Kalendertage von sakemaki (Der Tag, an ...) ================================================================================ Kapitel 36: 36 - Der Tag, an dem es knallte ------------------------------------------- Ach du liebes Bisschen! Die Kinder! Obgleich meine Mutter noch irgendwo in einem Zug zwischen Heimat und hier saß, hatte sie mich schon dermaßen auf Trab gehalten, dass ich doch beinahe unsere Kinder vergessen hätte. Die würden nämlich heute am Spätnachmittag von ihrem ersten Freilufttraining aus dem Wald wieder in die Zivilisation zurückkehren. Stress kroch in mir hoch. Nun galt es einen handfesten Schlachtplan zu schmieden, der die Kinder, den Drachen und den Kleiderständer miteinander verband. Ach, das hatte ich ja noch nicht erwähnt: Das kurze und bündige Telefonat mit meiner Mutter hatte ergeben, dass ihr Zug aufgrund der starken Regenfälle im Süden des Erd-Reiches mit erheblicher Verspätung eintreffen würde, voraussichtlich erst zur Nachtzeit. Und meine überflüssige Schwester säße auch mit im Zug, da sie ja noch nie Konohagakure besucht hätte. Da ich schon so lange dort wohnen würde, wünschte sie sich ebenfalls ein Bild von der Stadt zu machen. Ein Übel kam selten allein. Ich hatte meiner Schwester den Spitznamen „Kleiderständer“ verpasst, da sie spindeldürre war, stets tagtäglich mehrmals ihre Kleidung wechselte und zur Schau trug. Ihr urkundlich festgehaltener Name war allerdings Lailana, aber alle sprachen nur von Lana. Nun aber hatte ich anderes zu tun. Zielgenau steuerte ich Kakashis Wohnung an. Wir hatten vereinbart, dass Asa und Yuuki nach ihrem Trainingsausflug dorthin kommen sollten. Ich setzte eine große Kanne Kaffee auf, nahm die trockene Wäsche vom Ständer und döste ein wenig vor mich her. Wenn die beiden zurück wären, hätten sie sicherlich nicht nur unglaublich viele Geschichten im Gepäck, sondern auch Dreckwäsche. So verflog die Zeit im Nu, und ich schreckte schlaftrunken hoch, als Kinderstimmen auf dem kleinen Flur lärmten und mit viel Getöse Packtaschen in die Ecke flogen. Ich begrüßte beide herzlichst und begutachtete den Nachwuchs. Man sah ihnen an, dass ihnen in den letzten Tagen ein Badezimmer nicht begegnet war. Zerzauste Haare, staubüberzogene Haut, dreckige Kleidung. Obgleich beiden die Müdigkeit in den Knochen steckte, leuchteten ihre Augen freudig und die Münder standen kaum still. Dennoch ordnete ich für beide eine kräftige Dusche an und sortierte die mitgebrachte Kleidung. Kurz darauf drehte sich die erste Ladung Wäsche in der Waschtrommel. Es war ein lustiger und sorgenfreier Nachmittag. Asa konnte reden wie ein Wasserfall. Dabei überschlugen sich die Worte wie kleine Wellen. Yuuki hingegen war das passende Stauwerk, das korrigierte oder Infos lieferte, wenn ich schon nach zwei Sätzen den Faden verloren hatte. Viel zu schnell wurde es Abend und ich steckte die Kinder gleich nach dem Essen ins Bett. Auch wenn der Adrenalinspiegel beide am zappeligen Leben hielt, sah man ihnen den Schlafmangel der vergangenen Tage an. So gab es auch keine Einwände von Asa, den Übernachtungsort zu wechseln, weil es bei mir und Yuuki doch viel cooler wäre. Wir hatten nämlich einen Fernseher daheim, den sie bei sich schmerzlich vermisste. Kakashi meinte, er wäre eh kaum