Kalendertage von sakemaki (Der Tag, an ...) ================================================================================ Kapitel 51: 51 - Der Tag, an dem wir luxuriös residierten --------------------------------------------------------- Es gebot den Anstand, dass man große Ereignisse mit weitreichenden Konsequenzen aus erster Hand erfahren müsste. Dazu gehörte im Allgemeinen auch, über den Tod eines nahen Angehörigen durch die Verwandtschaft persönlich und unverzüglich unterrichtet zu werden. Bei meiner buckligen Familie aus dem Erd-Reich war jedoch Hopfen und Malz in Bezug auf gute Umgangsformen verloren. Und so geschah es eines grauen Novembermorgens, dass Kakashi mir wortlos am Frühstückstisch die Zeitungsseite mit den Todesanzeigen über den Frühstückstisch schob. Man hatte sich als alte Stahldynastie nicht lumpen lassen, eine komplette Seite voller Druckerschwärze zu Ehren meines alten Herren zu verschwenden. Die Todesanzeige meines Vaters las sich bizarr. Da wurde von „plötzlich“ und „völlig unerwartet“ geheuchelt. Meine Güte, selbst ich wusste Dank Kakashis Spionagearbeit, dass mein Vater nun vor wenigen Tagen nicht unerwartet, sondern durch ein heftiges Krebsleiden von uns gegangen war. Wie konnte man da so überrascht tun? Völlig unerwartet schien mir eher, welche Namen sich unter den Todesdaten als trauernde Familie platzierten. Mein Name tauchte natürlich nicht auf. Wieso auch? Das schwarze Familienschaf lebte ja im Feuer-Reich und wäre bei der Testamentseröffnung absolut unerwünscht. Die Beerdigung sollte schon in fünf Tagen über die Bühne gehen. Ich schluckte schwer und gab eine Kurzschlussreaktion zum Besten. „Da fahr' ich hin!“, platze ich laut und angefressen hervor. Meine Stimme bebte vor Zorn. Ich war sauer, vom Tode meines Vaters aus der Zeitung erfahren zu müssen. Und ich war es auch, weil ich einfach so mir nichts, dir nichts in der Familienhierarchie vergessen und ausgeschlossen wurde. „Und wie stellst du dir das vor?“, hakte Kakashi nach. Eine Spur von Abenteuerlust blitzte in seinen Augen auf. Der Rentner wusste noch nichts so recht mit seiner neugewonnenen Freizeit anzufangen und hatte recht viel Langeweile zu verkraften. Armer luxusproblemgequälter Kerl! „Ich weiß noch nicht genau...“, überlegte ich laut. „Mir fällt bestimmt noch etwas ein.“ Die nächsten Schritte müssten tatsächlich wohl überlegt werden. Immerhin hielt man mich bewusst im Unklaren. Würde ich dort als normaler Zaungast auftauchen, würde man versuchen, mich wie einen Spielball herumzuschubsen und wegzuwerfen. Die dumme Nina, die man ausbootete und einfach in der Erbfolge überging. Ich war zwar nicht am Erbe interessiert, doch ging es mir ums Prinzip. Ich war auch noch da und das sollte die Bagage ruhig zu spüren bekommen. Allein, dass ich nun beschlossen hatte, dort aufzutauchen, wäre schon ein großer Überraschungsmoment. Diesen müsste ich mir zu Eigen machen und am Besten noch eine Show zu meinen Gunsten abziehen. Ja, das war's! Meine Gedanken am Frühstückstisch wurden immer ausgekochter und mussten sich in meinen Gesichtszügen widerspiegeln. Jedenfalls fasste mein Freund zusammen: „Was auch immer dir gerade durch den Kopf schoss, es scheint dich zu amüsieren. Also machen wir das so.