Eine Reise in den Abgrund des Wahnsinns von Sky- (Oder: Auf der verzweifelten Suche nach Logik) ================================================================================ Prolog: Ein böses Erwachen -------------------------- Als ich langsam aber sicher zu Bewusstsein kam, hatte ich das Gefühl, als wäre ein Zug über den Kopf gerast. Mir war schwindelig und ich hatte die schlimmsten Kopfschmerzen wie schon seit Jahren nicht mehr. Mein Körper fühlte sich wie Wackelpudding an und mir drehte sich alles im Kopf. Ich musste mehrmals blinzeln, um einigermaßen klar zu werden, dann setzte ich mich auf und schaute mich um. Doch ich sah rein gar nichts… nur grelles Weiß. Was zum Teufel war passiert? Wo war ich und warum war ich überhaupt an diesem Ort? War ich etwa in die Matrix katapultiert worden oder träumte ich vielleicht gerade? Ich versuchte aufzustehen, doch es wollte mir nicht gelingen. Meine Beine fühlten sich wie Gummi an und kaum dass ich versuchte, auf beiden Beinen zu stehen, verlor ich auch schon den Halt und fiel hin. Ich sah mich um, fand aber nichts vor. Hier war rein gar nichts. Okay, dachte ich mir. Entweder ist das ein ganz komischer Traum oder ich bin in der Vorhölle gelandet. Mein Schädel brummte heftig und mir war schlecht. Aber warum hatte ich diese heftigen Schmerzen und warum war ich hier? Krampfhaft versuchte ich mich an die letzten Augenblicke zu erinnern, bevor ich ohnmächtig geworden war. Ich war auf den Weg zum Supermarkt gewesen, um ein paar Einkäufe zu erledigen. Es war sehr stürmisch gewesen und zu allem Unglück hatten meine Eltern das Auto gebraucht, weshalb ich zu Fuß unterwegs gewesen war. Und als ich schon fast da war, hatte ich jemanden rufen hören. Kaum dass ich mich dann umgedreht hatte, war irgendetwas auf mich zugeflogen und dann war mir schwarz vor Augen geworden. Wahrscheinlich hatte mich ein abgebrochener Ast oder irgendetwas anderes am Kopf erwischt und ich hatte nun eine Gehirnerschütterung. Aber warum war ich an diesem Ort und nicht in einem Krankenhaus oder auf dem Parkplatz? War ich immer noch ohnmächtig oder konnte es sein, dass ich vielleicht entführt worden war? Nein, das kam eher schlecht infrage. Ich hatte kein Geld und war notorisch pleite und meine Eltern waren ganz normale Leute. Und so bescheuert wäre kein Entführer, dass er sich die Mühe macht, eine stabile Person wie mich irgendwo hinzuschleppen. Ich überlegte, was ich tun konnte und mein erster Gedanke war, Hilfe zu rufen, doch dummerweise hatte ich mein Smartphone wie schon so oft zuhause gelassen. Meine einzige Alternative war, mich an diesem merkwürdigen Ort umzusehen, doch kaum, dass ich einen erneuten Versuch zum Aufstehen versuchte, spürte ich wieder einen rasenden Stich in meinem Kopf und beinahe wurde mir wieder schwarz vor Augen. Stöhnend legte ich eine Hand auf meine Stirn, doch sonderlich Linderung verschaffte es mir nicht. Gott, ich hätte in diesem Moment für ein Aspirin getötet. Gerade als ich überlegte, wie ich von diesem merkwürdigen Ort hier wegkommen konnte, erschallte plötzlich Musik. Erschrocken zuckte ich zusammen als eine altmodische 8-Bit Melodie fröhlich vor sich hinzududeln begann und die Stille durchbrach. Was zum Teufel war hier bloß los und wieso um alles in der Welt fing auf einmal Musik zu spielen an? Und dann auch noch solch eine Retromusik?! „Hallo! Willkommen in der Pokemon-Welt!“ Ich drehte mich ruckartig um, wofür sich mein schmerzender Kopf bitter rächte, und erkannte einen alten Mann im Laborkittel. Er hatte graues Haar und ein rotes Hemd. Er schien um die 60 bis 65 Jahre alt zu sein und hielt ein aufgeklapptes Notizbuch in der Hand.. „Mein Name ist Eich und man nennt mich den Pokemon-Professor.“ „Schön für Sie“, kommentierte ich trocken und brauchte ein wenig, um mich von dem Schmerz zu erholen. „Hören Sie, ich habe mir den Kopf schlimm gestoßen und ich weiß nicht wo ich hier gerade bin. Können Sie mir helfen? Ich glaube, ich brauche dringend einen Arzt.“ Doch der alte Mann hörte gar nicht auf mich. Er redete einfach weiter und tat anscheinend so, als hätte er mir gar nicht zugehört. „Diese Welt wird von Wesen bewohnt, die man Pokemon nennt. Für manche sind sie Haustiere, andere hingegen tragen Kämpfe mit Ihnen aus.“ „Hören Sie mal!“ unterbrach ich ihn, dieses Mal lauter und eindringlicher. „Ich habe eventuell eine Gehirnerschütterung. Ich muss wirklich ins Krankenhaus!“ „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und studiere Pokemon.“ „Hören Sie mir überhaupt zu?! Das interessiert mich gerade wenig, verdammt!!!“ Ich wusste nicht ob dieser alte Sack einfach nur taub auf den Ohren war oder vielleicht irgendwie nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Was interessierte mich denn bitte sein Privatleben oder sein Hobby? Ich hatte gerade ganz andere Sorgen, um die ich mich kümmern musste. Doch dann kam mir ein Gedanke auf. Was, wenn ich eventuell von einem Verrückten entführt worden war? Vielleicht war dieser Eich ja aus der Klapsmühle geflüchtet und ich war jetzt seine Geisel. Bevor ich diesen Gedanken weiterführen konnte, stellte er seine erste Frage: „Wie heißt du denn?“ „Temmie“, antwortete ich ihm. „Und wo zum Teufel…“ Doch er ließ mich nicht ausreden und begann weiterzuquasseln. Egal wie sehr ich auch versuchte, ihn zum Schweigen zu bringen, er redete einfach weiter. Dann plötzlich tauchte ein Bild direkt neben ihm auf und es zeigte einen Jungen mit einer sehr merkwürdigen Frisur und einem fiesen und arroganten Grinsen im Gesicht. „Das ist mein Enkel. Schon seit ihr klein ward, habt ihr immer versucht, besser als der andere zu sein.“ „Häh?!“ fragte ich ihn irritiert. „Ich kenne den Typen doch nicht einmal. Sagen Sie, ist bei Ihnen vielleicht eine Schraube locker oder aus welchem Pflegeheim sind Sie ausgebüxt?“ „Wie war noch gleich sein Name?“ Erwartungsvoll sah mich der alte Mann an, als ob er verlangte, dass ich ihn daran erinnern sollte, wie noch mal sein eigener Enkelsohn hieß. Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein. Nicht nur, dass ich plötzlich in der Vorhölle aufwache, ich wurde von einem unter Demenz leidenden Pseudo-Professor zugetextet, der mir nicht einmal zuhören wollte. War das vielleicht so etwas wie „versteckte Kamera“ oder eine ziemlich bizarre Version einer Truman-Show? Mir platzte so langsam der Kragen und mein Ärger über diesen alten Mann ließ mich für einen Moment meine Kopfschmerzen vergessen. Taumelnd kam ich auf die Beine und trat auf ihn zu. „Geht es Ihnen noch zu gut oder was? Was interessiert mich Ihr verdammtes Hobby oder ob Ihr Enkel Gaylord oder Crazy Horse heißt! Ich…“ „Ah richtig!“, rief Prof. Eich plötzlich. „Gaylord! Es lag mir auf der Zunge.“ „Sie wollen mich verarschen, oder?“ Doch es schien sein voller Ernst zu sein. Und er fuhr in seiner Erzählung weiter fort. „Temmie, eine unglaubliche Reise voller Wunder, Abenteuer und Geheimnisse in der Welt der Pokemon erwartet dich. Kurz gesagt, ein Traum wird wahr!“ Langsam bekam ich es wirklich mit der Angst zu tun. Irgendetwas lief hier gewaltig schief. Selbst wenn es versteckte Kamera wäre, so wäre es wenigstens nicht wie eine Entführung oder wie ein personifizierter Alptraum gestaltet. Ich hatte nicht ein einziges Wort von dem verstanden, was der alte Knacker mir da weißmachen wollte und so langsam platzte mir der Kragen. „Ich will keine Reise oder Abenteuer, Sie Pseudo-Einstein! Ich will nach Hause oder noch besser: ins Krankenhaus. Wenn Sie nicht mit den verdammten Spielchen aufhören, zeige ich Sie wegen Entführung und Körperverletzung an!“ Doch da begann sich plötzlich der Raum zu verändern. Alles wurde plötzlich dunkel um mich herum und mir war, als würde mich irgendetwas ruckartig wegziehen. Irgendeine fremde und unsichtbare Kraft und ich wusste nicht einmal, was mit mir passierte. Ich konnte nur noch um Hilfe schreien, bis alles wieder ins Dunkel versank. Kapitel 1: Eich, Gaylord und brennende Echsen --------------------------------------------- Ich schlug die Augen langsam wieder auf und hatte das Gefühl, aus einem echt merkwürdigen Alptraum aufgewacht zu sein. Was zum Teufel war das bloß gewesen? Hatte ich allen Ernstes geträumt, dass ich in einer Art Vorhölle des Wahnsinns gefangen gewesen war, während mich ein alter dementer Mann im Laborkittel zugetextet und mich nach seinem Enkel gefragt hatte? Nein, das war doch zu verrückt um wahr zu sein. Es konnte sich nur um einen echt verrückten Traum oder um einen Drogentrip gehandelt haben. Ich stand aus meinem Bett auf, nur um plötzlich festzustellen, dass das überhaupt nicht mein Bett war. Es war ein Kinderbett und ich war auch nicht in meinem Zimmer. An den Wänden hingen irgendwelche Poster, die ich nie gesehen hatte und in der Mitte des Raumes standen ein Fernseher und eine Nintendo64-Konsole. Ansonsten gab es noch einen Computer, der allerdings einen uralten klobigen Monitor besaß, der definitiv noch aus den 90ern stammen musste. So langsam wurde es aber wirklich gruselig. Wo zum Teufel war ich denn überhaupt und wer hatte mich hierhergebracht? Etwa der verrückte alte Kauz im Laborkittel? Ich durchwanderte den Raum, fand aber nichts Hilfreiches, was mir weiterhelfen konnte. Ich beschloss zum Fenster hinauszusehen und schrie vor Schreck auf, als ich mein eigenes Spiegelbild sah. Ich war wieder ein Kind. Ein etwas zu groß geratenes zehnjähriges Kind mit dunkelblonden schulterlangen Naturlocken, hässlichen Sommersprossen und Hasenzähnen. „Scheiße verdammt!!!“ schrie ich auf und wich zurück. Ich sah an mir herunter und tatsächlich: ich hatte einen Kindskörper und diese furchtbaren langen Haare, die ich auf all meinen Fotos aus meiner Kindheit gehasst habe. Ich trug eine einfache Jeans, ein T-Shirt, eine kurzärmelige Jacke und einen Rucksack. Was zum Teufel war mit mir passiert? Hatte mich dieser verrückte Pseudo-Professor etwa als Laborratte benutzt als ich bewusstlos war? War ich vielleicht tatsächlich in der Matrix gelandet oder war ich vielleicht bei Detektiv Conan? Das konnte doch nicht wahr sein! Ich stürmte aus dem Zimmer und eilte die Treppen hinunter in der Hoffnung, vielleicht eine Antwort zu finden, was mit mir passiert war. Ich stand plötzlich in der Küche und sah eine Frau am Herd stehen. Andere Räume schien es hier nicht zu geben. „Ähm… Entschuldigung!“ Ich ging zu der Frau hin, die sich zu mir umdrehte und mich mit einem fröhlichen Lächeln begrüßte. „Ah hallo Temmie! Heute beginnt dein großes Abenteuer, nicht wahr? Professor Eich hatte mir schon davon erzählt. Ich bin ja so stolz auf dich.“ Eich? War das nicht der Name von dem verrückten Opa? Was zum Teufel wurde hier gespielt? „Wer… wer sind Sie eigentlich?“ „Ich bin natürlich deine Mutter. Ach ja bevor ich es vergesse: Professor Eich wollte mit dir über ein paar Dinge sprechen. Du solltest mal bei ihm im Labor vorbeischauen..“ „Das ist ja wohl ein schlechter Scherz!