Secrets von Lenya_C_Sharizardon ================================================================================ Kapitel 4: Evergreen -------------------- Liebe Granny, ich denke, ich habe jetzt begriffen, was du zu mir sagtest. Denn du lagst richtig, ich werde so schnell nicht zurückkommen. Wenn ich herausfinden will, was damals passiert ist, dann muss ich mich auf die Suche machen, egal wie weit sie sich über Kanto erstrecken wird. Ich werde herausfinden, was mit meinen Eltern passiert ist, ich werde sie finden. Mit Fukano an meiner Seite kann mich niemand aufhalten, ganz egal, was kommen wird. Ich bin bereit, diesen Schritt zu gehen. Ich werde in der nächsten Stadt meine Ausrüstung weiter aufbessern und mich auch den Herausforderungen in den Arenen stellen, um mich selbst zu bessern. Schließlich gibt es kein besseres Training, als gegen die erfahrensten Trainer anzukämpfen. Zusammen mit meinem Partner werde ich herausfinden, welches Geheimnis sich hinter ihrem Verschwinden verbirgt. Ich werde nicht aufhören, bis ich die Wahrheit herausgefunden habe. Ich werde dich besuchen, sobald mein Weg mich wieder nach Saffronia City führt. Deine Rei Ich hatte meiner Großmutter diesen Brief geschrieben, damit sie es wenigstens von mir selbst erfuhr, dass ich vorerst nicht zurückkommen würde. Da ich Tauboss außerdem noch bei mir gehabt hatte, hatte ich ihn mit diesem Brief zu meiner Großmutter zurückfliegen lassen, und ohne mich. Ich hatte mich auf den Weg gemacht und die Route 1 betreten. Allerdings war dort nichts wirklich Spektakuläres geschehen. Route 1, ein holpriger Feldweg durchs Grüne, kaum Menschen. Der einzige, der mir begegnet war, war ein junger Mann vom Pokémon-Markt, der mir einen Trank geschenkt hatte. Na ja, vielleicht würde ich ihn mal brauchen. Aber wahrscheinlich eher nicht. Ach, und da war noch dieser Typ gewesen, der mir heller Begeisterung unbedingt hatte erklären müssen, dass man die Stufen hinabspringen, aber nicht wieder hinaufgehen könnte. Als ob ich die Gesetze der Physik nicht schon begriffen hätte. Auf dem Weg waren mir noch ein paar Rattfratz und Taubsi begegnet, die allerdings nicht besonders stark gewesen waren. Ein paar Bisse von Fukano hatten gereicht, um sie um zu besiegen. Das Training hatte ich dafür aber ausfallen lassen, um nicht zu viel Zeit zu verlieren und am Abend noch in Vertania City zu sein. Und wir hatten es geschafft. Nun stand ich hier, am Rande der Stadt, die sich Vertania City nannte. Eine schöne Stadt, die von dichtem Grün umgeben war, und deshalb auch das immergrüne Paradies genannt wurde. Den Namen trägt Vertania City wahrscheinlich heute noch. Es war bereits dunkel. Ich campierte am Rande der Stadt an einem kleinen Feuer, um mich etwas aufzuwärmen. Ja, ich vermied tatsächlich die Pokémon-Center. Zum einen wollte ich nicht mein Angespartes dafür aufgeben, und zum anderen hielt ich es für besser, mich gleich daran zu gewöhnen. Denn ein Bett würde ich auf dieser Reise ohnehin kaum sehen. Also besser, ich gewöhnte es mir gleich ab. Ein einfacher Schlafsack tat es auch. Und auch dafür musste ich meiner Großmutter danken. Ich war zunächst nicht davon ausgegangen, etwas zum Schlafen zu benötigen, doch sie hatte es bereits geahnt und mir alles eingepackt, was ich brauchte. Also saß ich da, mit Fukano am Feuer, und wir aßen die Sandwiches, die meine Großmutter uns gemacht hatte. "Morgen werden wir uns erst mal ein wenig umsehen", erklärte ich Fukano und tätschelte seinen Kopf. "Hier soll es eine Arena geben. Wir werden sie uns auf jeden Fall ansehen, und wer weiß, vielleicht bekommen wir ja schon unseren ersten Orden." Fukano bellte zuversichtlich. Er brachte ich damit einfach immer zum Lächeln. Und