Secrets von Lenya_C_Sharizardon ================================================================================ Kapitel 2: The cool guy and his rival ------------------------------------- Alabastia. Eine winzig kleine Stadt im Südwesten Kantos, ein kleiner Ort zwischen der Route 1 und dem Wasserweg Route 21, unbedeutend für jedermann, der nicht selbst aus Alabastia stammte oder unbedingt zu Professor Ōkido wollte. Und genau das wollte ich. Oder musste, eher gesagt. Denn von Wollen konnte hier gar nicht die Rede sein. Insgeheim hoffte ich immer noch, dass er mich mit seinen Spinnereien verschonte und ich schleunigst wieder zurückkehren konnte. Doch das wäre vermutlich zu einfach. Also machte ich mich mit Fukano an meiner Seite auf den Weg zu Professor Ōkidos Labor. Es lag am Rande der ohnehin schon winzigen Stadt auf einem Hügel. Ohnehin schon ziemlich angenervt stieg ich recht widerwillig die Stufen hinauf, während Fukano freudig neben mit her tapste, und ließ dabei den Blick über die Stadt schweifen. Na ja, vielleicht konnte man sie mögen, wenn man hier aufgewachsen und an sie gewöhnt war. Doch mit Sicherheit kannte hier jeder jeden. Da bevorzuge ich dann doch lieber Saffronia City. Um einiges größer, dafür kann man allerdings einfach man selbst sein, ohne dass gleich alle Nachbarn über einen Bescheid wissen. In meinem Fall wohl auch besser. Ich wäre nicht scharf darauf gewesen, von all meinen Mitbürgern als Kampfweib bezeichnet zu werden. "Nicht so schnell, Fukano", rief ich, doch offenbar voller Vorfreude hüpfte er voraus, rannte bis zum obersten Treppenansatz, drehte sich im Kreis und setzte sich schließlich fröhlich hechelnd und wartete aufgeregt. Es half nichts. Wenn Fukano sich auf etwas freute, schien er beinahe vor Neugierde und Aufregung zu explodieren. Schließlich kam auch ich endlich an und Fukano wuselte um meine Beine. "Jetzt benimm dich! Wir gehen jetzt da rein und dann hören wir uns an, was der Kauz zu sagen hat. Und dann verschwinden wir wieder." Fukano folgte meinem Befehl und nun eher zivilisiert betraten wir das Labor. Es war gleich eine andere Atmosphäre. Kaum hatte ich die Tür hinter mir zufallen lassen, da sauste auch schon der erste Assistent von der einen Seite zur anderen nur knapp an mir vorbei. Völlig irritiert sah ich ihm nach, wie er zu einem Schreibtisch ging, Sachen durchwühlte, schließlich fand, wonach er suchte, und mit aufs Papier geheftetem Blick wieder zur anderen Seite hinüber sauste. "Ah, Rei, ich habe dich schon erwartet!" Ich zuckte zusammen und folgte dem lauten Ausruf zum Ende des Labors. Es war beinahe wie erwartet. Professor Ōkido breitete die Arme aus, als ob er einem hunderte Jahre treuem Freund begegnen würde, lächelte voller Vorfreude und ließ den Blick vollständig von den beiden Jungen abgewandt, mit denen er zuvor wohl noch gesprochen hatte. Als ich mehr widerwillig auf ihn zukam, glaubte ich, die beiden Jungs mit den Augen rollen zu sehen. Wahrscheinlich hoffte ich einfach nur, dass sie genauso wenig von ihm angetan waren wie ich. Ich konnte die Blicke der beiden spüren, doch war bemüht, dies zu ignorieren. Völlig desinteressiert lehnte ich mich an das nächste Bücherregal und verschränkte die Arme. Professor Ōkido schien das allerdings in keinster Weise zu irritieren. "Das, meine Jungs, ist Rei. Sie kommt aus Saffronia City und ist sozusagen die dritte im Bunde." "Ist das so, ja?", sagte der eine und verschränkte ebenfalls die Arme, während er mich von oben bis unten musterte. Ich konnte