamt konnte man äußerst zufrieden sein, doch ich wurde trotzdem unsicher. Als ich aus meinem Schlafzimmer trat, um mir Bento und Kind zu schnappen, wurde ich erstaunt beäugt. „Sieht schön aus, Mama!“, meinte Yuuki mampfend, weil er sich noch heimlich etwas aus der Bentobox gekrallt hatte. Puh, danke! Das war doch schon mal ein guter Anfang. Wir gingen los. Immer am Flussufer entlang. Der Platz wäre ganz einfach zu finden, hatte Kakashi gemeint. Immer am Flussufer entlang, wo wir vor einigen Tagen schon gemeinsam Spazieren waren. Die Anzahl an Menschen hatte sich nochmal gesteigert. Selbst der Weg zwischen Bäumen war bis an dessen Seitenränder in Beschlag genommen worden. Es war faszinierend, dass so viele Menschen nur so wenig Geräusche machten. Die Stimmung war ausgelassen, aber Geschrei oder Gepöbel war zu dieser Tageszeit noch nicht zu vernehmen. Eher genoss man den freien Tag und ließ die Seele baumeln. Der Geruch von Essen und Alkohol lag in der Luft. Erleichtert stellte ich fest, dass ich mit der Kleiderwahl genau richtig lag und mich die Verkäuferin perfekt beraten hatte. Meine Selbstsicherheit kehrte zurück. Yuuki hatte sich zwischendurch einfach abgeseilt. In unserem Viertel wohnten viele Kinder. Und von Zweien hatte er sogar erfahren, dass sie ab April mit ihm in derselben Akademieklasse sein würden. Seitdem war er mit den beiden anderen Jungs stets unterwegs und kehrten erst am Abend zum Essen heim. Ich war froh, dass er Freunde gefunden hatte, denn im Kontorviertel war er doch immer etwas isoliert und seine dortigen Freunde wohnten in ganz anderen Ecken von Konoha. Andererseits bereitete es mir Bauchschmerzen, dass ich nicht wusste, wo sich mein Sohn aufhielt. In Konoha war es Usus, dass die Kinder den ganzen Tag allein durch die Stadt tobten. In meiner Heimat war es das nicht. Mir fehlte da nach wie vor das Vertrauen, meinem Kind so viel Freiheit zu geben. Wenn er in wenigen Tagen zur Akademie wechseln würde, würde er sogar manchmal tagelang in irgendwelchen Trainingscamps hocken und nicht nach Hause kommen. Das brachte mir selber wieder mehr Zeit für mich ein, doch solange war ich von Yuuki noch nie getrennt gewesen. Ich würde daran zu knabbern haben. Die üblichen Verdächtigen fand ich dann tatsächlich weiter den Flusslauf hinauf. Das allseits bekannte Trio hatten sich einen Platz abseits der Massen und am Rande der Kirschbaumhaine gesucht. Gai saß neben seinem Rollstuhl und kramte in einem kleinen Pappkarton. Tenzô plünderte eine mickrige Bentobox. Ich war so froh, ihn nach so langer Zeit einmal wieder zusehen. Tenzô war meist außerhalb Konohas auf Mission, weil er einen Dauerauftrag zu erfüllen hatte. Er müsste irgendjemanden permanent observieren. Am besten auf Schritt und Tritt. Wenn er denn mal wieder im Dorfe war, dann delegierte er die ANBU-Einheit. Also noch so ein Arbeitsfeld, dass ihn gänzlich vereinnahmte und man ihn nie zu Gesicht bekam. Ihn selbst schien das aber nichts auszumachen, sein Leben pflichtbewusst dem Dorf zu opfern. Kakashi komplementierte das Dreieck, indem er dazwischen saß und gegenüber Gai so tat, als würde er zuhören, was er aber garantiert nicht so tat, wie Gai es sich wünschen würde. Ich musste grinsen, wie ich den gelangweilten Haufen dort sitzen sah. Irgendwie ein bisschen fehl platziert, weil sie dort so