It's about to be legendary von -Amber- (Von Legenden und Helden) ================================================================================ Kapitel 3: Zeichen deuten ------------------------- Kapitel 3 Marie Während Merthin mit einem Grinsen die Antwort des anderen - seine Antwort von vorhin - quittierte und ihm ein "Gut gekontert; dann ist das also auch eine Stärke von dir...!?", zurückgab, betrachtete eine ältere Frau die Szene von außen und spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Die Aura, die dieses Paar umgab, leuchtete hell in den Farben Gelb-orange und Hellblau und war so kraftvoll, dass es sicher auch andere spürten, die den beiden zusahen, auch wenn sie das Licht nicht sehen konnten. "Die Prophezeiung beginnt sich zu erfüllen", sprach Falk, der neben sie getreten war, ihre Gedanken aus. Marie nickte und schluckte, sammelte sich einen Moment. "Früher als erwartet", sagte sie. "Ich hatte gehofft, er hat noch etwas mehr Zeit..." Falk nickte leicht. "Und dass ausgerechnet ER der andere ist, war auch nicht abzusehen." Marie schmunzelte. "Doch!", erwiderte sie. "Es ist lange her, aber sie sind sich schon begegnet. Sie hatten sich vor über 20Jahren schon einmal gefunden." Falk sah sie verwundert an., bis die Erkenntnis seine Mine veränderte. "Der Junge in dem Garten...", sagte er tonlos. "Der seiner Amme weggelaufen war." Marie nickte lächelnd. Auch Merthin war weggelaufen und als man die beiden schließlich gefunden hatte, war es ihr Glück gewesen, dass die Amme so große Angst vor Bestrafung gehabt hatte, dass sie nichts erzählt hatte. "Wir müssen vorbereitet sein, wenn sie uns brauchen. Morgen schicke ich Gesandte aus, die unsere Verbündeten informieren. Ihre Magie wird etwas auslösen in diesem Land. Und erstmal wird es nichts Gutes sein. Zu lange ist die Magie unterdrückt worden. Und wenn das nicht in einer kompletten Katastrophe enden soll, dann müssen wir schnell informiert werden, sobald sich etwas Verdächtiges regt. Wir wissen noch immer nicht, wo die übrigen Teile der Prophezeiung sich befinden." ~.~.~.~.~.~.~.~.~. Merthin [[BILD=8255071.jpg]] Gemeinsam betraten sie das Zelt und er griff zu der Laterne, die am Eingang hing. Ohne darüber nachzudenken, entflammte er den Docht und nahm die Laterne mit ins Innere. Dann ging er zu einer der Kisten hinüber, die er vorhin nur schnell hingestellt hatte. Im Zelt waren zwei Betten hergerichtet, der Rest stand einfach ungeordnet da, wobei eine weitere Kiste noch offenstand, weil er vorhin darin seine frischen Klamotten gesucht hatte. Gezielt öffnete er die Kiste, in der er seine Bücher und seine Schreibsachen hatte, und holte Papier und ein Stück Kohle heraus. Er legte es auf einen niedrigen Tisch und kniete sich hin. In gewohnter Bewegung schrieb er drei der Zeichen auf. Er hatte sie schon oft gezeichnet, in seinen Aufzeichnungen, seinen Büchern, in denen er seine Gedanken niederschrieb, seine Informationen sammelte, in denen er seine Erfahrungen notierte, die mit seinem Körper und seinen Fähigkeiten zusammenhingen. Es waren zunächst einmal die drei Male, die er am deutlichsten spürte. Die, die sich an seinem Hals befand, die die über seinem Herzen lag und die, die an seinem Oberarm prangte. Erwartungsvoll blickte er Aaron an. „Sind das Zeichen der alten Schriften?“, fragte er. „Und wenn ja, was bedeuten sie?