daheim, weshalb die Anschaffung einer Flimmerkiste für ihn daher bis dato kein Thema gewesen war. Auch Yuuki hegte mal keinen Protest, dass er auf seinem Futonlager quer vor Asas Bett zu nächtigen hätte. Beiden schienen zufrieden, nach all den Abenteuern ein Dach über dem Kopf und ein kuscheliges Nachtlager zu haben. Und so waren beide schneller im Land der Träume angekommen, als gedacht. Ich staunte. Ein kurzes Telefonat mit Kakashi, dass die beiden Kinder wieder daheim wären und dann zog ich los zum Bahnhof. Mittlerweile hatte ich kaum noch Gewissensbisse, die Kinder mal für eine kurze Zeit allein zu lassen. Erstens kam das absolut selten vor. Zweitens wollten die beiden Shinobis werden. Und wer im Duo so herrliche Naturgewalten freisetzen und den Trainingsplatz verwüsten konnte, der könnte sich sicherlich hervorragend verteidigen. Dabei kam es in Konoha seltenst vor, dass man Einbrüche zu beklagen hatte. Man merkte spürbar, dass die Sonne ihren höchsten Stand im Jahreslauf erreicht hatte. Obgleich es Abend war, war es noch taghell. Vor zweiundzwanzig Uhr würde das Licht nicht abnehmen. Die Hitze war jedoch abgeklungen und es war angenehm warm. Die Straßen und Gassen hatten sich merklich geleert. Ich bummelte durch die Stadt und kam an einem Eisladen vorbei. Eiscreme, die hatte ich ewig nicht genascht! Da konnte ich nicht widerstehen und kaufte eine große Waffel mit viel Eis und Soße. Mit der Eistüte in der Hand machte der Weg zum Bahnhof gleich viel mehr Spaß. Auf der Station angekommen, erkundigte ich mich nach dem verspäteten Zug. So ganz genau konnte man mir die Ankunft zwar auch nicht sagen, aber man schätzte einen Zeitraum zwischen halb neun und neun. Na, das war gar nicht mehr so lange hin. Auf dem Bahnsteig beschlagnahmte ich eine ganze Wartebank für mich, aß genüsslich mein kaltes Süß und haderte der Dingen, die da bald angerauscht kämen. Dabei überlegte ich, in welchem Hotel ich die beiden am Besten unterbringen könnte. Es sollte angemessen, aber nicht zu teuer sein. Zwei Dinge, die sich bei dem Anspruch meiner Gäste ausschlossen. Die Gleise fingen an zu vibrieren. Sie zischten wie Schlangen. Schon leuchteten die drei Positionslichter der Lok mir entgegen. Sie schob sich samt Waggons durch die langgezogene Kurve an den Bahnsteig heran. Mit quietschenden Rädern, dass man sich die Ohren zuhalten musste, stoppte das eiserne Gefährt Nur eine Sekunde später klappten die Tritte der Wagen klappernd herunter und die Türen sprangen auf. Ich hatte wenig Lust, mich zu erheben, setzte mich aber doch in Bewegung, als ich am Ende des Zuges meine Mutter und meine Schwester erblickte. Au weia, wollten die eine ganze Woche bleiben? Zumindest hatten sie so viele Gepäckstücke dabei. Definitiv würde ich hier nicht den Packesel spielen. Gerade mal von der Bank erhoben, durchbohrte mich schon der Adlerblick meiner Mutter. Ihre Gesichtszüge waren streng in Stein gemeißelt. Es war nur schwer zu beurteilen, ob sie mein Anblick erfreute oder nicht. Meine Schwester hatte hingen ganz andere Probleme. Ungläubige starrte sie den menschenleeren Bahnsteig in alle Richtungen an. Es waren nur wenige Passagiere ausgestiegen, die bereits die Treppen hinabgeströmt waren. Wenn Madame einen Kofferträger erwartet hatte, dann war sie hier schief gewickelt. Wie recht ich mit meiner Einschätzung hatte, ließ sie auch gleich verlauten: „Nina, hast du niemanden für unsere Koffer beauftragt? Wer trägt das denn nun?