Kalendertage von sakemaki (Der Tag, an ...) ================================================================================ Kapitel 49: 49 - Der Tag, an dem ich Akka suchte ------------------------------------------------ Unermüdlich prasselte es gegen die Fensterscheiben. Regen von allen Seiten. Dicke, warme Tropfen. Dünne, kalte Tropfen. Manchmal ein kurzer, knackiger Schauer. Manchmal ein Guss aus langen Bindfäden. Oder manchmal nur so ein dauerhaftes Nieseln. Die Formen, welche Wasser annehmen konnte, schienen unendlich, und ich überlegte, wie viele Synonyme es wohl für das Wort „Regen“ gab, um all diese Wettererscheinungen beschreiben zu können. Jedenfalls bewässerte dieser feuchte Zustand Konoha nun schon den gesamten August wie aus Eimern und drückte trotz der ewigen, jährlichen Wiederkehr arg auf mein angekratztes Gemüt. Selbst wenn die Regenzeit zum Feuer-Reich gehörte wie das Kakaopulver in die Milch, so mochte man sich mit dem turnusmäßigen Dauerregen im Sommer einfach nicht anfreunden. Regenwetter war ja gut und schön, aber bitte nicht immer wochenlang am Stück. Sollte man mich jemals nach einem negativen Kritikpunkt über Konohagakure befragen, so würde mir die ungleichmäßige Verteilung des Himmelswassers über das laufende Jahr sicherlich als Erstes einfallen. Wenn ich von meiner Wohnung hinüber zum Bahnhof gehen musste, weil die Arbeit aus Keishi mich zu sich rief, mied ich die Abkürzungen durch die Natur. Überschwemmte Wiesen und geflutete Pfade. Selbst die schönen Parkanlagen standen unter Wasser, da der nasse Boden keinen Liter mehr an Feuchtigkeit aufsaugen konnte. „Wie Moosgummi“, meinte Asa mal über die sumpfigen Wiesen Konohas, als die Kinder aus der Schule heimkamen. „Eher wie ein Schlammtümpel“, beschwerte sich Yuuki, denn er hasste Schmuddelwetter. Die beiden konnte wenigstens shinobi-priviligiert über die Dächer hüpfen. Ich musste stets den Weg der unwürdigen Zivilisten am Erdboden entlang bestreiten. Hinterher sah man aus, als hätte man im Straßengraben genächtigt. Am Liebsten hätte ich in den nassen Wochen die ganze Zeit daheim verbracht. An meinem Küchentisch am Fenster. Dort saß ich sowieso die meiste Zeit der Woche über, focht am Laptop den beruflichen Papierkrieg aus und schmökerte nebenbei in ziemlich vielen Büchern, welche ich mir aus der örtlichen Bibliothek geliehen hatte. Das monotone Prasseln gegen die Fensterscheibe schläferte ein, was oft zu einer ablenkenden Gefahr wurde. Ich vergaß meine Arbeit und ertappte mich häufig selbst dabei, wie ich nur noch in der Fachliteratur las oder im Netz weitere Recherchen betrieb. Da konnte schon mal so ein ganzer Tag ins Land ziehen, ohne dass ich auch nur den kleinsten Teil meiner Arbeit geschafft, geschweige denn mal den Haushalt meines übersichtlichen Wohnbereiches in die Hand genommen hätte. Erst wenn eines der Familienmitglieder wieder daheim aufkreuzte, wurde ich wieder daran erinnert, was alles liegen geblieben war. Dann lief ich rot wie eine Tomate an, weil mich das schlechte Gewissen plagte. Zu meiner Verteidigung konnte ich aber mit nennenswerten Ablenkungsgründen aufwarten. Durch viele detaillierte Abbildungen und Fachtexte aus den Büchern bekam ich nun eine Ahnung davon, wie ein altes Haus wieder zum Leben erweckt werden könnte. Ein wenig Hintergrundwissen über Baustile konnte gewiss nicht