“ Damit war die Aktion eine beschlossene Sache, obgleich sie noch nicht so recht Hand und Fuß hatte. Das malte ich mir in den folgenden Stunden bei einem guten Pott Kaffee aus. Kakashi hatte sein berühmt-berüchtigtes „Bauchgefühl“. Und wenn er „Bauchgefühl“ hatte, dann musste man das sehr ernst nehmen. Daher artete dann unser Familienausflug auch eher zu einer kleinen Reisegruppe aus, die letztendlich im Zug Richtung Erd-Reich fuhr. Oder besser gesagt saßen wir eigentlich den Großteil der Fahrt nur zu fünft im Abteil. Kakashi hatte seine dreiköpfige Vogelband schon vorausflattern lassen und ihnen unmissverständlich zu verstehen geben, dass er alles wissen wollte. Wirklich alles. So richtig alles. Von der Gästeliste der Trauerfeier, über die Lieblingssockenfarbe und das Lieblingsmüsli jedes einzelnen bis hin zu deren Verbindungen untereinander. Mit einem eifrigen Nicken flogen die Vögel aus dem Zugabteil durch das Schiebfenster hinaus und freuten sich, für ihren Lieblingshokage noch etwas Nützliches tun zu dürfen. Sowohl die Aufgabe, als auch der filmreife Abgang fand ich zwar schon ein bisschen krass, doch Rokudaime-sama war gerade in seinem Element und arg beschäftigt, den Schlachtplan zu koordinieren. Da wollte ich ihm den Spaß an der Freud nicht nehmen, zumal wir tatsächlich einen genialen, aber ebenso bescheuerten Plan verfolgten. Als meine Mutter mich dazumal mit meiner Schwester Lana im Schlepptau in Konoha besucht hatte, musste sie bis heute in dem Glauben sein, ich wäre weiterhin mittellos und hätte bis heute nichts zu Stande gebracht. Das schrie doch schon förmlich danach, allesamt einmal kräftig auf die Schippe zu nehmen und die Trauergesellschaft drastisch aufzumischen. Außerdem, so meinte Kakashi, wäre garantiert eine Spur derer unter den Trauergästen zu finden, die im Januar meine Entführung angezettelt hätten. Die würden sicherlich kalte Füße bekommen, wenn eine putzmuntere und selbstbewusste Sherenina mit einer Handvoll ANBU im Gepäck dort aufkreuzen würde. Ich hegte zwar noch einige Zweifel, ob ich das Maskeradenspiel so lange durchhalten würde, aber auf die selten dämlichen Gesichter meiner Sippschaft war ich doch mächtig gespannt. Blieb nur zu hoffen, dass die Kinder nicht verplappern würden, wer unter den Masken steckten. Wir erreichten pünktlich zum Vormittag den Bahnhof der nächstgrößeren Stadt. Bis zum Ort, wo sie meinen Vater beerdigen würden, müsste man noch wenige Kilometer einen Wald durchqueren. Er hatte oft davon gesprochen, wie sehr er die Stille in den Wälder mochte. Unsere ursprüngliche Heimatstadt lag oberhalb der Baumgrenze in den Bergen. Da war es nicht so weit her mit den Wäldern. Es mochte wohl sein letzter Wunsch gewesen sein, seine letzte Ruhestätte unter den Bäumen zu finden. Nun aber standen wir erst einmal in der großen Bahnhofshalle und bestaunten ein Wunder der Baukunst. Ein filigranes Stahlgerüst spannte sich wie ein Regenschirm auf und hielt fast unsichtbar unzählige Fenstergläser zusammen. Ja, der Einfluss der Stahldynastie war unverkennbar. Ich seufzte. Weniger über den Einfluss, sondern mehr über das Wetter. „Regenschirm“ war das richtige Stichwort gewesen. Schon während der Fahrt hatte man das Aufziehen einer schwarzen, bedrohlichen Regenfront beobachten können. Jetzt klatschten die ersten dicken Tropfen gegen das Glas und steigerten sich zu einem wilden Trommeln. Na toll, das ging ja gut los! „Ich kenn' mich hier nicht aus. Welches ist die beste Absteige der Stadt?“, fragte Kakashi, der gelangweilt irgendwo ins Blaue zu schauen schien. Doch wie man ihn so kannte, checkte er gerade nebenbei den kompletten Bahnhof ab. Das konnte man unter seiner Kapuze und der ANBU-Maske jedoch nur erahnen. Tenzô tat es ihm ebenso unauffällig gleich. Der hatte zwar erst gar keine Lust zum Mitkommen gehabt, wurde dann aber mit dem Argument tot geschlagen, er hätte eh nichts zu tun. Ein verächtliches Pfeifen war da Tenzô nur über die Lippen gekommen, aber er kam dann jedenfalls doch mit. „Ja, es gibt ein sündhaft teures Hotel hier in der Nähe. Es macht zwar einen altbackenen Eindruck, aber es ist die absolute Top-Adresse...