Pomaika'i ma ahi von Alaiya (Lavasegen) ================================================================================ Kapitel 2: Hakaka | Kampf ------------------------- Ich (21:23) Wir gehen gleich an Land Rangi (21:25) Was? Für die Nacht? Ich (21:25) Angeblich haben wir das Monster geortet … 😰 Rangi (21:26) … Alles in Ordnung? Ich (21:27) Wird schon. Wünsch mir Glück Es regnete noch immer, als sie am Strand der kleinen Insel vor Anker gingen. Offenbar hatte Hine richtig gelegen – es war Ua Huka. Sie hatten die Insel von der mehr oder minder unbewohnten Nordseite angefahren, da nicht nur Tui hier angeblich den Nifoloa gesehen hatte, sondern auch die Geister Antonio von einer giftigen Aura, die zweifelsohne zur Kreatur gehörte, erzählt hatten. Es war dunkel, als sie an Land gingen und obwohl sie seit dem Nachmittag 120 Meilen zurückgelegt hatten, war ihnen der Regen offenbar gefolgt. Es regnete nicht in Strömen, doch ging ein stetiger, warmer Nieselregen unabhängig auf sie herab und blieb an ihrer Haut hängen. Es fühlte sich widerlich an. Wieder hielt Lucas seine Kette mit dem rauem Kristall vor sich, der nun rötlich zu glühen schien und die Kette immer mehr in eine Richtung zog. Vor ihnen lag ein rauer Steinstrand, der relativ bald in größere Felsen überging, die in der Dunkelheit komplett schwarz wirkten. „Feila“, hörte sie die Stimme Antonios neben sich und wusste, was er wollte. Sie hob die Hand und Flammen begannen diese zu umspielen, beinahe wie den Docht einer Kerze, jedoch ohne ihr zu schaden. Das war ihre Gabe – die Gabe, die sie vor zwölfzehn Jahren von Pele erhalten hatte. Die Flamme war nicht sonderlich hell und wurde vom fallenden Regen zusätzlich gedämpft, aber sie reichte, um vor Hindernissen gewarnt zu sein und zog, anders als ihre Taschenlampen, weniger Aufmerksamkeit auf sich. Der Nifoloa reagierte, wie so viele Insekten, auf Licht, und wurde, wenn man den Legenden glaubte, von diesem angezogen. Da sie das Ungeheuer überraschen wollten, wäre es nicht zuträglich, ein Leuchtsignal bei sich zu tragen. Und so blieben ihre Taschenlampen aus. Im Licht des Feuers schienen die vom Regen nassen Felsen zu funkeln, als sie einen Teil des Lichtes reflektierten. Das Licht offenbarte aber auch einen Weg, der zwischen den Felsen hinauf in den Dschungel, der diese Seite der Insel beinahe komplett bedeckte, führte. Nun, „Weg“ war vielleicht nicht das richtige Wort, doch es gab zumindest einen Durchgang zwischen den Felsen, der es ihnen erlauben über Steine und Geröll bergauf das Inland der Insel zu erreichen. Feila fühlte sich nicht besonders gut ausgerüstet. Sie hatte ihr dunkles Haare zu einem Knoten gebunden, damit es ihr nicht in den Weg kam und trug eine Jeansjacke über ihrem Top. Sie wusste, dass die meiste mundane Kleidung gegen die Kreaturen der Anderswelt ohnehin wenig half, doch reichte die Aussicht, noch einmal auf die riesige Mantis, die sie schon vor acht Tagen auf einer der Samoa-Inseln gesehen hatten, zu treffen, als dass sie sich etwas stärkeres, schweres gewünscht hätte. Außerdem hatte sie einen langen Dolch bei sich, den Antonio ihr in Peru geschenkt hatte. Ein spanischer Parierdolch, hatte er gesagt. Allerdings war sie sich recht sicher, dass der Stachel des Biestes länger war, als diese Waffe. Mit ihrem Taschenmesser brauchte sie es gar nicht probieren. Antonio hatte seinen Stab, in dessen Ende eine gläserne Kugel eingelassen war, bei sich. Die Kugel schien mit einem milchigen Nebel gefüllt, der sich permanent in Bewegung befand. Geister, wie sie wusste. Im Gegensatz zu ihr trug Hine nicht einmal eine Jacke, sondern nur ein Top. Tui, die große Maorikrähe saß