schaden und verlieh dem Ganzen doch gleich eine engere Bindung zum Projekt. Man brauchte zu Beginn einfach erst einmal Ideen. So langsam wurden die Vorstellungen klarer. Ein Grundrissentwurf war schon skizziert. Leider musste ich mit großer Betrübtheit feststellen, dass Tenzô bislang nicht erreichbar war. Ich hatte ihm einige Nachrichten über den Messenger geschickt, doch es gab von ihm keine Antwort. Wie vom Erdboden verschluckt. Mein Freund versuchte mich zu trösten, dass Tenzô häufig nicht mehr in der Stadt, sondern außerhalb unterwegs wäre, wo man nicht unbedingt Netzempfang hätte. Und er wäre generell eh jemand, der nie so recht wüsste, wo sein Handy herumfliegen würde. Kakashi versprach aber immerhin, sich darum zu kümmern, sobald er wieder einen Laufboten frei hätte, den er zu ihm schicken könnte. Und schon wurde ich abgewimmelt. Dann schnaubte ich innerlich, wusste ich doch ganz genau, dass das so nicht stimmte. Da war noch etwas im Busche, was mir keiner verraten wollte. Tenzô wusste nämlich immer ganz genau, wo er seine sieben Sachen hatte. Da konnte mir keiner etwas vormachen. Auch Kakashi nicht. Ich war schon drauf und dran, Gai auf ein paar Pullen Sake einzuladen, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Allerdings wäre Gai meist schon durch den Alkoholpegel eingeschlafen, noch ehe er mir überhaupt irgendetwas verraten hätte. Somit wäre es im Nachhinein wieder ein recht sinnloses Unterfangen gewesen, weshalb ich die Idee noch nicht in die Tat umgesetzt hatte. Darüber hinaus hätte er mir vielleicht noch nicht einmal etwas ausplaudern können, weil er es selbst nicht wusste. Die Beziehungen untereinander konnte man mit Nadelstichen auf einem Stück Stoffband vergleichen. Das Band zwischen Tenzô und Kakashi war ein völlig anderes, als das zu Gai. Zwischen Gai und Kakashi war das Band eher so ein Zickzackstich. Oberflächlich, für jeden präsent, von Blödsinn und albernen Wettkämpfen geprägt. Aber dennoch für die Ewigkeit genäht. Haltbar, belastbar. Dass mit Tenzô war eher so ein Blindstich. Dunkel, unsichtbar, aber umso tiefgründiger und vertrauter. Ich würde schon meinen, dass das Band zu Tenzô um einiges intensiver war als zu Gai, obgleich man das gar nicht auf den ersten Blick vermuten würde. Verstimmt schob ich gedanklich die Umsetzung des Haus-Projektes auf einen unbestimmten Termin. Solange Tenzô nicht da war, war da nichts zu machen. Alles andere würde das Budget sprengen. Erst einmal standen sowieso ganz andere Dinge an. Knapp acht Wochen noch. Dann wäre Kakashi seinen Posten los. Und das hatte die Schlaftablette doch echt in Wallungen gebracht. Es war für niemanden erklärbar, noch nicht einmal für ihn selbst, weshalb er plötzlich eine innere Unruhe verspürte. Er räumte wie ein Irrer das Büro und das Archiv auf, kontrollierte alles doppelt und dreifach und schrieb ständig Notizen, was er noch erledigen müsste. Mir kam es vor wie ein Anflug von Torschlusspanik, dass er irgendetwas vergessen hätte, aber es noch dringend in Ordnung bringen müsste. Er tat, als wäre er nach seinem Rücktritt nicht nur aus dem Hokageturm, sondern aus seinem kompletten Dorfleben völlig verbannt und hätte sämtlichen Einfluss verloren. Seine ungekannte Hektik übertrug sich auf die gesamte Truppe, und man fürchtete schon, etwas ganz Schlimmes würde just in der Sekunde passieren, wenn