It's about to be legendary von -Amber- (Von Legenden und Helden) ================================================================================ Kapitel 18: In der Bärenhöhle ----------------------------- Merthin [[BILD=8277685.jpg]] Sie ritten alsbald zügig weiter, legten noch ein gutes Stück in einem flotten Trab zurück, während Merthin sich entschied, ein geheimeres Nachtlager zu wählen, das auf dem Weg nach Dorstaal lag: eine alte Bärenhöhle, in der sie geschützter sein würden, als in der Scheune nahe der Straße, die er vorerst ins Auge gefasst hatte. Auf dem Weg dorthin war ihm komisch zumute. Aaron hatte sich für ihn entschieden – gegen seine Familie, seinen Vater. Er hatte letztlich aufbegehrt gegen diesen. Und irgendwie… ja irgendwie machte ihn das glücklich, sehr glücklich. Seine größte Sorge war zunächst einmal gebannt. Die Sorge, dass Aaron sich gegen ihn stellen würde… Und doch änderte das nichts daran, dass das nagend schlechte Gefühl in ihm schlimmer und schlimmer wurde. Er hatte am vergangenen Abend einen großen Fehler gemacht. So musste das sein. Er hatte ihre Zusammenarbeit aufs Spiel gesetzt, nur weil er dem Gefühl nachgegeben hatte, Aaron küssen zu wollen. Dieser Fehler stellte alles in Frage. Je näher sie der Höhle kamen, desto dunkler wurde es, obwohl die Sonne eigentlich noch lange nicht untergehen konnte. Ob das die Nähe zu Dorstaal war? Vielleicht. Merthin versorgte die Pferde und sammelte dann Feuerholz, um dieses mit seinen Händen anzuzünden. Jetzt, wo er die Magie einfach zuließ, ging das eigentlich immer besser. Aber gerade dauerte es ein wenig, bis sich seine Magie dazu herabließ, ihm zu gehorchen. Er richtete sich sein Lager und schwieg weiterhin. Es war ihm selbst unangenehm. Aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Wobei… „Wir müssen morgen früh sehr bald aufbrechen, damit wir rechtzeitig da sind“, warf er in den Raum, ohne Aaron anzusehen. Er saß auf seinem Bett und blickte in das Feuer, das ihn diesmal so gar nicht zu wärmen schien. Er griff nach seinem Spiegel und betrachtete die aufgeplatzte Lippe, die leicht geschwollen war und pulsierte. Dann tupfte er Alkohol darauf und schmierte sie mit Zinksalbe ein, damit sich die Verletzung nicht entzündete. „Wir sollten also bald schlafen… Ich halte erstmal Wache, dann kannst du dich schon hinlegen...“ Aaron [[BILD=8255067.jpg]] Es war merkwürdig, dass sich die Sonne verdunkelte, obwohl sie noch am Himmel stand. Das Unwetter musste bereits nahe sein, dies schienen die ersten Zeichen dafür zu sein. Vielleicht war es aber auch die negative Energie in der Stadt Dorstaal, der sie nun auch recht nahe waren. Oder eine Mischung aus beidem. Aber egal wie man es betrachtete, es war beängstigend. Als sie bei ihrem Nachtquartier ankamen, staunte Aaron nicht schlecht. Diesmal war ihr Versteck eine kleine Höhle, in der es aber dennoch ähnlich wie in einem Stall roch. Wahrscheinlich hatten hier vor ihnen auch Tiere bereits Schutz gesucht, jetzt schienen sie hier aber alleine zu sein. Langsam ließ Aaron seinen Rucksack von den Schultern gleiten, holte seine Decke daraus hervor und breitete sich auf dem Boden aus, direkt am Lagerfeuer, das Merthin gerade aufbaute. Natürlich in die Nähe von Merthins Schlafplatz, wenn auch nicht so dicht wie es hätte sein können.Seufzend ließ sich der Prinz dann auf seine Decke plumpsen und merkte dabei, dass es ihn gar nicht mehr so sehr störte, dass er sich nicht geziemt setzte. Einen gewissen Teil Anstand bewahrte er sich, das ließ sich auch einfach nicht gänzlich austreiben. Es gehörte zu Aaron, wie auch seine Magie. Magie... sie war ein Segen und ein Fluch, auch in