mir ein kaum merkliches Grinsen nicht verkneifen. "Na wenn das so ist", setzte der andere an und streckte mir die Hand entgegen. "Ich bin Red. Freut mich, dich kennenzulernen." "Ganz meinerseits", erwiderte ich sehr knapp, gab ihm die Hand und hatte mich dabei kaum gerührt. Ich warf einen Blick hinüber zu dem ersten Jungen, der mich nachwievor mit hochgezogenen Brauen musterte, und dann wieder einen Blick auf Professor Ōkido warf. Der versetzte dem Jungen einen stechenden Blick und wandte sich dann entschuldigend an mich. "Verzeih mir sein Benehmen, er meint es nicht so." "Was denn?", fragte ich achselzuckend. "Er hat doch gar nichts gemacht." Er schien bloß genauso angenervt und ungeduldig zu sein wie ich. Professor Ōkido jedoch schien von meinen Worten gar keine Notiz zu nehmen und redete einfach weiter: "Er ist mein Enkel, musst du wissen, sein Name ist … verdammt, wie war nochmal sein Name?" "Opa!", sagte der Junge wütend und versetzte nun ihm einen stechenden Blick. Dann wandte er sich an mich und streckte mir auch seine Hand entgegen. "Ich bin Green. Hör nicht auf den, der kann sich sowieso nichts merken. Wundert mich, dass er überhaupt noch weiß, dass ich sein Enkel bin." "Aber Green, sag doch sowas nicht!", rief Ōkido empört und schreckte zurück, als ob er etwas Gruseliges gesehen hätte. "Mir ist für einen Moment bloß dein Name entfallen, das heißt aber noch lange nicht, dass ich mich nicht mehr an dich erinnere!" Jetzt rollte Green definitiv mit den Augen. "Professor, sagen Sie uns einfach, warum Sie uns hergerufen haben", schlug Red vor und unterbrach somit diese eigenartige Konversation. Glücklicherweise ging er sofort darauf und klatschte freudig in die Hände. "Jawohl! Also, meine Kinder … ich habe eine Aufgabe für euch. Für euch drei. Seht ihr das da auf dem Tisch? Das sind drei Pokémon." Ich ließ den Blick kurz hinüber zum Tisch schweifen, auf den er überdramatisch deutete. Auf ihm befanden sich drei Pokébälle, die völlig identisch aussahen. Die beiden Jungen wandten sich sofort um. Ihren Blicken nachzuschließen hatten sie auf diesen Tag wohl lange gewartet. Doch mir war es gleich. Ich hatte meinen Partner, das genügte mir. Außerdem war ich nicht hier, um mir ein Pokémon zu schnappen und dann für Professor Ōkido zu arbeiten. Der Professor stellte sich hinter den Tisch und wies ausladend auf die drei Bälle. "Meine drei Pokémon, die ich den neuen Trainern in dieser Welt überlassen möchte. Euer allererstes Pokémon! Es wird ein besonderes sein, also überlegt eure Wahl sehr gut. als erste haben wir Bisasam, ein Pflanzen-Pokémon. Dann Glumanda, ein Feuer-Pokémon. Und schließlich Schiggy, ein Wasser-Pokémon. Jedes von ihnen hat seine Stärken und Schwächen, doch es liegt an euch, was ihr daraus macht. Aus jedem einzelnen könnt ihr Vorteile ziehen, und jedes von ihnen wird auf seine Art und Weise liebenswert sein und den Weg in euer Herz finden." Oh, wie ich es hasste, wenn er so redete. Liebe, Freundschaft … das klang alles so überdramatisch und kindisch. Wenn man mit Pokémon kämpft, dann geht es nicht nur darum, miteinander befreundet zu sein. Man muss sich gegenseitig gut kennen, sehr gut kennen. Man muss sich gegenseitig ein tiefes Vertrauen entgegenbringen. Es bedarf einer sehr starken Bindung, die die meisten womöglich unterschätzen. Man braucht nicht einfach einen Freund an seiner Seite. Sondern einen Partner. Einen Partner, dem man bedingungslos vertraut und alle Kraft in ihn setzen kann. Und das war es, was ich gemeinsam mit Fukano