“ Er bemühte sich möglichst gleichgültig zu klingen. Aaron [[BILD=8255067.jpg]] Der Brünette folgte Merthin nun zu dessen Zelt, bemerkte das kurze, erneute Aufflammen seiner Feuermagie und bestaunte das Feuer in der Laterne. Es zu entzünden war für Merthin augenscheinlich keine große Sache gewesen. "Habt Ihr zu jeder Zeit das Feuer unter Kontrolle?", konnte sich Aaron einfach nicht zurückhalten zu fragen. Ihn interessierte dessen Magie unheimlich und vielleicht könnte er ihm auch vertrauen, aber ganz so einfach war es nicht. Dafür drohte jedem einzelnen und deren Angehörigen zu viel Leid, als dass man leichtfertig mit solchen Informationen umgehen könnte. Daher blieb Aaron dennoch zurückhaltend, auch wenn er dasselbe Schicksal teilte, wie der Feuermagier vor ihm. Erstmal schaute der Prinz sich ein wenig im Zelt um, während der andere in den Kisten wühlte. Erst als der Blonde zu schreiben begann, trat Aaron interessiert näher, blieb hinter dem Knieenden stehen. Neugierig schaute Aaron Merthin über die Schulter, während er mit Kohle anfing sehr geübt Zeichen zu schreiben. Da er so am Boden hockte, hatte Aaron es sehr leicht zu schauen, was der Blonde da tat. Ein bisschen legte er den Kopf schief, denn man merkte, dass der Andere die Schriftzeichen immer als einzelnes aufzeichnete und nicht wirklich einen fließenden Text verfasste. Aber das schmälerte Aarons Neugier überhaupt nicht. Erst als er konkret gefragt wurde, beugte er sich kurz hinab und hob das beschriebene Blatt auf, um sich die Schriftzeichen genauer anzuschauen. Da brauchte er wirklich nicht lange zu überlegen, weshalb er sofort nickte. Diese Linien waren eindeutig altehrwürdig und von ihnen ging ein Mysterium aus, das Aaron sogleich fesselte. "Ja,das sind sehr alte Zeichen in Kunstform geschrieben...", murmelte Aaron wie in Gedanken versunken. In der Staatsbiblkiothek gab es ein uraltes Buch, das nur von ausgewählten Personen berührt werden durfte und das auch nur so vorsichtig, wie es nur gesittete Leute vermochten. Jede zu ruppige Behandlung könnte das Buch zerstören, daher wurde es sehr sicher in einer Glasvitrine aufbewahrt. Dieses Buch war vollkommen in Ahnensprache verfasst und beschrieb das Zusammenfügen von alten Symbolen zu dieser Art der Schriftzeichen, wo jedes seine eigene Bedeutung hatte. Mit dem Finger malte Aaron die Strichführung nach und setzte erst dann zum Sprechen an, nachdem er das Zeichen nachgemalt hatte. "Schicksal", laß er das erste Schriftzeichen vor, während er bereits das nächste ebenfalls nachzeichnete. "Liebe", war das nächste Wort, auch beim dritten Schriftzeichen folgte er mit der Fingerkuppe der Strichführung, bevor er auch dieses vorlaß. "Stärke" Erst als er das dritte Wort ausgesprochen hatte, überkam ihn ein merkwürdig vertrautes Gefühl. Aber die Sprache war ihm ja auch vertraut, daher dachte er sich nichts weiter dabei. Der Prinz blickte nun wieder Merthin an und lächelte ein bisschen. "Wo habt Ihr gelernt sie zu schreiben?", fragte Aaron neugierig nach. Schriftzeichen mit Wortbedeutungen selbstständig zu schreiben, bedurfte größere Kenntnis der Sprache, da sie aus verschiedenen Schriftzeichen bestanden, die zu einem Zeichen verbunden waren, um eine gemeinsame Bedeutung zu schaffen. Aaron konnte sie lesen, da er die einzelnen Schriftzeichen kannte und sich daher die Bedeutung für ihn erschließen ließ. Aaron hatte anfänglich gedacht, dass Merthin die Zeichen in einer alten Schrift gesehen hatte, deren Bedeutung er kannte, um zu testen, ob Aaron die Bedeutung ebenfalls erkennen würde. Doch wo der Brünette jetzt in diesem Zelt stand und in das Gesicht seines Gegenübers blickte, glaubte er nicht mehr daran. Merthin hatte die Bedeutung nicht gewusst und ehrlich wissen wollen, was sie bedeuteten, oder? Hatte er also auch Interesse an dieser alten