das, obwohl ich nicht gerade der fröhlichste und lustigste Mensch war. Ja, das mochten vielleicht immer schon einige an mir kritisieren. Doch es war mir egal. Wenn sie meine Geschichte tragen würden, wären sie genauso geworden. Ich gab Fukano das letzte Schinken-Sandwich und sah ihm zu, wie er es überglücklich aufmampfte. Fukano liebte Schinken. Was mich auch nicht sonderlich überraschte. Manche schienen mit bestimmten Vorlieben geboren worden zu sein. Es war eine recht kühle Nacht. Und ich hatte schon länger mehr keine Nacht draußen verbracht, so wie jetzt. Die Abgewöhnung brachte mir einen unruhigen Schlaf, Fukano hingegen schlief seelenruhig, als ob er nie einen anderen Platz zum Schlafen gehabt hätte. Er schlief die ganze Nacht durch, ich wurde jedoch am nächsten Tag gleich von den ersten Sonnenstrahlen geweckt. Es war noch schlimmer als der Weckruf meiner Großmutter am Morgen zuvor. Doch diesmal war alles anders. Ich wachte neben meinem Partner auf, irgendwo in einer fremden Stadt, und für einen Moment hatte ich sogar ganz vergessen, wo ich war. Doch als ich mich in der von grün umzäunten Stadt umsah, da fiel es mir gleich wieder ein. Ich stand auf und packte meine Sachen zusammen. Eigentlich wollte ich Fukano noch schlafen lassen, doch je früher wir aufbrachen, desto besser. Ich wusste, wie wertvoll Zeit war, und deshalb wollte ich auch keine verlieren. Ich brauchte einen Plan, wie ich vorgehen wollte. Und in Vertania City wollte ich anfangen. "Hey, Fukano", sagte ich und stupste ihn sanft. "Zeit aufzustehen. Wir haben heute einiges vor, und da brauch ich deine Hilfe." Fukano öffnete die Augen, wandte den Kopf, gähnte ausgiebig und streckte sich. Es dauerte glücklicherweise nie lange, ihn aufzuwecken. Er setzte sich hin und hechelte völlig munter vor sich hin, als ob er wenige Sekunden zuvor überhaupt nicht mehr geschlafen hätte. "Gut, komm. Wir sehen uns ein bisschen in der Stadt um." Vertania City war ein ganzes Stück belebter als das winzige Alabastia. Wir gingen zwischen den Häusern entlang auf der Suche nach einem Markt, schließlich brauchten wir erst einmal etwas zu essen. Auf dem Weg fiel mein Blick auf ein Schild mit der Aufschrift: "Tipps für Trainer: Die Attacken der Pokémon werden durch ihre Angriffspunkte, AP, limitiert. Um die AP wieder aufzufüllen, musst Du die Pokémon in ein Pokémon-Center bringen!" "Ihr habt vergessen, dass selbst eine Schwester Joy nicht umsonst arbeitet", antwortete ich zähneknirschend darauf. Und es stimmte doch. Allen wurde vorgegaukelt, sie sollten ganz einfach, sollten ihre Pokémon verletzt sein, ins Pokémon-Center gehen und alles wäre wieder gut. Keiner dachte daran, dass wirklich nichts im Leben umsonst ist. Weder eine Übernachtung, noch eine Behandlung. Es war schlicht und weg einfach eine Lüge. "Hey, wir haben den Markt gefunden!", rief ich aus, als wir schließlich am Pokémon-Center vorbei um die Ecke bogen. Dort stand ein kleines Haus mit der Aufschrift "Markt". Fukano rannte vor und wartete auf der Tür auf mich, wieder einmal völlig aufgeregt. Ich fragte mich, woher diese Neugierde auf Dinge kam, die eigentlich gar nicht wirklich interessant waren. Na ja, zumindest fand ich sie nicht interessant. Wir betraten den Markt. Und kaum war ich durch die Tür geschritten, da wehte mir schon eine hoch motivierte Stimme entgegen: "Hey, bist du zufällig aus Alabastia?" "Sollte ich das?", gab ich zurück und ging hinüber zum Verkäufer an den Tresen. "Ich bin hier, um mir was zu essen zu kaufen. Warum sollte ich ausgerechnet aus Alabastia sein?" "Na, ich hab dich hier noch nie gesehen", erklärte der Verkäufer und schob mit einem Finger seine Brille zurecht. "Und ich weiß zufällig, dass momentan ein