“ erwiderte ich und hatte das Gefühl, entweder einen Herzkasper oder einen Nervenzusammenbruch zu erleiden. Oder vielleicht sogar beides. Ich musste mich erst einmal hinsetzen und ich bekam langsam Angst. Das alles hier war viel zu real für eine Truman-Show oder versteckte Kamera. Nichts konnte erklären, warum ich plötzlich wieder ein Kind war. Und die Frage war, was ich jetzt tun sollte. Meine „Mutter“ bemerkte, dass ich etwas neben mir stand und meinte „Hast du vielleicht schlecht geträumt, Liebling?“ „Eventuell und der Traum will nicht aufhören.“ Freundlicherweise reichte sie mir ein Glas Wasser, welches ich bitter nötig hatte, um den ersten Schock zu verarbeiten. Es war alles so verwirrend und in meinem Kopf drehte sich alles. Ich brauchte eine Weile, um wieder herunterzukommen und nachdem ich mich einigermaßen wieder beruhigt hatte, begann ich mich umzusehen und bemerkte, dass es außer der Haustür sonst keine anderen Türen gab, die in andere Räume führen könnten. Es schien außer der Küche und dem Zimmer im oberen Stockwerk sonst keine anderen Zimmer zu geben, was mich zu der Frage führte, ob es hier überhaupt ein Badezimmer oder ein WC gab. „Ähm… gibt es hier keine anderen Räume?“ „Natürlich nicht!“ antwortete sie wie selbstverständlich. „Welche sollte es denn sonst geben?“ Wollte die gute Frau mich gerade verarschen? Das konnte doch nicht ihr Ernst sein. Da hatte ich die leise Hoffnung, dass ich vielleicht eine halbwegs vernünftige Person vor mir sitzen hätte, doch stattdessen hatte ich eine weitere Verrückte vor mir sitzen. Es war offiziell… Ich war eindeutig in der Hölle. Das kam davon, wenn man sich verdorbene Hentai-Videos im Internet ansah und perverse Fanfictions schrieb. Ich wusste, dass ich irgendwann für meine Sünden bezahlen musste, hätte aber niemals geahnt, dass meine Strafe so ausfallen würde. „Gibt es hier kein Badezimmer oder so? Ein Schlafzimmer vielleicht? Oder wollen Sie mir ernsthaft weismachen, dass Sie hier in der Küche schlafen?!“ Meine „Mutter“ sagte nichts dazu, sondern schaute ein klein wenig betreten drein. Warum hatte ich auch gefragt? Das war doch mehr als beschämend. Diese Frau war ein Sinnbild der Diskriminierung. Sie hatte nicht einmal ein eigenes Zimmer und schlief wahrscheinlich auf der Küchenbank und zum Duschen stellte sie sich dann womöglich sogar nach draußen und wartete so lange, bis es zu regnen anfing. Ich beschloss, diese Unmöglichkeit unkommentiert zu lassen. Ich realisierte, dass mir keine andere Wahl blieb, mehr Antworten zu erhalten, wenn ich nach diesem Professor Eich suchen ging. Also verabschiedete ich mich und ging nach draußen. Der Ort, wo ich mich befand, war verdammt klein und konnte nicht einmal als Dorf bezeichnet werden. Es war einfach nur ein kleines Örtchen am Meer mit zwei Wohnhäusern, zwei kleinen Blumenbeeten, einem Pfad in Richtung Norden, der mit hohem Gras bewuchert war und ein großes Gebäude. Nun, da sich der Professor angeblich in einem Labor aufhalten sollte, ließ es nur den logischen Schluss zu, dass er dort sein musste. Also machte ich mich auf den Weg und war überrascht, dass in dem so genannten Labor alles relativ wenig nach Wissenschaftskram aussah. Es gab nur zwei Laborfutzis, die planlos hin und her liefen wie orientierungslose Zombies, unzählige Bücherregale, einen Computer und einen Tisch mit drei Bällen. Und direkt daneben ein vertrautes Gesicht. Es war dieser komische Typ, den mir Professor Eich gezeigt hatte: sein Enkelsohn, dessen Namen er vergessen hatte. Ich ging auf ihn zu und sprach ihn direkt an. „Hey, bist du nicht der Enkel von diesem Professor Eich?“ Etwas irritiert schaute er mich an und was ich sah, war pure Arroganz und Herablassung. „Leidest du etwa schon unter Gedächtnisschwund? Klaro bin ich das. Ich warte darauf, dass Opa endlich zurückkommt, damit ich mein erstes Pokemon kriege. Aber der treibt sich mal wieder irgendwo herum und so muss ich warten. Ich kann es kaum erwarten, endlich ein richtiger Trainer zu werden und dir in den Hintern zu treten!“ „Was zum Teufel habe ich dir denn getan? Ich kenne dich nicht mal, du Knalltüte! Wie heißt du denn überhaupt?“ „Gaylord.“ „…“ Eigentlich sollte ich diese Frage langsam satt sein, aber mal wieder fragte ich mich: wollte der Kerl mich verarschen? Ich hatte den Namen einfach nur dahergefaselt gehabt, niemand nannte sein Kind noch freiwillig Gaylord. Ganz einfach aus dem Grund weil es verdammt noch mal GAYLORD war. Dieser Name war nicht nur unfassbar dämlich, er war auch noch der schwulste Name überhaupt. Andererseits… was erwartete ich in diesem Irrenhaus auch schon großartig? Ich sollte mir gar nicht erst die Mühe machen, mich darüber aufzuregen. Also verließ ich das Labor wieder und beschloss, nach diesem verrückten Professor zu suchen, der mich erst in diese Scheiße reingeritten hatte. So schwer durfte es ja nicht sein, ihn zu finden. Ich begann das winzige Örtchen namens Alabastia zu erkunden und war ziemlich schnell durch, doch ich fand den verdammten Professor nirgendwo. Letztendlich war nur ein Haus übrig, wo die Schwester von Gaylord lebte und dort musste ich feststellen, dass es nur ein Wohnzimmer gab und sonst nichts. Anscheinend hatte ich mit einem Zimmer und einer Küche noch die Luxusversion abgekriegt. Ernsthaft, wo zum Teufel schliefen die Leute nachts eigentlich? Da ich nirgendwo Glück hatte, blieb nur noch ein einziger Weg: der mit Gras bewucherte Pfad. Vielleicht war der alte Mann zu einem Spaziergang unterwegs oder aber er hatte den Rest seines Verstandes eingebüßt und irrte ziellos durch die Gegend, so wie die anderen Laborfutzis. Also machte ich mich auf den Weg und konnte bereits etwas im Gras ausfindig machen. Irgendetwas bewegte sich dort und ich ging näher heran. Doch kaum dass ich auch nur eine Fußspitze ins hohe Gras gesetzt hatte, hörte ich plötzlich einen lauten Ruf. „HAAAAAALT!!!“ Ich blieb ruckartig stehen und drehte mich um. Und tatsächlich kam der alte Mann, den ich zuvor schon gesehen hatte, auf mich zugeeilt. Es war Professor Eich und man hätte meinen können, er wolle mich davon abhalten, mir selbst den Arm mit einer Kettensäge zu amputieren. Er war völlig aus der Puste als wäre er einen Marathon gelaufen. „Du kannst doch nicht einfach so ins hohe Gras gehen. Wilde Pokemon leben dort, das ist viel zu gefährlich!“ „Und wo zum Teufel kommen Sie gerade her?“ wollte ich wissen, ohne großartig auf seine Worte zu reagieren. „Ich habe das gesamte Kackdorf nach Ihnen abgesucht und jeden verdammten Stein umgedreht. Haben Sie sich gerade etwa von der Enterprise herunterbeamen lassen?“ Doch bevor der Professor darauf antworten konnte, kam etwas auf uns zugeschossen und ich wurde grob zur Seite gestoßen. Ich knallte zu Boden und sah nur, wie eine Art Ratte mit Bieberzähnen auf uns zugerannt kam, da warf der Professor auch schon einen dieser Bälle, die ich im Labor gesehen hatte und beobachtete, wie die Ratte auf wundersame Art und Weise darin verschwand. „Siehst du?“ rief der Professor und half mir hoch. „Ohne ein eigenes Pokemon bist du schutzlos.“ „Äh, Sie wissen schon, dass das bloß eine Ratte war? Mit der wäre ich auch locker alleine zurechtgekommen.“ „Nein wärst du nicht! Und jetzt komm mit zu meinem Labor.“ Da Diskutieren nichts nützte, folgte ich ihm, wobei ich aber trotzdem anmerkte „Ich hätte das blöde Vieh auch mit einem Stein beschmeißen können. Das hätte es auch getan.“ Hier blieb Professor Eich aber stehen und bedachte mich mit einem strafenden Blick. „Wir sind doch keine Barbaren. Wir trainieren Pokemon und verletzen sie nicht.“ „Das war kein Pokemon, das war eindeutig eine Ratte. Und es ist keine Tierquälerei, sondern Selbstverteidigung.“ Doch Diskussionen waren sinnlos und so gingen wir zu seinem Labor, wo Gaylord immer noch wartete. Wie ich schon befürchtet hatte, begann der Professor wieder mit einer ausschweifenden Rede, der ich nur halbwegs zuhörte. Irgendwann endete es dann darin, dass er mir sagte, ich solle mir mein Pokemon aussuchen. Nun hatte ich die ganze Zeit dieses Wort ignoriert und hatte jetzt natürlich keinen blassen Schimmer, was der alte Knacker mir denn jetzt erzählen wollte. „Poke-was? Meinen Sie etwa die Ratte von vorhin? Das sind keine Pokemon, das sind Tiere.“ „So kannst du sie auch bezeichnen“, erklärte der Professor. „Wenn du Pokemon-Meister werden willst, musst du deine Pokemon trainieren, Orden sammeln und dann am Ende die Top Vier der Pokemon-Liga zu besiegen. Nun darfst du dir dein allererstes Pokemon aussuchen.“ „Äh… kurze Frage“, meldete ich mich zu Wort, wobei ich ein deutliches Time-Out-Zeichen machte, damit er nicht gleich wieder anfing, irgendwelche Vorträge zu halten. „Und wie trainiere ich diese Viecher eigentlich?“ „Sag mal, bist du dumm oder so was?“ kommentierte Gaylord und lachte abfällig. „Du trainierst sie, indem du sie gegen andere Pokemon antreten lässt.“ Ich dachte über diese Worte nach und versuchte mir bildhaft vorzustellen, wie das wohl aussehen mochte. Und als ich so darüber sinnierte, kam ich zu einem logischen Schluss und beschloss, den werten Professor deswegen zur Rede zu stellen. „Damit ich das richtig verstehe: Eine Ratte mit Steinen zu bewerfen, weil sie mich angreifen will ist Tierquälerei. Aber eine Ratte zu fangen und sie gegen ein anderes Tier kämpfen zu lassen, ist legal?“ „Ganz recht“, bestätigte der Professor. „Das Ziel eines Trainers ist es, sein Pokemon zu trainieren und sich gegen andere Trainer zu beweisen. Und ein guter Trainer behandelt seine Pokemon stets mit Liebe und Respekt.“ „Mit Liebe und Respekt in dem Sinne, dass ich es zwingen muss, bis zum Tode gegen ein anderes Vieh zu kämpfen.“ „Jetzt wähl schon dein Pokemon aus!!“ Professor Eich öffnete die drei rotweißen Bälle und drei „Pokemon“ erschienen, die ich nur mit folgenden Worten beschreiben konnte: eine blaue Schildkröte, ein grüner Pflanzendino dem ein Geschwür aus dem Rücken wuchs und eine rote Echse mit einem brennenden Schwanz. Vor allem bei der brennenden Echse habe ich erst einmal einen solchen Schreck gekriegt, dass ich das Vieh packte und nach draußen ins Wasser werfen wollte, um die Flamme zu löschen. Ich wurde aber aufgehalten und dann wurde mir verklickert, dass das bei dem Vieh völlig normal war, weil es sich um ein Feuerpokemon handelte. Zwar war das für mich alles immer noch absolutes Kauderwelsch, aber ich hatte mir langsam meinen Teil zusammengereimt: Pokemon waren mutierte Tiere, die irgendwelche Elementtypen waren. Und wie ich erfuhr, konnten sie maximal vier Attacken erlernen und lediglich ihren eigenen Namen sagen, was sich doch allen Ernstes Pokemonsprache schimpfte. Das war bis dato der größte Bullshit von allen. Was kam denn als nächstes? Ich sagte die ganze Zeit nur „Temmie, Temmie, Tem!“ und das war dann die Temmiesprache? War Gott besoffen, als er diese Welt erschuf? Nun, es machte auch keinen Sinn, sich über zu ärgern. Inzwischen hatte ich begriffen, dass diese Welt einfach nur verrückt und unsinnig war. Wieder wurde ich genötigt, mich für eines dieser Scheißviecher zu entscheiden, aber ich konnte mit keinem von denen etwas anfangen. Ich seufzte und versuchte es noch einmal zu erklären. „Hören Sie mal: ich brauche keine Tiere, um mich gegen Vögel oder Ratten zu verteidigen. Alles was ich will ist, aus diesem Irrenhaus rauszukommen.