Bezug auf seine Beziehung zu Merthin. Nur... wären sie beide sich wohl nie so nahe gekommen, wenn ihre Magie nicht existiert hätte. Sie hatte den Anfang geliefert und irgendwie hatte sich ihre Nähe dann verselbstständigt. Aaron saß einfach auf dem Boden auf der Decke, hatte seine Knie angewinkelt und eng an sich gezogen, seine Arme umschlossen seine Beine und sein Kinn war auf seinen Knien gestützt. So blickte er zu Merthin rüber und beobachtete ihn dabei, wie auch er sein Lager aufschlug und danach begann seine eigene Lippe zu versorgen. Gern hätte Aaron das übernommen, dann bräuchte Merthin nicht mit dem Spiegel in der einen und der Salbe in der anderen Hand hantieren müssen, aber Merthin löste seine Angelegenheiten lieber allein. Wie auch das Thema ihres Kusses. Aaron sprach kein Wort, während er dem Blonden zusah, auch obwohl Merthin Belanglosigkeiten für den nächsten Tag aufsagte. Es war zwar dunkel geworden am Himmel, aber die Sonne war doch noch gar nicht untergegangen, also wäre es doch zu früh zum schlafen? Zumal Aaron noch nicht würde schlafen können. Ihm brannte noch immer das Thema ihrer Nähe auf der Zunge. Diese unangenehme Stille zwischen ihnen sollte wieder angenehm werden und Aaron wollte wieder Merthins Magie fühlen, die ihn immer so wohltuend gewärmt hatte. Seit Merthin diese Mauer um sich gebaut hatte, drang auch dessen Magie nur noch schwerlich zu Aaron durch, was ihn wieder frieren ließ, wie so oft vor ihrer Begegnung. "Wieso kannst du es nicht?", begann Aaron leise wie aus dem Kontext gegriffen das Thema mit einer Frage anzuschneiden, das ihn einfach am meisten beschäftigte, ohne auf die Worte des Blonden einzugehen. Merthin hatte das direkt nach dem Kuss gesagt und seitdem fragte Aaron sich, was er damit gemeint hatte. Auch Merthin musste das Thema im Kopf herum spuken, das sah man ihm an. Er war abgelenkt gewesen auf ihrem Weg hierher, ansonsten hätte er die Soldaten bemerkt, bevor sie ihn derartig hatten überwältigen können. Natürlich war es nicht Merthins Fehler gewesen, niemand und schon gar nicht Aaron, würde Merthin die Schuld geben. Aber auf diese Weise waren sie spürbar schwächer, vielleicht zu schwach, um gegen das Übel weiterhin bestehen zu können. Ein klärendes Gespräch war also nicht nur für ihre persönliche Beziehung notwendig, sondern auch, um ihre Zusammenarbeit zu verbessern. "Ich meine...", sprach Aaron weiter und hob seinen Kopf nun an, schaute Merthin direkt an. Es war Aaron aufgefallen, dass Merthin es immer schwer fiel Aaron richtig anzuschauen, wenn sie über das Thema sprachen, warum war das so? "Was genau kannst du nicht? Was glaubst du ist an der Sache nicht fair mir gegenüber?", stellte Aaron weitere Fragen. Fragen, die er mit sich rumschleppte und die er eigentlich schon hatte stellen wollen, als Merthin den Kuss abgebrochen hatte. Zu dem Zeitpunkt war er nicht dazu gekommen diese Fragen zu stellen, jetzt sprudelten sie aus ihm heraus. "Was glaubst du hat den Kuss bewirkt? Dass unsere Magie entschieden hat, dass es lustig wäre, wenn wir menschlichen Bedürfnissen nachgehen?", wurde Aaron etwas sarkastisch, aber er steigerte sich beim Reden selbst rein, nur seine eigene Ruhe bewahrte ihn davor, lauter zu werden. "Nein, du persönlich warst es, der mich angezogen hat, der mir das Gefühl gegeben hat, das Richtige zu tun, obwohl ich selbst weiß, dass mein Stand das für abwegig halten müsste... Unsere Magie hat auf unsere Taten reagiert, Merthin, nicht umgekehrt. Und jetzt willst du mir einreden, dass es doch falsch war? Ich verstehe das nicht", versuchte Aaron deutliche Worte zu finden. Es war nicht leicht, das alles auszusprechen, offen