er symbolisch seinen Hut an Naruto übergeben würde. Mindestens einen Urknall oder so etwas in der Art. Auf jeden Fall apokalyptisch. Der Untergang nahte. Von mir aus konnte die Shinobi-Welt untergehen, wie sie wollte. Für uns als Familie bescherte Kakashis Arbeitswut lediglich, dass wir daheim zu unsichtbaren Wesen wurden, als hätte er uns und sein Leben außerhalb des Büros völlig vergessen. Er kam weder nach Hause, noch meldete er sich. Und wenn wir ihn dann mal dezent mit dem Zaunpfahl winkend auf uns aufmerksam machten, guckte er doch recht erstaunt nach dem Motto: „Da war doch noch was...“ Mir kochte die Galle über, wenn ich nur daran dachte. Wutschnaubend schluckte ich den Groll hinunter, nur um ihn dann bei anderen Gelegenheiten wiederkäuend hochzuwürgen. Ich wollte mich nicht vor den Kindern mit ihm zoffen. Dabei konnte man nebenbei erwähnen, dass Asa mittlerweile so gut wie bei mir eingezogen war. Was sollte sie allein in Kakashis Wohnung hocken? Sie käme ja auch gar nicht zurecht. Man könnte auch zusammenfassend sagen, der Haussegen hing nicht nur schief, der war schon kurz vor dem Herabstürzen. Mit der Situation umzugehen, belastete mich maßlos. Ich erkannte Kakashi nicht wieder. Es war wohl die beste Zeit, endlich Ablenkung zu suchen und einen ganz anderen Gedanken in die Tat umzusetzen, den ich kürzlich erst gesponnen hatte. Ich wollte endlich einmal schauen, wie es der alten Akka ging. Mit Regenschirm und Gummistiefel bewaffnet stapfte ich durch die Pfützen und klapperte das Wohnviertel ab, wo ich meine ehemalige Mitarbeiterin und gute Seele des Kontors anzutreffen hoffte. Unterwegs flachste ich mit Ûhei, ob ich ihm wohl mal so ein Regencape für Vierbeiner kaufen sollte. Das sähe doch sehr niedlich aus, zog ich ihn auf. Vielleicht noch mit einem pink-lila Karomuster und blauen Schleifchen? Da tat er dann aber recht beleidigt und schüttelte sich zwischendurch mal so sehr, dass die Wassertropfen aus seinem Fell flogen und meine Hosenbeine sprenkelte. Ein Hunderegenmantel war somit abgelehnt. Ich lachte. Leider blieb unsere Suche erfolglos, denn unter der Adresse, die ich zuletzt von Akka gekannt hatte, lebte sie nicht mehr. So etwas blödes! Ich seufzte und stiefelte nun missmutig durch den herben Rückschlag weiter, bis ich unter dem breiten Vordach eines Hauses Schutz vor dem Regen fand. Gedankenverloren starrte ich den Straßenzug entlang, prüfte über mir die Wolkendecke, ob sie eventuell doch noch kurz aufreißen möge, und wanderte mit den Augen über den Hokagefelsen. Seit einigen Wochen rüstete der Steinmetz einen Teil des Felsens rechts neben Kakashis Steingesicht ein. Bald schon würde dort auch Narutos Antlitz über das Dorf herunterschauen und über uns wachen. „Kann ich Ihnen helfen, junge Frau?“, rief es mir plötzlich aus einem gegenüberliegenden Fenster zu. Ich zuckte zusammen, als man mich so aus meinen Gedanken riss. Junge Frau? Na, das war doch mal schmeichelnd. Und dankbar war ich obendrein, dass mich eine freundliche Nachbarschaft beobachtet hatte und ganz unverbindlich nach meinem Bedürfnis ansprach. „Vielen Dank, aber ich habe mich hier nur wegen des Regens untergestellt. Kennen Sie Akka-kun? Ich wollte sie besuchen, aber sie wohnt hier wohl nicht mehr?“, rief ich nun der fremden Stimme aus dem Nachbarhaus entgegen. „Akka-kun?