paar neue Trainer ihre Reise in Alabastia beginnen sollten. Das weiß ich von Professor Ōkido." "Der schon wieder", seufzte ich und stützte mich auf den Tresen. "Und was hat das mit dir zu tun?" "Du kennst ihn also?" "Leider ja." "Das ist perfekt!" Er duckte sich weg, holte etwas hervor und knallte es schließlich freudestrahlend auf den Tresen. Es war ein Paket. "Dieser Spezial-Ball ist heute bei uns eingetroffen, und ich soll ihn Professor Eich so schnell wie möglich vorbeibringen." "Aha. Und warum tun Sie das nicht?", fragte ich leicht angenervt. Mein Desinteresse schien den Verkäufer allerdings keineswegs zu stören. "Ich muss arbeiten, ich kann hier nicht weg. Und wenn du ihn kennst und aus Alabastia kommst, dann kannst du ihm ja das Paket überbringen!" "Ist nicht Ihr Ernst." "Doch, doch, bitte tu mir den Gefallen!" "Ich komm nicht mal aus Alabastia! ich meine, ich komme schon aus der Stadt, weil ich zufällig gestern da war, aber ich bin dort nicht geboren und wohne da auch nicht! Es gibt keinen Grund, weshalb ich wieder dorthin zurückgehen würde." "Bitte! Tu mir den Gefallen, er braucht ihn wirklich sehr dringend!" Ich seufzte und warf den Blick auf Fukano. Er schien vor Freude nur so zu strahlen. Aber ich hatte nicht wirklich die Absicht, meine Zeit zu opfern, indem ich den Weg nochmal zurücklief. Aber vielleicht konnte das ja jemand anderes übernehmen. Ich wandte mich wieder dem Verkäufer zu."Was krieg ich dafür?" "Öhm…" Der Verkäufer kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Ich hab nichts, aber der Professor wird dir bestimmt was geben." "Das reicht mir nicht." "Was … was möchtest du denn?" "Essen wäre nicht schlecht", schlug ich vor und wies auf meinen Partner. "Wir sind erst gestern aufgebrochen und müssen unsere Vorräte aufstocken. Geben Sie mir ein paar Schinken-Sandwiches und nehm das Paket." Der Verkäufer starrte mich einen Moment lang verdutzt an. Doch ich hielt seinem Blick stand. Fukano saß einfach neben mir und bellte freudig. Nach einigen Sekunden der Stille nickte der Verkäufer schließlich. "Ist gut. Sollst du haben. Vielen Dank dafür!" "Kein Thema", winke ich ab. Ich hatte tatsächlich nicht vor, wieder zurück nach Alabastia zu gehen. Allerdings war ich mir sicher, dass Red und Green auch in die Stadt kamen, wenn sie nicht sogar auch hier waren. Vielleicht konnte ich Green dazu bringen. Schließlich war der bekloppte Professor Teil seiner Familie. "Vielen Dank nochmal, und grüß Professor Ōkido von mir!", rief der Verkäufer mir nach, als ich mit den Schinken-Sandwiches den Laden verließ, und winkte mir zu. Ich reagierte jedoch nicht. Ich war eher froh, als ich endlich draußen war. Fukano hüpfte um mich herum und bellte. "Ist ja gut, du kriegst gleich was. Lass uns erst mal irgendwo sitzen." Während wir frühstückten, warf ich einen Blick auf die Karte. Es gab abgesehen von der Richtung, aus der wir gekommen waren, zwei Wege aus der Stadt hinaus. Der eine führte in Richtung Norden auf die Route 2 zum Vertania Wald, der andere nach Westen auf die Route 22 Richtung Indigo-Plateau. Ich konnte nicht abstreiten, dass mich dieser Gedanke neugierig machte. Ich wollte mir diesen Ort zumindest einmal ansehen. Aber zuerst mussten wir in die Arena. Also brachen wir nach unserem kleinen Frühstück auf. Die Arena befand sich etwas abseits der anderen Häuser auf einer winzigen Anhöhe. Es war das größte Gebäude der Stadt. Hätte ich nicht zuvor schon eine Arena gesehen, wäre ich wahrscheinlich von diesem Anblick erst mal gefesselt gewesen. Aber Saffronia City besaß schließlich auch eine Arena. ich hatte sie nie betreten, da ihre Leiterin ziemlich stark und auch ihre Person etwas … unheimlich sein sollte. Was genau dies