auf ihrer linken Schulter und sah sich aufmerksam um. Auch trug sie ein gekrümmtes Schwert an ihrem Gürtel. Die meisten Waffen jedoch hatte Lucas bei sich. Neben den beiden Revolvern in seinen Gürtelholstern, hatte er sich ein Gewehr – um genau zu sein ein Automatikgewehr – auf den Rücken geschnallt und trug gleich mehrere Packen Munition bei sich. Hine hatte sich in den vergangenen Tagen mehrfach darüber lustig gemacht. Auch trug er eine große Machete bei sich und war in eine feste Bikerjacke gekleidet. Als sie den Rand des Waldes erreichten und mehr und mehr Dickicht ihnen den Weg versperrte, begann Lucas ihnen mit der Machete einen Weg zu bahnen. Zumindest jetzt stritten die beiden nicht. Niemand von ihnen sprach. Sie waren zu angespannt, zu vorsichtig. Der Nifoloa war zu gefährlich. Die verfolgten das Wesen seit nun mehr drei Wochen. Es war einige Jahre – laut Antonio etwa 130 Jahre genau – her, dass der Nifoloa das letzte Mal erschienen war. Damals hatte eine Gruppe von Krieger, zusammen mit einem Priester, das Biest in die Anderswelt zurück verbannt und seine physische Form zerstört. Doch wie es mit vielen dieser Wesen war, hatte dies es nicht dauerhaft davon abgehalten, in diese Welt zu kommen. So viel hatte Feila im vergangenen Jahr gelernt: Sowohl Geister, als auch die Wesen der Anderswelt konnten in dieser Welt nicht permanent getötet werden. Viel mehr verloren sie nur ihren Körper in dieser Welt und wurden in ihre Heimatdimension – oder was es auch immer war – zurückgeschickt. Manche Magier, im speziellen Schamanen, wie Antonio, hatten die Fähigkeit die Kreaturen dort mithilfe eines Siegels für eine Weile an einen Ort zu binden und so zu verhindern, dass sie in die physische Welt zurückkehrten. Doch die Zeit korrodierte diese Zauber und irgendwann brachen die Monster frei, und kehrten nicht selten mit Rachegedanken in diese Welt zurück. Feila wusste auch, dass es Magier und andere Wesen, wie einige Gestaltwandler und Naturgeister, gab, die fähig waren, in diese anderen Welten – oder war es nur eine Welt in verschiedenen Erscheinungsformen? – zu reisen und die Kreaturen dort permanent zu vernichten. Doch Antonio besaß diese Fähigkeit nicht. Er konnte, wie die meisten Magier nur in den Astralraum dieser Welt reisen. Vielleicht war dies besser so. Wer wusste schon, wohin sie sonst noch würde reisen müssen? Sie fühlte sich unwohl, als das Glühen von Lucas' Kristall sich mehr und mehr ins rötliche verfärbte. Die nächtliche Luft, die sie umgab, wirkte trotz des Regens schwül. Feila konnte die Pflanzen riechen und das Rascheln der Tiere hören. Immer wieder war der Wald von einzelnen Felsen oder plötzlichen Klippenanstiegen durchbrochen – einige von ihnen waren mit Rissen durchzogen, von denen manche ganze Höhlen ausbildeten. Wahrscheinlich versteckte sich die Kreatur dort. Der Kristall schien genau darauf zu verweisen, als er deutlich auf einen solchen Riss, der sich nach unten hin ausgeweitet hatte, um so den Eingang zu einer Höhle zu bilden. Feila wusste nichts über diese Insel, doch wenn sie – wie so viele der polynesischen Inseln – durch vulkanische Aktivität entstanden war, gab es sicher noch ehemalige Tunnel unterhalb. Sie wollte nicht nach da unten hinab. Das letzte was sie wollte, war dort gegen das Ungeheuer zu kämpfen. „Also“, flüsterte Lucas, steckte seine Machete weg und zog eine seiner Pistolen. „Wollen wir?“ Gespielt galant zeigte er auf den Höhleneingang, offenbar um Hine den Vortritt zu lassen. „Lucas“, zischte Antonio und warf ihm einen warnenden Blick zu. Der Australier zwinkerte ihm nur zu und machte Anstalten, die Höhle zu betreten, als Hine ihn zurückhielt. „Lass mich gehen“, sagte sie, wobei die Worte fraglos Antonio und nicht Lucas galten. Sie musterte den Schamanen. „Ich kann es rauslocken und hierher führen. Wenn wir da unten kämpfen, enden wir im Nachteil.