Sprache? "Wollt Ihr... auch die Zusammenstellung des Schriftzeichens erfahren oder reicht Euch das Wissen um die Bedeutung?", fragte Aaron ein bisschen zögerlich nach. Natürlich teilte er gern sein Wissen, da er nicht nur höflich gefragt worden war, sondern es auch Teil einer Abmachung war, die Aaron gedachte vollständig einzuhalten. Allerdings war ihm auch bewusst, dass es viele langweilte, wenn man mehr Informationen zugesteckt bekam, die man gar nicht hören wollte und daher wollte er Merthin nicht damit langweilen. Merthin [[BILD=8255071.jpg]] Erst als er den Kommentar des anderen hinsichtlich des Feuers hörte, merkte er, dass er gedankenlos gewesen war. Er griff in seine Tasche, zuckte mit den Schultern und zeigte Aaron die Feuersteine. "Hiermit schon", bediente er sich der Notlüge. Letztlich wusste er noch immer nicht, wer der andere war. Und er hatte eh schon viel riskiert, es sollte nicht zu viel sein... Daher überging er den forschenden, fragenden Blick und widmete sich lieber dem, weswegen sie hier waren. Dass seine Affinität zu Feuer heute größer zu sein schien, behielt er ohnehin lieber für sich. Merthin sah schon am Gesichtsausdruck des anderen, dass er lesen konnte, was dort geschrieben stand. Und Merthins Herz begann so heftig zu schlagen, dass er ganz benommen war. Und es fiel ihm schwer, die Ruhe zu bewahren, die er so dringend brauchte. Doch seine Male spürten seine Unruhe. Sie ließen sich nicht beirren. Etwas Wichtiges, Bedeutsames lag in der Luft und es länger zu leugnen, konnte selbst Merthin nicht mehr. Und nun bestätigte der andere, dass die Zeichen aus längst vergessenen Tagen stammten. Der Feuermagier schluckte und seine Augen weiteten sich. Erstaunt und genauso erfreut sah er den anderen einen Moment an, doch er versteckte seine Aufregung sogleich wieder. Er sah Aaron zu, wie er die Zeichen nun in einzelnen Elementen nachfuhr, als bestünden sie aus einzelnen Buchstaben und seien nicht ein Buchstabe für sich. Diese Idee war ihm noch nicht gekommen... Er versuchte sich genau einzuprägen, wie Aaron diese nachfuhr, doch es war nicht so einfach, denn es schien ihm einen Moment, als streichle jener nicht über das Papier, sondern direkt über seine Haut. Und dieses Gefühl löste ein Kribbeln in seinem Innersten aus, das er noch nie in dieser Intensität gespürt hatte. Erneut musste er schlucken und sich zu konzentrieren, fiel ihm schwer. Und als Aaron die Bedeutung der Zeichen aussprach glühte das jeweilige Zeichen auf seiner Haut auf. Schicksal ließ seinen Hals erglühen. Liebe - und sein Herz brannte. Stärke - und sein Arm entflammte. Ohne es zu merken hatten seine Hände das jeweils Mal berührt, als könne er es sonst nicht fassen. Er kannte nun die Bedeutungen und sie machte etwas mit ihm, sie bewirkten etwas in ihm. Es war, als hielte Aaron den Schlüssel zu einer ihm noch unbekannten Kraft in Händen. Oder war Aaron etwa der Schlüssel? Die Frage des anderen unterbrach jäh seine Gedanken. "Ich", begann er und brach gleich wieder ab, um sich zu sammeln. "Ich lese gerne", sagte er ausweichend und überlegte kurz. "Diese Zeichen habe ich an einem Tempel im Süden gesehen. Sie haben mich fasziniert, weil es schien, als ginge eine Kraft von ihnen aus. Daher habe ich sie abgemalt." Er lächelte den anderen an. "Aber ich wusste nicht, was sie bedeuten." Ob er die anderen vier Male auch zeichnen sollte? Oder würde er Verdacht schöpfen, wenn er zu neugierig wurde? Er blickte auf die Zeichen und versuchte seine Verwirrung zu sortieren. Dieser Tag war anstrengend, was seine emotionale Gelassenheit betraf. Seit