“ Sie klang recht entsetzt. Ich hingegen konnte mir ein Grinsen kaum verkneifen. Die Vorstellung, wie sie auf ihren Highheels mit Sack und Pack die Treppe nun hinuntertorkeln würde, wäre sicherlich ein Hingucker. Ihr viel zu enges Kleid schränkte die Bewegung stark ein und trug nicht zu einem guten Gelingen bei. Hauteng, dass die Hüftknochen herausstanden. Ein Ausschnitt, der fast bis zum Bauchnabel reichte, um das bisschen an Busen zu betonen, den sie kaum hatte. Tjoa, wer kein Gramm Fett an sich trug, der trug auch keine Oberweite vor sich her. Ein Wunder, dass sie da noch nie operativ nachgeholfen hatte. Aber für was gab es schon PushUp-BHs? Mir kam das Kleid bekannt vor, denn es war von einem namhaften Designer geschneidert, der über meinen alten Arbeitgeber nur die hochwertigsten Stoffe bezog. Meine Mutter hingegen war wie eh und je praktisch veranlagt und trug ein Kostüm in gedeckten Farben und Schuhe, mit denen man vorankam. „Herzlich Willkommen. Tut mir leid, aber ich konnte nicht ahnen, dass ihr soviel Gepäck bei euch habt. Es klang am Telefon nur nach einem kurzen Aufenthalt“, gab ich gespielt freundlich, aber trotzdem kühl zurück. „Schön, dich zu sehen. Und wo ist mein Lieblingsenkel?“, schnarrte der Drache los. Lieblingsenkel? Sie hatte doch nur den einen Enkel. „Der liegt schon im Bett und schläft. Ihr werdet euch morgen sehen“, gab ich betont knapp zurück. „Sherenina! Du hast ihn doch wohl nicht allein gelassen?“ Entsetzen war aus der Stimme des Drachen zu hören. Und eine prima Steilvorlage, mir wieder einmal mehr zu unterstellen, ich wäre eine Rabenmutter. Ich beruhigte sie, dass selbstverständlich ihr Lieblingsenkel nicht allein wäre. Man konnte großzügig verschweigen, dass aktuell nur Asa bei Yuuki war. Wann Kakashi aus dem Büro aufkreuzen würde, war ungewiss, jedoch hatte er versprochen, dass er die Nacht über definitiv zuhause wäre. Und daran hielt er sich sogar. Zusammen mit dem Drachen und dem Kleiderständer verließ ich den Bahnhof nicht ohne das große Staunen, wie es der Kleiderständer fertiggebracht hatte, zwei junge Shinobi anzuflirten, die höflichst ihre Koffer schleppten. Wie ein Kind auf Stelzen stakste sie voran. Oh Mann, so lange rannte sie schon mit diesen wahnsinnigen Absätzen unter den Füßen herum, hatte es bis heute aber nicht erlernt. Die von mir erwählte Unterkunft war ein Hotel mit bester Lage. Es lag auf dem halben Wege zur Innenstadt in einer sehr gehobenen und ruhigen Wohngegend. Und es war mir wichtig, dass das Personal auch mit den Bedürfnissen und Problemen ausländischer Gäste zurecht käme. Sehr gut konnte ich mir schon das Gesicht meiner Schwester vorstellen, wie sie einen Blick in die heimische Speisekarten werfen würde. Da würde sie aufgrund der Kanji schon mal gar nichts verstehen und bei ihrem Gemäckel am Essen wohl auch kaum fündig werden, was ihrem Gaumen gerecht werden könnte. Bei diesem Hotel jedoch wusste ich, dass es ein Frühstück anboten, bei dem es für jeden Geschmack etwas zu wählen gab. Dementsprechend war auch der Preis der Zimmer. Da wurde mir beinahe