alleine und beinahe schon isoliert saßen. Es war ganz ungewohnt, sie nicht in der üblichen Shinobi-Uniform, sondern in Yukata zusehen. Besonders Tenzô wirkte ganz anders, weil man ohne sein Stirnband mit dem Wangenschutz mal viel mehr von seinem Gesicht sah als sonst. Da war ich doch mit meinem Erscheinen urplötzlich eine spannende Abwechselung zu der verschlafenen Sitzblockade. Wie auch immer, drehten sie sich alle Drei wie auf Kommando gleichzeitig zu mir um, als ich mich schlendernd näherte. Die Reaktionen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Gai rief fröhlich in seiner üblichen Art: „Sei gegrüßt! Ich wusste gar nicht, dass wir eine Prinzessin eingeladen hatten!“ Ohje, hatte ich doch mit meinem Look übers Ziel hinausgeschossen? Tenzô grüßte ebenfalls, hatte aber nur Augen für das Bento in meinen Händen. Der musste wohl wieder irgendwo tagelang im Wald gehaust haben und war dementsprechend ausgehungert. Armer Kerl! Hoffentlich würde er vom kulinarischen Inhalt nicht enttäuscht werden, weil die Geschmacksspektren im Erd-Reich ganz anders verteilt waren als im Feuer-Reich. Aber da Kakashi bisher immer alles anstandslos aufgegessen hatte, was ich ihm vorgesetzt hatte, war ich guter Dinge, dass es den beiden anderen auch schmecken würde. Und Kakashi? Der starrte mich mit einem Rotschimmer an wie das achte Weltwunder. Das hätte der wohl auch noch länger bis in alle Ewigkeit getan, wenn Gai ihm nicht so überschwänglich in die Seite geboxt hätte. Es hätte nicht viel gefehlt und Kakashi hätte sich lang auf die Nase gelegt. Ich setzte mich dazu und breitete meine Leckereien aus. Schon nach der ersten Runde war in meinem Becher schon kein Wasser mehr, sondern Sake und war doch recht erstaunt, wie viel davon mein Freund so wegtrinken konnte. Den traf man sehr selten mit Alkohol an und dann auch höchstens nur ein Glas lang. Es wurde eine sehr lustige Runde, denn Gais Pappkarton entpuppte sich als Fotobox, in der sich die letzten Erinnerungen befanden, die bei der Dorfzerstörung nicht vernichtet wurden. Allerdings waren sich die drei Herren nicht so recht einig, wann die Bilder geschossen worden waren. Und so diskutieren sie munter, teilweise auch genervt. Ich fand es total spannend, Kindheitsbilder von Kakashi zu sehen. Der stach auf den Klassenfotos sofort ins Auge. Egal, wo man den platziert hatte. Da Tenzô irgendwie nirgends auftauchte, erfuhr ich am Rande, dass man über dessen Herkunft leider gar nichts wüsste, da er einst als Säugling entführt wurde. Daher hatte er noch nicht einmal einen richtigen Namen. Nun leuchtete es mir ein, warum alle von Yamato sprachen, Kakashi ihn aber immer nur mit Tenzô ansprach. Kennengelernt hatten sich die beiden aber, da hieß Tenzô noch Kinoe. Tenzô bekam also seine Namen immer nach Lebensabschnitten geordnet. Aber „Yamato“ würde er am Besten finden, damit man keinen Brücken zu seinen ANBU-Missionen schlagen konnte. Verwirrend, aber mich wunderte bei dem Ninja-Volk eh nichts mehr. Der Nachmittag ging vorbei, die Bentobox wurde leerer und die Erinnerungen und ihre Geschichten immer länger, wobei man ergänzen musste, dass hauptsächlich Gai erzählte. Voller Elan, Inbrunst und Ausschmückung. Zwischendurch tauchte auch mal Yuuki auf, gaben beiläufig an, wo er sich mit wem die Zeit vertrieb und war dann auch schon wieder