Secrets von Lenya_C_Sharizardon ================================================================================ Kapitel 21: Evolution --------------------- Am Nachmittag kehrte ich schließlich von einem kleinen Abstecher in die Seitenstraßen von Prismania City ins Pokémon-Center zurück und ließ mich auf einen der Stühle fallen. Green, der nur einen Platz weiter saß, wandte den Kopf. "Und? Erfolg gehabt?" "Jep", antwortete ich und legte entspannt die Hände hinter den Kopf. "Es geht mir jedenfalls viel besser. Ich hab mich ein bisschen umgesehen, aber nicht wirklich viel Interessantes entdeckt." "Aber du hast was entdeckt?" Ich hob die Schultern. "Schon möglich." "Also hast du." Er musterte mich mit hochgezogenen Brauen, doch ich lächelte bloß. "Später. Sind unsere Pokémon schon alle durch?" "Noch nicht", sagte Green und warf einen Blick hinüber zur Tür, hinter der die Schwester eine knappe Stunde zuvor mit unseren Pokémon verschwunden war. "Dürfte aber nicht mehr allzu lange dauern. Es war ja keiner aus unseren Teams wirklich schwer verletzt." Ich nickte zustimmend. "Gut, dann können wir ja bald aufbrechen." "Wir haben ja auch einiges vor, nicht wahr?" Mir entging der freudige Unterton in seiner Stimme nicht. Natürlich, er wollte nachwievor unbedingt in dieses Kaufhaus. Hätte ich ihm doch bloß nie davon erzählt. Aber jetzt war es ohnehin zu spät, ich hatte es ihm sogar noch versprochen, also musste ich es auch halten. Ich freute mich jetzt schon darauf, dieses Gebäude wieder zu verlassen. "Was ist, hast du es dir wieder anders überlegt?" Doch er sah mich dabei vorwurfsvoll an, sodass widersprechen ohnehin zwecklos gewesen wäre. Also schüttelte ich den Kopf. "Nein, ich gehe mit dir in dieses Kaufhaus! Aber erwarte nicht zu viel von mir. Ich werde deine Begeisterung nicht teilen, damit musst du leben." "Ach, das kommt noch." Er grinste voller Vorfreude. "Vielleicht solltest du dir auch mal ein neues Outfit zulegen. Meinst du nicht?" "Wag es ja nicht!" In diesem Moment öffnete sich die Tür eines der Zimmer und Schwester Joy trat heraus. Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen, und schließlich entdeckte sie uns und kam geradewegs auf uns zugeschritten. Green stand auf. "Eure Pokémon sind alle wieder topfit", sagte die Schwester fröhlich und streckte uns die Pokébälle entgegen, von denen wir die jeweils unseren wieder an uns nahmen. "Dann wäre das schon mal erledigt", sagte Green und grinste. "Dann sind wir bereit, uns meinen nächsten Orden abzuholen. Wird ja langsam Zeit." "Oh, wir werden also schon wieder mal überheblich." "Mit dem Team sollten die Chancen recht gut stehen", warf Schwester Joy ein und wirkte plötzlich nachdenklich, als sie sich an mich wandte. "War dieses starke Fukano eigentlich von dir? Ich muss zugegeben, ich war ziemlich angetan von ihm. Es strotzt ja nur so vor Energie, ich habe selten ein so starkes Fukano gesehen!" Ich erstarrte für einen Moment. Es war vielleicht nicht klug, jedem gleich alles zu offenbaren. Green schien das Gleiche zu denken, er warf mir einen durchdringenden Seitenblick zu, der mich deutlich nachdenken ließ. Ich sollte wirklich vorsichtiger sein. "Es ist eben ein besonders gut trainiertes Fukano", antwortete ich schließlich mit einem Lächeln, gab der Schwester das Geld für die Behandlung und wandte mich ab. "Vielen Dank jedenfalls." "Besucht uns jederzeit wieder!" Ich verließ das Pokémon-Center, Green dicht hinter