erreichen wollte. Und zwar allein, er und ich. Und dafür brauchte ich keinen überschwänglichen, theatralischen Pokémon-Verrückten. "Red, ich möchte dich bitten, als erster eins auszusuchen." "Gut, in Ordnung", sagte Red und nickte. Er ging auf den Tisch zu und musterte nachdenklich die drei Pokébälle. Ich wandte mich in der Zeit meinem Partner zu. Fukano wuselte inzwischen voller Freude um den Assistenten herum, der mich zuvor beinahe umgerannt hätte. Ich pfiff ihn zurück, bevor der Assistent noch über ihn stolperte. "Fukano, komm her!" Hechelnd rannte er auf mich zu und sprang an mir hoch. Doch gerade wollte ich nicht groß darauf reagieren. Ich sollte ihn nicht zu sehr verwöhnen, außerdem wollte ich wissen, wie der Junge sich entschieden hatte. Und außerdem beobachtete ich währenddessen auch Green, der nachwievor mit verschränkten Armen dastand und ungeduldig mit dem Fuß wippte. Eine gewisse Arroganz zeichnete sein Gesicht, doch irgendetwas schien sich darunter zu verbergen. Ich wusste nicht, was es war. Aber ich wusste, dass da etwas war. "Ich denke, ich nehme das hier", sagte Red und nahm den mittleren Pokéball vom Tisch. Professor Ōkido nickte. "Eine sehr gute Wahl." "Na dann." Green verließ seine Haltung, ging nun ebenfalls zum Tisch hinüber und griff sofort, ohne auch nur einen Moment zu zögern, nach dem rechten Pokéball. "Dann nehme ich das hier." "Ebenfalls eine sehr gute Wahl." Den Spruch hätte er wohl ohnehin gedrückt, egal wer welche Pokémon gewählt hätte. Doch ich konnte nicht umhin, mir Green ein bisschen genauer anzusehen. Es konnte Zufall sein, doch seine Entscheidung bot ihm einen Vorteil gegenüber seinem Rivalen. Wenn dies seine Absicht gewesen war, dann war er gar nicht so dumm. "Und die hier sind auch für euch", sagte Professor Ōkido und hielt ihnen beiden etwas hin. Nun war ich doch ein wenig interessiert, doch wollte mich nicht unbedingt von meinem Posten entfernen. Die beiden Jungen nahmen das Gerät entgegen und betrachteten es mächtig interessiert. Professor Ōkido strahlte. "Das ist der Pokédex. Er speichert alle Daten über Pokémon, die ihr gesehen oder gefangen habt. Ich habe immer davon geträumt, ihn selbst zu füllen, indem ich alle Pokémon fange, doch ist es mir bisher nie gelungen … und jetzt bin ich zu alt, um mich auf die Reise zu machen. Deshalb lege ich dieses Schicksal in eure Hände. Vervollständigt den Pokédex, und erfüllt mir damit meinen Traum." Mein Interesse sank wieder auf den Nullpunkt. Für wie blöd hielt er uns denn? Wenn er den Pokédex nie hatte vervollständigen können, wie um alles in der Welt hätte er dann zu jedem Pokémon Daten sammeln können? Irgendjemand musste dieses Gerät schließlich erst mal mit diesen Informationen gefüttert haben, selbst Technik entwickelt sich nicht von selbst. "Gut, dann kann's ja losgehen", sagte Green, steckte den Pokédex ein und spielte mit seinem Pokéball, indem er ihn hochwarf und wieder auffing. Dann wandte er den Blick an Red. "Na was sagst du, Kampf gefällig? Jetzt, wo wir schon mal unser erstes Pokémon haben, da sollten wir es doch gleich austesten, was?" "Meinetwegen." "Gut." Er wandte sich kurz mir zu. "Wir sehen uns dann bestimmt später, Rei. Vielleicht hast du ja dann auch Lust auf einen kleinen Kampf." "Wir werden sehen", gab ich bloß zurück. Green nickte mit einem arroganten Grinsen und ging voran, um das Labor zu verlassen. Red folgte ihm wortlos. Nun, da beide verschwunden waren und ich immer noch in diesem Labor stand, konnte ich einen Seufzer nicht