zu legen, dass man selbst Gefühle verspürte, die einen natürlich verletzlich machten. Aber sie konnten einen auch um so vieles stärker machen, wenn die Grundlage gefestigt wäre. "Liegt es vielleicht an mir? Ich habe keine Erfahrungen gesammelt, so wie du und vielleicht bin ich daher nicht in der Lage, meine Gefühle objektiv zu analysieren, aber ich merke doch, wenn Gefühle da sind, die ich sonst nie gehabt hatte. Hast du denn nichts als Magie gefühlt?", fügte er noch hinzu und fand diese Frage recht wichtig. Noch wollte sich Aaron nicht damit zufrieden geben, dass alles nur durch Magie vorgetäuscht worden wäre und selbst wenn, dass es keine Zukunft für diese Art von Gefühlen geben sollte. Ja, es widersprach allem was Aaron gelernt hatte, aber dies hier fühlte sich so viel größer an, als die Lehren seines Vaters, die zum Großteil eh hohle Worte gewesen waren, was er durch Merthin und seiner Reise mit ihm verstanden hatte. "Was macht dir nur solche Angst...?", setzte er noch sehr leise hinzu. Marie hatte davon gesprochen, dass Merthin Angst haben könnte, war das so? Aaron wollte Merthin verstehen. Merthin [[BILD=8277685.jpg]] Merthin spürte deutlich, dass Aaron ihm nicht wirklich zuhörte, sondern in Gedanken war. Und in diesen Gedanken blickte er ihn an. Das war ihm ebenfalls mehr als bewusst – und es machte ihn mehr und mehr unsicher. Es stand zu viel zwischen ihnen. Es war nicht nur der Kuss, der bewies, dass da mehr war, als sich Merthin eingestehen konnte und wollte. Es waren so viele Situationen, in denen er Gefühle gehabt hatte, die er so nicht kannte. Und Merthin wusste das, aber er wollte diese Gedanken nicht zulassen. Er griff zu seinem Rucksack und holte etwas Brot heraus, rutschte etwas zu Aaron und legte noch andere Lebensmittel dazu, damit auch jener etwas essen konnte. Dann griff er zu einem Stück Brot und kaute lustlos daran herum. Offenbar schien der andere noch nicht schlafen zu wollen – also könnte er ihn vielleicht mit Essen ablenken. Doch offenbar war Aaron nicht daran interessiert, sondern begann nachzufragen. Und auch wenn Merthin erst etwas verwirrt die Stirn runzelte, weil er die erste Frage nicht gleicht verstand und mit seinen gestrigen Worten in Verbindung brachte, so begriff er nach der zweiten Frage, worauf Aaron hinauswollte. Er atmete hörbar aus und spürte, dass es ihn ärgerte, dass Aaron damit anfing. Warum konnte er nicht einfach akzeptieren, dass er nicht mehr darüber reden wollte?! "Es war keine Laune gewesen! Es war gewollt und ich bereue es nicht!“ Merthin wusste es nur zu gut, weshalb Aaron es nicht dabei belassen konnte. Was genau kannst du nicht? Was glaubst du, ist an der Sache nicht fair mir gegenüber? Und so schloss Merthin schweigend einen Moment die Augen, verschloss sich vor der Wahrheit, die Aaron unbedingt hören wollte. Aber er konnte nicht! Er konnte nicht mit ihm darüber reden. Er konnte nicht, weil er unbegreifliche Angst davor hatte. Er konnte ihm nicht sagen, dass er wusste, dass es keine Lauen war, dass da mehr war, dass er am liebsten den anderen in seine Arme ziehen würde, um ihn zu küssen und noch ganz andere Dinge mit ihm anzustellen. "Was glaubst du, hat dein Kuss bewirkt? Dass unsere Magie entschieden hat, dass es lustig wäre, wenn wir menschlichen Bedürfnissen nachgehen?" Aber es ging nicht. Er war nicht der Mensch, auf den sich der Prinz einlassen sollte! Und außerdem… Waren seine Gefühle wirklich echt? Waren das wirklich Gefühle, die er für den anderen empfand? Oder war es nicht nur Selbstsucht? So wie sonst auch? Sucht nach diesem wunderbaren Gefühl, das ihn erfüllte, wenn er Aaron nahe war? Sucht nach diesen