“ „Ohne Pokemon wirst du in dieser Welt nicht überleben, Temmie!“ „Sie kennen anscheinend das Wort Nein nicht, oder?” Nein, das kannte er eindeutig nicht und so seufzte ich geschlagen. „Na gut, wenn Sie mich dann endlich gehen lassen, dann nehme ich eines von den Viechern. Mal sehen… ich hasse die Ninja Turtles und habe schlechte Erfahrungen mit Jurassic Park gemacht. Also scheiden die blaue Schildkröte und der verkrüppelte Pflanzendino aus. Ich nehme die brennende Echse.“ „Super, dann nehme ich Schiggy!“ rief Gaylord begeistert, stieß mich beiseite und krallte sich einen der Pokebälle. Na fein, dachte ich. Nachdem dieses Prozedere endlich überstanden war, konnte ich ja endlich gehen und diesen ganzen Affenzirkus schnellstmöglich hinter mich bringen. Also drehte ich mich um und lief bereits in Richtung Ausgang, bis Gaylord dann plötzlich rief „Hey warte mal!” „Was willst du?” fragte ich ihn entnervt. Ich konnte den Typen echt nicht ab und wollte nicht noch mehr Zeit als nötig mit ihm verschwenden. „Wenn du jemanden auf die Nerven gehen willst, dann such dir einen anderen aber lass mich in Ruhe.” Doch er blieb direkt vor mir stehen und hielt mir seinen Pokeball hin. „Lass uns unsere Pokemon gegeneinander antreten und sehen, welches das bessere ist.” „Kein Interesse”, blockte ich ab, doch er ließ mich trotzdem nicht weitergehen. „Hey, zu einem Trainerkampf kannst du nicht nein sagen!” „Sagt wer?” wollte ich wissen und spürte, wie mein Verlangen, ihm einfach in die Fresse zu schlagen, immer stärker wurde. „Die Regeln besagen das!” erklärte er. „Sobald du in Augenkontakt mit einem anderen Trainer kommst, musst du gegen ihn kämpfen.” „Die Regeln sind ja noch ein größerer Bullshit als der Schwachsinn, den dieser Tattergreis von sich gibt! Na schön, du willst was auf die Fresse kriegen, du Alpha-Kevin? Na gut, das kannst du haben!” Kapitel 2: Let's Fail Pokemonkämpfe ----------------------------------- Nachdem Gaylord seinen Pokeball geworfen und damit seine blaue Schildkröte befreit hatte, war ich an der Reihe und tat dasselbe. Noch immer war ich nicht so wirklich im Bilde, wie das Ganze jetzt funktionieren sollte und dachte mir dementsprechend, dass es das Beste wäre, meinem Gegner den ersten Zug zu überlassen. Doch Gaylord dachte gar nicht daran und forderte mich auf „Na los! Du musst deinem Pokemon sagen, welche Attacke es einsetzen soll.” Doch dummerweise hatte ich überhaupt keinen Plan, welche Attacken so ein Vieh eigentlich konnte. Also beschloss ich einfach drauf los zu raten, eine andere Wahl blieb mir ja unglücklicherweise nicht und so schwer konnte es ja wohl nicht sein, ein Tier zum Kämpfen zu motivieren. Zumindest dachte ich mir das so. „Okay Feuerechse, brenn diese Schlumpfschilkröte nieder!” Doch die Echse drehte sich zu mir um und starrte mich ratlos an so als hätte sie keinen Plan, was ich von ihr wollte. Anscheinend waren Tierkämpfe doch etwas komplizierter als ich gedacht habe. Gaylord lachte und warf mir einen herablassenden Blick zu. „Bist du wirklich so dumm wie du tust, Temmie? Ein Glumanda auf Level 5 beherrscht keine Feuerattacken.” „Woher soll ich wissen, was dieses Scheißvieh kann oder nicht?!” blaffte ich ihn an. „Ich dachte es ist eine gottverdammte Feuerechse. Wie soll es denn keine Feuerattacken beherrschen, wenn eines ihrer Körperteile gerade in wortwörtlich Brand steht?!” „Das ist nun mal halt so”, erklärte Gaylord ganz nonchalant und zuckte gleichgültig mit den Achseln. „Jedenfalls musst du dir was anderes einfallen lassen, wenn du mein Schiggy schlagen willst.” Na gut, dachte ich mir. Wenn Feuer nicht geht, dann musste meine Echse sich halt anders zur Wehr setzen. Ich überlegte, welche Kommandos ich dem Vieh geben könnte und beschloss, einfach weiterzurraten. „Na gut, dann beiß ihn halt einfach.” Wieder tat sich bei der Echse nichts und immer noch starrte sie mich ratlos mit ihren großen Augen an, als hätte sie kein Wort verstanden. So langsam wurde mir das aber wirklich zu bunt. Gaylord schien sich jedenfalls köstlich zu amüsieren. „Glumanda beherrscht solch eine Attacke doch gar nicht. Hast du denn gar nichts gelernt?” Okay, jetzt reichte es mir endgültig. Ich wandte mich an Professor Eich, der im Abseits stand und das Geschehen beobachtete und vor sich hin schwieg. Wenn der alte Knacker wirklich so viel über Pokemon wusste, dann konnte er mir diese einfache Frage doch sicherlich beantworten. „Wieso zum Henker kann eine Echse, die ganz offensichtlich Zähne hat, dieser Schildkröte nicht einfach den Kopf abbeißen?” „Ein Pokemon kann nur bestimmte Attacken beherrschen”, versuchte er mir zu erklären. „Und Glumanda ist nicht in der Lage, Biss zu erlernen.” „Wie dumm ist dieses Kackvieh eigentlich?!” wollte ich wissen und mir platzte langsam die Hutschnur. „Was kann es denn überhaupt?” „Es beherrscht Kratzer und Heuler.” Nun sah ich zu der Feuerechse und schaute mir die Krallen an. Nur um festzustellen dass es nicht wirklich welche hatte. Es hatte winzige Stummelfingerchen, mit denen es wahrscheinlich nicht einmal etwas greifen konnte. Ich seufzte entnervt und schlug mir die Hand vor die Stirn. Das alles war so unendlich dumm und schwachsinnig. Das Vieh hatte doch eindeutig Zähne. Warum also konnte es nicht tun, was ein normales Tier in jeder Situation machen würde und die Schildkröte mit den Zähnen auch angreifen? Oder konnte es sein, dass dieses Tier einfach schlichtweg zu blöd war, seinen natürlichen Instinkten zu folgen? Es machte keinen Sinn, sich darüber mehr als nötig aufzuregen, davon würde sich auch nichts ändern. Meine einzige Hoffnung war, dass ich diesen Kampf schnellstmöglich beenden und mich dann auf den Weg machen konnte. Also forderte ich es auf, Kratzer einzusetzen und tatsächlich gehorchte das Vieh zum allerersten Mal. Es schoss auf die Schildkröte zu und anstatt dass das Tier sich in seinen Panzer zurückzog so wie jede Schildkröte es tun würde, steckte es den Schlag ein, ohne sich zur Wehr zu setzen. „Sag mal Gaylord, kann es sein dass dein Schlumpf-Ninja-Turtle irgendwie suizidgefährdet oder masochistisch veranlagt ist?” „Nein, wieso?” „Na weil es nicht einmal versucht, auszuweichen.” „Ach halt die Klappe! Los Schiggy, setze Tackle ein!” Nun kam die Schildkröte auf meine Echse losgerannt und warf sich mit aller Kraft gegen sie. Ich rief meinem Tier noch zu, es solle ausweichen oder versuchen, wegzulaufen, doch es bewegte sich einfach nicht von der Stelle. Es war wie am Boden festgewachsen und ließ sich doch tatsächlich vom Gegner treffen. Ich konnte es einfach nicht fassen. Was um alles in der Welt stimmte bloß mit diesen Viechern nicht? Waren ihnen die ureigenen Instinkte so derart abhanden gekommen, dass sie sich weder zur Wehr setzten geschweige denn versuchten, dem Angriff auszuweichen. Ich wandte mich wieder an Professor Eich, der nicht gerade begeistert von dem Geschehen war. „Hey Professor, wie kommt es, dass meine Echse nicht einmal den Versuch macht, dem Angriff auszuweichen?” „Das ist so nicht vorgesehen”, erklärte er mir. „In Pokemon-Kämpfen geht es nicht darum, seine Schnelligkeit durch Ausweichmanöver zu beweisen, sondern herauszufinden, welches das stärkere Pokemon ist.” „Wie war das noch mal mit der Tierquälerei?” Ach was soll’s, dachte ich. Es machte eh keinen Sinn, sich darüber aufzuregen. Also befahl ich meiner Echse immer wieder anzugreifen und schaffte es schließlich, Gaylords missratenen Ninjaturtle zu besiegen. Dieser beamte sein totes Vieh zurück in den Ball, verabschiedete sich auf rotzfreche Alpha-Kevin-Art und stürmte dann raus. Ich wollte selber gerade gehen, da hielt mich Professor Eich auf. Er schien nicht sonderlich glücklich über diesen Kampf zu sein. „Temmie, ich habe noch nie zuvor in meinem Leben einen solchen Kampf gesehen…” „Danke für die Blumen”, gab ich zurück. „Aber ich muss wirklich…” „Nein, du verstehst nicht”, unterbrach er mich mit ernster Stimme. „Was ich sagen will ist: ich habe noch niemals einen derart schlechten Trainer wie dich gesehen. Du besitzt nicht einmal die grundlegendsten Kenntnisse und ich glaube kaum, dass du es überhaupt schaffen wirst, alle Orden zu sammeln.” Ich seufzte entnervt und kratzte mich am Kopf. „Was haben Sie denn erwartet? Ich weiß nicht einmal wo ich bin, wie ich hierher gekommen bin und was zum Teufel ich hier soll. Mal im Ernst: Sie haben mich doch hierher gebracht, da müssten Sie mir doch sagen können, was hier abgespielt wird.” Professor Eich schaute mich mit dem selben ratlosen Blick an wie meine Feuerechse vorhin. Und irgendwie beschlich mich das dumpfe Gefühl, als wäre er nicht die letzte Person, die mich so anschauen würde. „Ich habe dich nirgendwohin gebracht, Temmie. Alles was ich sagen kann ist, dass du hier aufgewachsen bist. Du hast dein ganzes Leben hier gelebt.” „Ach ja? Wenn das wirklich stimmen sollte, warum konnten Sie sich nicht mal an meinem Namen erinnern?!” „Das tut nichts zur Sache”, blockte er ab, ohne auf die Frage zu antworten. „Jedenfalls befürchte ich, dass du es ohne Hilfe nicht schaffen wirst, in der Pokemon-Welt zurechtzukommen. Deshalb möchte ich dir helfen und dir beibringen, wie diese Welt funktioniert.” „Äh… danke.” Ich war zwar nicht ganz überzeugt, dass mir der werte Professor weiterhelfen konnte, aber andererseits war ich mit großer Sicherheit mehr aufgeschmissen, wenn ich seine Hilfe nicht hätte. Also nahm ich sie an und und konnte endlich gehen. Ich verließ das Labor und ging zurück zum Haus meiner “Mutter” da ich mir dachte, dass es angebracht wäre, sie zu informieren. Immerhin besaß ich trotz meines geistigen Alters einen Kinderkörper und jeder schien zu glauben ich wäre zehn Jahre alt. Und bevor sie noch einen Herzkasper bekam weil ich einfach so alleine in die Weltgeschichte hinauszog, war es das Mindeste, ihr Bescheid zu sagen, was ich vorhatte. Als ich das Haus betrat, war sie wie immer in der Küche und beschäftigt. Als ich ihr erzählte, was passiert war und wie meine nächsten Pläne aussahen, lächelte sie einfach nur und meinte „Ach das ist ja schön. Dann beginnt ja deine große Pokemonreise. Ich wünsche dir viel Glück und Erfolg, mein Schatz.” Für einen Moment wusste ich diese Reaktion nicht ganz einzuordnen und fragte sicherheitshalber nach: „Äh… damit ich das richtig verstehe: du willst mich ganz alleine gehen lassen? Ohne irgendwelche Begleitung?” „Natürlich. Du willst doch ein Pokemon-Trainer werden und deine Pokemon werden dich schon begleiten. Da mache ich mir keine Sorgen. Es wird schon alles gut laufen, mein Liebling.” „Du weißt aber schon, dass ich erst zehn bin und da draußen mit Sicherheit unzählige zwielichtigen Gestalten herumlungern. Junkies, Kriminelle, besoffene Hartz-IV-Empfänger, oder irgendwelche 40-jährigen gruseligen Typen namens Walter oder Horst, die in dunklen Gassen darauf lauern, unschuldige kleine Kinder wie mich zu vergewohlknuspern.” „Du hast doch deine Pokemon, die dich beschützen.” „Du meinst wohl eher brennende