“ Die ganze Zeit hielt sie ihre Stimme gesenkt, kaum mehr als ein Flüstern, das beinahe im Rauschen des Regens unterging. Für einen Augenblick schien Antonio nachzudenken. „In der Höhle können wir es einfacher vernichten. Es hat weniger Möglichkeiten zu fliehen.“ Aber wir ebenso, dachte Feila düster. „Der Nifoloa hat eine größere Reichweite als irgendjemand von uns“, meinte Hine. „Wenn wir gegen ihn in einer engen Höhle kämpfen müssten, kämen wir uns nur miteinander ins Gehege.“ Sie warf Lucas einen Seitenblick zu. „Davon abgesehen, dass ich nicht riskieren will, von einem Querschläger getroffen zu werden.“ Oder einer schlecht gezielten Kugel, schien ihr Tonfall zu sagen. Lucas setzte schon zu einer Erwiderung an, doch Antonio brachte ihn mit einem Handzeichen zum Schweigen. „Du hast Recht“, gestand er dann gegenüber Hine ein. Er holte tief Luft. „Geh. Lock ihn zu den Felsen, in die Nähe des Bootes. Orientier dich an Feilas Feuer.“ „Aber …“, setzte Feila an. Sie hatte keine Lust als Leuchtturm für das Monster zu dienen, doch auch sie wurde von Antonio mit einem Blick zum Schweigen gebracht. Hine warf ihr einen Blick, von dem sie nicht sicher sagen konnte, ob er beruhigend oder herablassend gemeint war, zu und wandte sich dann dem Höhleneingang zu. Tui stieß ein Krächzen aus und erhob sich von ihrer Schulter, um vor ihr auf den Boden zu flattern, während Hine sich für einen Moment zu sammeln schien. Sie schloss ihre Augen und eine seltsame Bewegung, fast wie eine Welle, schien durch ihr glattes Haar zu gehen, ehe dieses sich verformte: Innerhalb einer Sekunde wurde ihr Haar kürzer und verformte sich zu einem Kranz aus Federn, bevor Federn auch den Rest ihres nun deutlich geschrumpften, für eine Krähe jedoch noch immer ungewöhnlich großen Körper bedeckten. Sie war gerade klein genug, um in den Felsspalt hinein fliegen zu können. Noch einmal kurz wandte sie sich an die anderen um, ein intelligentes Glänzen in den gelblichen Rabenaugen, ehe sie losflog und schnell mit der Finsternis der Höhle verschmolz. „Los“, sagte Antonio nur nach einem Moment und wandte sich ab. „Zurück.“ „Du willst sie da alleine runterfliegen lassen?“, fragte Lucas gedämpft. „Die Frau wird am Ende von dem Biest zerfetzt werden!“ „Dann sehen wir besser zu, dass uns nicht dasselbe Schicksal gebührt“, erwiderte Antonio und lief voraus. Feila folgte. Sie hätte am liebsten ebenso etwas gesagt, doch sie wusste nicht was. Es war nicht der Moment zu streiten und sie wusste sehr wohl, dass sie auf Antonios Urteil vertrauen sollte, doch bei allem was ihr heilig war: Sie hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Anders als Lucas brauchte Antonio keine Machete um durch das Unterholz zurück zu kehren. Feila konnte nicht sagen, ob es an seiner Verbundenheit mit den Geistern der Natur lag oder er einfach nur dem Weg folgte, den sie hergenommen hatten. Jedenfalls ging er voraus und schien auch in der Dunkelheit kein einziges Mal zu zögern. Wie weit war der Weg zurück überhaupt? Feila konnte es nicht sagen. Sie hatte keine Uhr und ihr Handy hatte sie am Board des Schiffes zurück gelassen. Immerhin war es ihre einzige Verbindung zu ihrer Familie. Sie konnte es sich nicht leisten, es zu verlieren. Mehrfach zuckte sie zusammen, als ein anderes Geräusch zwischen dem Rauschen von Regen und Meer zu hören. Ein Surren, wie das von gigantischen Flügeln. Doch immer, wenn sie genauer hinhörte, konnte sie es nicht mehr wahrnehmen. Wahrscheinlich war es nur ihre eigene Einbildung. Schließlich verließen sie den Wald wieder und standen auf dem von Gras und Gestrüpp überwucherten Abhang, der zu der Felsküste hinabführte. Antonio schien sich umzusehen und nickte dann, mehr zu sich selbst als zu ihnen. Dann ging er mit entschlossenen Schritten voraus, bis er eine relativ ebene Stelle erreicht hatte. „Hierher“, sagte er und sah zu ihnen hinüber, die sie etwas hinter ihm zurückgeblieben waren. Feila zögerte, bis Lucas sie anstupste. „Komm schon, Kleine.