unbeschreiblichen Empfindungen, die ihm die Sinne schwinden ließ? "Nein, du persönlich warst es, der mich angezogen hat, der mir das Gefühl gegeben hat, das Richtige zu tun, obwohl ich selbst weiß, dass mein Stand das für abwegig halten müsste... Unsere Magie hat auf unsere Taten reagiert, Merthin, nicht umgekehrt. Und jetzt willst du mir einreden, dass es doch falsch war? Ich verstehe das nicht." Aber je länger er schwieg, desto mehr Fragen stellte Aaron, desto mehr bohrte er in dieser klaffenden Wunde, vor der Merthin so dringend versuchte wegzulaufen… Und das war nicht gut! Das war gar nicht gut! Denn die Verzweiflung, die er in sich spürte, die Verzweiflung, die er darüber empfand, dass er sich wie ein räudiger Hund in eine Sackgasse manövriert hatte, aus der es keinen Ausweg gab, die kehrte sich langsam aber sicher in Wut um. Wut, die den Straßenköter beißen lassen würde… "Liegt es vielleicht an mir? Ich habe keine Erfahrungen gesammelt, so wie du, und vielleicht bin ich daher nicht in der Lage, meine Gefühle objektiv zu analysieren, aber ich merke doch, wenn Gefühle da sind, die ich sonst nie gehabt hatte. Hast du denn nichts als Magie gefühlt? Merthin schluckte, spürte in sich eine seltsame Mischung aus Wut und Freude. Sein Herz hüpfte vor Freue darüber, dass der andere empfand wie er, aber sein Kopf füllte sich mit Zorn darüber, dass Aaron weiter und weitersprach, obwohl er doch sehen könnte, dass Merthin nicht darüber reden wollte! Und dann kam die Frage, die ihn ruckartig die Augen öffnen und Aaron aus gelb glühenden Augen anblicken ließ. Was macht dir nur solche Angst...? Hatte Marie ihm etwas gesagt? Hatte sie ihm gesagt, dass er Angst hatte? „Wage es ja nicht, Aaron“, zischte er bedrohlich und das Feuer flackerte deutlich nach oben, „in meinen Kopf hineinschauen zu wollen! Es geht dich nichts an! Hat Marie dir gesagt, dass ich Angst davor habe, mich auf dich einzulassen? Mehr mit dir anzufangen, als befreundet zu sein? Hat sie das?“ Er schnaubte. „Dann hat sie dir doch hoffentlich auch gesagt, weshalb es mir nicht möglich ist, noch einmal eine Beziehung einzugehen, oder hat sie dieses kleine Detail vergessen zu erzählen? Hat sie dir nicht gesagt, dass wegen mir Menschen gestorben sind?“ Er rang nach Atem, selbst erstaunt über das, was da aus ihm herausbrach und unfähig, es aufzuhalten. „Du redest hier so daher, als ob du alles über mich wissen würdest, weil wir uns geküsst haben. Aber du weißt gar nichts! Gar nichts! Was willst du hören, damit du mich in Ruhe lässt? Dass ich nichts für dich empfinde? Dass das alles nur eine Laune war? Dass ich dich nur benutzt habe? Ja, so war es. Ich habe dich benutzt. Weißt du, ich brauche dringend mal wieder einen Mann in meinem Bett und da dachte ich mir: nimm doch Aaron! Mit dem ist es doch sicher sehr nett – unerfahren wie er ist. Und ja! Da ist nichts, als dieses Gefühl von Magie in mir, wenn ich dich berühre und küsse. Nichts mehr! Reicht dir das jetzt, um mich in Ruhe zu lassen?“ Er war aufgestanden und griff nun zu seinem Schwert. „Ich werde mich draußen umsehen!“, knurrte er. Irgendwie schien es gerade noch dunkler geworden zu sein. Aaron [[BILD=8255067.jpg]] Merthins Feuer ging gerade eindeutig mit ihm durch, hatte er doch die ganze Zeit über, in der Aaron seine Fragen gestellt hatte, kein Sterbenswörtchen gesagt und dann brach es plötzlich aus ihm heraus. Wie ein Vulkanausbruch entließ er unbedachte Worte seinen Lippen, funkelte mit seinen Augen so voller Wut in des Prinzen Richtung. Aaron konnte nur da sitzen, ihn anschauen und seinen Worten zuhören. Dabei begann ihm sein Herz zu klopfen, diesmal nicht aus... Liebe, sondern