schwindelig, als ich den Preis für die erste Nacht im Voraus bezahlte. Früher hatte ich selbst auf Geschäftsreisen in ähnlichen Hotels genächtigt und getagt. Da war mir der Preis egal gewesen, da es das Kontor zahlte. Nun erst merkte ich, was es doch für finanzielle Einschnitte brachte. Doch ich war zu stolz, meine uneingeladenen Gäste ihre Zimmer selber zahlen zu lassen. Es war einfach ein Akt der Höflichkeit und Gastfreundschaft, die Rechnung zu übernehmen. Außerdem wollte ich nicht, dass sie merkten, wie pleite ich wirklich war. Der Weg zum Hotel war glücklicherweise viel zu kurz, als dass sich Drache und Kleiderstange aufregen konnten, weshalb wir kein Taxi nutzten, sondern zu Fuß gingen. Ich lenkte die beiden mit Smalltalk über Konoha ab und vereinbarte bei der Verabschiedung, am nächsten Morgen nach dem Frühstück mit einer kleinen Stadtführung zu beginnen und dann ein gemeinsames Mittagessen in einem Restaurant einzunehmen. Damit zeigte man sich einverstanden und ich wurde beide am Hoteltresen los. Draußen vor der Tür stellte ich fest, dass die Dämmerung einsetzte. Ich kramte nach meinem Handy und tippte eine Nachricht ein. „Bist du noch im Büro oder schon zuhause?“ „Noch im Büro. Und? Ersten Feindkontakt überlebt? Wo hast du die denn einquartiert?“ „Ich stehe hier vor dem Bankokuno Hoteru und wollte direkt nach Hause gehen.“ „Treffen wir uns am Onigiristand?“ „OK!“ Natürlich war ich zuerst am Onigiristand in der Nähe von Kakashis Wohnung, erstand die Onigiri, von denen ich hoffte, sie würden den heutigen Tagesgeschmack meines Freundes treffen und wartete einen kurzen Augenblick. Mit dem Kauf war Eile geboten, denn nur wenige Minuten später ratterten die schweren Rolläden des Imbisses herunter: Feierabend! Eine geschlagene Dreiviertelstunde später sollte Kakashi dort aufschlagen, was ich aber nicht mehr live miterlebte, weil ich einfach schon vorgegangen war und mich ins Bett begeben hatte. Ha, sollte er doch seine Ninja-Bande in der Gegend dauerparken. So blöde war ich nicht. Ich strafte seine Bummelei damit, dass ich ihn einfach stehen ließ. Das hatte den schönen Nebeneffekt, dass er mir nachlaufen musste. Genial! Vom Bett aus hörte ich seine schlurfenden Schritte, die hinüber zur Küchenzeile und den dort abgelegten Onigiri führten. Ein paar Minuten später erklang das Geräusch der Badezimmertür und der prasselnden Dusche. Frisch gewaschen und gebügelt lehnte er dann an der Schlafzimmertür, rieb sich müde die Schläfe und wuschelte sich dann kurz durch die noch feuchten Haare. Wenn er da auch wie ein Schluck Wasser in der Kurve hing, so war er doch lecker anzusehen. Der Kerl konnte irgendwie alles tragen. In diesem Falle ein schlichtes Badetuch um die Hüften und einen Dreitagebart, da er die letzten beiden Nächte mit dem Kopf auf dem Schreibtisch übernachtet hatte. „Ist da noch Platz in meinem eigenen Bett?“ „Nö!“ neckte ich und streckte alle Viere von mir, um den Platz auf der Matratze möglichst klein zu halten. „Bist halt zu spät! Schon besetzt!“ Das wurde natürlich voller Ignoranz überhört. Schon saß der auf der Bettkante und stupste mich in die Seite. Das kitzelte und ich gab lachend nach. Mir saß der Schalk im Nacken und auch noch viel zu viel an überschäumender Lebensenergie. „Wieso bist du überhaupt noch so wach?