unterdrücken. Zugegeben, ich hatte mir auch nicht die Mühe gemacht. "Und nun zu dir Rei." "Wurde auch Zeit", sagte ich und machte tatsächlich ein paar Schritte in seine Richtung. Und zu meiner tiefen Verwunderung hielt er mir auch einen Pokédex hin. "Hier. Den kannst du brauchen." "Wozu sollte ich das?", fragte ich ihn und weitete die Augen. "Sie wissen genau, dass ich auf dieses klassische Trainer-Leben nicht scharf bin. Ich hab meine persönlichen Ziele, und das Vervollständigen des Pokédex gehört garantiert nicht dazu." "Ich weiß. Aber nimm ihn trotzdem. Ich bin mir sicher, dass du Verwendung dafür hast, wenn du auf die Reise gehst." "Wer hat gesagt, dass ich auf eine Reise gehe?" Professor Ōkido nahm das letzte Pokémon vom Tisch und hielt es mir entgegen. Doch ich wollte es ihm nicht abnehmen. "Was soll das, ich brauch das nicht! Ich hab Fukano und das reicht mir. Sie haben mich doch nicht ernsthaft dafür hierherbestellt?" "Nimm es", sagte er ernst, aber ruhig. Wieso sprach er auf einmal so ruhig? Das war mindestens genauso schlimm wie seine übernatürliche Fröhlichkeit, die sich bei ihm ja wohl eher dem Wahnsinn zuwandte. Hoffentlich sprang er mir am Ende nicht noch an die Kehle wie in einem skurrilen Horrorfilm. "Ich weiß, dass es da etwas gibt, worauf du eine Antwort haben möchtest." "Ich hab viele Fragen", antwortete ich unbekümmert. "Du weißt, was ich meine. Jetzt hör mir mal zu, Rei. Wenn ich die Antwort wüsste, würde ich sie dir gerne auf der Stelle geben. Aber ich kenne sie nicht. Ich kann dir nur sagen, was ich weiß. Den Rest musst du alleine rausfinden." Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu. "Und das wäre?" "Bevor dein Vater verschwand, hat er an einer Forschung gearbeitet", sagte Professor Ōkido und flüsterte beinahe. Ich rollte mit den Augen. "Natürlich hat er das, er war Forscher, seit er nicht mehr im Einsatz war. Das tun die nun mal!" "Lass mich doch bitte ausreden." Er sprach immer noch so unheimlich ruhig, als ob er ein völlig anderer wäre. Und er hatte keine Vorstellung, dass mir das tatsächlich Angst einjagte. Und er redete einfach weiter, als ob er tatsächlich gar nichts bemerken würde: "Ich weiß, dass er an etwas Geheimen gearbeitet hat. Etwas, das er nicht mal mir sagen konnte, obwohl auch ich Pokémon erforsche. Und kurz vor seinem Verschwinden, da hat er mir etwas gegeben. Er wollte dass ich es für dich aufbewahre." Professor Ōkido nahm meine Hand und legte den Pokéball hinein. Doch gleichzeitig spürte ich da noch etwas anderes. Ich öffnete die Hand, um sehen, was er mir da mitgegeben hatte. Es war eine Kette, mit einem kleinen Anhänger, in dem ein Stein eingelassen war. "Ich weiß nicht, was es damit auf sich hat. Das musst du selbst herausfinden. Ich weiß, dass du eigentlich kein Starter-Pokémon benötigst, aber es gibt im Moment niemanden außer dir, der sich gut darum kümmern könnte. Es soll dein Freund werden. Finde deinen Weg, und du wirst finden, wonach du suchst." Völlig perplex starrte ich die Kette an. Professor Ōkido klopfte mir an die Schulter, ging an mir vorbei und sprach schließlich mit seinem Assistenten. Scheinbar war unser Gespräch beendet. "Komm, wir gehen, Fukano." Und beinahe wie gelähmt verließ ich das Labor. Wenn diese Kette von meinem Vater stammte und er sie an Professor Ōkido weitergegeben hatte, hatte er vermutlich eine Vorahnung gehabt, dass etwas passieren würde. Und ich musste herausfinden, was es war. Ganz egal, was es war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)