wegen der Feindseligkeit, die ihm entgegenschlug. Darauf war Aaron absolut nicht vorbereitet gewesen, hatte mit seinen Fragen kein Inferno lostreten wollen, sondern einzig Antworten erhalten wollen, die er nun in aller Deutlichkeit zu hören bekam. Es stimmte, dass Marie Aaron von Merthins Angst erzählt hatte, aber den Grund dafür hatte sie nicht genannt. Hätte sie erwähnt, dass Merthin anscheinend schon einmal eine Beziehung gehabt hatte und in diesem Zusammenhang sich für schuldig für den Tod anderer Leute hielt, hätte er gewiss nicht so unbedacht gefragt. Was war passiert? Wieso sollten deswegen Menschen sterben? Warum konnten sie nicht in Ruhe darüber reden? Aaron würde ihm doch zuhören, uneingeschränkt, vorwurfslos. Aber es musste zu schmerzlich sein, sodass sein ganzer Schmerz über diese Sache gerade herausbrach und ihn ungerecht gegenüber Aaron werden ließ. Ebenso erschreckend war es erneut gesagt zu bekommen, dass wirklich alles nur eine Laune gewesen war, Merthin nichts weiter dabei empfunden hatte und.... Aaron benutzt hatte? Seine unerfahrene Art ausgenutzt hatte, um, wie Merthin es ausdrückte, 'mal wieder einen Mann im Bett zu haben'? Aaron glaubte diese Worte keine Sekunde. "Ich glaube dir nicht!", sagte Aaron daher mit fester Stimme, aber noch immer weitestgehend ruhig. "Wenn es so gewesen wäre, hättest du doch nicht so plötzlich aufgehört und hättest dabei nicht so geschockt ausgesehen", argumentierte Aaron dagegen. Wenn Merthin Aaron in diesem Moment ganz gewollt hätte, hätte er das schaffen können. So darüber nachgedacht war es auch von Aaron eigentlich unüberlegt gewesen, sich im Rausch dieser Gefühle so sehr treiben zu lassen, dass er auch mehr in dieser Richtung zugelassen hätte. Aber Merthin wusste doch, dass Aaron unerfahren war, er hätte das nicht auf diese Art ausgenutzt... So rücksichtslos und rüpelhaft, wie sich Merthin gerade selbst darstellte, war er einfach nicht. Normalerweise. Merthin hatte oft genug sein Taktgefühl unter Beweis gestellt. Der größte Rückstoß aber stellten die Worte dar, die Merthin kurz vor seinem Aufstehen raushaute. "Da ist nichts, als dieses Gefühl von Magie in mir, wenn ich dich berühre und küsse. Nichts mehr!" Aaron musste sehr schwer schlucken, spürte dabei einen großen Kloß im Hals, der seine innere Ruhe durcheinander brachte. Seine Hände begannen zu zittern, sein schneller Herzschlag wurde schmerzhaft stechend mit jedem Schlag. Das hatte wirklich weh getan. "Ich... also, ich dachte wirklich...", der Kloß im Hals verhinderte ein normales Sprechen, sodass Aaron nicht mehr herausbekam, was er hatte sagen wollen. Seine Stimme zitterte wie seine Hände und er biss sich auf die Lippen, während er seine Beine enger mit seinen Armen umschlang. Es war so eine Ironie. An einem Tag durfte Aaron das unbeschwerte und beflügelnde Gefühl allen Glücks auf der Welt erleben, was er noch nie verspürt hatte, und am nächsten Tag schon wurde all das weggewischt und es tat weh, wie noch nichts zuvor. Merthin schien ein solch gebrochenes Herz schonmal gehabt zu haben, sonst würde er jetzt nicht diese tiefe Verbitterung und Wut in sich tragen, die mit viel Härte hervorbrach, sobald die Gedanken daran hervorgezwungen wurden. Aaron hatte Merthin in gewisser Weise mit seinen Fragen verletzt, da er nun wieder mit den schlimmen Erinnerungen konfrontiert war. Im Gegenzug hatte Merthin auch Aaron verletzt. War nur fair, oder? So merkte Aaron gar nicht, wie ganz still und leise eine Träne aus seinen Augenwinkeln seine Wange hinabkullerte, der noch Stück für Stück ein paar folgten. Nichtmal, dass es draußen erneut dunkler geworden war und erste dicke Regentropfen