“, nun schob sich doch mal ein Kopf aus dem Fenster, der mir berichtete, nicht zu wissen, wohin es die alte Dame verschlagen hätte. Ich bedankte mich und folgte dem Straßenverlauf in die Innenstadt. So, wie viele der Straßen es taten, verlief auch diese hier genau auf den Hokageturm zu. Das passte mir ausgesprochen gut. Wenn mir überhaupt jemand bei meiner Suche helfen könnte, dann doch Kakashi und sein Zugriff auf das örtliche Melderegister. Dabei könnte ich ihn auch gleich einmal daran erinnern, dass sein Büro eben nicht sein zuhause war. Der Regen hatte nachgelassen. Ich faltete den Regenschirm zusammen nicht ohne ihn vorher ein paar mal kräftig auszuschütteln, wie Ûhei es zuvor mit seinem Fell getan hatte. An einer Straßenkreuzung hielt ich inne. Über meinem Kopf formte sich ein unglaubliches Wolkenschauspiel. Die Decke riss unerwartet auf. Sonnenstrahlen stachen hindurch und strahlten willkürliche Häuser an. Ähnlich Scheinwerfern in einem Theater, welche Darsteller in Szene setzten. Wäre ich gläubig, ich würde hier wohl ein Götterzeichen deuten. Der Wind schob die Wolkenlöcher weiter, verschloss sie oder öffnete neue. Es war erstaunlich. Da verstand ich meinen Freund schon, wenn er erzählte, gerne in die Wolken zu schauen. Der Wind schob aber nicht nur die Wolken weiter, sondern pustete auch uns gehörig durchs Mark. Da taten zwei Füße und vier Pfoten gute daran, sich dem Turm mit großen Schritten zu nähern. Man ebenfalls tat gut daran, sich im Turm nicht an Gais Zimmertür vorbei zu schleichen. Das empfand er stets als unhöflich, wenn die Zeit noch nicht einmal für eine Begrüßung unter Freunden ausreichen würde. Ich klopfte an seine Bürotür. Doch als keine Antwort durch das Türblatt drang, musste ich wohl von seiner Abwesenheit ausgehen und konnte den Zwischenstopp bei ihm ausfallen lassen. Gut so! Wenn man einmal seinen Kopf bei Gai durch die Tür gesteckt hatte, war man schon so gut wie in einer Falle gefangen. Dann bekam man eine Tasse Tee in die Hand gedrückt und die ganze Kraft der Jugend redete pausenlos auf einen ein. Das hatte ich mir für heute mal erspart. Dafür traf ich zwei Etagen höher auf einen menschlichen Stau. Dort in dem langen, geschwungenen Flur wartete eine Gruppe von Shinobi vor Kakashis Tür. Schweigend hielt ich mich mit Ûhei etwas abseits von ihnen und musterte den kleinen Trupp. Anscheinend kamen sie von einer Mission zurück, denn die Umhänge waren nicht nur vom Regen durchweicht, sondern auch verdreckt. Einer aus der Gruppe schien unterwegs hängengeblieben zu sein, denn der Stoff zeigte üble Risse, die sich nur schwer flicken ließen. Man müsste wohl eher das Seitenstück durch neuen Stoff ersetzten. Hach, ich vermisste das Stoffekontor. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals. Ich schluckte ihn schmerzerfüllt runter. Zwar hatte ich wieder Arbeit gefunden, doch sie füllte mich nicht so sehr aus, wie dazumal das Kontor es getan hatte. Ich haderte sehr mit mir, mich eventuell beruflich doch noch einmal anders zu orientieren. Die Tür klappt abermals. Zwei Shinobis kamen mit unzähligen Aktenbergen heraus, dass man zuerst gar nicht deren Gesichter zuordnen konnte. Izumo und Kotetsu. Schnell drückte ich mich an die Wand und zog den Bauch ein. Die beiden waren durch die aufgetürmten Aktenberge so gut wie blind und beanspruchten somit den gesamten Flur für sich. Gerade