“ wurde mein lebhafter Zustand zu vorgerückter Stunde gähnend kritisiert. „Weil ich noch was vorhabe“, gab ich grinsend zurück, schlang meine Arme um ihn und zog ihn zu mir. Der neue Tag brach viel zu schnell an. Die Kinder waren recht früh wach und hantierten in der Küche. Das waren nämlich die Geräusche, die uns aus dem Schlaf rissen. Es klapperten Schranktüren, Schüsseln und die Kühlschranktür. Ich hob den Kopf und lauschte verwundert. Was zum Teufel trieben die beiden da in aller Herrgottsfrühe? Kakashi hingegen versteckte entnervt seinen Kopf unter dem Kopfkissen, nachdem er Notiz davon nahm, dass die Zeiger des Weckers gerade mal bei Viertel vor sechs angelangt waren. „Glaub' man ja nicht, dass die für uns Frühstück machen ...“, brummelte es unter dem Kissen hervor. Und weil er keine Anstalten machte, der Ursache des Kraches auf den Grund zu gehen, blieb das an mir hängen. Widerwillig schälte ich mich unter der Decke hervor, zog ein Nachthemd über und suchte die lauten Übeltäter heim. Und die beiden taten etwas, was ich zuerst überhaupt nicht kapierte. Sie standen sich gegenüber, hatten ihre Hände auf eine Metallschüssel gelegt und beobachten voller kindlicher Neugier, was im Inneren der Schüssel geschah. Da konnte ich mir erst keinen Reim draus machen, doch als ich die geöffneten Lebensmittelverpackungen sah, dämmerte es mir. Vanillezucker, Sahne und Milch. In der Schüssel waren alle Zutaten, wie man sie für Speiseeis benötigt. Yuuki kühlte mit seinem Wasserelement die Schüssel auf Minusgrade, während Asa einen Drehstrudel in der Schüssel entfacht hatte. Ich schmunzelte, denn die Idee war genauso herrlich clever wie selten dämlich bescheuert. „Guten Morgen!“, griff ich überraschend in die Aktion ein. Die beiden erschraken so sehr, das Yuuki die Schüssel losließ und Asa ihren Wirbel nicht mehr kontrollieren konnte. Die ganze Küche war nun komplett mit einer süßlichen Milch-Butter-Soße gesprenkelt, denn durch das lange Schlagen der Sahne hatte sie längst ihren Zustand verändert. Insgeheim fiel mir ein Stein vom Herzen, dass es nicht meine frisch geputzte Küche war, die einem Anschlag erlegen war, doch wenn Kakashi hier gleich aufkreuzen würde, dann gäbe es ordentlich Zunder. Als wäre es sein Stichwort gewesen, trabte der auch schon in T-Shirt und Unterhose an, sah die beiden Kinder, sah die Küche und sagte nur drohend: „Wenn ich hier gleich angezogen wieder reinkomme, ist es hier sauber!“ Noch nie habe ich Yuuki und Asa so fix aufräumen und Putzen sehen, den die Zeitspanne, die Kakashi zum Ankleiden bräuchte, war extremst ultrakurz. „Naja, naja ...“, ertönte es auch schon einige Sekunden später, als die beiden gerade mal erst die Küchenfront bearbeiten. In seinem Tonfall lag Versöhnliches und ein verstecktes Grinsen, dass er den ganzen Blödsinn wohl ziemlich amüsant fand. Nach einer gereinigten Küche und einem gemeinsamen Frühstück trennten sich dann unsere Wege. Kakashi musste zur Arbeit, Asa wollte zu einer Spielfreundin und Yuuki hatte die Pechkarte gezogen, einen Tag lang das liebe Enkelkind spielen zu dürfen. Seine Oma mochte er wohl noch gern ertragen. Immerhin schmierte sie ihm großzügig mit Geschenken Honig ums Maul. Doch als er Wind davon bekam, dass