einem wolkenbedeckten Himmel entbrachen und hinabprasselten, merkte Aaron richtig. Wenn Merthin doch keine zärtlichen Gefühle für Aaron hatte, hatte er sich dann auch bezüglich seines Taktgefühls getäuscht? Wenn es wirklich von vorne bis hinten ein Ausnutzen gewesen war, zu dem alles, was Aaron innerlich von Merthin berührt hatte, gehört hatte? Das war ein unbeschreiblich furchtbarer Gedanke und Aaron zwang sich dazu, diese Möglichkeit in seiner Gedankenwelt nicht zuzulassen. Leider hatte die ganze Situation keinerlei Antworten gebracht, was sich der Prinz von diesem Gespräch erhofft hatte. Es hatte nur mehr Fragen aufgeworfen, die Aaron alle erstmal nicht mehr stellen wollte, aus Angst davor, noch weiter verletzt zu werden. Merthin hatte Recht, wenn man seine Gefühle offen legte, konnte man schnell sehr verletzt werden, das hatte Merthin ihm sehr deutlich gezeigt. Aber um gemeinsam weiter kämpfen zu können und ihre gemeinsame Stärke weiterhin nutzen zu können, mussten sie nun beide einen Weg finden wieder mit den Gefühlen ins Reine zu kommen. Auf die eine oder andere Art. Aaron hatte nicht mehr darauf geachtet was Merthin gemacht hatte, nachdem er seine Augen zugekniffen hatte in der Hoffnung, gleich aus einem schlechten Traum zu erwachen. Mit seinen Händen angelte er nach der Decke unter sich, zog sie sich um die Schultern. Ihm war nicht nur innerlich sehr kalt, auch von außen fegte ein kalter Wind durch den Höhleneingang hinein, der kalte Wassertropfen mitbrachte. Das von Merthin entfachte Lagerfeuer war kleiner geworden, der Wind konnte leicht mit den Flammen spielen und sie kraftvoll in alle Richtungen wirbeln. Merthin [[BILD=8277685.jpg]] Ja, man konnte das, was gerade mit Merthin passierte, durchaus als Vulkanausbruch bezeichnen. Und das, was der Vulkan zu Tage beförderte, war mehr, als er gerade gebrauchen konnte. Denn es wühlten Erinnerungen auf, die tief in ihm vergraben gewesen waren, tief in ihm verschlossen. Es waren Erinnerungen, die durch die Eruption seiner Gefühle wieder an die Oberfläche transportiert wurden und wie glühende Lava über seine Seele rollten… Doch das begriff er nicht im ersten Moment, konnte es noch nicht fassen, als er diese Schmerzen in sich fühlte, die dieses Gespräch hier mit sich brachte. Zunächst hatte er nur das Bedürfnis, Aaron dafür zu bestrafen, dass er ihn so gängelte, dass er ihn in diese Ecke drängte. Und wie ein Hund, den man in die Ecke drängte, biss auch er zu, indem er ihn verbal attackierte und damit sichtlich verletzte. Doch das half nur bedingt etwas. Denn Aaron sagte ihm mit einer enormen Selbstsicherheit, dass er ihm nicht glaubte. Und das Schlimme daran war: Aaron hatte recht und durchschaute ihn. Es hatte ihm natürlich etwas bedeutet, es hatte ihn natürlich berührt, es hatte ihm gefallen und er wollte mehr davon. Aber genau das – genau dieses Gefühl! – das durfte er nicht haben. Es war viel zu gefährlich. Aber wieso? Etwas nagte in ihm, wollte weiter an die Oberfläche, aber machte ihm eine grauenhafte Angst. Er hatte ein seltsames Gefühl, das Gefühl, als habe sein Gedächtnis etwas vergessen, was sein Körper nicht vergessen hatte. Er würde Aaron gerne sagen, dass er log, dass er ihn berühren wollte, ihm nah sein wollte, IHN wollte… Aber es ging nicht. Und irgendwie würde er ihm auch gerne sagen, dass er ihn damals angeschwindelt hatte, als jener gefragt hat, was bei seinen Malen ausgelöst wurde, wenn Gefühle im Spiel waren… Aber er konnte es nicht – weil er die Antwort selbst noch nicht fassen konnte. Zudem würde Aaron ihm vermutlich nicht glauben. Niemand konnte das – genau wie er es damals nicht hatte glauben wollen… Aber