mir, und so traten wir wieder hinaus an die Luft. Ich atmete tief durch. "Du wolltest es ihr doch nicht wirklich sagen, oder?" "Was, warum Fukano so stark ist?", fragte ich und ließ den Blick die Straße auf und abwandern. "Nein, nicht wirklich. Ich muss vorsichtiger sein. Ich nehme an, du hast es schon von selber bemerkt." "Natürlich", erwiderte er und klang dabei ein wenig empört. "Das ist mir eigentlich recht schnell aufgefallen. Dein Fukano hält weit mehr aus als normale Fukano je aushalten könnten. Ich fand das schon ein wenig merkwürdig." "Das liegt wohl in der Familie." "Scheint wohl eine besondere Familie zu sein. Wonach guckst du?" "Nichts, schon gut. Ich dachte eben nur, ich hätte ein paar zwielichtige Gestalten gesehen, aber vielleicht hab ich mich auch geirrt. Jedenfalls kann ich gerade nirgendwo Menschen entdecken, die für mich nach Verbrechern aussehen. Komm, gehen wir. Je schneller wir in dieses Kaufhaus gehen, umso schneller sind wir auch wieder raus." "Warte ab, wir werden schon auch was für dich finden." Und er grinste wieder voller Vorfreude. Er musste es unheimlich genießen, mich damit zu ärgern, und es ärgerte mich umso mehr, dass es auch noch klappte. Ich warf ihm lediglich einen bösen Blick zu und knurrte: "Kein Interesse, ich verzichte." Doch ich musste es wohl oder übel über mich ergehen lassen. So standen wir schließlich vor dem riesigen Gebäude des Prismania Einkaufszentrums. Erinnerungen kamen wieder auf, wie ich einst mit Granny dort einkaufen gewesen war und sie gerade die Videospiel-Abteilung ausgebaut hatten. Granny war damals völlig aus dem Häuschen gewesen und hatte sich unbedingt ein Spiel kaufen wollen. Ich hatte ihr damals schon gesagt, sie sollte besser die Finger davon lassen. Tja. Was soll ich dazu sagen. Sie hatte für sich und mich jeweils ein Spiel gekauft und die nächsten Tage mit nichts anderem mehr verbracht. Letztendlich hatte sie jedoch eingesehen, dass Videospiele nicht so ganz ihr Ding waren, und hatte mir ihres auch noch dazu geschenkt. So war ich zu meinen ersten Videospielen gekommen. Und auch zu meinen einzigen. "Im Prismania City Einkaufszentrum findest du alles, was du brauchst! Na das klingt doch großartig! Was ist denn mit dir plötzlich los?" "Wie?" Greens Worte rissen mich aus meinen Gedanken in die Wirklichkeit zurück. Ich lächelte nur und schüttelte den Kopf. "Nichts, ich hab mich bloß an was erinnert. Also, wollen wir?" "Mit Vergnügen", grinste er. Und wir gingen hinein. Sofort wurde mir erneut bewusst, was an diesem Kaufhaus mir alles nicht gefiel. Zum einen die Größe, so viel Raum, den man für weitaus sinnvollere Dinge hätte nutzen können, zudem diese Musik, die einen womöglich beeinflussen sollte, sich hier wohlzufühlen, und da wären noch all die Menschen, die ich nach Möglichkeit immer zu meiden versuchte. Ich seufzte. "Worauf hab ich mich da nur eingelassen…" Doch Green achtete nicht sonderlich darauf, sondern ging gleich hinüber zum Schild an der Treppe, wohl um nachzusehen, was auf welcher Etage angeboten wurde. Ich folgte ihm wortlos und warf ebenfalls einen Blick darauf. EG: Kundeninformation S1: Utensilien für Trainer S2: Videospiele und Bekleidung S3: Schmuck und Geschenkartikel S4: Drogerie und Schreibwaren Dachgarten: Getränke- und Snack-Automaten Ich hob die Brauen und wandte ihm das Gesicht zu. "Du hast aber jetzt nicht vor, jede Ecke in diesem Kaufhaus durchzugehen, oder etwa doch?" "Na, wenn