Echse, die nichts machen kann außer mit ihren Stummelfingern ein anderes Tier zu Tode zu kratzen oder herumzuflennen? Mal im Ernst, was für eine Rabenmutter bist du eigentlich?! Normale Eltern würden ihre Kinder für gewöhnlich zur Schule schicken und sie nicht in dem Alter ohne Beaufsichtigung durch die Weltgeschichte reisen zu lassen.” „Nicht in diesem Ton mit mir! Und jetzt mach, dass du dich auf den Weg machst!” Also verließ ich das Haus, nachdem ich die gute Frau endgültig zur Weißglut gebracht hatte und überlegte nun, was ich tun sollte. Der offensichtlichste Weg war der mit Gras überwucherte Pfad nur gab es ein Problem: ich brauchte irgendwas zur Orientierung. Also rannte ich zurück ins Labor und fragte, ob der Professor mir nicht vielleicht ein Smartphone ausleihen konnte, damit ich wenigstens über die Navigation feststellen konnte, wohin ich gehen musste. Doch ich wurde enttäuscht und darauf hingewiesen, dass es solch ein Gerät nicht gab. Aber merkwürdigerweise gab es dafür Super High-Tech Computer, mit denen man Pokemon und sogar Gegenstände in den PC beamen konnte. Diese Logik würde für mich wohl niemals nachvollziehbar werden. Stattdessen wurde ich zu Gaylords Haus geschickt, wo mir seine Schwester eine Karte in die Hand drückte. Na wenigstens hatte ich etwas zur Orientierung. Allerdings stellte sich mir die Frage, warum ausgerechnet die Schwester dieses Alpha-Kevins mir solch ein wertvolles Hilfsmittel in die Hand drückte und nicht die Frau, die mich angeblich großgezogen hatte. Von dieser Rabenmutter hatte ich ja mal gar nichts mitgekriegt. Nicht mal Lunch-Pakete, Geld oder irgendetwas sonst. Die blöde Kuh hatte mich einfach so vor die Tür gesetzt! Das Einzige, was ich dabei hatte, war ein Trank, der mein Pokemon wieder fit machen sollte und das war es schon. Diese Frau war wirklich eine der schlimmsten Mütter der Welt… Ich machte mich mit der Karte bewaffnet auf den Weg nach Norden. Die nächste Stadt hieß Vertania City, was der wohl dümmste Name für eine Stadt war, den ich bis dato gehört hatte. Bis auf wenige Ausnahmen natürlich. Ich lief durch das hohe Gras und traf dabei hin und wieder auf ein paar Leute, die einfach ziellos hin und her liefen und anscheinend keinen Plan hatten, wohin sie gehen sollten. Sie erinnerten mich irgendwie ein wenig an diese Idioten aus Professor Eichs Labor, die genauso ziel- und geistlos herumwanderten wie lobotomierte Zombies. Von einem bekam ich netterweise einen Trank als Werbegeschenk, während mich die anderen mit irgendwelchem sinnlosen Quatsch zutexteten, der mich eh nicht interessierte. Ich durchschritt gerade die letzte Grasfläche, als plötzlich etwas auf uns zukam. Dieses Mal war es keine Ratte mit Bieberzähnen aber dafür eine Taube. Sie blockierte uns einfach den Weg und ich wollte sie gerade ignorieren und einfach abhauen, da meldete sich plötzlich Professor Eichs Stimme von irgendwo her. „Temmie, du kannst doch nicht einfach so abhauen. Du musst doch dein Pokemon trainieren, um stärker zu werden!” „Muss ich das unbedingt?” fragte ich. „Ich will das alles einfach nur so schnell wie möglich hinter mich bringen.” „Wenn du die Orden sammeln willst, musst du dein Pokemon trainieren damit sich sein Level erhöht. Dann lernt es auch bessere Attacken und wird stärker.” Nun, in dem Fall blieb mir nichts anderes übrig. Ich befahl meiner Echse, die Taube anzugreifen, die natürlich nicht wegflog wie jeder normale Vogel es tun würde. Nein, stattdessen kassierte sie jeden Angriff bevor sie selbst mein Pokemon angriff und attackierte es mit Windstößen. Das war für mich ein neuer Tiefpunkt meiner Reise. Ich sollte es eigentlich inzwischen besser wissen, aber das schlug nun doch dem Fass den Boden aus. Wie um alles in der Welt konnte meine Feuerechse von einem seichten Windhauch verletzt werden, den dieses blöde Federvieh erzeugte? Sie griff ja weder mit den Krallen noch mit dem Schnabel an. Ich sah mein Pokemon mit einem strafenden Blick an und fragte es mit gnadenlosem Ernst „Sag mal wie nutzlos bist du eigentlich?” Es schwieg und schaute mich betreten und schuldbewusst an, aber an der Tatsache änderten auch die Welpenaugen nichts. Und ich hatte eh nichts für Tiere übrig, solange sie nicht in der Pfanne oder auf dem Grill gebraten worden waren. Es brauchte eine Weile bis ich endlich dieses Taubenvieh besiegt hatte und es regungslos am Boden lag. Nun, ich mochte zwar ein Tierhasser sein aber einfach so liegen lassen konnte ich die Taube ja nun auch wieder nicht. Also wollte ich es wenigstens zum nächsten Tierarzt bringen, da meldete sich plötzlich Professor Eichs Stimme wieder. „Nein, lass das Taubsi liegen!” „Wieso denn?” wollte ich wissen. „Wenn das Vieh hier liegen bleibt, verreckt es endgültig. Wobei… ich glaube da hilft nur noch der Gnadenstoß. Wenn es schon nicht mehr lange lebt, soll es wenigstens nicht unnötig leiden.” „Nein Temmie!” „Wieso? Mit einem Stein ist das ganz schnell erledigt, das habe ich in diesem einen Horrorfilm gesehen. Und überhaupt: woher wissen Sie eigentlich so genau was ich gerade mache? Beobachten Sie mich etwa?” Ich schaute mich um in der Annahme, irgendwo versteckte Kameras zu finden. Doch ich konnte diese nirgendwo entdecken. „Sind Sie etwa einer dieser NSA-Arschkrampen, die ständig anderer Leute Telefongespräche abhören?!” „Nein und das tut auch nichts zur Sache”, blockte er ab doch ich blieb trotzdem misstrauisch. „Es ist nicht erlaubt, besiegte Pokemon anzurühren. Also geh weiter.” „Und das ist Ihre Definition von Tierliebe? Sie fast umzubringen, nur um sie dann einfach liegen und verrecken zu lassen? Das ist kein Pokemon-Training, das ist etwas, das Psychopathen für gewöhnlich tun.” Da ich keine andere Wahl hatte, ließ ich die Taube zurück und ging weiter. Mein nächster Halt war Vertania City. Kapitel 3: Auf dem Weg nach Asihausen City ------------------------------------------ Vertania City war ein etwas größeres Dörfchen als Alabastia, aber immer noch nicht groß genug, um wirklich als Dorf bezeichnet zu werden. Es gab wie schon auf der ersten Route ein paar Leute, die wie lobotomierte Zombies ziellos herumwanderten und dabei geistlos in die Leere starrten, als hätten sie keine Seele. Es gab einen Teich mit eingezäuntem Garten in welchem ein Typ einfach nur regungslos da stand als wäre er zur Salzsäule erstarrt. Ansonsten hatte der Ort noch einen Supermarkt, ein „Pokemon-Center”, ein Wohnhaus und ein großes Gebäude. Ein Schild besagte, dass Vertania City die immergrüne Stadt war, aber sonderlich viel davon konnte ich nicht erkennen. Hier lebten kaum Menschen und außer ein paar Bäumen am Stadtrand war sonst nichts. Für eine immergrüne Stadt gab es herzlich wenig Natur innerhalb der Stadt. Nachdem ich mich eine Weile umgesehen hatte, beschloss ich, mir als erstes dieses Pokemon-Center anzusehen. Mit dem Namen konnte ich nicht viel anfangen, aber da es irgendetwas mit Center zu tun hatte, hoffte ich insgeheim, dass ich vielleicht meine Feuerechse umtauschen konnte. Das Vieh konnte weder Feuerattacken noch seine Zähne als Waffe einsetzen. Und da ich mir nicht einmal sicher war, ob es überhaupt zu irgendetwas nutze war, wollte ich schauen, ob ich auf die Echse so etwas wie Garantieanspruch habe. Einen Versuch war es ja mal wert und vielleicht bekam ich dann eine Kampfechse, deren Schwanz nicht permanent in Flammen stand und die wenigstens Feuer speien konnte. Doch als ich das Pokemon-Center betrat, wurde ich enttäuscht denn es handelte sich nicht um eine Art Geschäft oder Center wie ich es kannte, sondern um eine Art Tierklinik. Ich traf dort auf eine Krankenschwester mit einer etwas eigentümlichen Frisur. Ansonsten gab es nur einen Computer und ein paar Leute. Ich beschloss zu der Krankenschwester hinzugehen, welche Gott sei Dank nicht ganz wie ein lobotomierter Zombie aussah und hob zum Gruß die Hand. „Äh… hi. Können Sie mir vielleicht sagen, wo…” „Herzlich Willkommen im Pokemon-Center”, unterbrach sie mich mit einem fröhlichen Lächeln und ihre Begrüßung hatte irgendetwas von der Art einer künstlichen Intelligenz, mit der man kommunizieren konnte, die aber meist nur ihren üblichen Standardsatz bewerkstelligt bekam. „Ich bin Schwester Joy und ich heile Pokemon.” „Schön für Sie“, gab ich etwas skeptisch zurück. Diese Vorstellung ihrer Person erinnerte mich ganz böse an meine erste Begegnung mit Professor Eich. Irgendetwas lief hier schief, das sah selbst ein Blinder. Diese Schwester Joy schien entweder unter Gedankenkontrolle von irgendwelchen Körperfressern oder anderen Aliens zu stehen, oder aber sie war wirklich ein Roboter. Was zum Teufel war bloß los mit den Leuten hier? Wirklich alle benahmen sich mehr als merkwürdig. Entweder wanderten sie nur geistlos umher bis man sie ansprach, oder aber sie wirkten bei klarem Verstand und ratterten nur ihren Text herunter wie irgendwelche Roboter. War die ganze Welt von irgendeiner merkwürdigen Gehirnwäsche betroffen, oder waren die Leute allesamt klammheimlich durch Androiden ersetzt worden wie die Frauen von Stepford? Ob mir vielleicht sogar das gleiche Schicksal blühen würde? Ich verdrängte diesen Gedanken und gab ihr meine Feuerechse, die schon einen etwas müden Eindruck machte. „Schläfern Sie auch Tiere ein?“ wollte ich wissen. „Ich glaube meine Feuerechse ist kaputt und ich brauche eine neue.“ Die Krankenschwester starrte mich ungläubig an, so als ob sie nicht richtig gehört hätte. „Wie bitte was?!“ war ihre Reaktion. „Natürlich nicht! Ich bin Pokemon-Krankenschwester! Ich heile Pokemon und töte sie nicht. Und was meinst du mit defekt? Was stimmt denn mit deinem Pokemon nicht? Ist es vergiftet, paralysiert oder schläft es?“ „Es ist einfach nur nutzlos und kann noch nicht mal Feuerattacken. Außerdem ist die ganze Zeit der Schwanz am Brennen und ich glaube nicht, dass das normal bei Echsen ist. Der Professor meinte zwar es wäre bei diesen Pokemon normal, aber mal im Ernst: der alte Knacker hat eh nicht mehr alle Latten am Zaun. Und außerdem: Die Echse einzuschläfern ist ja kein richtiges Töten“, versuchte ich ihr zu erklären. „Betrachten Sie es einfach als Akt der Gnade, indem Sie das Leiden eines armen Tieres beenden, damit es nicht mehr unnötig leiden muss.“ „Nein tut mir leid“, wies sie mehr als deutlich ab. „So etwas tue ich nicht!