was war damals? Und anstatt sich dieser vielen Fragen zu stellen, die sein Innerstes spalteten, log er weiter, verletzte den anderen mehr, tiefer. Und da er es bewusst tat, wurde das Gefühl von Übelkeit in seinem Inneren schlimmer und schlimmer. Etwas schrie in ihm, bäumte sich auf, wehrte sich gegen seinen Verstand. Er musste hier heraus, sonst – so hatte er das Gefühl – würde sein Innerstes zerrissen werden. Und so wendete er sich schließlich ab und verließ die Höhle, und erbrach das wenige, das er gegessen hatte, wieder. Dann rannte er wie von Sinnen davon, den steilen Hang hinab immer weiter und weiter, nur weg von diesem Ort, an dem er gerade sich sein Herz herausgerissen hatte. Wie hatte es nur so weit kommen können?! Aber es ging nicht anders. Kalter Regen schlug ihm ins Gesicht, der Wind pfiff. Irgendwann blieb er stehen und merkte erst jetzt, dass er weinte. Wieso weinte er? Er blickte nach oben, ließ den Regen über sein Gesicht laufen und weinte, bis er in die Knie sank und kraftlos in sich zusammensackte, darauf wartend, dass es aufhörte. Wieso weinte er? Weinte er, weil er Aaron so verletzt hatte? Vielleicht… ja, bestimmt auch. Aber da war noch etwas anderes… Etwas ganz anderes. Er hatte seit Jahren nicht mehr geweint. Wieso jetzt? Wieso konnte er mit einem Mal wieder weinen? Wann hatte er zuletzt geweint? Vor einigen Jahren, als... Und mit einem Mal strömten unglaublich viele Erinnerungen auf ihn ein. Erinnerungen, an etwas Vergessenes, Verdrängtes. Merthin riss die Augen auf und starrte gleichzeitig in eine weite Ferne, eine Ferne, die 10 Jahre zurücklag… Er sah Fetzen von Erinnerungen in ihm hochkommen, Wortfetzen… Und er spürte eine unglaubliche Hitze. "Du kannst nichts dafür, Merthin… Mach dir keine Vorwürfe… Es ist nicht deine Schuld… Ich werde dir helfen zu vergessen…“ Deutlich hörte er Maries Stimme in seinem Kopf. Aber die Worte passten nicht zu den Bildern, die vor seinem inneren Auge auf ihn einströmten. Denn diese Bilder zeigten etwas Anderes: ein Haus, ein Gasthaus… Ein Zimmer, viele Gäste, die auf Reisen waren… Ein Gastwirt, der ihnen ein Zimmer anbot… Ihnen? Und dann sah er ihn – einen jungen Mann, in etwa 16 vielleicht schon 17… wie er selbst. Marcuse, war sein Name. Merthin sah ihn so deutlich vor sich, als müsste er nur die Hand ausstrecken, um ihn zu berühren. Er lachte ihn an, mit einem warmen Glanz in den Augen – so wie auch Aaron ihn ansah. Merthin spürte, wie sein Herz sich vor Schmerzen zusammenzog. Wieso hatte er das so tief in sich verschlossen? Diese Erinnerung an seine erste Liebe? Sie hatten sich in ihrem Winterquartier kennengelernt und Merthin hatte sich Zeit genommen, mit ihm ein wenig durch das Land zu streifen… Sie hatten sich verliebt, waren sich nahegekommen, näher als er jemals mit jemand anderem zusammengekommen war. Sie waren in diesen Gasthof eingekehrt, hatten dort ihre erste Nacht verbracht… Er spürte deutlich, die Empfindungen, die er damals gehabt hatte, diese Aufregung, dieses Seelenglück, diese Zweisamkeit, dieses Vertrauen… Und dann sah er die Bilder, als er am Morgen erwachte. Alles brannte – lichterloh. Alles, das ganze Haus, die Scheune, der Stall… Alles brannte und Mensch und Tier mit… Er war das gewesen, das war ihm klar! Er hatte das verursacht. Er war schuld daran! Er hatte diese Menschen auf dem Gewissen – alle, auch Marcuse. Seine Male hatten geglüht vor Verlangen – und er hatte dieses Feuer verursacht. Weil er sich nicht im Griff hatte, seine Emotionen nicht im Zaum hatte halten können. Es war gefährlich, sich auf ihn einzulassen. Er hatte Menschen getötet – seine Liebe getötet… Er war das gewesen. Wie hätte