ihn dieser Mann an der Schulter berührt hatte, schien seine Welt langsam aber stetig aus den Fugen zu geraten und seine so mühsam antrainierte Ruhe zu schwinden. Und Merthin wusste nicht nicht genau, ob das gut oder schlecht war. Eine kurze Stille entstand, der Merthin kurz entfliehen wollte. Vermutlich war es aber nur die eigene Unsicherheit. Denn eigentlich fühlte sich die Stille gar nicht so unangenehm an. Als Aaron wieder das Wort ergriff, blickte ihn Merthin überrascht an. "Gerne...", sagte er langsam. "Ich würde gerne alles erfahren, was es über diese Zeichen zu wissen gibt." Das Eis in Aarons Augen schien wärmer zu werden, während er nun sprach. Offenbar war der dankbar für das Interesse und dass es jemanden gab, der ihm zuhörte. Er zeigte ihm die Reihenfolge, in der die einzelnen Zeichen gemalt wurden. Das Schicksal setzte sich aus den Zeichen für Glück und Wille zusammen, während Liebe aus den Zeichen für Gefühl, Verstand und wertvoll sich ergab. Stärke setzte sich aus den Zeichen für Mut und Vernunft zusammen. Merthin stellte Fragen, wenn er etwas wissen wollte, ließ sich alles genau erklären, und er saugte die Informationen wie ein Schwamm auf. Und darüber beruhigten sich auch seine Male wieder und er kehrte zu seiner Ruhe zurück. Als die Lehrstunde zu einem Ende kam, saßen sie gemeinsam am Boden und Merthin spürte, wie nah ihm der andere war - nicht nur physisch irgendwie. Und auch wenn die Male kalt und nicht mehr sichtbar zu waren, hatte er das Gefühl, von Magie in seinem Inneren. Es fühlte sich seltsam an und mittlerweile meinte er mit Bestimmtheit sagen zu können, dass es an Aaron oder zumindest an dessen Erläuterungen lag. Und so schön er das Gefühl auch fand, so ungewohnt und damit unangenehm war es auch. Was wenn der andere das merkte? Er sah ihn kurz schweigend an. Dann drehte er sich weg und spürte, dass der Anzug drückte. Dieser lag eng an und war auf Bewegungen im Stehen ausgelegt. Merthin stand schließlich auf und zog sich das Oberteil aus, um sich sein einfaches Hemd und eine Jacke wieder anzuziehen. "Wenn du müde bist", sagte er, während er sich umzog, "kannst du dieses Bett hier nehmen." Er deutete darauf und drehte sich um. Er zog ein frisch gewaschenes Hemd aus der Truhe und warf die Sachen dem anderen zu. "Für die Nacht", sagte er knapp. "Brauchst du sonst noch etwas? Ich würde nochmal zu den anderen gehen. Du kannst gern mitkommen. Aber wir müssen morgen auch ziemlich früh raus." Irgendwie wollte er der Situation gerade entkommen. Das alles musste sich setzen. Da er heute den halben Tag verschlafen hatte, würde er ohnehin nicht so bald schlafen können. Noch einmal rauszugehen und an die frische Luft zu kommen, kam ihm gerade paradiesisch vor. Aaron [[BILD=8255067.jpg]] Es kam eine gewisse Unruhe von Merthin, während Aaron ihm die Bedeutung der Schriftzeichen offenbarte, hinzu kam eine Wärme, die Aaron immer nur in Merthins Nähe zu spüren bekam. Es schien, als würden diese Schriftzeichen ein viel größeres Geheimnis umgeben, als der Prinz angenommen hatte. Dieses Mystische hatte er sofort gespürt, aber das war bei Ahnensprache öfters der Fall. Allerdings war dies hier auf eigenartige Weise tiefergehend. Nun, man durfte dabei natürlich nicht vergessen, dass sie beide eine Magiebegabung hatten und es da nicht ungewöhnlich sein konnte, wenn solch magische Momente entstanden. Nicht für alle sichtbar, nicht für alle spürbar und erst recht nicht für alle gedacht. Als Aaron wieder den Blonden anschaute, hatte er viele seiner Reaktionen bereits verpasst, war er selbst doch so auf die Kohlestriche fixiert gewesen, hatte sich so von ihnen in den Bann ziehen lassen, dass er alles um sich herum vergessen hatte. Es beschäftigte den Prinzen noch, dass es gerade diese drei Worte waren, die Merthin so fasziniert hatten, dass er sie aus dem Gedächtnis aufschreiben konnte. 