als sie auf meiner Höhe waren, konnte man unzufriedene Wortfetzen hören. Dass so viele Bäume überhaupt noch nie gefällt worden wären, wie man hier an Papier schleppen würden. Und so weiter und so fort. Nur mühsam konnte ich mir ein Kichern verkneifen. Ausgerechnet die beiden Faulpelze beschwerten sich. Unter Tsunades Regentschaft hatten die beiden weit mehr zu schleppen gehabt. Kaum waren die beiden faulen Packesel hinter der Flurbiegung verschwunden, wandte ich mich wieder der Tür zu. Verschlossen! Und der wartende Trupp nicht mehr bei uns. Sie waren so schnell durch die Tür gegangen, dass ich es gar nicht bemerkt hatte. „Hoffentlich dauert die Berichterstattung nicht allzu lange“, sagte ich zum Ninken. Ich wollte nicht allzu lange warten und den Tag hier auf dem Flur verplempern. Also legte ich mir selber eine gefühlte Zeitspanne zurecht, nach deren Ablauf ich wieder gehen würde, sollten die Shinobi bis dahin ihr Anliegen nicht geklärt haben und das Büro freigeben. Doch so lange dauert es nicht. Wieder ein Türklappern und die Bande kam schon wieder herausmarschiert. Freie Bahn für mich. Langsam trat ich ein und strich mir fröstelnd über die Arme. Das gegenüberliegende Fenster stand sperrangelweit offen. Der Durchzug schnitt die stickige Luft scheibchenweise ab und bugsierte sie hinaus. Ein Rauschen im Blätterwald. Ich hatte das Büro seltenst zu Gesicht bekommen, gab es doch für mich hier kein Anliegen. Doch so überfrachtet an Akten, Schriftrollen und Unterlagen hatte ich es noch nie erlebt. Es glich dem Büro meiner Chefin in Keishi, als ich mit diesem zum allerersten Mal Bekanntschaft machte. Ich war schon etwas schockiert. „Tür zu!“, kam es wohl, aber bestimmt. Aus meiner kurzen Schockstarre zurückgeholt, kam ich diesem nach und schritt dann langsam um Schreibtisch herum, denn vom Drehstuhl sah ich nur die Rückseite. Ich zuckte zusammen. Kakashi saß da nachdenklich in seinem Stuhl, starrte ins Leere durch das offene Fenster und hatte eine Hautfarbe, die seinen Haaren ernstzunehmende Konkurrenz machte. Eine feine Gänsehaut zeichnete sich auf seinen Armen ab. Hatte er Schüttelfrost? Auf der aschgrauen Haut wirkten die dunklen Augenringe gleich noch viel gefährlicher. Schlimmer als beim Kazekage Gaara. Und DAS sollte schon etwas heißen. „Wie siehst du denn aus?“, entfuhr es mir entsetzt. „Ach, du bist es. Ich hatte mich gerade gefragt, wer hier herkommt und dabei sein Chakra unterdrückt ...“, wurde meiner Frage ausgewichen. „Du siehst beschissen aus. Ich hatte erst gedacht, hier sitzt ein Monster“, fuhr ich trocken fort. „Ich hab dich auch lieb“, entgegnete er nur keck. Da half auch sein scheues Lächeln nicht, die Stimmung zu heben. „Du kommst jetzt mit!“, befahl ich, weil mich sein Zustand echt entsetzt. Von Zustand konnte aber gar keine Rede mehr sein. Was war das? Dahinsiechen? Zu Staub zerfallen? Wie eine Glucke ihre Schar Küken durch emsigen Aktionismus beisammen hielt, kam nun hektisches Leben in mich. Ich fasste ihm ungefragt in den Hacken und an die Stirn, um erleichtert festzustellen, dass er wohl kein Fieber hatte. Er ließ das wortlos mit sich geschehen. Als meine Hand über seine Wange strich, hielt er sie für einen Moment, schmiegte sich an und sog die Wärme auf. Also war er wohl tatsächlich nicht krank, sondern hier hockte ein typischer Fall von Übermüdung. Viel Schlaf und eine Portion Streicheleinheiten würden den schon wieder auf die richtige Spur bringen. „Du bist doch nicht hier gekommen, weil du mich abholen wolltest, oder?