bedeutete, wusste ich damals noch nicht. Ich warf einen Blick auf das Schild. "Vertania City Pokémon-Arena." Als ob die riesige Aufschrift des Gebäudes nicht schon ausgereicht hätte, um dies herauszufinden. Ich war neugierig, wie es wohl drinnen aussah, und drückte gegen die Tür. Doch sie ließ sich nicht öffnen. Ich ruckelte etwas am Griff, doch die Tür schien tatsächlich verschlossen zu sein. "Das kann doch nicht wahr sein!", rief ich und trat mit dem Fuß dagegen. "Na der Tag fängt ja richtig gut an! Erst dieser verdammte Verkäufer, der mir dieses verfluchte Paket für den Alten aufdrängt, und dann ist die Arena noch zu!" "Tja ja", sagte eine Stimme zu meiner Linken. ich wandte mich um. Ein alter Mann kam auf mich zu. "Diese Pokémon-Arena ist stets geschlossen!" "Echt jetzt?", platzte es aus mir heraus und ich lehnte mich gegen die Wand. Der alte Mann nickte und betrachtete nachdenklich die oberen Fenster des Gebäudes. "Ja, und das schon eine ganze Weile. Ich frage mich, wer hier wohl der Arenaleiter sein mag?" "Sagen Sie bloß, das weiß niemand?" "Nein", sprach er ruhig weiter und wandte mir wieder das Gesicht zu. "Keiner von uns hier hat ihn je gesehen. Vielleicht kommt er eines Tages zurück…" "Na toll…" Fukano bellte und lief wieder im Kreis. Ich seufzte tief und stieß mich von der Wand ab. "Na gut … vielen Dank für die Auskunft. ich hätte sonst wohl noch eine Weile hier gestanden. Dann mach ich mich mal auf den Weg, ich hab noch einiges vor." "Viel Erfolg!", sagte der alte Mann. Ich hüpfte die Stufe hinunter und Fukano folgte mir. Anscheinend war schon der zweite Tag meiner Reise nicht wirklich meiner. Jetzt musste aber etwas funktionieren, irgendwas. Ich hatte nun noch einen Grund weniger, mich länger in dieser Stadt aufzuhalten. Es blieb mir nur noch, die anderen beiden zu suchen und mich auf den Weg in Richtung Indigo-Plateau zu machen, auch wenn ich nicht weit kommen würde. Also entschied ich mich für letzteres, denn schließlich hatte ich keine Ahnung, wo ich Red und Green finden sollte. Und eigentlich hatte ich auch gar keine Lust, nach ihnen zu suchen. Also machten wir uns gemeinsam auf den Weg in Richtung Route 22. Sie war ein recht abschüssiger Weg, der zunächst einmal zur Siegesstraße führte, die man durchqueren musste, um das Indigo-Plateau zu erreichen. Wir betraten die Route und gingen vorsichtig den Weg entlang, langsam durchs hohe Gras, um nicht gleich ein Pokémon anzulocken, das uns attackierte, und schließlich den Weg weiter entlang. Doch kaum waren wir um die Ecke gebogen, da waren Stimmen zu hören. Stimmen, die ich jetzt schon sehr gut kannte, die sich offensichtlich stritten, während sie allmählich auf uns zukamen. "Ich hab dir von Anfang an gesagt, dass du da nicht weiterkommst!" "Ich darf doch wohl mal gucken, oder?" "Und? Was hast du gesehen? Was hat es dir gebracht?" "Was ist eigentlich dein Problem?" "Hey, Jungs", sagte ich und blieb stehen. Die beiden zuckten zusammen und hielten ebenfalls inne. Völlig verdutzt wandten sie den Blick voneinander ab und wandten sich mir zu. Erst in diesem Moment schienen sie mich wiederzuerkennen. "Hey, Rei", sagte Green und verschränkte die Arme. "Was tust du hier?" "Ach, ich wollte mir einfach mal die Gegend ansehen", sagte ich beiläufig und musterte die beiden abschätzend. "Aber ihr seid ja auch nicht sonderlich weit gekommen, wie ich höre?" "Nein, nicht wirklich", sagte Red. "Die haben uns gleich am Anfang schon nicht weitergelassen." "Weil wir keine Orden haben, du Idiot!", gab Green zurück und rollet mit den Augen. "Natürlich lassen die uns nicht rein." "Ihr habt die Arena also auch verschlossen vorgefunden." "Ja, haben wir", sagte Green. "Gestern Abend schon. Wir wollten unbedingt