“, murmelte ich und dachte mit einem Stein im Magen an das Hotel „Vier Jahreszeiten“. Es war wirklich über die Grenzen hinaus bekannt und erfüllt sämtliche Standards vom Äpfel schälenden Butler bis zum gebügelten Zeitungspapier, doch solch Luxus hatte auch seinen Preis. Die günstigsten Zimmer kosteten soviel, wie ich jeden Monat insgesamt verdiente. Ich schluckte schwer. Doch wenn unser Kasperletheater glaubhaft sein sollte, so müsste man schon nobel residieren. Es würde nicht zusammenpassen, würde ich dort wie eine Frau von Welt auf der Feier auftauchen, aber nur in einem billigen Gästehaus nächtigen. „Ok, dann nehmen wir das. Wie groß ist das Hotel? Und mache dem Typ an der Rezeption klar, dass die Zimmer alle nebeneinander liegen sollten. Am Besten ein ganzer Trakt oder noch besser eine halbe Etage. Ich will da keinen Publikumsverkehr haben“, kamen die nüchternen Anweisungen von Kakashi, und mir trieb es das P in die Augen. „Und guck' nicht so entgeistert. Du bist doch nun die Stahlprinzessin.“ „Ich will aber keine Stahlprinzessin sein!“, fauchte ich genervt. „Sollen wir wieder nach Hause fahren?“, blieb er seinem nüchternem Ton treu. „Och, nö. Papa, ich hab Hunger!“, schaltet sich Asa ein, für welche die stundenlange Fahrt im Zug schon Folter genug war, und welche in ihrer Bento-Box im Zug nur herumgestochert hatte, weil ihr der Inhalt nicht zusagte. Und auch Yuuki guckte entsetzt: „Wie? Alles wieder zurück?“ Mit einem lauten Rumms platschte sein Rucksack zu Boden. Er hatte extra für diese Fahrt eine Geburtstagsfeier mit Übernachtung bei seinem besten Freund absagen müssen und war dementsprechend geladen. „Na los, Nina! Ist doch nur für heute Abend. Und Morgen geht es ja eh wieder nach Konoha“, munterte mich Tenzô auf. „Außerdem wurde unsere Ankunft bereits entdeckt.“ Entdeckt? Wer oder was hatte uns denn entdeckt? Na, die zwei Erd-Reich-Shinobis, die uns die ganze Zeit schon vom gegenüberliegenden Bahnsteig aus beobachtet hätten, wurde ich aufgeklärt, als wäre es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt, dass man so eine Beschattung doch merken müsste. Nun gab es also kein zurück mehr. Wie ein Filmstar schritt ich erhobenen Hauptes und mit wehenden Fahnen samt Kind und Kegel dem Ausgang entgegen. Gerade als ich die große Doppelschwingtür aufdrückte und mir ein heftiges Gemisch aus Wind und Regen entgegen peitschte, als würde gleich die Welt untergehen, packte mich Tenzô aus heiterem Himmel brutal am Oberarm und riss mich zur Seite, dass es im Schultergelenk knackte. Verdattert lag ich nun in seinen Armen und starrte ihn mit großen Augen an. Nach mir folgte im wahrsten Sinne des Wortes die Sintflut. Eine riesige Welle brach den Türrahmen samt Türflügel aus dem Gemäuer. Erschrocken sah ich, wie sich die Wasserränder zu Zähnen formten, sich dann in der Halle festbissen, Passanten von den Füßen rissen, Bänke und Blumenkübel mit sich nahmen und sich zu einem großen See labten. „Suiton-Jutsu, Rang A“, kombinierte Tenzô unbeeindruckt und meinte dann: „Interessante Gastfreundschaft, die hier im Ort betrieben wird.“ „Weißt du nun, warum du unbedingt mitkommen solltest?