“ Sie zischte. „Nenn mich nicht kleine, Arsch.“ „Aww“, machte er lachend und ging, nun beide seine Waffen in der Hand, während der Kristall wieder um seinen Hals hing und von dort aus sein unnatürliches Licht verbreitete. Widerwillig folgte Feila ihr, während Antonio einen großen Kreis auf der Ebene abging. Er bereitete einen Zauber vor. Wahrscheinlich, vermutete sie, etwas, um dem Biest etwas Kraft zu entziehen oder es später an der Flucht zu hindern, bevor sie es besiegen konnten. Sie bezog am Rand des nun leicht im Gras schimmernden weißen Kreises Stellung und wartete, während sich Lucas in den Schatten eines Felsens zurückzog. „Ruhig, Mädchen“, hörte sie plötzlich die Stimme Antonios neben sich. Sie sah zu Boden. „Ich will nicht kämpfen“, sagte sie dann leise. „Ich weiß“, erwiderte der Schamane nur. „Deswegen reicht es, wenn du uns Licht spendest und den Nifoloa ablenkst. Mehr verlange ich nicht von dir. Denk an den Kikiyaon.“ Der Kikiyaon, das Eulenbiest, das sie im Gambia bekämpft hatten, war nur gänzlich anders gewesen. Es war von Licht abgeschreckt und nicht angezogen worden. „Ich versuche es“, wisperte sie. „Gut“, erwiderte Antonio und machte einige Schritte von ihr fort. „Dann …“ Er ließ das Wort einfach ausklingen, schien sich dabei darauf zu verlassen, dass sie es verstand. Natürlich tat sie das. Aber sie mochte es nicht. Sie mochte es gar nicht. Auf Manu'a hatte sie gesehen, was dieses Ungeheuer mit einem Menschen machen konnte. Sie hatte die Geschichten davon gehört, wie damals, als man es dort vor 130 Jahren besiegt hatte, der Stachel des Nifoloa zurückgeblieben war und selbst nach der Verbannung des Wesens noch Leuchte vergiftet hatte. Das Gift des lebendigen Nifoloas, so hatte sie dort gesehen, raffte Menschen innerhalb von einer Woche mit einem hohen Fieber dahin. Sie hatte einige jener Männer und Frauen, die sich mit dem Wesen angelegt hatten, als es dort aufgetaucht war, gesehen. Sie alle waren einer von Halluzinationen geplagten Halbohnmacht verfallen gewesen. Sie alle waren mittlerweile tot. Laut der Erzählung der Älteren hatte selbst der Stachel des toten Ungeheuers die Menschen noch ihres Mana beraubt. Das Gift hatte sie nicht mehr zu töten vermocht, aber es hatte sie verändert, hatte sie zu einem Schatten ihrer Selbst gemacht, ihnen ein Teil ihres Lebens ausgesaugt. Im Vergleich erschienen ihr sowohl der Alma, als auch der Kikiyaon als relativ zahm. Zumindest waren sie nicht giftig gewesen und hatten stattdessen nur durch ihre Größe und Stärke bestochen. Das Krächzen eines Rabens schallte laut und deutlich Hörbar über die Insel und ließ sie zusammenzucken. Das mussten Hine und Tui sein. „Feila!