“ War ja klar, dachte ich mir. Dann musste ich wohl den Rest meiner Reise mit einer defekten Feuerechse herumlatschen. Geschlagen seufzte ich und reichte ihr mein Pokemon Dabei fragte ich sie auch „Gibt es hier auch irgendwo einen Arzt?” „Wozu?”, wollte Schwester Joy wissen. „Ich kümmere mich doch um das Wohlergehen der Pokemon.” „Nein, ich meine einen Arzt für Menschen!” erklärte ich ihr. „Ich bin zehn Jahre alt, muss gegen irgendwelche Viecher kämpfen und habe nicht einmal ein Handy mit. Wenn ich mir schon unterwegs das Bein brechen sollte, dann möchte ich doch wenigstens wissen, wo es eine Anlaufstelle für solche Fälle gibt.” „So etwas haben wir hier nicht”, meinte sie mit der gleichen nonchalanten Art wie Gaylord und lächelte vor sich hin, als wäre alles in bester Ordnung. Das war es natürlich nicht. Allein der Gedanke, dass ich womöglich schwer verletzt irgendwo liegen könnte und niemand könnte sich darum kümmern weil es nirgendwo einen Arzt gab und kein Krankenhaus. Mit anderen Worten: wenn mir irgendetwas passierte, war ich so gut wie tot. Und das konnte ich natürlich nicht unkommentiert lassen. Wenn ich schon in dieser Welt gefangen war, die Alice’s Wunderland in Sachen Verrücktheit in nichts nachstand, wollte ich wenigstens meinem Ärger Luft machen. Ich befürchtete nämlich, dass dies das einzige Mittel war, mich selbst bei Verstand zu halten und nicht noch einem Tobsuchtsanfall zu erliegen. „Was ist das denn für ein beknacktes Gesundheitssystem? Kein Wunder, dass hier kaum Menschen leben, wenn es hier weder ein Krankenhaus, noch einen Arzt gibt.” Schwester Joy lächelte immer noch, allerdings wirkte es nun mehr gezwungen als ehrlich. Sie gab mir mein geheiltes Pokemon wieder, verbeugte sich und sagte ich könne jederzeit wieder vorbeikommen und damit war die Konversation für sie vorbei. Na wenigstens hatte sie mich nicht rausgeschmissen so wie meine so genannte Mutter. Ich verließ die Pokemon-Praxis und wollte weiter nach Richtung Norden. Nachdem ich festgestellt hatte, dass das große Gebäude die Arena war, erinnerte ich mich daran, was der Professor mir gesagt hatte: wenn ich hier weiterkommen wollte, musste ich Orden verdienen. Also hieß das: die Arena stürmen, mir den Orden unter den Nagel reißen und dann zusehen, dass ich weiterkam. Das klang doch nach einem perfekten Plan. Also ging ich weiter, doch stellte sehr schnell fest, dass mir jemand den Weg versperrte. Ein alter Mann lag da und seine Enkelin versuchte ihn irgendwie zu motivieren, endlich aufzustehen. Doch der alte Knacker blieb einfach liegen und meinte, er wolle seinen Kaffee haben. Mir konnte er ja sagen, was er wollte, aber für mich stand fest, dass der alte Mann stockbesoffen war. Ich stupste ihn mit dem Fuß an und rief „Hey Alterchen, du blockierst hier den Weg. Verpflanz dich woanders hin, wenn du deinen Rausch ausnüchtern willst.” „Verzieh dich und lass mich in Ruhe, du Rotzgöre”, entgegnete er und mir schlug seine Alkoholfahne entgegen. Er hatte wirklich einiges getrunken und ich befürchtete schon fast, allein von der Fahne betrunken zu werden. „Es interessiert mich einen feuchten Kehricht also mach, dass du wegkommst! Ich bewege mich nicht vom Fleck und wenn es mich umbringt! Also verpiss dich endlich.“ „Pass auf was du sagst, alter Mann!“, warnte ich ihn. „Immerhin darf ich für deine Rente blechen.” Da ich mit meinem Kinderkörper nicht wirklich in der Lage war, ihn beiseite zu schaffen, wandte ich mich an die Enkelin des alten Mannes. Ich bat sie, mir zu helfen, den alten Mann an den Wegrand zu ziehen, damit wenigstens der Weg frei wurde, aber daraus wurde einfach nichts. Statt mir zu helfen, diskutierte sie weiterhin mit ihrem Opa herum und hoffte anscheinend, dass sich das Problem mit Worten lösen könnte. Von ihr konnte ich also keinerlei Hilfe erwarten und war mal wieder auf mich alleine gestellt. Na was soll’s, dachte ich mir. Dann steige ich halt über ihn drüber wenn es nicht anders geht. Ich hatte genug von diesem Affentheater und wollte einfach nur noch raus aus Asihausen City. Und ich würde mich garantiert nicht von irgendwelchen besoffenen Pennern oder störrischen Senioren aufhalten lassen. Doch kaum hatte ich mein Bein auch nur angehoben, da meldete sich Professor Eichs Stimme plötzlich zu Wort. „Nein Temmie, du darfst nicht über Leute steigen.” „Wieso nicht?” wollte ich berechtigterweise wissen. „Soll ich meine Feuerechse benutzen um ihn zu verjagen? In dem Fall mach ich das gerne.” Damit holte ich den Ball hervor, warf ihn in die Luft und befreite damit mein Pokemon. Ich befahl ihm, dem betrunkenen Rentner ein wenig Feuer unterm Hintern zu machen, doch es tat nichts dergleichen und sah mich mit unsicheren Kulleraugen an. Ich begriff, dass es nichts dergleichen tun würde und schickte es wieder in den Ball zurück. Und auch Professor Eich erklärte mir, dass es nicht richtig war, Pokemon zu benutzen, um Menschen anzugreifen. Nein, natürlich trainierte man die Viecher nur, um andere Tiere umzubringen und sie bis zum Tode kämpfen zu lassen. Alles andere wäre ja unmenschlich und grausam. „Aber er versperrt mir den Weg!”, protestierte ich und wurde bereits von der Enkelin der alten Schnapsdrossel angestarrt, als wäre ich verrückt. Entweder weil ich mit einer Stimme redete, die womöglich niemand sonst hörte oder weil ich geplant hatte, ihren Opa mit meinem Pokemon gewaltsam aus dem Weg zu schaffen. „Wenn er nicht aufstehen will, ist das sein Problem aber nicht meins. Und überhaupt: Sie sagten doch, ich soll Orden verdienen und dieser besoffene Rollator-Schumi steht mir im Weg.” „Du kannst noch nicht in die Arena”, erklärte er mir. „Die Arena von Vertania City ist die letzte auf deiner Reise. Du musst erst in die nächste Stadt gehen.” Ich schlug mir die Hand vor die Stirn. Zwar war das ein gut gemeinter Rat vom Professor, allerdings an Blödheit schlecht zu überbieten. „Warum ist diese Arena die letzte? Das hier ist doch die allererste Stadt, die ich erreiche und seit wann gibt es eine Reihenfolge, wie ich meine Orden zu verdienen habe? Das macht doch keinen Sinn. Und noch etwas: wenn Sie mich hier schon auf Schritt und Tritt ausspionieren, dann sehen Sie doch auch, dass mir so ein besoffener Asozialer im Weg liegt. Und nach Ihren Worten darf ich nicht über ihn drübersteigen. Also was zum Henker soll ich stattdessen machen?” „Geh zum Supermarkt”, erklärte Professor Eich mir. „Dort hat der Verkäufer ein Paket für mich. Bring es mir nach Alabastia.” „Wie soll es mir denn bitteschön weiterhelfen, diesen besoffenen Penner wegzuschaffen?” „Jetzt tu es einfach, verdammt!!” Ich hatte es endlich geschafft, ihn sauer zu machen und empfand dabei eine gewisse diebische Freude. Wenn ich schon diesen Blödsinn ausbaden musste, dann durfte er wenigstens mit mir leiden. Ich ging also zum Supermarkt und dort übergab mir der Verkäufer ein Paket. Ich steckte es in meinem Rucksack und wollte mich natürlich erst einmal erkundigen, was ich denn so alles im Supermarkt kaufen konnte. Die Regale waren voller Krimskrams, der aber für niemanden zugänglich war und als ich den Verkäufer fragte, was es denn alles zu kaufen gab, erklärte er mir, dass ich Tränke, Aufwecker, Gegengift und Paraheiler kaufen konnte. Als ich ihn aber fragte, ob hier auch Getränke und Lebensmittel angeboten wurden, verneinte er die Frage. Das stellte mich wiederum vor die Frage, wovon die Leute eigentlich lebten. Oder aber sie schlachteten und aßen die Tiere, die sie besiegt hatten. Das war die einzig logische Erklärung für mich. Ich hatte aber keine Lust, mich schon wieder in so kurzer Zeit aufzuregen. Also verließ ich den Supermarkt und machte mich auf den Weg zurück nach Alabastia. Da ich keine Lust hatte, wieder von irgendwelchen Ratten oder Tauben attackiert zu werden, sprang ich die kleinen Hügel herunter und schaffte es tatsächlich ohne irgendwelche Zwischenfälle nach Alabastia zurückzukehren. Im Labor angekommen traf ich auf Professor Eich, der nicht mehr ganz so gelassen und optimistisch aussah wie zum Anfang. Nein, er wirkte schon ein klein wenig genervt. Aber sonderlich Mitleid hatte ich nicht mit ihm. Immerhin hatte er mich in diese ganze Scheiße hineingeritten, da durfte er sie genauso ausbaden wie ich. Ich drückte ihm wortlos das Paket in die Hand und wollte gehen, da hielt er mich wieder auf. „Warte Temmie, ich wollte dir noch etwas mitgeben!“ „Danke Professor, aber was ich brauche ist ein Wunder, um diesen Wahnsinn auf Dauer ohne geistige Dauerschäden zu überstehen.“ Doch da drückte er mir etwas in die Hand, das wie ein knallrotes aufklappbares Tablet aussah. Es hatte einen Bildschirm, ein paar Tasten wie bei einem altmodischen Gameboy und ein paar andere Tasten. Es sah ein wenig merkwürdig aus und zuerst wusste ich mit dem Ding nichts anzufangen. Dann aber fragte ich ihn „Ist das so ein altmodisches Retro-Handy?“ „Nein, das ist ein Pokedex“, erklärte er mit voller Stolz. „Es ist das Ergebnis meiner jahrzehntelangen Forschung! Weißt du, ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, Pokemon zu studieren und habe die Ergebnisse dieser Studien in harter Arbeit zusammengetragen. Ich kann mit Recht sagen, dass der Pokedex mein persönliches Magnum Opus ist.“ Ich schaltete es an und testete die Funktionen durch, um mich mehr damit vertraut zu machen. „Kann man darauf Spiele zocken?“ Diese Frage schien ihn nun doch ein wenig zu kränken und er antwortete „Nein! Dieses Gerät liefert alle wichtigen Informationen über Pokemon.“ Ich fand schließlich das Verzeichnis und dachte zunächst, dass ich eine Auflistung all dieser Monsterviecher erhalten würde und wie ich sie am besten töten konnte. Doch stattdessen war das Verzeichnis leer. Ich fand lediglich einen Eintrag über mein Pokemon mit ein paar groben Infos, ein Bild von der Taube, die ich platt gemacht hatte und die blaue Schildkröte von Gaylord. Aber außer dem Namen und dem Bild dazu gab es keine Informationen. Mit anderen Worten: dieser Pokedex war vollkommen nutzlos. Plötzlich ging die Tür auf und Gaylord selbst kam hereinstolziert und hatte wie immer diese arrogante Visage. Er bekam ebenfalls einen Pokedex und der Professor erklärte ihm das Gleiche wie mir. Dass sein Pokedex leer war, schien ihn nicht sonderlich zu stören und er haute damit auch schnell wieder ab. Ich hingegen blieb noch und hielt dem Professor seine komische Erfindung vor die Nase. „Wollen Sie mich veräppeln mit diesem Schrott? Sie haben zig Jahre lang mutierte Kackviecher erforscht und drücken mir als Hilfsmittel dieses Ding in die Hand, welches vollkommen leer ist?“ „Beruhige dich erst einmal“, versuchte er mich zu beschwichtigen. „Der Pokedex funktioniert so nicht. Du musst erst einem Pokemon begegnen und es fangen, um die Daten auf dem Pokedex abrufen zu können.“ „Das ist ja wohl Beschiss!“ beschwerte ich mich. „Diese Informationen könnte ich wirklich früher gebrauchen, wenn ich gegen sie kämpfen muss. Wenn ich die Daten erst erhalte, wenn ich diese Biester erst gefangen habe, wozu brauche ich es dann überhaupt? Nee danke, das können Sie gerne wiederhaben.“ Doch letzten Endes wurde mir das vermaledeite Ding aufgezwungen und Professor Eich erklärte mir, dass mir nichts anderes übrig blieb, Pokemon sammeln zu gehen, um den Pokedex zu vervollständigen und mir ein ordentliches Team aufzubauen, welches mich beschützen würde. Bei der Gelegenheit fragte ich ihn auch, ob ich meine Echse umtauschen konnte. Als das abgelehnt wurde, fragte ich ihn, ob ich den Pflanzendino haben könnte. Doch da wurde mir erklärt, dass die Regeln besagten, dass ich nur ein Starterpokemon bekomme. Na große klasse. „Und wo finde ich so einen Pflanzendino?“ „Nirgendwo“, antwortete der Professor. „Starterpokemon kann man nicht unterwegs fangen.