im Getümmel verschwunden. Wenigstens hatte ich ihm noch eine Uhrzeit mit auf den Weg geben können, wann er hätte zuhause zu sein. Gai und Tenzô waren sich definitiv einig, falls ich Kakashi doch mal in den Wind schießen sollte, dass ich niemals den Kontakt zu ihnen abbrechen dürfte. Dann bekämen sie immer etwas Gutes in den Magen. Dafür bekamen die beiden solch eiskalte, todbringende Blicke von Kakashi, dass die beiden sofort verstummten und ein ganze anderes Thema anschlugen. Ich konnte Kakashis Reaktionen nachvollziehen, auch wenn sie krass ausfiel. Alle Menschen, die er je gemocht oder geliebt hatte, waren tot. Die, die er beschützen wollte, hatte er vor seinen Augen verloren. Und es bereitete ihm anscheinend immense Schwierigkeiten, damit umzugehen. Damals, wie heute. Es dämmerte schon und die Lampions entzündeten sich. Es sah atemberaubend schön aus, wie der Laternenschein die Blütenzweige zart beschien. Doch es nutzte nichts. Für unsere Picknickparty wurde es Zeit, sie zu beenden. Tenzô musste sich wieder auf den Weg zu seiner Dauermission machen. Zumindest war er selbst davon absolut überzeugt und auch nicht davon abzubringen, obgleich Kakashi meinte, es täte wirklich nicht Not und er sollte lieber nach Hause ins Bett gehen. Auch ich hatte so meine unausgesprochenen Zweifel. Mit dem Alkoholpegel im Blut auf Mission? Viel Erfolg, Tenzô! Verwundert sah ich ihm nach. Gai wollte unbedingt allein nach Hause. Er tat wie der blühende Frühling, doch man sah ihm an der Nasenspitze an, dass durch das lange Sitzen sein Knie höllisch schmerzen musste. Außerdem blieb er schon beim Anrollen mit seinem Rollstuhl an der ersten Baumwurzel auf dem Weg hoffnungslos hängen. Kakashi seufzt und flüsterte mir zu, dass er seinem Kumpanen wohl nur mit einer Liste indirekte Hilfe anbieten könnte. „Ich begleite Sherenina heim und komme nochmal bei dir vorbei, ok?“ „Wer zuerst bei mir ist? Das ist doch mal ein Wettkampf. Ich nehme die Herausforderung an, Rivale!“ Mr Sporty-Greens Zahnpastastrahlen blendete heller als jeder Kometenschweif. Man Gai, hast du soviel gesoffen, dass du Kakashis Finte nicht durchschaust. Und schon kämpfte er sich mit seinem Rollstuhl über den ungepflasterten Weg. Nun waren nur noch Kakashi und ich an unserem Platz, den wir schnell geräumt hatten. Etwas Wind kam auf. Die Lampions schaukelten sachte. Die Zweige der Bäume wogen sich. Einzelne Blütenblätter schneiten wie Schneeflocken hernieder. Man konnte ihren Weg bis zur Erde herab mit den Augen verfolgen und träumen. Kakashi zupfte mir eine Blatt aus den Haaren. „Du hast da auch zwei ...“, meinte ich und befreite sie ebenfalls aus den grauen, fast schon weißen Strähnen. „Das war eine schöne Idee. Es war ein wunderschöner Tag.“ Ja, das war es wirklich. Ich war rund um zufrieden. Zwar würde ich stets sagen können, ich wäre in Konoha heimisch, doch so richtig dazugehörig fühlte ich mich zuvor nie. Ab heute hatte sich dieses Gefühl gewandelt. „Ein wunderschöner Tag mit einer wunderschönen Begleitung“, wurde ich lächelnd ergänzt. „Findest du?“ Verlegen strich ich mir den Stoff der Yukata glatt und wurde rot. Es gab so gut wie nie Komplimente, weil es nicht seine Art war. Doch wenn es eines gab, dann war es echt und von ganzem Herzen. „Ja, finde ich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)