“ „Ja, schon klar... “ Augenrollen von Tenzô. Man steckte mal wieder in einer nervigen Mission fest, in die man gar nicht freiwillig hinein gewollt hatte. Meine Augen suchten hingegen weiter in die Richtung, aus der ich Kakashis Stimme gehört hatte und fanden ihn mit den Kindern ganz in unsere Nähe. Wie auch immer er es mit den Kindern unterm Arm bewerkstelligt hatte, warf dieser nun Shuriken gezielt in eine bestimmt Richtung gen Hallendecke. Ihrer Flugkurve konnte man nicht folgen, wohl aber die Auswirkungen. Glas klirrte ohrenbetäubend und rieselte wie ein Kristallregen zu Boden. Der See verwandelte sich in ein funkelndes Scherbenmeer. Zwei Schatten entfernten sich über die Glasfassade. Einer schien getroffen. „Raus hier!“, gab Kakashi den Befehl in einer Stimmlage, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Noch ehe jemand von den Passanten oder den Bahnhofsvorstehern merken konnte, wer dort für das Chaos verantwortlich war, waren wir schon allesamt raus aus dem Gebäude. Tenzô hatte mich wieder auf die Beine stellen wollen, doch die Knie fühlten sich an wie Wackelpudding und gaben nach. Also schleifte er mich sanft mit seinem Arm um meine Hüfte geschlungen auf den Vorplatz. Der Regen prasselte nur so herab, dass man kaum zehn Meter weit gucken konnte. Mir schossen tausende von Gedanken durch den Kopf. War das gerade ein Attentat? Wer steckte dahinter? Wollten die beiden den Angreifern nicht nachgehen? Warum hatten wir die Flucht ergriffen? In mir kam alles wieder hoch. Schnee, Dunkelheit, Kälte, Verzweiflung. Hemmungslos begann ich, Tenzôs Weste voll zu heulen, was bei den nassen Regenflecken überhaupt nicht auffiel. Dieser ganze Alptraum musste doch irgendwann einmal ein Ende haben. „Wo lang?“, fragte Tenzô und ignorierte professionell meinen sich anbahnenden Nervenzusammenbruch, denn dafür hatten wir nun Angesichts der Lage echt keine Zeit. „Links die Straße runter“, wimmerte ich unter Tränen. Chakra machte es möglich, dass wir nur wenige Sekunden später klitschnass in der Hotellobby standen und vom Personal argwöhnisch beäugt wurden. Es kamen wohl nicht so häufig begossenen Pudel durch die Drehtür und hinterließen Wasserlachen auf dem roten Teppich. Ich atmete tief durch, schritt auf die Anmeldung zu und spulte meinen aufgetragenen Text ab. „Guten Tag, ich wünsche für mich und meine Begleitungen gerne Zimmer für eine Nacht“, gab ich mit seltsam gefasster Stimme von mir. Dann wandte ich kurz den Kopf zu Yuuki und Asa. „Wollte ihr euch ein Zimmer teilen oder lieber Einzelzimmer?“ „Getrennt!“, meldet sich Yuuki sofort. „Asa wälzt sich die ganze Nacht im Schlaf hin und her.“ „Stimmt gar nicht!“, protestierte sie sofort eingeschnappt. Zickenalarm! Ich überhörte den Krach und wandte mich wieder der Empfangsdame zu. „Wir sind insgesamt acht Personen, von denen drei später anreisen werden. Dann hätten ich gerne...“, ich überlegte kurz und zählte im Kopf die Anzahl nach. „... zwei Doppelzimmer und vier Einzelzimmer. Alle bevorzugt im selben Trakt nebeneinander liegend.“ „Dann würde ich gerne die zweite Etage empfehlen. Hier haben wir Suiten, die bevorzugt von Familien gebucht werden, weil man durch das Aufschließen von Zwischentüren einzelne Suiten miteinander verbinden kann. Es gibt sowohl Doppel-, als auch Einzelbetten. Zudem würde ihnen bei der Belegung von vier Suiten das separate Esszimmer alleinig zur Verfügung stehen.“ Hm, eine komplette Etage nur für uns klang doch super. Allerdings hatte ich Mühe, bei dem Wort „Suite“ meine Gesichtszüge nicht entgleisen zu lassen. Mir schwante preislich eine ganz üble Sache. Trotzdem nahm ich das Angebot an. „Das klingt hervorragend. Wir wünschen darüber hinaus, bereits das Mittagessen im Esszimmer einzunehmen“, ließ ich verlauten und spürte, wie ich langsam an Selbstbewusstsein gewann und einen überheblichen Ton anschlug. „Sehr wohl, die Dame. Soll der Page das Gepäck schon auf die Zimmer bringen? Wünschen sie in bar oder mit Karte zu zahlen?