“ „Und wie soll ich dann diesen scheiß Pokedex vervollständigen, wenn es unmöglich ist, alle Pokemon alleine zu fangen?! Scheren Sie sich zum Teufel mit Ihrem bescheuerten Schrotterfindungen!“ Ich knallte ihm den Pokedex ins Gesicht und verließ das Labor. Mich beschlich das ungute Gefühl, dass dies erst der Anfang vom Wahnsinn war und mich dieser Professor noch irgendwann in die Klapsmühle bringen würde mit seinen Verrücktheiten. Kapitel 4: Kleine Anarchistin Temmie ------------------------------------ Nachdem ich von einem der Laborfritzen ein paar Pokebälle für unterwegs mitbekommen hatte, machte ich mich wieder auf den Weg zurück nach Asihausen City. Insgeheim hatte ich gehofft, nicht schon wieder von irgendwelchen Tieren genervt zu werden, doch schon nach den ersten Schritten stellte sich mir eine Ratte in den Weg und wollte mich angreifen. Ich holte meine Feuerechse aus dem Pokeball und ließ es die Ratte angreifen, bevor ich dann testweise einen dieser Bälle des Laborfritzen warf und es tatsächlich schaffte, es einzufangen. Und kaum, dass ich das Vieh einkassiert hatte, musste natürlich Mr. NSA mal wieder einen Kommentar ablassen. „Gut gemacht, Temmie. Du hast dein allererstes Pokemon gefangen!” „Danke”, antwortete ich und betrachtete den Pokeball nachdenklich. „Aber eines würde ich gerne wissen: wie funktioniert das Ding denn eigentlich? Da passt immerhin ein Vieh rein, was viel größer ist als der Ball selber.” „Es ist wie eine Art Taschenuniversum”, erklärte er mir und zum allerersten Mal klang diese Erklärung nicht danach, als hätte er sich das aus einem Magazin für übergeschnappte Geisteskranke zusammengeklaut. „Der Pokeball ist darauf ausgelegt, selbst Pokemon in der Größe eines Berges in diesen Ball einzuschließen. Zwar kann ein wildes Pokemon noch aus eigener Kraft wieder fliehen, aber sobald das kleine Licht erloschen ist, gehört das Pokemon dir und gehorcht deinen Befehlen.” Das hieß dann also, diese Pokemon wurden dann einer Art Gehirnwäsche unterzogen und sie brauchten kein Gehorsamkeitstraining oder irgendeine Dressur, damit sie erst einmal lernten, ihrem Besitzer zu gehorchen? Das war ja abgefahren! Endlich mal eine gute Nachricht an meinem wohl schlimmsten Tag seit Jahren. Und natürlich wollte ich auch wissen, wie viele Pokemon denn in so einen Ball hineinpassten. Die Erkenntnis, dass der Wahnsinn dieser Welt mich immer noch wie ein Expresszug treffen konnte, war niederschmetternd. „Nur ein Pokemon pro Ball.” Und das verstand ich beim besten Willen nicht, denn das widersprach doch ganz eindeutig der Logik, die mir dieser verrückte Professor soeben erst erklärt hatte. „Wieso passt da nur ein Pokemon rein? Sie haben doch selbst gesagt, dass dieses Ding darauf ausgelegt ist, selbst Viecher in der Größe eines Berges einzufangen. Theoretisch müsste ein ganzer Saurier da reinpassen. Warum also kann ich nicht mehrere kleine Pokemon darin einfangen? Ich dachte dazu sind Taschenuniversen gedacht: damit man allen erdenklichen Scheiß platzsparend aufbewahren kann.” „Der Ball ist nicht darauf ausgelegt, mehr als ein Pokemon aufzunehmen.” „Dann muss ich also für jedes Pokemon immer wieder einen neuen Ball verwenden? Haben Sie schon mal was von Nachhaltigkeit oder Umweltfreundlichkeit gehört?” Doch Professor Eich hatte keine Lust zum Diskutieren, also ging ich weiter und traf wieder auf eine Taube. Dieses Mal besiegte ich sie ganz einfach, bis das Tier regungslos am Boden lag und wollte dann den Pokeball werfen, aber da hielt mich Mr. NSA mal wieder auf, um mir wieder schön die Suppe zu versalzen. „Nein, Temmie! Besiegte Pokemon können nicht eingefangen werden.” „Wieso denn nicht?” protestierte ich. „Das Vieh ist nicht in der Lage sich zu wehren, es kann sich nicht befreien, es ist schlichtweg kampfunfähig.” „So funktioniert das aber nicht”, versuchte er zu erklären. „Du musst ein Pokemon schwächen und es einfangen, bevor es besiegt wird.” Ich beschloss, dieses Mal nicht auf ihn zu hören und warf den Pokeball trotz Protest meines Stalkers. Doch der Ball reagierte gar nicht. Er knallte einfach nur auf die halb tote Taube drauf und öffnete sich nicht. Mit einem entnervten Seufzer hob ich den Ball wieder auf und steckte ihn wieder in die Tasche. „Mal im Ernst, diese ganzen Regeln machen nicht den geringsten Sinn. Vor allem weil es doch wirklich Tierquälerei ist, ein Tier so derbst zu schwächen, um es dann einzufangen, anstatt es schnell zu besiegen und dann einzufangen.” Doch der Professor blieb bei seiner Meinung und meinte nur, ich müsse mich nicht immer so anstellen und so kleinkariert sein. Da ich langsam wirklich Hunger bekam und es in diesem Supermarkt aus Asihausen City nichts für Menschen zu kaufen gab, blieb mir nur eine logische Alternative. Ich schnappte mir die Taube, die keinen Mucks mehr von sich gab und wahrscheinlich schon das Zeitliche gesegnet hatte. „Lass das Taubsi liegen”, ermahnte mich Professor Eich aber dieses Mal hörte ich nicht auf ihn. Ich brauchte langsam etwas zu essen und ich würde garantiert nicht eines qualvollen Hungertodes sterben, solange ich hier gefangen war. „Sie haben jetzt erst mal Sendepause”, antwortete ich nur und begann den Vogel in mühseliger Arbeit zu rupfen. Ich hatte so etwas in der Art gemacht, aber wenn man verzweifelt genug war, dann war man zu vielem in der Lage. Und natürlich spielte auch der Hunger eine große Rolle. Ich ignorierte Professor Eichs Belehrungen und als ich soweit fertig war, warf ich den Pokeball und holte meine Feuerechse heraus, die immer noch ein wenig eingeschüchtert wirkte und ein leises “Glumanda, Glumanda” von sich gab. „Ja du mich auch”, entgegnete ich. „Zeig mal, dass du wenigstens zu etwas nütze bist und gib mir deinen Schwanz, damit ich den Vogel gar braten kann.” „Temmie!!!” rief Professor Eich nun und ich musste mir die Ohren zuhalten, um nicht noch einen Hörsturz zu erleiden. „Was um alles in der Welt tust du da? Das ist ja…” „Ja was soll ich denn sonst machen? Etwa Gras essen? Vergessen Sie es, lieber verhungere ich als zu Veganer zu werden. Und Tiere sind nun mal zum Essen da, so hat das die Nahrungskette vorgesehen. Wenn ich sie nicht esse, dann fressen sie mich noch irgendwann.” „Aber Pokemon sind doch keine Nutztiere, die man essen kann! Das ist nicht das, was ein guter Trainer tun würde, Temmie!” „Ach ja? Und wovon ernähren Sie sich dann bitte? Im Supermarkt gibt es ja nicht also muss ich mir mein Essen halt selber organisieren.” Hier war der Professor endlich ruhig und anscheinend waren ihm für dieses Mal die Argumente ausgegangen. Sollte mir recht sein. Mein Echsenpokemon sah mich zwar verunsichert an, aber ich war der Meinung, dass es ruhig froh sein sollte, dass es wenigstens einen praktischen Nutzen erfüllte, wenn es schon im Kampf gegen eine harmlose Taube und einer Ratte kaum standhalten konnte. Nachdem das Fleisch gar gebraten war, setzte ich mich in eine Ecke fern vom hohen Gras und füllte meinen leeren Magen. Nach einer kleinen Pause rief ich mein Feuerpokemon wieder zurück in den Ball und erreichte wieder Asihausen City. Ich rechnete fest damit, dass der alte Mann entweder zur Schnapsleiche geworden war oder nach wie vor im Weg lag. Doch überraschenderweise hatte er sich in der kurzen Zwischenzeit komplett ausgenüchtert und schien bester Laune zu sein. Ich ging weiter, doch da hielt er mich plötzlich auf. „Endlich habe ich meinen Kaffee gekriegt”, verkündete er gut gelaunt. „Wenn ich kein Koffein bekomme, werde ich immer ganz ungehalten. Wie wäre es denn, wenn ich dir als Entschuldigung für mein Verhalten zeige, wie man Pokemon einfängt?” „Nö danke”, winkte ich desinteressiert ab. „Ich habe schon ein Pokemon gefangen und meine Mama hat mir beigebracht, nicht mit alten Schnapsdrosseln zu reden.” „Wie hast du mich genannt?” keifte er los. „Was erlaubst du dir eigentlich?!” „Was erlauben Sie sich eigentlich?” erwiderte ich und baute mich vor ihm auf, doch unglücklicherweise wirkte ich wegen meiner Kindergröße im Vergleich zu ihm ziemlich mickrig. „Sie belästigen Passanten und pöbeln hier rum und versperren hier öffentliche Wege. Wegen Ihnen hatte ich mehr Stress als ich eigentlich haben wollte und musste mir so einen bescheuerten Pokedex aufschwatzen lassen, der vollkommen nutzlos ist. Wenn Sie sich entschuldigen wollen, dann sagen Sie mir, wie ich in die nächste Stadt komme.” Damit deutete der alte Mann auf den Weg in Richtung Norden und erklärte „Du musst nur diesem Weg folgen. Du gelangst dann zum Vertania Wald und wenn du den durchquert hast, bist du in Marmoria City.” Endlich eine hilfreiche Information von irgendjemandem. Bevor ich aber die Stadt verließ, schaute ich bei der Arena vorbei in der Hoffnung, dort meinen ersten Orden abstauben zu können. Doch anscheinend war der Arenaleiter nicht da, weshalb ich also nicht rein konnte. Und auf meine Fragen hin, wann er denn wieder da war, konnte mir niemand eine Antwort geben. Na großes Kino, dachte ich und seufzte laut. Und es gab nicht einmal Öffnungszeiten. Ich war gerade erst in der zweiten Stadt und alles, was ich bis jetzt erlebt hatte, war entweder ein Alptraum, oder aber ein Riesenbeschiss. Es gab weder Supermärkte noch öffentliche Toiletten, Jugendherbergen oder Hotels, ich wurde genötigt Orden zu verdienen und die erste Arena war verlassen und ich hatte einen Pokedex, der mir alle wichtigen Informationen erst dann lieferte, wenn ich sie eigentlich nicht mehr brauchte. Was um Gottes Willen stimmte hier bloß mit den Leuten nicht? Waren sie alle auf dem Scheißhaus gewesen, als die Intelligenz verteilt wurde? Oder handelte es sich etwa um eine Devolution zum Homo Absurdus? Oder waren tatsächlich alle durch Roboter ersetzt worden? Je weiter ich kam, desto schlimmer schien alles zu werden und irgendwie hatte ich das Gefühl, hier vollkommen deplatziert zu sein. Immerhin schien ich die Einzige zu sein, der diese ganzen Schwachsinnsregeln auffiel. Da ich nicht in die Arena gehen konnte und wahrscheinlich noch einen weiten Weg vor mir hatte, machte ich einen kurzen Abstecher ins Pokemon-Center und verließ dann endlich Asihausen City. Glücklicherweise gab es hier weitaus weniger hohes Gras aber dafür wurde ich auch schon direkt von so einem kleinen Rotzbengel mit Strohhut und Kescher angequatscht, der direkt auf mich zugelaufen kam. „Hey, deine Pokemon sehen stark aus!“ rief er mir zu und blieb direkt vor mir stehen. „Lass uns kämpfen.“ „Und wenn ich nein sage?“ Natürlich blieb ich nicht von Professor Eichs Stimme verschont, die mich daran erinnerte, dass es nicht erlaubt war, aus Trainerkämpfen abzuhauen oder nein zu sagen. Mit anderen Worten: ich war dazu genötigt, dieses Balg mitsamt seinen Haustieren platt zu machen. Egal ob ich wollte oder nicht. Ich seufzte geschlagen und gab es auf, weiterprotestieren zu wollen. Der Junge und befreite eine Raupe aus dem Ball, die etwas im Gesicht hatte, was ich nicht ganz einzuordnen wusste. Entweder waren das ziemlich verkrüppelte Fühler oder die wohl hässlichste Monobraue der Welt. Nun, eine Raupe durfte ja wohl kein allzu schwerer Gegner sein. Ich holte meinerseits einen Pokeball hervor und wollte eigentlich meine Feuerechse in den Kampf schicken, erwischte aber den falschen Ball und holte dafür meine neu gefangene Ratte heraus. Der Junge lachte amüsiert und meinte „Ein Glumanda sieht eigentlich ganz anders aus, das weißt du schon, oder?