Tante Lana auch mit von der Partie wäre, zog über seinem Kopf eine schwarze Wolke auf. Missmutig kam er dann mit mir mit, als wir zum Hotel gingen. Dort in der Lobby wartete sogar schon meine Mutter. Meine Schwester war weit und breit nicht zu sehen. Eine geschlagene halbe Stunde später tauchte die dann auch mal auf und mir wurde klar, weshalb sie ihren Kleiderschrank im Gepäck hatte. Ein brandneues Kleid mit farblich abgestimmten Accessoires und Schuhen in Korallrot schmiegte sich an ihren Körper wie eine zweite Haut, dass sich die Männer nach ihr umdrehen mussten. Ich verdrehte die Augen und nahm die Gruppe mit. Wir bummelten durch die Innenstadt und kamen nicht sonderlich gut voran, weil sich stets die hochhackigen Schuhe im Kopfsteinpflaster verklemmten. In einigen Geschäften musste die Kleiderstange stundenlang das komplette Bekleidungssortiment anprobieren ohne aber auch nur ein einziges Teil zu kaufen. Fremdschämen pur! Immerhin wohnte ich in diesem Ort und würde den Verkäufern hier immer wieder begegnen, die mich mit der dusseligen Kuh zukünftig verknüpfen würden. Ich wünschte, die Erde würde sich auftun und mich einfach verschlingen. Selbst meiner Mutter wurde es zu bunt und sie herrschte Lana an, sich bitte einmal zu entscheiden oder die Shopping-Attitüden zu belassen. Schmollend hielt sie sich an die Vorgabe des Drachen. Wenigstens etwas. Lange hatte ich überlegt, ob ich den Schritt wagen würde. Letztendlich wagte ich ihn und nahm meine Familie mit zu meiner aktuellen Wohnung. Mehr als skeptisch begutachteten beide den Wohnklotz. Und als sie dann oben in der Wohnung ankamen, gab es nicht mehr als verachtende Worte: „Hier in diesem Loch wohnst du nun? Sherenina, das ist doch wohl nicht dein ernst?“, donnerte der Drache los, der meine Behausung schlichtweg gruselig fand. Seit der Reichtum Einzug in die Familie gehalten hatte, war man solch Wohnungen nicht mehr gewohnt. Da bot man flächenmäßig solche Domizile als Gästezimmer an. Meine dumme Schwester merkte obendrein entsetzt an, dass hier noch nicht einmal Hauspersonal zugegen wäre. Wer würde denn hier reinigen? Oder kochen oder waschen? Boah, mir schwoll der Kamm! Auch als ich noch die Kontorleitung inne hatte und mir es hätte finanziell leisten können, hatte ich mich nie um Personal gekümmert, sondern immer alles selber gemacht. Ich mochte keinen fremden Menschen in meinen eigenen vier Wänden und war froh, wenn ich mich zurückziehen konnte. Ich hatte gern meinen kleinen Haushalt geführt und war stolz, so bodenständig geblieben zu sein. Es war zum Ausrasten. Doch ich bewahrte nach außen ruhig Blut und gab schnippisch zu verstehen, dass die Wohnungsmarktlage zur Zeit sehr angespannt und das Finden einer passenden Wohnung nicht leicht wäre. Der Auszug aus der damaligen Dienstwohnung kam sehr überraschend. Es wäre nur eine vorübergehende Notlösung, bis wir etwas Besseres gefunden hätten. Nur schwer unterdrückte ich Tränen in den Augen. Tränen der Wut. Ich mochte meine Wohnung. Sie war blitzblank geputzt, sehr gemütlich und Kakashis Blumenstrauß blühte auch jetzt noch wie der frische Sommermorgen. „Nina, kannst du mal das Gestrüpp wegstellen? Ich krieg' davon Heuschnupfen“, beklagte der Kleiderständer, der es sich auf der Bank am Küchentisch bequem gemacht hatte. Gestrüpp? Das war doch wohl der Oberhammer! Niemand beleidigte Kakashis Blumen. Mir schwoll ein dicker Kloß im Hals an. „Die sind von Mamas Freund!