'Schicksal, Liebe und Stärke', das waren alles große Worte. Eines stand schon fest, Aaron wollte den Ort sehen, wo Merthin die Schriftzeichen entdeckt hatte, wollte sie mit eigenen Augen sehen und sich die Umgebung dazu anschauen. Vielleicht hatte Merthin die Zeichen aus dem Kontext gerissen, da nur diese drei ihm interessant vorgekommen waren, aber da stand dann gewiss noch mehr! "Ein Tempel im Süden...", wiederholte Aaron daher nachdenklich, da er sich nicht sicher war, ob er wusste, welchen Tempel Merthin meinen könnte. "Ah, meint Ihr vielleicht den großen Tempel der Ashé?", fragte Aaron recht plötzlich aufgeregter nach. Ein kleines bisschen hatte Aaron seinen Eispanzer um sich herum dünner werden lassen und zeigte mehr seiner Begeisterung für die alte Sprache. "Wie gerne würde ich hinreisen und mir Eure interessanten Schriftzeichen persönlich anschauen... da gibt es gewiss noch mehr", fügte er hinzu und schaute nochmal auf das Blatt Papier. Ob er das behalten durfte? Aaron fing den überraschten Blick seitens Merthin auf und lächelte sogleich etwas, als dieser zustimmte. Es hatte etwas Ironisches, das Aaron ausgerechnet in der Nähe eines Kindes des Feuers von dessen Wärme stückchenhaft aufgetaut wurde und sich in dieser unbekannten Situation nichtmal mehr allzu fremd vorkam. Gemeinsam konnte Aaron mit Merthin am Boden sitzen und ihm ausführlich alles erzählen, was er über die Schriftzeichen sagen konnte. Dabei beantwortete er jede Frage des Blonden gewissenhaft und kam ihm ganz automatisch auch näher dabei. Aaron merkte genau, wie Merthin jede Information aufnahm und keine auszulassen wünschte. Ein solch langes und tief gehendes Gespräch hatte Aaron seit Ewigkeiten nicht mehr geführt. Mit Adligen konnte man so einfach nicht sprechen, da sie grundsätzlich andere Interessen hatten und sowieso alles sehr oberflächlich blieb. Aaron genoss es, zu einem gewissen Teil aus seiner Rolle zu fallen und sich zumindest für diesen Moment als jemand anderes zu fühlen, als ein Prinz des Landes zu sein. Aarons Blick folgte fast automatisch Merthin, als dieser sich erhob und anfing sich etwas anderes anzuziehen. Das ging wieder gegen Aarons Erziehung, man entblößte sich ja nicht vor anderen! Auch nicht wenn es nur die Oberbekleidung eines Mannes war. So erhob sich Aaron auch vom Boden und wandte sich vollständig ab, um Merthin seine Privatsphäre zu geben, die ihm zustand. Nicht dass es ihn nicht aus Interesse mal reizen würde zu schauen, aber das ging natürlich nicht. Kurz und nur aus den Augenwinkeln schaute Aaron dann doch zu Merthin, als dieser ihm deutete, wo er schlafen durfte. Aaron hatte hingucken müssen, um sich nicht am Ende auf den falschen Platz schlafen zu legen. Ein Bett war genauso Privatsphäre wie das Bekleiden, diese Grenze, die bei Adligen sehr schnell erreicht war, wollte er bei den Leuten hier nicht überschreiten. Auf diese Weise hatte der Prinz aber immerhin auch sehen können, wie Merthin ihm etwas zuwarf, was er reflexartig auffing. Kleidung...? "Ich danke Euch, Merthin!", sprach er als erstes wieder höflich, blieb aber etwas abgewandt vom anderen. "Wenn Ihr entschuldigt, würde ich es vorziehen, mich zur Ruhe zu begeben. Heute ist so viel passiert", entschuldigte er sich dafür, dass er gern schlafen würde. Auch wenn ihm