“ Upps, bezahlen … Da war doch noch was. Leichte Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. Man gut, dass der Regen auf der Haut und in den Haaren noch nicht getrocknet war. „Ich zahle ...“ Ein unauffälliger Knuffer von Kakashi in die Lende überzeugte mich. „... mit Karte!“ Als die Hoteldame die Karte durchzog, wäre mir beinahe schlecht geworden. Da konnte man Tenzô und Kakashi um ihre ANBU-Masken nur beneiden, die jegliche Mimik verhüllten. Kurz darauf kommentierte im Hotellift Kakashi nur grummelig, dass man bei dem Preis die ganze Hütte auch hätte aufkaufen können. Aber es half nichts. Wenigstens waren die Zimmer super. Es war tatsächlich wie eine große Wohnung mit ganz vielen Räumen, wenn man die Zwischentüren öffnete. Relativ mittig gelegen war das Esszimmer und wirkte wie ein zentraler Anlaufspunkt. Die Einrichtung war zwar Geschmackssache, aber keineswegs billig. Dunkle Antikmöbel platzierten sich wie Blickfänger aneinander. Kunstgegenstände und teure Bilder verzierten das Gesamtpaket. Hoffentlich ging nichts zu Bruch, denn die Kinder tobten von Raum zu Raum, weil sie sich nicht entscheiden konnten, wer wo schlafen sollte. „Wo schlaft ihr denn? Also ich will das Zimmer mit der großen Badewanne. Guck', die kann Blubberblasen!“ Asa war total begeistert und entdeckte nun die großartigen Vorzüge eines Kingsize-Bettes: So ein geniales Trampolin! Wenn man genau in der Mitte hüpfte, schaffte man es fast bis an die sehr hohe Zimmerdecke zu gelangen. Dann konnte man von oben auf den Kronleuchter gucken und viel besser die Lichtbrechungen in den geschliffenen Glassteinchen bewundern. Ein wunderschöner Regenbogen. „Siehst du, Mama! Die ist total irre. Ich schlaf da hinten“, gab mein Sohn zu verstehen und zog in eine ganz andere Richtung von dannen. Dort schmiss er sich aufs Bett und daddelte mit seinem Handheld. „Yuuki, magst du mir noch verraten, was du zum Mittag essen möchtest? Kakashi, kannst du bitte deiner Tochter mal erklären, dass so ein Bett auch kaputt gehen kann?“ Ich war total entnervt. Am Liebsten hätte ich mich ins Badezimmer verkrochen und laut losgeheult. Mir war das alles schon wieder zuviel, weil mein Januar-Trauma hochkochte. Tenzô war zu bewundern. Der saß nun ohne ANBU-Maske und Umhang mit verschränkten Armen am Tisch und betrachtete grinsend wie ein ruhiger Fels in der Brandung den Familienzirkus. Aber auch mein Freund war relativ unbeeindruckt, hatte sich das hoteleigenen Tablet geschnappt und tippte seine Essensbestellung ein. „Wieso? Ist das bei dem Preis nicht all-inclusive?“, meinte er zu mir, rief dann aber durch die halbe Etage. „Asa, in dem Bett sollst du nachher noch schlafen. Lass' es heile! Was willst du essen?“ „Spaghetti Napolitan!“, brüllte es zurück. Der Hüpffloh hatte tatsächlich das Trampolintraining unterbrochen. „Was möchtest du?“, wandte er sich an mich. „Ich mag nichts essen.“ Nein, mir war nur noch schlecht. Das allerdings ließ mein Freund nicht gelten. Wenigstens eine Suppe oder ein Salat müsste ich essen, wenn ich hier nicht umkippen wollte. Er tippte irgendetwas für mich bei der Auswahl an, bevor er das Tablet an Tenzô weiter gab. Ich indessen stand auf und trat an eines der großen, bodentiefen Fenster. Es regnete immer noch so stark, dass das Wasser in Fäden an der Scheibe herunter lief. Stumm verfolgte ich diesen Wasserlauf und lauschte dem gleichmäßigen Rauschen. Es beruhigte mich nur wenig. Ich schlang die Arme um meinen Körper, denn es fror mich, obgleich die Zimmer wohlig warm waren. Es wäre sicherlich ein guter Zeitpunkt, aus den regennassen Klamotten zu schlüpfen und sich etwas Trockenes anzuziehen. Doch Fragen brannten in meinem Kopf. „Was waren das vorhin für Ninjas? Warum habt ihr sie nicht zur Rede gestellt?