“, platze mein Kind unbedacht heraus. Ungläubiges Staunen meiner beiden Gäste und eine angespannte Stimmung. Yuuki merkte sofort, dass sein Satz wohl ungünstig gewesen sein musste, denn er verkrümelte sich sofort mit eingezogenem Kopf in seinem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. „Oh, du hast einen Freund? Erzähl doch mal!“, plapperte meine Schwester los und präsentierte ihre einzige Gehirnzelle in Vollendung. „Sieht er gut aus? Verdient er viel? Ist der Sex super?“ Natürlich interessierte sie sich nur für die drei wichtigsten Dinge in IHREM Leben. Dabei platzte sie vor Neugier und strahlte mich an, wie eine Kuh auf Ecstasy. Mal ehrlich, was sind das denn für unseriöse Fragen? Sie überschritten weit die Grenze der Zurückhaltung und Höflichkeit. Klar hätte ich angeberisch jede Frage mit einem Ja beantworten und ganz groß auftragen können. Doch das wollte ich nicht. Ich wollte überhaupt nicht mir ihr über Kakashi reden. „Ach, weißt du ...“, wollte ich sie abwimmeln und das drohende Gewitter in meiner Wohnung noch abwenden, doch der Drache fuhr mir ungeniert über den Mund. „Jetzt sag nicht, es ist wieder so ein Ninja?! Ich will doch wohl ganz stark hoffen, dass er einer anständigen Arbeit nachgeht. Oh Sherenina! Hattest du mit dem Letzten nicht schon so viele Scherereien? Den gleichen Fehler musst du doch nun wirklich nicht nochmal machen. Und was ist das überhaupt für einer, der dich hier in einem Schuhkarton hausen lässt und noch nicht mal anständige Blumen für dich übrig hat? Und überhaupt. Wie geht es eigentlich meinem Enkel? Du hast ihn doch für das kaufmännische Internat angemeldet, wie du damals erzählt hattest?“ Der Drache hatte einen Ton am Leibe, der durch Mark und Bein fuhr. Mir kam es vor, wie eine Tracht Prügel. Lange hatte ich mit mir gehadert, was ich im Innersten eigentlich wollte. Ich war hin und hergerissen. Plötzlich wusste ich es. Und ich wusste in dem Moment auch, dass ich wohl mit alten Familienbanden brechen müsste. In mir explodierte alles. Ich könnte später nicht mehr sagen, wie ich trotz alledem die Fassung behielt. Ohne zu Schreien oder hysterisch zu werden, war es nun Zeit, reinen Wein einzuschenken. „Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen. Ja, er ist Shinobi, was in einem Dorf voller Shinobis nicht ungewöhnlich ist, und arbeitet zu deiner Zufriedenheit ausschließlich in der Verwaltung. Wir kommen zurecht. Und Yuuki wird nicht auf das Internat gehen. Er besucht seit diesem Schuljahr die Akademie und ...“ Da hatte ich doch mit keinem Wort gelogen ohne zu viel zu verraten. Weiter kam ich nicht, denn meine Mutter war die Meisterin der Satzunterbrechungen. Sie zeigte sich schockiert, sah die Zukunft ihre Enkels in düsterem Schwarz und tadelte mich wie ein Kleinkind, das mit Sand geschmissen hatte. Früher hatte sie mit dieser Methode Erfolg gehabt. Dann war ich eingeschüchtert, hatte alle meine eigenen Träume zurückgestellt und mich verkrochen. Das sollte ab jetzt vorbei sein. Diese Masche zog nicht mehr. Mein Leben stand auf wackeligen Beinen. Früher hätte mich das um den