Merthins Gesellschaft angenehm war, so spürte er durchaus die Müdigkeit in seinen Glieder kriechen. Zudem würde sich Aaron nicht umziehen, solange Merthin noch im Zelt wäre. Nicht nur aufgrund seiner Erziehung, sondern auch, damit kein unbedachter Blick das Bildnis auf seiner Haut entdecken könnte. Zwar konnte sich Aaron nicht mehr vorstellen, dass er gemeuchelt werden würde, aber feindselig könnten und würden die Menschen hier gewiss dennoch auf ihn reagieren. So wartete Aaron bis er alleine im Zelt stand und sich auch sicher war, dass Merthin komplett vom Zelt weggetreten war. Irgendwie stand Aaron so sehr unter Strom und merkte das erst jetzt so richtig, da er nur mit sich allein war. Sein Blick glitt zu dem Bett. Es war ein einfaches und schlichtes Gestell, wirkte aber durch die aufgeschüttelten Kissen sehr bequem. Gut, mit seinem Bett im Schloß ließ sich dies natürlich nicht vergleichen, aber das erwartete Aaron auch gar nicht. Hauptsache es war weich und hielt warm. Es passierte recht schnell, dass Aarons Körper im Schlaf abkühlte, was aufgrund der Eismagie, die in seinem Körper schlummerte, nur allzu leicht passierte. Daher kuschelte sich Aaron auch immer fest ein, auch wenn es ihn selbst nicht störte, wenn es kälter war, so hatte er dennoch ein natürliches Bedürfnis nach Wärme und Geborgenheit. Schließlich stellte sich Aaron mehr an die Seiten des Zeltes und auch außerhalb der direkten Sichtweite zum Eingang, um nicht überrascht zu werden. Erst dann schlüpfte er fix aus seinen Klamotten raus und zog sich die frischen, geliehenen Klamotten über. Er merkte gleich den Unterschied in der Schneiderkunst, waren diese Stoffe nicht so fein verarbeitet und peinlichst genau genäht wie seine eigenen Sachen, aber für die Nacht würde es gewiss gehen. Ohne weitere Umschweife schlüpfte er unter die Decke des Bettes, das Merthin ihm eben gedeutet hatte und ging dabei mit Fingerspitzengefühl vor. Noch nie hatte Aaron in einem anderen Bett oder an einem anderen Ort geschlafen, der nicht vom König abgesegnet gewesen war. Bestimmt wunderte man sich im Schloß bereits, dass keine Nachricht vom Aarons Kutsche geschickt wurde, dass sie ihr Nachtlager erreicht hatten. Was seine Familie darüber wohl gerade denken mochte? Schnell schüttelte Aaron selbst den Kopf, er würde ja bald wieder Zuhause sein und alles aufklären können. Allerdings ohne die Schausteller zu erwähnen, die seine Rettung gewesen waren. Einen Orden würden sie dafür vom König nämlich sicher nicht erhalten. Kurzerhand legte Aaron das Papier mit den Zeichen unter sein Kopfkissen. Manchmal träumte er von der alten Sprache, so hoffte er, dass er vielleicht im Traum mehr ihrer Rätsel gelöst bekommen würde. Kurz gähnte er verhalten, ehe er die Laterne mit dem Licht anschaute und dadurch mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen die Augen schloß und fast sofort vor Müdigkeit ins Reich der Träume entglitt. Merthin [[BILD=8255071.jpg]] Der große Tempel der Ashè? Merthin war noch nicht viel im Süden unterwegs gewesen. Die Landschaft war karg, die Bevölkerung wenig humorvoll und eher zurückgezogen in ihre Bergdörfer, so dass es für Schausteller wenig ansprechend war, dorthin zu reisen. „Ich weiß es nicht mehr“, erklärte er schlichtweg. „Es ist schon lange her. Ich müsste meinen Vater fragen…“ Einen Moment brannte ihm eine Frage auf der Zunge. Bauern, Handwerker – solche Menschen blieben an Ort und Stelle und wanderten höchstens mal übers Wochenende zu einem Markt in die Nachbarorte. Aber Menschen, die ja offenbar mit Gefolge unterwegs waren, konnten doch