“, rief Antonio aus, etwas Ungeduld in seiner Stimme. Sie erwiderte nichts. Stattdessen schloss sie die Augen und holte tief Luft, ehe sie sich auf die Hitze, die tief unter ihren Füßen, tief unter der Erde existierte, konzentrierte. Lava, vom Druck der Erde geschmolzenes und erhitztes Gestein. Dies war ein Teil der Gabe Peles. Sie konnte die Hitze spüren. Sie konnte ein Teil der Hitze zu sich befehlen. Sie konnte die Hitze zu einem Feuer formen, das nicht nur ihre Hand, sondern ihren ganzen Körper umspielte. Ein Zischen erklang, als der Regen um sie herum zu verdampfen begann und das Licht ihrer Flammen erhellte die umliegende Landschaft. Es zeigte Details des Waldes, ließ sie den genauen Verlauf der Felsen nachvollziehen und zeigte ihr noch etwas anderes: Während die beiden Krähen auch im Licht der Flammen nur durch ihre Bewegungen ab und an sich vom zugezogenen Nachthimmel abhoben, war die beinahe weiße Gestalt des Nifoloa deutlich sichtbar. Die ganze Zeit verglich Feila es mit einer Mantis, doch dies war nicht gänzlich korrekt. Während das riesige Insekt die längliche Gestalt und auch die seltsam kräftigen und mit Dornen bestückten Vorderbeine einer Gottesanbeterin hatte, so erinnerte der hintere Teil ihres Körpers viel eher an eine langgezogene Hornisse. Die Beine des Wesens wirkten etwas zu klein, auch für ein Insekt und ausgebreitet, wie sie nun waren, flimmerten die eigentlich ebenfalls hornissenartigen Flügel des Wesens in verschiedenen Farben, als sie das Licht des Feuers auffingen und zu reflektieren schienen. Feila wandte ihren Blick ab, auch wenn sie es hasste, das Wesen nicht im Blick zu haben. Doch sie hatte gehört, wie eine der Frauen, die den Angriff des Nifoloa auf Manu'a überlebt hatte, sie vor der hypnotisierenden Wirkung der Flügel gewarnt hatte. Dafür hörte sie, wie das Wesen sich abwandte und dann auf sie zukam. Sie zitterte und dann ließ das laute Knallen eines Schusses sie zusammenzucken. Lucas. Weitere Schüsse erklangen. Offenbar benutzte er sein Gewehr. Ein seltsames Krächzen, nicht wie das eines Rabens, sondern eher wie der Knirschen einer halb eingerosteten Tür, erklang, als das Ungeheuer offenbar von einigen Kugeln getroffen wurde. Dann erklang ein anderer Laut und ein Lichtblitz erhellte die Nacht für einen Moment – selbst für Feila, die weiterhin von ihren Flammen umgeben war, sichtbar. Ein lautes Krachen, gefolgt von einem Schlittern. Offenbar war der Nifoloa zu Boden gegangen. Sie wagte einen kurzen Blick und sah, wie sich der große Rabe auf das Wesen, das nun inmitten des Kreises am Boden lag hinabfallen ließ, und um Sturzflug wieder die Gestalt einer hübschen Frau mit gezogenem Schwert annahm. Die Schüssel verstummten für einen Moment. Da durchlief ein Zittern Feilas Körper. Die Hitze war so groß, schoss es ihr durch den Kopf. Dann: Nicht schon wieder. „Verdammt“, flüsterte sie und bemerkte, wie ihre Beine plötzlich schwach wurden. Sie verlor die Kontrolle über die Flammen, wie es ihr schon mehr als einmal passiert war. Es machte ihr keine wirklichen Probleme eine kleine Flamme, ein kleines Feuer zu kontrollieren, doch immer wenn sie versuchte – wie nun – mehr zu kontrollieren, passierte so etwas. Sie blinzelte. Konnte sie den Zauber fallen lassen? Konnte sie vielleicht die Menge der Flammen reduzieren? Sie hatte den Nifoloa hergelockt. Wie viel Licht brauchten ihre Gefährten? Sie biss die Zähen zusammen. Hine stach auf den Nifoloa ein. Ihr grünlich schimmerndes Schwert schnitt in den Unterkörper des Insektes, das einen verstörenden Laut – eine Art Fauchen – hören ließ. Vielleicht hätte diese Verletzung gereicht, um ein physisches Wesen zu töten, doch mit einem Wesen aus der Anderswelt war es nicht so einfach. Eines der dornenbestückten Vorderbeine des riesigen Insektes schnellte vor – schneller, als dass Hine ausweichen konnte – und traf die Frau knapp oberhalb der Brust, wo es eine blutige Spur hinterließ und ihr Top zerfetzte. Überrascht und in Schmerzen schrie Hine auf, schaffte es aber die zweite Klaue des Nifoloa mit ihrem Schwert abzuwehren, als diese nach ihr schnellte. Sie machte