Verstand gebracht. Jetzt juckte es mich nicht die Bohne. Pleite, aber glücklich. Die frostige Stimmung kippte. Sie entlud sich in hitzigen Wortgefechten. Wir stritten uns nun lauthals, was ich überhaupt nicht mochte. Solch eine Behandlung von meiner Sippschaft hatte ich einfach nicht verdient. Im Gegensatz zu meiner Schwester hatte ich immer hart gearbeitet und aus allen Situationen das Beste gemacht. Sollte man da nicht stolz sein? Plötzlich ging die Zimmertür auf. Yuuki hatte natürlich alles mit angehört. Man sah ihm an, wie sehr ihn der Streit an die Nieren ging. Er war sehr sensibel. Mit verweinten Augen und zitternden Leibes stand er da und fragte angsterfüllt: „Mama, wir bleiben doch hier, oder?“ „Natürlich bleiben wir hier. Alles wird gut!“ versuchte ich beruhigend auf ihn einzureden. „Du bist doch nicht mehr bei Sinnen!“, keifte der Drache. „Ich werde dafür sorgen, dass wenigsten mein Enkel eine anständige Zukunft bekommt. Er wird zu uns ziehen!“ Yuuki hörte die messerscharfen Worte. Er bebte, schnappte nach Luft, stand kurz vor dem Kollaps. Doch was noch viel schlimmer war, dass er in diesem Zustand auch sein Chakra nicht mehr unter Kontrolle hatte. Seine Stirn und seine Hände wurden heiß. Die Augen glasig. Dann wurde es hell. Seine eben noch heißen Hände glühten und tauchten in ein Leuchten ein. Eine orangene Energiekugel bildete sich. Verdammt, was sollte ich nun bloß tun? Ich war verzweifelt, stürzte zu meinem Kind. Ich nahm ihn fest in die Arme und versuchte ihn zu beruhigen mit der Hoffnung, der Chakraball würde sich vielleicht auflösen. Meine Schwester und meine Mutter glotzten auf den Energieball, wie ich es wohl einst getan haben musste, als ich zum ersten Mal die Ausführungen eines Jutsus mit eigenen Augen sah. Lana bekam es mit der Angst zu tun, denn sie heulte los, versteckte sich in der hintersten Zimmerecke und jammerte, ich sollte doch etwas gegen diesen Hokuspokus machen. Und der Drache fauchte, dass es alles allein meine Schuld wäre. Nun würde ich ernten, was ich gesät hätte. Ich warf sie kurzerhand raus, alle beide, und gab ihnen mit auf den Rückweg, dass wir nicht ihre Hilfe und ihr verfluchtes Geld und ihre aufgesetzte Welt, sondern die Hilfe von Leuten bräuchten, die uns verstanden und damit umgehen konnte. Alle diese Hilfe hätten wir hier gefunden. Und weit mehr. Ich wusste, dass es das Ende einer langen familiären Beziehungskiste war. Nach diesem Tage brach ich alle Kontakte in die alte Heimat ab, löschte Telefonnummern aus meinem Handy und ließ Briefe unbeantwortet zurückgehen. Meine Mutter war nicht die Person, die kampflos aufgab. Noch lange bombardierte sie mich mit Telefonterror und später mit Anwaltsbriefen. Ich war es leid, mich darum zu kümmer. Es zermürbte mich und machte mich jedes Mal aufs Neue traurig. Irgendwann hatte auch Kakashi die Nase voll von dem Anwaltsspam in unserem späteren, gemeinsamen Briefkasten. „So, jetzt reicht's!“, hatte er nur verlauten lassen, als er wieder meine vermeintliche Fanpost aus dem Kasten fischte. Ich weiß bis heute nicht, was er damit meinte oder unternahm. Doch es hörte schlagartig auf. Mir war es nur recht, um endlich ein elendiges Thema abschließen und Ruhe finden zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)