“ „Nun ja, hätten wir vorhin ein großes Spektakel veranstaltet, dann wäre unsere Tarnung sofort aufgeflogen. Weißt du, es gibt nicht so viele Anwender mit einem Holz-Jutsu oder violettem Raiton. Nun wissen die, wer auch immer die sind, dass du nicht schutzlos bist, sondern mindestens zwei Konoha-ANBU dabei hast. Und da du am Empfang von acht Personen gesprochen, wird auch bald durchsickern, dass noch drei Leute fehlen. Das schindet erst einmal Eindruck. Ich bin gespannt, was als nächstes kommt. Die Idee, dich mit der Wasserfontäne bei dem Wetter absaufen zu lassen, war ja gar nicht so blöde, aber es war viel zu offensichtlich“, erklärte Kakashi postwendend. Absaufen zu lassen... Ich schluckte. Ein Schauer jagte über meinen Rücken. Betretendes Schweigen. Wieder ein stummer Blick aus dem Fenster. Ich schniefte. Stille Tränen perlten an meinen Wangen herab. „Ich hab Angst!“, stammelte ich hervor. Angst, weil ich mich so nutzlos und hilflos fühlte. Angst, weil ich nicht wusste, welches Spiel mit meiner Person gespielt wurde. Angst, dass ich wieder irgendwo in einem dunklen Keller enden würde. Kakashi sprang auf, kam zu mir und schloss mich tröstend in die Arme. Ich verbarg mein Gesicht in seiner Halsbeuge, doch er hob sanft mein Kinn an, dass ich ihn ansehen musste. „Nina-chan, alles wird gut. Und du bist nicht allein. Es gibt keinen Grund, ängstlich zu sein.“ Er sprach dabei so beruhigend und strahlte wie die Sonne, als wären wir auf einer Kaffeefahrt unterwegs. Und als hätten sie es gehört, flatterten wie auf Kommando Hisui, Kujaku und Ruri gerade herein. Die taten wie eine fröhliche Kükenschar, riefen „Alles erledigt!“ und knallten unglaubliche viele Zettel auf den Esstisch. Es war echt bizarr. Ich glaube, dass wurde das fröhlichste und ausgelassenste Mittagessen, was ich in den letzten Jahren je erlebt hatte. Und zum ersten Mal konnte man auch unter die Masken der Vogelbande schauen. Alle drei hatten orangene Haar, eine blass-weiße Haut mit tausenden Sommersprossen und eisblauen Augen. Die Schwester war die Älteste und mochte gerade mal dreißig Lenzen zählen. Die beiden Brüder waren Zwillinge und sahen sich so was von ähnlich, wie es mir noch nie untergekommen war. Sie hatten viel über ihre Auftragsergebnisse zu erzählen. Und das taten sie, als würden sie den neusten Dorfklatsch im Soap-Opera-Stil berichten. Ein schnatternder Hühnerhaufen. Ich hätte nie gedacht, wie unterhaltsam und locker die Geschwister sein konnten, wo sie sonst immer so diszipliniert und eiskalt aufgetreten waren. Meine gute Laune kehrte zurück. Die Sorgen verblassten. Da wurde viel gelacht am Tisch und Nebensächlichkeiten ausgeblendet. Es war völlig egal, dass Asa ihre Spaghetti mit dem kleinen Finger angelte, den Kopf in den Nacken legte und den langen Pastafaden in ihrem Schlund versenkte, als wäre sie Schwertschluckerin. Spuren von roten Tomatensprenkeln gaben dem blütenweißen Tischtuch eine völlig neues Design. Oder das Yuuki sein Getränk über den halben Tisch und den sündhaft teuren Perserteppich kippte. Und als einer der beiden Zwillinge auch noch ein Würfelspiel aus der Hosentasche zog, war es schon fast wie im Urlaub. Kakashi hatte wieder einmal recht: Mit Konohas Crème de la Crème an der Seite konnte man einfach keine Sorgen haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)