zwei Sprünge zurück, um dem Wesen zu entkommen. Wieder ertönten Schüsse und Feila meinte sehen zu können, wie einer das Wesen direkt zwischen den Flügeln traf, doch es schien diesen Angriff komplett zu ignorieren. Stattdessen waren die grünlichen Facettenaugen offenbar fest auf Hine gerichtet. Feila merkte, wie ihre Beine unter ihr nachgaben. Ihre Knie landeten im Gras und sie schaffte es gerade noch, sich abzufangen, ehe sie zur Seite gefallen wäre. Sie konnte nicht anders. Sie ließ einen Teil der Hitze frei. Wieder schlug eines der Insektenbeine nach Hine, während sich Tui auf das Monster stürzte und auf seinen Kopf einhakte, dann jedoch schnell wieder an Höhe gewann, als es mit seinen eigenen Flügeln leicht schlug, und den Raben so verjagte. Hine wehrte die Dornen ab und versuchte noch einmal selbst anzugreifen, kam jedoch weiter an den Nifoloa heran, der jedes kurze Zögern, jede Pause in ihren Angriffen nutzte, um selbst zu versuchen einen Treffer zu landen. Blut lief auf Hines Wunde und hatte bereits einen guten Teil der linken Seite ihres Tops rot gefärbt, als das Ungeheuer einen Sprung nach vorne machte und es irgendwie schaffte sie umzuwerfen und ihren Körper zwischen seinen Klauen zu fangen. Die junge Frau schrie vor Schmerz und Frustration und versuchte sich loszuwinden, wobei jedoch die kleineren Dornen, die aus den Vorderbeinen hervorwucherten, ihre Haut an mehreren Stellen zerrissen. Unsicher sah Feila zu Antonio, der sie jedoch nicht zu beachten schien. Er hatte die Augen geschlossen und seinen Stab in beiden Händen. Die eingelassene Kristallkugel schimmerte in weißem Licht. Dann war Lucas auf einmal im Kreis, dieses Mal mit seinen Revolvern in den Händen. „Hey, Mistvieh!“ Er feuerte auf die Stelle, wo der rechte Vorderarm des Insekts mit seinem Körper verbunden war und als die Kugeln trafen, explodierten sie in kleine Feuerkugeln. Verzauberte Munition. Es reichte nicht, um den Arm vom Körper zu trennen. Sehr wohl aber reichte es, um den Chitinpanzer – oder woraus auch immer der Körper des Monsters bestand – zum schwelen zu bringen und es zu einem erneuten Fauchen zu bringen. Es fuhr herum und für einen Moment war sein Griff offenbar locker genug für Hine zu entkommen. Sie fiel zu Boden, doch noch bevor sie auf dem Boden aufschlug, hatte sie wieder die Gestalt der großen Krähe angenommen und sich in die Luft erhoben. Wieder schnellte das Wesen herum und ließ einen seltsamen Laut hören, offenbar Missmut darüber, dass seine Beute zu entkommen suchte. Es breitete seine Flügel aus und schien hinterherfliegen zu wollen, als silbrig-weiße Fäden aus dem Boden hervorschossen und sich um die Gliedmaßen des Nifoloa wickelten und es so zurückhielten. „Du bleibst hier!“, rief Antonio aus, seinen Stab erhoben. Das riesige Insekt fauchte und begann sich zu winden. Und dann ging alles ganz schnell. Feila wusste nicht, was geschah, doch als das Insekt erneut mit den Flügeln schlug, begannen die ersten Fäden zu reißen. Es kostete Antonio eindeutig große Kraft den Zauber aufrecht zu erhalten und dann … Die letzten Fäden rissen und auf einmal schoss der Nifoloa auf Antonio zu. Feila handelte instinktiv, noch bevor sie darüber nachgedacht hatte. „Nein!“, rief sie und beschwor neues Feuer – zu viel Feuer. Sie spürte die Hitze durch ihren Körper fließen, sah, wie das Wesen Antonio fast erreicht hatte, sah auch, wie der Feuerschwall sich durch den Kreis ergoss und alles, was ihm in den Weg kam, versengte. Das war das letzte, was sie sah, ehe sich Dunkelheit von den Seiten ihres Blickfeldes ausbreitete und sie schließlich ganz übermannte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)