einfach beschließen, eine Reise unternehmen zu wollen. Merthin überlegte, ob er ihn darauf ansprechen solle, aber zweierlei hielt ihn ab. Ihre Gespräche, ihre ‚Nähe‘ - die genauer betrachtet wohl gar keine war - funktionierte vermutlich nur, weil er von Aaron nicht viel wusste. Er wusste nicht, welchem Stand er letztlich wirklich angehörte und was er arbeitete. Wenn er aber fragen würde, würde diese Grenze womöglich überschritten. Und außerdem hatte er Bedenken, dass der andere dann doch auch nochmal nachfragen würde, woher er die Zeichen kannte. Dass Aaron es als unangenehm empfinden könnte, dass er sich in seiner Nähe auskleidete und umzog, war ihm gar nicht bewusst gewesen. An der Reaktion des anderen merkte er es aber dennoch und so beeilte er sich mit dem Umziehen. ‚Meine Güte sind die verklemmt…‘, seufzte er innerlich. Sie sahen doch alle gleich aus, oder? Was war an einem nackten Oberkörper wohl verwerflich? Aber das war ein anderes Thema. Vermutlich würde der andere im Boden versinken, wenn er bei ihnen bliebe und einen „Badetag“ miterleben müsste… Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht bei dem Gedanken. Er selbst hasste es, sich schmutzig zu fühlen. Aber es blieb bei ihrer Arbeit nun mal nicht aus. Dennoch wusch er sich regelmäßig und wenn er die Gelegenheit hatte, in ein Badehaus zu gehen, nahm er sie wahr. Andere sahen das bei weitem nicht so streng. An Badetagen waren sie dann meist bei einem See oder Fluss und alle mussten sich gründlich reinigen und ihre Klamotten wurden gewaschen… Dass da der ein oder andere nackt herumlief, blieb meist nicht aus. Als sich Aaron bedankte, war er bereits wieder angezogen und er sah zu dem so hellhäutigen, der sicher nicht viel Sonne in seinem Leben sah. Der Blonde nickte. Irgendwie war es komisch, so gesiezt zu werden, er war es nicht gewohnt. Diese geschwollene Ausdrucksweise war genauso anstrengend. Aber den Dank nahm er gerne mit einem Nicken entgegen. „Wenn was ist, dann bin ich am Lagerfeuer“, sagte er. „Ansonsten wünsche ich eine erholsame Nacht!“ Damit trat er aus dem Zelt und atmete kurz tief durch, als ihm die kühle Nachtluft entgegenschlug. Irgendwie war er froh, jetzt wieder für sich zu sein. Und doch wusste er, dass dieser Tag heute etwas Schicksalhaftes hatte. Er griff zu seinem Hals. Schicksal…. Mit einem Seufzen begab er sich zu den anderen. Eines war ihm definitiv klar nach diesem Tag. Er würde in einem Monat, wenn er in der Hauptstadt war, in die Bibliothek einbrechen, um an Bücher zur vergessenen Sprache zu kommen. Als Merthin nach einem Bier und etwas Geplauder in das Zelt zurückkehrte, schlief Aaron bereits. Leise entkleidete sich Merthin und legte sich unter seine Decke, die er für sich eher dünn hielt. Er sah, dass die Laterne noch brannte und ließ sie ausgehen. Es war ein komisches Gefühl, mit jemandem im Zelt zu schlafen. Er hatte sein Zelt bereits seit langer Zeit, wollte schon sehr früh ein eigenes haben. Seitdem hatte hier selten jemand geschlafen… vielleicht mal seine Freunde, wenn sie zu betrunken gewesen waren, zurück in ihre Betten zu finden. Wenn er mit jemanden ins Bett gestiegen war, dann war das nie im Lager oder gar in seinem Zelt gewesen. Und er hatte sich auch nie auf jemanden vom Tross emotional tiefer eingelassen, obwohl Jenna durchaus einmal an mehr als nur einer Freundschaft interessiert gewesen war… Merthin wischte die Gedanken aus seinem Kopf. Er sollte dringend schlafen. Und so drehte er sich um, lauschte den Atemzügen und war doch irgendwann eingeschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)