“ „Was kann ich denn dafür, dass diese Bälle alle gleich aussehen?“ Nun, es machte auch keinen Sinn. Wenn ich schon gezwungen war, die Viecher zu trainieren, dann konnte die Ratte ja auch mal etwas machen. Und hoffentlich war sie hilfreicher als die dämliche Echse. Jetzt stand ich natürlich vor dem großen Problem, dass ich keine Ahnung habe, was die Ratte eigentlich konnte. Ich hatte ja schon im Labor beim Kampf gegen Gaylord erkennen müssen, dass diese Viecher allesamt zu dämlich sind, um ihre Gegner zu zerfleischen so wie jedes normale Tier es tun würde. Also war meine einzige Möglichkeit, den Fachmann in diesem Fall zu fragen. „Hey Professor, welche Attacken beherrscht so eine Ratte eigentlich?“ „Tackle und Rutenschlag“, antwortete er. Nun, mit Tackle konnte ich ja noch etwas anfangen, aber Rutenschlag? Was zum Teufel war das denn? Irgendwie klang es ein wenig pervers. „Was zum Teufel ist denn Rutenschlag?“ „Das Pokemon schlägt mit den Schwanz. Es ist kein Angriff, der Schaden zufügt, aber er senkt die Verteidigung des Gegners.“ „Wieso zum Teufel ist Schwanzwedeln eine Attacke, wenn es keinen Schaden anrichtet?!“ Was soll’s, ich hatte ja zum Glück Entscheidungsfreiheit. Also befahl ich meiner Ratte, die Raupe anzugreifen, doch anstatt, dass das Insekt sofort zu Boden ging, blieb es stehen und begann meine Ratte mit Seidenfäden zu beschießen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich die blöde Raupe platt gemacht hatte, doch dummerweise hatte der Junge nicht bloß ein Pokemon, aber dafür mehrere. Die nächste Raupe sah ein wenig anders aus hatte statt einer Monobraue einen Analstöpsel auf den Kopf. Dieser stellte sich als Stachel heraus und nach kurzer Zeit hatte es meiner Ratte den Garaus gemacht. Zum Glück hatte meine Feuerechse dies schnell erledigt und die Raupen dieses Rotzbengels in den Boden gestampft. Der Bengel seufzte geschlagen, kramte plötzlich in seiner Hosentasche herum und drückte mir plötzlich Geld in die Hand, wobei er meinte „Okay, du hast gewonnen.“ „Und wozu die Kohle?“ fragte ich ihn verwundert und schaute mir die Kröten an. Und nein, es waren nicht einmal echte Euros, sondern irgend so eine merkwürdige Pseudowährung, die sich doch allen Ernstes Pokedollar schimpfte. Hatten hier alle Dinge irgendwelche Namen, die was mit Pokemon zu tun hatte? Das war ja noch schlimmere Schleichwerbung als Lego Movie oder Michael Bays Transformerfilme. Professor Eich erklärte mir „Du verdienst dir Geld, indem du Trainer besiegst. Und davon kannst du dir Tränke und andere wichtige Items kaufen.“ „Und das ist ganz sicher legal?“ wollte ich mich vergewissern, denn so ganz koscher war mir das nicht. „Irgendwie kommt mir das so vor, als würde ich Kinder überfallen, ihre Haustiere massakrieren und dann ihre Kohle klauen. Ich will nicht schon wieder Ärger mit der Polizei kriegen.“ Doch der Professor versicherte mir, dass das alles vollkommen in Ordnung war. Und so schlecht war der Gedanke eigentlich nicht, anderer Leute Tiere platt zu machen und dafür auch noch Geld zu kassieren. Allerdings störte es mich schon, dass ich mir mein Geld selber verdienen musste und nicht einmal Taschengeld von meiner Mutter bekam. Immerhin war ich erst zehn Jahre alt und dürfte gar kein eigenes Geld verdienen. So etwas fiel doch eindeutig unter Kinderarbeit. Gab es hier denn überhaupt keine nachvollziehbaren Gesetze in dieser Welt? Oder war das hier so etwas wie eine anarchistische Vorhölle, in der das erlaubt war, was in meiner Welt eigentlich verboten wäre? Nun, in der Hinsicht dürfte das noch interessant werden. „Ach übrigens, Temmie!“ meldete sich Professor Eich zu Wort. „Dein Glumanda hat inzwischen Level 7 erreicht und Glut gelernt. Das bedeutet, es kann jetzt Feuerattacken einsetzen.“ Noch eine gute Nachricht. Jetzt durfte ich Leute gegen Bezahlung vermöbeln und konnte Tiere anzünden. Was kam denn als nächstes? Weihnachten und Ostern zusammen? Der kleine Satan in mir jubelte schon vor Freude. Vielleicht war die kleine Echse ja doch zu etwas nütze und konnte mir helfen, mir meinen Weg durch diese Welt zu bahnen und endlich wieder nach Hause zu kommen. Und wer weiß was ich alles mit dem Vieh anstellen konnte, jetzt da es in der Lage war, Feuer zu spucken. Ich ging weiter und besiegte noch einen weiteren Trottel auf dem Weg, bis ich dann im hohen Gras eine Taube aufscheuchte. Dieses Mal beherzigte ich den Rat des Professors und fing sie bevor ich sie umbrachte. Und da die Ratte schon tot war und die Taube kurz vor dem Existus stand, ging ich noch mal nach Asihausen City zurück um die Krankenschwester zu besuchen. Ich merkte übrigens erst dann, dass es auch noch einen Pfad in Richtung Westen gab, wo ich einen grünen Hasen mit Pestbeulen und ein anderes Vogelvieh einfing. Es gab nur noch ein kleines Problem: ich konnte die Pokebälle einfach nicht auseinanderhalten. Die Dinger sahen allesamt gleich aus. Auf meine Frage, wie zum Teufel denn die anderen Trainer sagen konnten, welcher Pokeball der richtige war, konnte mir der Professor keine Antwort geben. Also ging ich in eine der Häuser, klaute mir einen Edding und begann einfach die Pokebälle zu beschriften. Professor Eich protestierte zwar, dass das ein normaler Trainer nicht tat, aber ich sagte ihm einfach „Ich habe keine Lust, ständig die falschen Biester in den Kampf zu schicken, also muss ich mir eben etwas einfallen lassen. Von Ihnen kommt ja ständig nur ein „Du darfst dies nicht“ und „Du darfst das nicht!“ Und wenn Sie keine ordentlichen Ratschläge haben, improvisiere ich einfach.“ Damit war das auch erledigt und nachdem ich ein halbwegs brauchbares Team zusammen hatte, machte ich mich nun wirklich auf den Weg zum Wald. Kapitel 5: Verloren im Triebtäterwald ------------------------------------- Nachdem ich eine ganze Weile unterwegs war, erreichte ich endlich ein Haus, welches eine Art Durchgangsgebäude war. Warum es existierte, wollte sich mir nicht erschließen. Wenn es wenigstens irgendwie eine Art Zollhaus gewesen wäre, würde ich es ja noch verstehen, aber es gab keinerlei Grund, warum es da sein sollte. Aber das konnte mir auch egal sein, immerhin hatte ich eine Mission vor mir. Also durchquerte ich das Häuschen und betrat endlich den Wald von Asihausen City. Das erste was ich sah waren riesige Bäume, hohes Gras und ein Schild, das mich davor warnte, dass man hier leicht die Orientierung verlieren konnte. Ich traf auf einen Jungen, der nichts tuend vor einem Baum stand und mich an diese Typen aus Kaufhäusern erinnerte, die nur dazu da waren, um die Kunden zu begrüßen und sonst keinen anderen Sinn und Zweck erfüllten. „Hey Kumpel, alles fit im Schritt?“ grüßte ich ihn. Der Junge grinste fröhlich und winkte mir zu und schien froh zu sein, dass endlich jemand kam, um ihn anzusprechen. „Hi, das hier ist der Vertania Wald. Pass aber auf: im hohen Gras lauern nicht nur giftige Insektenpokemon, sondern auch Trainer.“ „Na das ist super…“ begann ich, bis mein Hirn dann endlich den zweiten Teil der Info verarbeitete. Hatte ich das wirklich richtig verstanden? Eine Horde von Trainern lauerte versteckt im hohen Gras auf mich? In einem riesigen Wald, in welchem es weder eine Polizeistation, noch irgendetwas anderes gab?! „Was zum Teufel… ist das hier der Triebtäterwald oder was?!“ Mit einem Mal war ich mir nicht so ganz sicher, ob das wirklich so eine gute Idee war. Ich wollte mir nicht ausdenken, was für gruselige Gestalten umherliefen und was die mit einem zehnjährigen kleinen Mädchen anstellen würden. Zwar war ich 25 Jahre alt, aber ich bezweifelte ernsthaft, dass ich in diesem kleinen Kinderkörper sonderlich etwas ausrichten konnte. Außer vielleicht Päderasten einen Schlag in die Eier zu verpassen. Das stellte mich wiederum vor die Frage, was für eine Mutter ihr Kind in einen Wald voller potentieller Päderasten und Perverser gehen lassen würde. Das war wirklich die menschenunfreundlichste Gegend, die ich je kennen gelernt hatte. Aber was beschwerte ich mich denn? Ich war ja die Einzige, die noch ein funktionierendes Gehirn besaß. Also setzte ich meinen Weg fort und hoffte insgeheim, dass ich so schnell wie möglich in die nächste Stadt kam. Daraus wurde aber nicht wirklich etwas, da ich auch schon direkt von einer Raupe angegriffen wurde. Es war eine von der Sorte, die etwas auf dem Kopf hatte, was nach meinem Geschmack ein wenig wie ein Analplug aussah. Es sah potthässlich aus und ich wollte ihm eigentlich den Gnadenstoß geben, aber dann meinte Professor Neunmalklug natürlich, ich müsse Pokemon fangen. „Und wie genau soll mir so eine dämliche Einhornraupe weiterhelfen?!“ „Raupis und Hornlius können sich entwickeln“, erklärte er mir. „Ein Hornliu entwickelt sich zunächst zu einem Kokuna und dann zu einem Bibor. Raupis hingegen entwickeln sich erst zu einem Safcon und dann zu einem Smettbo.“ Und nachdem er mir auch noch erzählte, dass höher entwickelte Pokemon stärker waren und meine Chancen auf einen Arenasieg erhöhte, fing ich das Vieh natürlich. Ich schaffte es auch noch, eine Monobrauenraupe zu fangen, bis dann etwas passierte, was ich als das „Temmie-Syndrom“ bezeichnete: ich hatte mich verlaufen. Der verdammte Wald war so groß, dass ich keinen Plan hatte, wo ich gerade war und wohin ich gehen musste. Und als wäre das nicht schon nervenraubend genug, mussten mich ständig diese blöden Teenies anquatschen und zum Kampf herausfordern. Das Ganze wurde obendrein noch dadurch getoppt, dass ich auf nichts anderes traf, als auf Analplug- oder Monobrauen-Raupen. Und wenn ich diese nicht traf, dann so komische Kokonviecher, die noch nicht einmal angreifen konnten. Meine Reise durch den Wald entwickelte sich zu einem einzigen Desaster. Nach einer gefühlten Ewigkeit entschied ich mich dazu, kurz eine Pause einzulegen. Es kam mir so vor, als würde ich die ganze Zeit nur im Kreis laufen. Während ich mich kurz auf den Boden setzte, um eine kurze Verschnaufpause einzulegen, beschloss ich, Mr. NSA noch ein bisschen zu ärgern. Einen besseren Zeitvertreib hatte ich ja nicht. „Sagen Sie mal Professor Eichelkopf, wie kann es sein, dass ich hier nur irgendwelche Raupen und Kokonmutanten finde? Ich dachte, das hier ist ein Wald!“ „Manche Pokemon tauchen nur in spezifischen Gegenden auf, die ihrem Typ entsprechen. So findest du Käfertypen größtenteils im Vertania Wald.“ „Ja aber das hier ist ein gottverdammter Wald“, versuchte ich zu erklären. „Normalerweise findet man hier Vögel, Rehe, Käfer und was weiß ich noch so alles. Aber alles, was ich bis jetzt zu Gesicht bekommen habe, sind diese verdammten Raupen. Oder wollen Sie mir allen Ernstes weiß machen, dass im Wald nichts anderes haust außer Raupen?