so schnell wie möglich loslegen, aber die Tür war verschlossen. Wir haben ein paar Leute gefragt, aber niemand wusste was." "Seltsamerweise kannte auch keiner den Arenaleiter", fuhr Red fort. "Die haben ihn scheinbar noch nie gesehen." Ich nickte. "Ja, das hat mir so ein alter Mann eben auch erzählt. Er meinte, dass die Arena schon lange geschlossen sei und er gerne wüsste, wer dort Leiter ist. Was soll's, ist eben kein guter Start." "Was hast du da überhaupt?", fragte Red und deutete auf das Paket, das ich immer noch im Arm hielt. Doch jetzt besserte es meine Laune. "Ach, das hat mir so ein Verkäufer in die Hand gedrückt. Ist wohl für Professor Ōkido, irgendein Spezial-Ball. Mehr hat der mir auch nicht wirklich gesagt, außer dass es unheimlich wichtig wäre. Hier, das kannst du übernehmen, schließlich ist er dein Opa." Ich hielt Green das Paket hin. Doch er machte keinerlei Anstalten, es entgegenzunehmen. Stattdessen versetzte er mir einen abweisenden und irritierten Blick. "Nein, ich will es nicht. Gib es Red." Das war natürlich auch eine Idee. Ich wandte mich seinem Rivalen zu. Er sah verwirrt zurück. "Hier, du machst das", sagte ich und drückte Red das Paket in die Hände. Und er nahm es - wohl eher aus Reflex - entgegen. "Hey! Warum soll ich das machen?" Green zuckte die Achseln. "Weil du nichts zu tun hast. Und weil ich keine Lust darauf habe." "Was soll das, du hast doch auch nichts zu tun!" "Doch. Training." "Das stimmt", bestätigte ich ihn und grinste. "Schließlich schulde ich ihm noch einen Kampf." Green nickte und wies auf mich, als ob ich Erklärung genug wäre. "Genau, sie schuldet mir noch einen Kampf. Sie hat versprochen, dass wir kämpfen, wenn wir uns das nächste Mal sehen. Und das ist jetzt, also kämpfen wir. Wir sind also sehr beschäftigt." Red sah uns abwechselnd an. Ich musste zugeben, dass er mir in dem Moment ein bisschen leid tat. Aber auch nur ein kleines bisschen. "Gut, ich mach's", fauchte er und wandte sich in Richtung Vertania City. "Aber nur, weil ihr es seid!" "Tschüss", sagte Green bloß und winkte, ohne ihn überhaupt dabei anzusehen. Als Red schließlich verschwunden war, wandte er sich mir zu. Auch er konnte sich ein kaum merkliches Grinsen nicht verkneifen. "Das war fies", meinte ich und verkniff mir das Lachen. Green nickte anerkennend, und ohne die geringste Spur von Reue oder Schuld. "Jap. Das war fies." Wir warfen noch einen letzten Blick auf die Stelle, an der Red verschwunden war, dann wandten wir uns den wichtigeren Dingen zu: dem Kampf. "Gut. Jetzt und hier?", fragte Green und nahm einen Pokéball vom Gürtel. "Tun wir's", gab ich zurück und tat das gleiche. Allerdings brauchte ich Fukano nicht erst raus lassen, da er schließlich neben hier her wuselte und nun wie wild zu hüpfen begann, als er begriff, dass er an der Reihe war. Wir traten jeweils ein Stück zurück, um Platz für ein Kampffeld zu machen. Fukano hüpfte auf seinen Platz und hielt sich bereit. "Dann lass sehen, wie stark du bist", rief Green und warf seinen Pokéball. Innerlich war ich Feuer und Flamme. Das würde mein erster Kampf gegen Green sein, und auch der erste gegen einen Trainer seiner Art. Zuvor hatte ich bloß gegen kleine Kinder gekämpft. Der Pokéball flog und ein Taubsi erschien. Es setzte sich auf den Boden und behielt Fukano angriffslustig im Blick. "Wie ich sehe hast du dir ein Pokémon gefangen." "Ja, ein Flug-Pokémon im Team zu haben, schadet nie", meinte Green und legte los. "Los, Taubsi, Windstoß!" "Biss, Fukano!", rief ich. Fukano war schneller. Er biss Taubsi und das kleine Vögelchen schreckte zurück. Ich warf einen Blick hinüber zu Green. Es verunsicherte ihn keineswegs. "Versuch's noch mal, Windstoß!" "Wieder