es anders sein können?! Er hatte es gespürt. Und das Feuer hatte ihn verschont. Nicht ein Haar war versengt… Nichts, keine Verletzung. Es musste SEIN Feuer gewesen sein. Wie sonst wäre so etwas möglich? Und er hatte das all die Jahre vergessen! Wie war das möglich? "Du kannst nichts dafür, Merthin… Mach dir keine Vorwürfe… Es ist nicht deine Schuld… Ich werde dir helfen zu vergessen…“ Er schluckte bei der Erkenntnis. Marie hatte ihn vergessen lassen. Sie war dazu fähig, sie hatte ihm die Erinnerungen genommen, die Schuldgefühle damit versucht zu verdrängen. Und langsam begriff er, warum er sich nie auf jemanden einließ, warum er es auf die Male schob, warum er Angst davor hatte, jemanden an sich heranzulassen, warum er für sich selbst offensichtliche Lügen heranzog, um jeden von sich zu stoßen, der ihm zu nahe kam… Jetzt begriff er, dass er sich selbst belog, um nie wieder diesen Schmerz spüren zu müssen, den er empfunden hatte, als er das verbrannte Gesicht des Menschen neben sich sah, den er aus tiefstem Herzen geliebt hatte. Der Regen hörte auf, während Merthin versuchte, sich aller Erinnerungen bewusst zu werden. Wie lange er da saß, wusste er nicht. Er wusste nur, dass er irgendwann schrecklich fror und sich so leer fühlte, wie noch nie in seinem Leben. Es war bereits dunkel, als er in die Höhle zurückkehrte. Das Feuer war verloschen, Auf Aarons Lager rührte sich nichts. Merthin entfachte wieder das Feuer, ließ es nun stärker aufflammen und zog sich dann aus, wechselte die Kleidung, um sich ebenfalls schlafen zu legen. Doch wirklich zur Ruhe kam er nicht. Es war ihm immer noch unbegreiflich, wie er Mercuse hatte vergessen können. Und gleichzeitig schmerzte sein Herz noch wegen einer anderen Tatsache: Die Notwendigkeit, Abstand von Aaron zu nehmen, war größer als je zuvor. Obwohl er sich in diesem Gefühlschaos bewusst wurde, dass er sich unfassbar danach sehnte, ihm nahe zu sein, ihn zu berühren, diese Wärme zu genießen, die er in ihm auslöste. Eigentlich hatte er seine Magie immer als Geschenk gesehen. Im Moment begriff er sie eher als Fluch… Aaron [[BILD=8255067.jpg]] Dieser wirklich tragische Hintergrund von Merthins Vergessen seiner ersten Liebe würde auch für Aaron vieles erklären, doch wusste er davon nichts. Genauso wenig wie Merthin bis vor seiner Fragerei nichts mehr davon gewusst hatte, oder sich dieser Erinnerung einfach nicht mehr bewusst war. Marie musste es für unabdingbar gehalten haben, ihm diese Erinnerung fürs erste zu nehmen. Merthin hatte deshalb keine Zeit gehabt das erlebte zu verarbeiten oder auch nur um seinen Freund zu trauern. Allerdings hätte das Wissen um diese Geschehnisse die Beziehung von Merthin mit Aaron in diesem Moment wahrscheinlich auch nicht gerettet, denn Merthin gab sich nach wie vor die Schuld und wollte kein zweites Mal das Leben anderer so leichtfertig in Gefahr bringen. Da das Feuer schwach war, gab es in der Höhle nicht mehr sonderlich viele Wärmequellen, die Wärme spenden könnten. Aaron nahm sich den Umhang aus seinem Rucksack, zog sich diesen noch zusätzlich um die Schultern, ehe er sich auf sein bereitetes Nachtlager legte und die Decke um sich wickelte. Er tat das immer so und immer hatte es ihn davor bewahrt im Schlaf zu frieren, doch jetzt gerade schien nichts genug zu sein, um die Kälte aus seinen Gliedern zu vertreiben. Da Merthin nicht wiederkam, ließ Aaron es noch länger zu, das salziges Wasser seine Augen verließ, bis nicht nur sein Herz weh tat, sondern auch seine Augen brannten. Vor Erschöpfung vom Weinen und der ganzen Situation schlief Aaron schließlich endlich ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)