“ „Zurzeit haben wir noch keine anderen Käfertypen im Vertania Wald finden können“, bekam ich zur Antwort. Nun, in dem Fall wunderte es mich wirklich, dass der Wald nicht schon längst kahlgefressen war. Denn etwas anderes taten Raupen ja bekanntlich nicht. Aber was hatte ich denn auch anderes erwartet? Diese ganze Welt hier machte nicht den geringsten logischen Sinn für mich. Es war, als wäre ich hier tatsächlich in einer weniger abstrakten Version von Alices Wunderland gelandet. Während ich so da saß und über die Dinge nachdachte, die mir widerfahren waren, begann ich mich zu fragen, wie es überhaupt passieren konnte, dass ich hier gelandet war. Professor Eich schien zwar derjenige gewesen zu sein, den ich als erste Person getroffen hatte, aber auch er hatte mir nicht wirklich weiterhelfen können. Stattdessen behauptete er sogar, dass ich mein ganzes Leben hier verbracht hatte. Natürlich klang das absolut hirnrissig, doch ich war mir plötzlich nicht mehr ganz so sicher. Ich konnte mich eindeutig an meine Zeit vor meinem Unfall erinnern. Ich wusste wie ich hieß, wer meine Familie war und dass ich eigentlich eine 25-jährige in der Ausbildung war und für gewöhnlich notorisch pleite und mit einem miserablen Humor ausgestattet war. Aber wieso glaubten die Leute hier, ich würde zu ihnen gehören und warum war ich in diesem Körper gefangen? Mein erster Gedanke war, dass ich vielleicht draufgegangen war und meine Seele nun in einem anderen Körper feststeckte, aber das konnte auch nicht sein. Dieser Körper hier sah eindeutig aus wie meiner, als ich noch zehn Jahre alt war. Und eine obskure Zeitreise konnte ich auch nicht gemacht haben. Vielleicht war ich ja tatsächlich abgekratzt und das hier war sozusagen die Hölle, in der ich für alle Ewigkeiten gefangen war. Verwundern würde es mich nicht, nachdem ich mir so einige versaute Sachen im Internet reingezogen habe. Allein für die Futanarivideos oder die ganzen anderen Pornos hätte ich mir einen lebenslangen Aufenthalt in der Hölle verdient. Und garantiert war das hier meine Strafe für all meine Versautheiten und Schandtaten oder die Pornogeschichten, die ich geschrieben habe. Mein einziges Bedauern war, dass ich nicht mal mehr die Chance hatte, den Sharknado-Marathon durchzuziehen oder faule Eier an die Türen meines letzten Ausbilders zu werfen. Doch schließlich verwarf ich den Gedanken wieder. Es war noch viel zu früh um aufzugeben. Solange noch ein winziger Funken Hoffnung bestand, sollte ich mein Bestes versuchen, um hier rauszukommen und nach Hause zurückzukehren. Also beendete ich meine Pause, schulterte meinen Rucksack und ging weiter. Es dauerte nicht lange, bis ich eine Lichtung erreichte und etwas im Gras liegen sah. Das Objekt sah ganz nach einem Pokeball aus. Ich runzelte ungläubig die Stirn, als ich das sah. „Schmeißen die Leute ihre Tiere jetzt etwa in Bällen weg?“ „Nein, es handelt sich um Items“, erklärte mir der Professor. „Auf deinen Reisen kannst du manchmal hilfreiche Items finden. Um herauszufinden, was für ein Item das ist, musst du den Pokeball öffnen.“ Ich hielt inne und versuchte das alles irgendwie nachzuvollziehen. Leute packten ihre Items extra in Pokebälle, bevor sie sie wegwarfen? Hatten die etwa Langeweile oder wollten sie den Osterhasen spielen, der nun Überraschungseier in Form von Pokebällen versteckte? Ich schüttelte verständnislos den Kopf und öffnete den Pokeball. Ich bekam einen Trank und steckte ihn in den Rucksack. „Naja, zumindest habe ich jetzt einen zusätzlichen Pokeball. So habe ich mir auch Geld gespart.“ „Nein Temmie!“ stoppte mich Professor Eich und ich spürte so langsam, wie mir die Galle hochkam. „Du kannst den Ball nicht zum Fangen von Pokemon benutzen.“ „Warum nicht?! Es ist ein gottverdammter Pokeball.“ „Dieser Ball ist nicht explizit als Pokeball vorgesehen. Also wirf ihn weg und geh weiter.“ So langsam platzte mir mal wieder die Hutschnur. Was für ein Schwachsinn war das denn bitte? Das war doch eindeutig ein Ball. Also warum sollte ich ihn nicht dazu benutzen dürfen, Pokemon einzufangen? Inzwischen hatte diese ganze Welt den Intelligenzlevel von Donald Trump erreicht und das war schon schmerzhaft genug. Und da ich keine Lust hatte, mich auf dieses Niveau herabzulassen, steckte ich den Ball trotz Proteste von Mr. NSA ein und ging weiter. Leider gestaltete sich meine Reise als nicht ganz so einfach, denn obwohl ich zwei Tränke dabei hatte, musste ich trotzdem bald den ganzen Weg zurück nach Asihausen City latschen, um mein Loserteam wieder auf Vordermann zu bringen. Es war anstrengend, entnervend und zog sich ewig hin. Und jedes Mal verlief ich mich in diesem Wald. Schließlich, als ich langsam endlich das Gefühl hatte, ich wäre auf dem richtigen Weg, hörte ich plötzlich ein Rascheln. Und als dann so ein dicker Typ mittleren Alters auf mich zukam und mich fragte „Na, willst du meine Pokemon sehen?“, war das Fass endgültig voll für mich. „SIE WIDERLICHER PERVERSLING!!!“ schrie ich, schnappte mir einen Stein und bewarf ihn damit. Bleiben Sie mir bloß vom Leib oder ich rufe die Polizei.“ „Du kannst nicht einfach so davon…“ „Hilfe, hier ist ein kranker Triebtäter“ schrie ich und warf den nächstbesten Pokeball, den ich gerade in die Finger bekam. Zum Vorschein kam meine Feuerechse und die kam mir ausnahmsweise gerade recht. „Mach mal was Nützliches und fackle den Typen ab!“ „Glumanda?“ fragte mich die Feuerechse unsicher und schien ziemlich eingeschüchtert zu sein. Der schmierige Typ grinste und lachte. „Sehr schön, dann lass uns endlich kämpfen.“ Ein unangenehmer Schauer fuhr mir über den Rücken und ich hörte diese Alarmglocke in meinem Hinterkopf, die die ganze Zeit Warnung! Stranger Danger! meldete. Das konnte er doch nicht wirklich ernst meinen. „Ich kämpfe doch nicht gegen Päderasten!“ „Du kannst dich nicht vor einem Pokemonkampf drücken, wenn du in mein Sichtfeld gerätst.“ „Er hat Recht, Temmie“, stimmte Professor Eich zu. „Die Regeln besagen, dass ein Pokemonkampf unausweichlich beginnt, wenn du dich im Sichtfeld eines Gegners befindest.“ Ich kam mir vor wie in einem scheiß Alptraum. Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein. Was zum Teufel stimmte mit dieser Welt nicht?! „Ich scheiße auf die Regeln“, schrie ich und hatte das Gefühl, als würde mir gleich die Galle hochkommen. „Was stimmt hier bloß mit den Leuten nicht? Mal im Ernst. Nicht nur, dass das hier die wahrscheinlich menschenunfreundlichste Zivilisation ist, die ich seit Duisburg Marxloh gesehen habe, ich werde auch noch dazu genötigt, mich mit potentiellen Päderasten zu bekämpfen, obwohl ich noch ein Kind bin? Ihr habt sie doch nicht mehr alle. Ihr könnt mich alle mal kreuzweise! Wisst ihr was? Ich mach das hier nach meinen eigenen Regeln. Los du Kackvieh, nutz deine komische Feuerattacke und fackle diesen widerlichen Pädophilen ab, oder ich lass dich in der nächsten Stadt einschläfern!“ Nun endlich gehorchte die Feuerechse und spie Feuer. Augenblicklich fingen die Klamotten des gruseligen Mannes Feuer und er rannte schreiend herum, während er versuchte, die Flammen irgendwie auszuschlagen. Ich blieb stehen und beobachtete das Schauspiel mit Genugtuung und beobachtete, wie er sich schließlich auf dem Boden wälzte um seine brennende Kleidung zu löschen. Mit einem zufriedenen Lächeln ging ich weiter und mein Pokemon folgte mir kleinlaut. Mein Job hier war erledigt und es fühlte sich gut an. Doch dann meldete sich Mr. NSA mal wieder, um mir eine Standpauke zu halten. „Temmie, du kannst nicht einfach so Trainer angreifen und sie in Brand stecken! Das ist hochgradig gefährlich und kriminell!“ „Das war Selbstverteidigung“, erklärte ich ihm und suchte meinen Weg weiter durch den Wald. „Zwielichtige Erwachsene, die kleine Kinder im Wald ansprechen und ihnen irgendwelche Tiere zeigen wollen, sind ganz klar kranke Pädophile. Das hat mir jedenfalls die Werbung beigebracht. Und wenn brutale Tierkämpfe erlaubt sind, dann hören Sie damit auf, sich ins Höschen zu machen, weil ich mich gegen einen Perversen zur Wehr setze. Ich bin nur ein hilfloses, armes, kleines zehnjähriges Mädchen. Also halten Sie den Rand, wenn Sie nichts Konstruktives beizutragen haben.“ Nachdem ich noch eine ganze Weile weitergelaufen war und mir nichts als Tauben und Raupen oder merkwürdige Kokonviecher begegnet waren, begann ich mich zu wundern wie spät es wohl war. Ich hatte nicht einmal eine Uhr und ich hatte das Gefühl, schon eine Ewigkeit unterwegs zu sein. Seltsamerweise war ich nicht einmal müde, auch wenn mir langsam die Füße vom Laufen wehtaten. Aber es schien so als würde der Tag hier länger dauern. Zwar war ich kein Experte, aber die Schatten der Bäume waren unverändert und es sah auch nicht danach aus, als würde die Sonne irgendwann untergehen. Eigentlich war das ganz gut, weil ich nicht wirklich darauf aus war, im Wald zu schlafen. Doch ich begann mich trotzdem ernsthaft zu fragen, wie spät es war. Ich hatte nur leider nicht sonderlich viel Zeit dafür, mich damit zu beschäftigen, denn ich wurde immer wieder unterbrochen. Aus irgendeinem Grund schienen es wirklich alle auf mich abgesehen haben aber seltsamerweise sah ich nie, wie andere Trainer gegeneinander kämpften. Das stellte mich vor die Frage, ob auf meiner Stirn „Profiopfer“ geschrieben stand, dass wirklich alle gegen mich kämpfen wollten. Im Ernst, ich war noch gefragter als ein Dildo in einer Nymphomanensiedlung. Zwar hatte ich ein paar hilfreiche Sachen mit, die meine Kampftiere wieder auf Vordermann brachten, aber es ging mir nach einer Weile ziemlich auf den Sack. Und leider war ich nicht sonderlich für mein geduldiges und zartes Temperament bekannt. Nachdem ich knapp fünf bis zehn Trainer in den Boden gestampft hatte und immer noch kein Ausgang in Sicht war, weil ich es nicht auf die Kette brachte, die Orientierung wiederzufinden, hatte ich endgültig genug. Nachdem mir die gefühlt tausendste Raupe in die Quere kam und mich attackierte und meiner Echse langsam die Energie ausging, hatte ich sie gepackt und nach der Raupe geschmissen, um irgendwie meine aufgetaute Wut rauszulassen. Leider hatte ich nicht mehr ganz auf dem Schirm gehabt, dass der Schwanz brannte und damit versehentlich ein Buschfeuer verursachte, nachdem meine Echse in einem der Sträucher gelandet war. Und da ich nirgendwo einen Bach finden konnte und nichts zum Löschen dabei hatte und es recht trocken im Wald war, breitete sich das Feuer schneller aus als mir lieb war. Alles, was ich nur machen konnte war, die Beine in die Hand zu nehmen, das Weite zu suchen und so tun, als wüsste ich nichts über den Vorfall. Blieb nur zu hoffen, dass es keine Zeugen gab, denn noch mehr Ärger mit der Polizei konnte ich echt nicht gebrauchen. Aber zumindest hatte diese Katastrophe etwas Gutes. Zwar war mit großer Wahrscheinlichkeit die Raupenpolulation vollkommen ausgerottet und tausende Tiere und zig Leute sind entweder mit einer schweren Rauchvergiftung davongekommen oder sogar lebendig verbrannt. Aber wenigstens hatte ich endlich meinen Weg aus diesem Triebtäterwald finden können. Das konnte ich zumindest als Teilsieg verbuchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)