wir schon mal hier sind", sagte Green und ließ von dem Schild ab. "Ich würde sagen, sehen wir uns das doch mal genauer an. Ich würde sagen, wir arbeiten uns einmal durch jede Etage durch?" Jetzt schon ziemlich erschöpft schlug ich mir mit der Hand gegen die Stirn. "Na wenn du meinst. Aber dann lass uns bitte oben anfangen, dann kann ich mir wenigstens noch was zu Trinken holen, bevor ich in den nächsten Stunden Gefahr laufe, auszutrocknen." "Gut." Er wandte seine Schritte gleich in Richtung Fahrstuhl, doch ich bevorzugte die Treppe, ganz zu seiner Verwunderung. "Du willst die ganzen Stufen bis nach oben hoch laufen?" "Der Mensch ist viel zu bequem geworden", gab ich bloß zurück und stieg die Treppe hinauf. "Außerdem trainiert es die Beine. Du kannst ja fahren, wenn du willst. Dann sehen wir uns oben." Doch dazu kam es nicht. Kaum hatte ich den oberen Absatz zum ersten Stockwerk erreicht, da stand Green schon wieder hinter mir. Wir sprachen kein einziges Wort, als wir bis zum Dacharten hinaufstiegen, was in seinem Fall wohl auch gar nicht möglich gewesen wäre. Ich war immer noch nahezu entspannt, als wir schließlich die letzten Stufen hinaufstiegen, während Green jedoch ein wenig außer Atem schien. Ich drehte mich skeptisch um. "Na, eine besondere Ausdauer scheinst du aber nicht zu haben. Du bist doch wohl nicht jetzt schon erschöpft?" "Was, ich? Nein", sagte er ein wenig gereizt und lehnte sich doch ein wenig schwer atmend an die Wand. "Ich - niemals!" "natürlich nicht." Ich zwinkerte, ging hinüber zum nächsten Getränkeautomaten und besah mir das Angebot. Es gab Tafelwasser, Sprudel und Limonade zur Auswahl. Das günstigste sollte mir genügen. "Ich glaub - das brauche ich jetzt auch", brachte Green hervor und wandte sich zum nächsten, während ich bereits die Münzen einwarf. "Könnte dir nicht schaden. Wenigstens hast du jetzt ein bisschen deine Beinmuskulatur trainiert. Solltest du öfter machen." "Was stimmt nicht mit dir!" Ich nahm die Flasche Tafelwasser aus dem Schacht, erhob mich wieder und zuckte die Achseln. "Keine Ahnung, sag es mir. Was stimmt denn nicht mit mir?" Green starrte mich vollkommen entsetzt an, brachte jedoch kein Wort hervor. Er schüttelte nur noch den Kopf und widmete sich dann ganz dem Automaten. Ich grinste zufrieden. Scheinbar konnte ich ihn immer aufs Neue schockieren. Ich ließ den Blick über die Terrasse schweifen. Außer uns waren nur zwei Leute hier. Ein Junge, der an einem der Tische saß und sich einen Snack genehmigte, und ein kleines Mädchen, das merkwürdig schlapp zur Seite gewandt auf einem Stuhl hing. Die Kleine sah nicht gerade wirklich gesund aus. "Hey, bist du in Ordnung?" Das Mädchen sah langsam auf. "Ja … ich denke schon …" Auch Green wandte jetzt den Kopf, um meinem Blick zu folgen. Und er schien ebenso zu denken wie ich. "Du siehst aber gar nicht gut aus." Wir gingen zu dem Mädchen hinüber, das nun versuchte, aufrechter zu sitzen und so wohl den Eindruck zu vermitteln, dass es ihr gut ginge. Doch es täuschte uns beide nicht. "Komm, was ist los?" "Ich bin durstig…", sagte sie leise und sah zu Boden. "Ich möchte gern was trinken. Ich wollte mir was am Automaten holen, aber mein Kleingeld reicht nicht…" "Wie lange bist du schon hier?", fragte Green und musterte das Mädchen irritiert. "Eine ganze Weile schon … bestimmt schon über eine Stunde. Mein Bruder wollte unbedingt zu den Videospielen, da wollte ich nicht mit … ein Königreich für