Biss, Fukano!" Und erneut war Fukano schneller. Er biss sich in Taubsis Flügel, doch es konnte sich ihm entreißen und flatterte in die Luft, um heftig mit den Flügeln zu schlagen. Fukano wurde vom Windstoß getroffen, der ihn trotzdem fest auf dem Boden zurück in meine Richtung schob. "Noch einmal Biss!", rief ich. Es war vielleicht lausig, dass ich ihm die ganze Zeit dieselben Befehle gab. Aber bisher konnte er außer dieser Attacke nur Brüller, und das half mir nun mal nicht wirklich. Der einzige Effekt wäre gewesen, dass Green mir sein Schiggy entgegengeworfen hätte. Und das würde er gleich ohnehin tun. Fukano knurrte verärgert, rannte los und sprang, um das in der Luft fliegende Taubsi zu erreichen. Und Taubsi wurde getroffen. Es stürzte ab und fiel zu Boden, besiegt. Ich konnte ein kleines, triumphierendes Lächeln nicht verbergen. Green holte sein Taubsi zurück und steckte den Pokéball zurück an den Gürtel. "Nicht schlecht. Dein Fukano ist echt cool." Fukano bellte glücklich. "Aber kann es den Kampf auch mit Schiggy aufnehmen?" Ich wusste, dass er das tat. Doch bisher wurde Fukano bloß von einem Windstoß getroffen, also hatte er kaum Schaden genommen. Es stand noch alles offen. "Los, Schiggy!" Green warf den zweiten Pokéball an seinem Gürtel und sein erstes Pokémon erschien. Seiner Verfassung nach zu urteilen hatte es sich von dem Kampf mit Glumanda wieder erholt. Ich ballte die Hände und streckte die Hand aus. "Los, Fukano, setz wieder Biss ein!" "Benutz Blubber, Schiggy!" Ich dankte Fukanos Initiative dafür, dass er wieder zuerst traf. Doch kaum hatte er seine Zähne in Schiggys Arm gebissen, traf ihn ein direkter Blubber. Es war ein Volltreffer. Ich biss die Zähne zusammen. Ich wusste, dass es ihm Schaden zufügen würde, genau wie im Kampf gegen Glumanda. Schließlich war Fukano ebenso wie Glumanda ein Feuer-Typ und dadurch im Nachteil. "Gib nicht auf, Fukano!", rief ich ihm zu. "Greif einfach weiter mit Biss an!" Das Spiel wiederholte sich. Doch ich konnte nichts anderes tun, als mit dieser Attacke anzugreifen. Und in dem Moment merkte ich, wie ungeeignet die Tatsache war, dass Fukano physisch stärker war und somit ein leichtes Angriffsziel bot. Es dauerte nicht lange, da ging Fukano zu Boden. Ich wollte ihn anspornen, wieder aufzustehen, doch es entwich mir kein Laut. Und in dem Moment wurde mir bewusst, dass ich verloren hatte. Ich hatte zwar fest an meinen Partner geglaubt, aber meinen Gegner nicht einberechnet. Eine der wichtigsten Regeln für den Pokémon-Kampf, und ich hatte sie schon missachtet. Ich stürzte nach vorn und kniete mich auf den Boden, um Fukano in den Arm zu nehmen. Ich sah zu Green auf. "Scheint, als hätte ich verloren." "Eigentlich ist das noch gar nicht entschieden", meinte er bloß. "Du hast doch schließlich noch ein Pokémon." "Vergiss es, ich brauche dieses Bisasam nicht!", stieß ich auf und erhob mich vom Boden, meinen Partner in den Armen. "Ich hab einfach nur nicht bedacht, dass Fukano im Nachteil ist." "Bisasam wäre im Vorteil." "Das ist mir egal", gab ich bloß zurück und sah weg. "Fukano ist mein Partner. Mein einziger Partner." Ich war dankbar, dass Green nichts weiter dazu sagte. Stattdessen holte er sein Schiggy zurück, trat auf mich zu und packte mich am Arm. "Wir sollten unsere Pokémon wieder aufpäppeln. Komm." "Ja, du hast Recht…" Zwar behauptete Green, er würde nur mit ins Pokémon-Center kommen, um sein Taubsi wieder zu heilen und Schiggys kleine Wunden zu versorgen, doch ich war mir nicht sicher, ob das wirklich so stimmte. Jedenfalls war ich ihm dankbar, das er einfach mit mir kam, ohne ein Wort zu verlieren, und ich Fukano am Ende gesund zurückbekam. 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