“ Es war zum Haare raufen. Der eingebildete Herr würde sich keiner Blöße gegeben. Selbst dann nicht, wenn er hohes Fieber und den Kopf unter dem Arm hätte. Ich gab es auf. „Ich wollte eine ehemalige Mitarbeiterin besuchen, aber sie wohnt dort nicht mehr. Kannst du mal schauen, wo ich sie finden kann?“ „Klar!“ Mit einem Fußtritt gegen den Boden schubste er seinen Bürostuhl an und drehte sich zum Laptop. Wenige Klicks später kam ein Blatt Papier aus dem Drucker mit der gewünschten Anschrift. Na bitte! Doch so ganz kampflos wollte ich nicht aufgeben. Ich verabschiedet mich und drohte noch grinsend. „Wenn du heute Abend nicht nach Hause kommst, dann hole ich dich. Und dann, dann ...“, überlegte ich. „Dann bringe ich deine ganze Ordnung wieder durcheinander!“ Das war doch mal eine handfeste Drohung und den Blick, den er mir dann auch bei unserem Abschied hinterherwarf, sprach Bände, dass er mir wohl ohne Kommentar glaubte. Tatsächlich fand ich Akka unter der neuen Adresse. Als sie die Haustür öffnete, strahlte sie überrascht und bat mich herein. Wir erzählten viel und lange über die Zeit nach der Kontorschließung. Ich wurde immer kleiner auf meinen Stuhl, als ich hörte, wie weit die Gerüchte über Kakashi und mich schon ihre Runde im Dorfe gemacht hatten. Ich kam mir wie ein bestalkter Filmstar vor. „Weißt du noch, wie du vor zwei Jahren am Boden zerstörst warst, als Yuuki mit dem Jutsu das Haus in Schutt und Asche gelegt hattest? Tränen hattest du geweint. Ich konnte dich kaum beruhigen, weil du dachtest, Kakashi würde dich aus dem Dorf schmeißen. Und nun?“, lachte Akka fröhlich. Tjoa, und nun? Verlegen kaute ich auf meinem Onigiri herum. Nun war ich mit Kakashi zusammen. Verrückte Welt. Auf Akkas Kommode tickte eine kleine Uhr. Ihr Bronzeton zur vollen Stunde trieb mich zur Eile. Yuuki und Asa hätten nun Schulschluss. Wir verabschiedeten uns lange und versprachen, uns doch bald einmal wieder zu treffen. Ich lud sie in das Strandhaus ein, sofern es denn jemals fertig werden würde. Sie wurde rot und wollte das Angebot gar nicht erst annehmen, doch ich drängte sie dazu. „Meinst du, dein Ninja wird dir folgen? So weit außerhalb seines Dorfes? Sie werden für das Dorf geboren und sterben auch dafür. Ich fürchte, gerade deine Wahl nimmt es damit sehr streng“, wollte Akka noch besorgt wissen. Ich schüttelte lachend den Kopf. Nein, Kakashi würde immer einen Fuß in Konoha haben. Er wäre viel zu wissbegierig und rastlos, um tagtäglich in der Hängematte zu vergammeln. Das wäre mir klar und in Ordnung, solange er immer mal wieder den Weg zurück finden würde. Da sah mich die alte Akka lange an, bat mich, noch etwas zu verweilen und kam dann mit einem großen, braunen Paket wieder. Ich sollte erst reinschauen, wenn ich wieder daheim wäre. Sie hätte dafür keine Verwendung mehr, aber ich selber könnte es vielleicht einmal gebrauchen. Überrascht bedankte ich mich und versprach, mich daran zu halten. Das Paket fühlte sich schwer, aber im Inneren weich an. Ich vermutete einen Ballen Stoff. Beschwingt ging ich mit Ûhei nach Hause. So ein fröhliches Gespräch war Balsam für die Seele gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)