ein Getränk …" "Hier, nimm meins", sagte ich und reichte ihr die Flasche. Ihre Augen leuchteten, als sie mich ansah. "Wirklich?" "Ja, jetzt nimm schon. Ich hab noch genug, um mir noch eine Flasche zu holen." "Wow. Das ist superlieb von dir!" Das Mädchen nahm mir dankbar die Flasche aus der Hand und trank einen kräftigen Schluck, während ich mich kurz an Green wandte. "Wenn wir unten bei den Videospielen sind, dann knöpfe ich mir diesen Typen mal vor. Das gibt's ja wohl nicht." "Nur zu gern." "Vielen Dank!", sagte das Mädchen glücklich, kramte in ihrer Tasche und zog etwas hervor, das sie mir entgegenstreckte. "Bitte." Ich starrte sie verdutzt an. "Du brauchst mir doch nichts zu schenken." "Bitte, nimm es als Geschenk! Ohne dich wäre ich hier wohl ausgetrocknet." Langsam nahm ich ihr die TM, wie es schien, aus der Hand und warf einen Blick darauf. Sie trug die Nummer 13. "Hm, Eisstrahl", sagte Green interessiert und wandte sich skeptisch wieder an das Mädchen. "Bist du sicher, dass du die nicht behalten willst?" "Ich brauch sie nicht", sagte sie achselzuckend und stellte die Flasche, die schon halb leer war, auf den Tisch. "Es dauert sicher noch Jahre, bis ich einmal Pokémon-Trainerin werde, und ich mag Eis-Attacken ohnehin nicht so, die sind mir viel zu kalt … also habe ich eh keine Verwendung dafür." "Nun - gut", sagte ich verblüfft und sah von einem zum anderen. "Danke. Ich werd sehen, dass sie bei mir Verwendung findet. Aber vorher rede ich mal ein Wörtchen mit deinem Bruder." Das Mädchen lächelte, auch wenn sie es wohl ein wenig zu unterdrücken versuchte. Schließlich zog ich mir noch eine Flasche Tafelwasser und wir machten uns auf den Weg durch das Einkaufszentrum. In der Drogerie begutachteten wir vor allem die leistungsfördernden Mittel für Pokémon an, die deren Werte verbesserten, und dafür aber auch ziemlich teuer waren. Ich sah mich kurz in der Schreibwaren-Ecke um und kaufte mir schließlich ein alt aussehendes Notizbuch. "Was willst du damit?", fragte Green neugierig, als ich das Buch bezahlte und in meinen Rucksack steckte. "Mir Notizen machen", erwiderte ich und ging hinüber zur Treppe. "Vielleicht werde ich ja mal auf das ein oder andere stoßen, das ich dokumentieren will." "Was soll das wieder heißen?" Doch ich antwortete ihm nicht und betrat die nächste Etage. Wir gingen vorbei an unzähligem Schmuck, und ich war mehr als froh, dass Green sich scheinbar auch nicht für diese Flut von glänzenden und schimmernden Ketten, Ringe und dergleichen interessierte. Das hätte mir sonst womöglich noch den Rest gegeben. Doch ich bemerkte bereits, wie ich wieder einmal für Verwirrung sorgte, als ich plötzlich stehenblieb. "Was ist?", fragte Green verdutzt und hielt ebenfalls inne. "Was gefunden?" "Möglich", sagte ich bloß und ging langsam auf eine Auswahl verschiedenfarbiger Steine zu, die ich nun näher in Augenschein nahm. "Evolutionssteine…" "Du könntest dir einen Feuerstein für dein Fukano holen", schlug Green vor und begutachtete die Steine nun ebenfalls. "Dann kannst du es zu Arkani entwickeln." "Das werde ich früher oder später auch tun." Ich nahm einen der Feuersteine in die Hand und betrachtete ihn von allen Seiten. "Schon erstaunlich. Im Grunde ist es eigentlich bloß ein Stein. Aber im Innern besitzt er Kräfte, die Pokémon dazu bringen, sich weiter zu entwickeln. Ich frage mich…" "Ich könnte mir eigentlich auch einen für Fukano mitnehmen", überlegte Green und schien meine letzten Worte somit gar nicht gehört zu haben. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu, dann besah ich mir die Wasser- und Donnersteine. "Was willst du denn mit den anderen? Du hast doch sonst keine Pokémon, die sich durch Steine entwickeln. Warte -" Sein Blick fiel auf die Pokébälle, die ich bei mir trug, während er offensichtlich nachzudenken begann. "Fukano war dein Erstes, dann Bisaknosp, Garados und schließlich Machollo. Seit wann trägst du ein fünftes Pokémon mit dir rum?!" Doch ich grinste bloß, nahm den fünften Ball vom Gürtel und warf ihn Green zu, der ihn auffing. "Das ist mein Erfolg von vorhin. Ich habe drei Möglichkeiten, wie ich es entwickeln kann, und ich mache mir gerade Gedanken, welche der drei Varianten am besten wäre. Auch fürs Team." "Ein … Evoli?" Er starrte mich verdutzt an. "Und ich dachte schon, Red wäre ein Glückspilz! Die sind unheimlich selten, wie bist du da rangekommen?!" "Scheinbar habe ich auch mal Glück", sagte ich amüsiert und legte zwei der Steine auf die Theke, um sie zu bezahlen. "Diese beiden, bitte." Green starrte mich fassungslos an. Seinem Gesicht nach wollte er unbedingt etwas dazu sagen, ihm fiel jedoch nichts dazu ein. Ich packte die Steine sorgfältig in den Rucksack und drehte mich wieder zu Green um. "Und? Willst du dir auch noch welche holen?" "Ja." Immer noch fassungslos nahm er einen Blatt- und einen Feuerstein aus dem Regal und bezahlte sie, während ich mich noch ein wenig umsah und auf ihn wartete. Doch es schien in dieser Etage nichts Interessantes mehr zu geben. "Hier, dein Evoli." Green streckte mir den Pokéball entgegen. "Oh, danke", sagte ich und riss mich aus meinen Gedanken, wann ich dieses Evoli und vor allem Fukano eigentlich entwickeln sollte, nahm den Ball entgegen und befestigte ihn schließlich wieder an seinem Platz. Ich wollte noch ein wenig warten. Zumindest bei Fukano wollte ich mir noch ein wenig Zeit lassen, bis ich mir absolut sicher war. "Also, dann sind wir hier durch?" "Sieht so aus." "Gut. Dann auf!" Und ich ahnte schon, was gleich auf mich zukommen würde. Allein dieser freudige Unterton in seiner Stimme ließ mich schon Böses ahnen. Warum nur hatte ich mich darauf eingelassen. Er sollte es bloß nicht wagen, seine Androhungen wahr zu machen. "Und, in was wirst du dein Evoli entwickeln?" "Na ja, es gibt ja nur drei Möglichkeiten", sagte ich nachdenklich und zählte sie an den Fingern ab. "Aquana, ein Wasser-Typ, Blitza, ein Elektro-Typ, und Flamara, ein Feuer-Typ. Ich hab die drei schon bei Bill gesehen, bei unserem Besuch hat er uns seine Sammlung gezeigt." "Möglicherweise gibt es noch mehr … und ja, ich weiß von dieser Sammlung. Ich war ja auch da." Ich wandte den Kopf. "Stimmt, du warst ja vor uns da. Vor diesem Unfall." "Was? Ich hab keine Ahnung, was du meinst." Green setzte eine Unschuldsmiene auf, die mich nicht im Geringsten täuschen konnte. Es amüsierte mich. "Hab ich's mir doch gedacht. Du warst also schon da, als es passiert ist. War es dir wirklich egal, oder wusstest du, dass wir kommen?" "Keine Ahnung, was du meinst", sagte er erneut und sah absichtlich in eine andere Richtung, dennoch konnte ich das Grinsen auf seinem Gesicht sehen, das er offensichtlich nicht unterdrücken konnte. Ich hatte es ja geahnt. "Also, ich hätte mich ja für Aquana entschieden", sagte er schließlich, und kam damit auf das eigentliche Thema zurück. "Aber du hast ja schon Garados im Team. Und da du Fukano als Partner hast, wird Flamara wohl auch ausscheiden. Ich schließe daraus, dass du es zu Blitza entwickelst." "So ist es. Ich denke, ein Elektro-Pokémon könnte früher oder später noch ganz nützlich sein." Ich hielt inne und holte tief Luft. Da waren wir nun. Genau dort, wo ich am wenigsten sein wollte. Ich wandte Green das Gesicht zu und funkelte ihn an. "Gut. Du darfst dich in dieser Auswahl von Klamotten gerne austoben, das ist mir egal. Aber mich lässt du gefälligst dafür in Ruhe!" "Das werden wir noch sehen." Und ehe ich noch irgendetwas sagen oder überhaupt reagieren konnte, schob er mich schon voran geradewegs in die Damenabteilung, während er sich bereits voller Vorfreude umsah. Ich seufzte tief. "Warum tust du mir das an…" Doch Green ignorierte meine Worte. Er sah sich nachdenklich um, als ob ich ihm nie widersprochen hätte und ganz scharf darauf wäre, mir ein neues Outfit zuzulegen. "Hm, was wäre denn das Richtige für dich … ich glaube, du solltest mal einen ganz anderen Stil ausprobieren." "Kein Interesse." "Wart's doch erst mal ab, ich finde sicher was für dich." "Ich will es aber nicht." "Nun … wie wäre es mit einem Kleid?" "Untersteh dich!" Und wieder ignorierte er mich. Allmählich machte er mich sogar ein bisschen wütend. Ich spürte schon, wie sich ein paar Leute bereits zu uns umwandten, wohl hauptsächlich, weil ich allmählich ein bisschen laut wurde. Ich wandte den Kopf und starrte zurück, sodass sich die Leute ganz schnell wieder umwandten, dann funkelte ich Green an und senkte die Stimme: "Wenn du mich provozieren willst, dann kannst du das verdammt gut! Behandel mich nicht wie ein Mädchen!" "Aber du bist ein Mädchen", grinste er und setzte erneut eine Unschuldsmiene auf. Ich starrte ihn zornig an. Doch Green lachte bloß und sah sich erneut um. "Hey, wie wäre das?" Und er hielt einen Rock mit Blumenmuster hoch. "Ich dreh dir gleich den Hals um!", fauchte ich, riss ihm den Rock aus der Hand, hängte ihn zurück und packte ihn fest an den Armen, damit er mir nicht mehr ausweichen konnte. "Hör auf damit!" Er lachte wieder. Doch irgendwas war anders. Ich erstarrte und ließ ihn langsam los. "Du machst das mit Absicht. Du meinst es gar nicht ernst, du findest es echt lustig. Warum tust du das?" Green hörte auf zu lachen. "Du dachtest doch nicht wirklich, dass ich dich in einen Blümchen-Rock stecken würde? Obwohl … das würde ich zu gern sehen." Ich holte aus, um ihm eine Kopfnuss zu verpassen, doch diesmal war Green schneller und hielt meine Hand fest. "Na, na, so nicht. Du ruinierst mir bloß die Haare." "Warte nur! Das werde ich dir heimzahlen!" "Ach, wie denn?" Er legte den Kopf schief und setzte wieder sein typisches, selbstgefälliges Grinsen auf. Doch ich wusste genau, was ich nur zu sagen brauchte. Ich grinste ebenfalls und sah nachdenklich zur Decke. "Weißt du, ich erinnere mich noch daran, wie du Red im Pokémon-Turm umarmt hast und -" "Hör auf damit!", zischte er sofort und sah sich hastig um. Doch ich verschränkte amüsiert die Arme und ging einfach an ihm vorbei. "Dann hör du auf, mich mit Klamotten zu schikanieren, dann erinnere ich dich nicht an deine liebevolle Kuschelattacke." "Das - so war das doch gar nicht! Hey, ignorier mich gefälligst nicht!" "Du ignorierst mich doch auch", erwiderte ich mit Singsangstimme und lachte. Green war nicht begeistert, doch er ließ mich wenigstens mit dem Thema Klamotten in Ruhe und sah sich nach einem eigenen Outfit um. Ich freute mich zwar trotzdem darauf, das Kaufhaus bald wieder verlassen zu können, doch wenigstens blieb ich jetzt von Schlimmerem verschont. Solange Green nicht von mir verlangte, dass ich ihm die Beraterin spielte. Ich wünschte mir insgeheim, dass er bald fertig war, doch scheinbar war Green in der Hinsicht genauso schlimm wie ein typisches Mädchen. Er sah sich mehr als gründlich um, fand hin und wieder etwas Interessantes, probierte das ein oder andere Teil an und begutachtete sich sorgfältig im Spiegel, während ich einfach nur an die Wand gelehnt dastand und mich tatsächlich fragte, ob es auch irgendetwas gab, das ihm nicht stand. "Na, was meinst du?", fragte er einmal, als er wieder aus der Umkleide kam und sich vor den Spiegel stellte. Es war wirklich erstaunlich. "Du siehst großartig aus!" "Findest du?" Er musterte sich kritisch im Spiegel. Ich seufzte. "Verdammt, du bist echt schlimmer als ein Mädchen. Wie lange sind wir schon hier, bestimmt eine Stunde? Bist du bald mal fertig?" "So gut wie", sagte er gut gelaunt und verschwand wieder in der Kabine. "Noch hab ich nicht alles durch." Ich schlug mir erschöpft mit der Hand gegen die Stirn. "Womit hab ich das eigentlich verdient…" Ich wandte mich ab und schritt langsam weiter durch das Stockwerk. Wie konnte man nur so viel Freude an Klamotten haben? "So, da bin ich wieder", sagte Green schließlich, als er wieder neben mir auftauchte. "Weiter geht's." "Immer noch nicht zufrieden?", fragte ich mit hochgezogenen Brauen und beobachtete ihn, wie er bereits den nächsten Kleiderständer durchsah. "Hm, ich könnte mir ein neues Shirt zulegen…" Ich wandte mich ab und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Wir waren inzwischen fast an der Videospielabteilung angekommen. Erneut kam mir die Erinnerung in den Kopf, wie Granny damals vor dem Regal gestanden und völlig fasziniert ihr erstes Pokémon-Spiel in den Händen gehalten hatte. Ich konnte mich genau erinnern. Ich musste lächeln, als mein Blick genau auf die Stelle fiel, von der sie damals zunächst gar nicht mehr weggekommen war. Und in diesem Moment holte ich mich wieder ins Jetzt zurück, als ich ein Stück einer roten Jacke sah, die mir verdächtig bekannt vorkam. Ich trat ein paar Schritte vor, um besser in den Gang sehen zu können, während ich mit einer Handbewegung versuchte, Green auf mich aufmerksam zu machen. "Hey! Ist das nicht Red?" "Was meinst du passt besser, lila oder grün?" "Was?" ich wandte mich irritiert um. Green hielt die beiden Shirts hoch und sah mich fragend an. Ich holte tief Luft, um ruhig zu bleiben. "Das eine passt zu deinem bisherigen Stil, das andere zu deinem Namen, jetzt guck doch mal!" Ich packte ihm am Arm und zog ihn zu mir, damit er ebenfalls in den Gang sehen konnte, und wandte mich wieder um. Es war tatsächlich Red. Er stand da und las die Rückseite auf der Verpackung eines Spiels, das ich aus der Entfernung nicht näher erkennen konnte. Einen Moment lang standen Green und ich einfach nur da, dann drückte er mir plötzlich die beiden Shirts in die Hand. "Halt das mal." "Was - ?"Doch kaum hatte ich den Mund geöffnet, da hatte Green mich schon völlig verdutzt stehen lassen und war zu den Videospielen hinüber geeilt. Dieser Kerl machte mich wirklich fertig. Ich stand kurz einfach nur da, dann hängte ich die Shirts wieder zurück und rannte ihm nach, um ihn zumindest noch einzuholen. "Hey, Red." Red zuckte zusammen und sah auf. Green lehnte sich lässig ans Regal, während ich hinzutrat. "Warum so erschrocken? Sind doch nur wir." "Ich hab mich nicht erschreckt", sagte er bloß und sah wieder auf die Verpackung. Ich hatte stark den Eindruck, dass er unseren Blicken auswich. Er schien sich auch nicht groß über unsere Anwesenheit zu freuen. "Und, was gefunden?", fragte Green interessiert. Red schüttelte bloß den Kopf und stellte das Spiel wieder ins Regal zurück. "Ich hab eh nur geguckt. Ich war gerade fertig." Green und ich tauschten Blicke. Er schien das Verhalten seines Freundes wohl ebenso seltsam zu finden wie ich. "Wo willst du hin?", fragte ich schließlich, als Red schließlich an uns vorbeiging. Er wandte nur kurz den Kopf. "Weiß noch nicht. Vielleicht in die Spielhalle oder so." Wären wir nachwievor in Lavandia gewesen, hätte ich es auf den Vorfall mit Tragosso und Knogga geschoben. Doch die Stadt lag Kilometer weit von uns entfernt, und dennoch schien Red noch niedergeschlagener als vorher. "Gut, wenn du in die Spielhalle gehst, kommen wir gleich mit", sagte Green plötzlich und klang auf einmal so motiviert wie zuvor. Ich warf ihm einem Seitenblick zu, doch er sah nicht zurück. "Da wollten wir eh noch hin, der Arena statten wir morgen einen Besuch ab." "Ist gut." Und damit ging Red voran. Wir tauschten erneute Blicke, doch keiner wagte es, etwas offen zu sagen. Also folgten wir Red, die letzten Treppen hinunter ins Erdgeschoss und wieder hinaus auf die Hauptstraße. Mit einem Mal herrschte eine ziemlich seltsame, beinahe drückende Stimmung. Wieder an der Luft atmete ich tief durch und streckte mich. "Hach, endlich bin raus aus dieser Hölle. Wunderschön." "Hey, so schlimm war's nun auch wieder nicht!", sagte Green empört. "Außerdem ist es ja nicht so, dass du dir nichts gekauft hast!" "Mag schon sein. Was soll's." Die anderen beiden wandten ihre Schritte schon in Richtung Spielhalle, als mir etwas einfiel. "Wartet mal." "Was ist?", fragte Green und die beiden drehten sich verwirrt zu mir um. Ich griff nach dem fünften Pokéball, den ich inzwischen mit mir trug, und warf ihn. Das kleine Evoli tauchte in unserer Mitte auf, gähnte herzhaft und sah sich verwundert um. Es blinzelte. "Wo hast du das denn her?" Reds Augen leuchteten, als er sich auf den Boden kniete und dem Evoli den Kopf streichelte. "Das ist ja echt niedlich! Wie hast du das bekommen?" "Ja, gute Frage", stimmte Green zu, verschränkte die Arme und sah mich durchdringend an. "Wie bist du da überhaupt rangekommen?" "Hab's gefunden." "Gefunden?" Ich nickte. "Tatsächlich, ja. Ich bin in dieses Haus gegangen und hab mich dort umgesehen, es lag im Pokéball auf dem Tisch und gehörte niemandem. Da hab ich es an mich genommen. Es wird bestimmt eine gute Unterstützung für mein Team, es muss sich bloß ein bisschen eingewöhnen." "Es scheint auf jeden Fall schon mal einen Freund gefunden zu haben." Wir sahen beide zu, wie Red nun um einiges fröhlicher mit Evoli spielte. Es drehte sich auf den Rücken, wedelte mit dem Schweif und patschte mit seinen Pfoten nach Reds Fingern, die er immer im letzten Moment wieder wegzog. Red lachte. Green warf mir einen zufriedenen Blick zu, den ich erwiderte. "Ich denke, vielleicht warte ich doch noch ein wenig mit der Entwicklung. Ob ein paar Tage früher oder später, das macht vorerst auch keinen Unterschied. Lassen wir Evoli erst mal Evoli sein." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)