Let's Run!!! von Mezzo ================================================================================ Kapitel 19: you had one job --------------------------- Dash war aufgewacht, weil er irgendwo in der Ferne seinen Wecksong, Wake Me up Before You Go-Go, gehört hatte. Und noch bevor er so richtig hatte realisieren können, wo er überhaupt war und dass sein Handy noch im Wohnzimmer lag, hatte er Rans Körper an sich gespürt, seine Arme und Beine, die er im Schlaf um ihn geschlungen haben musste. Er hatte den schlafenden Ran, so fest wie das nur ging ohne ihn zu wecken, an sich gedrückt, einfach so mit ihm da gelegen, seine Wärme und seinen Geruch aufgesaugt wie ein Schwamm, bis er ganz von dem glücklichen Gedanken erfüllt war, dass Ran sich heimlich genau so sehr wünschte wie er selbst, dass ihre Geschichte ein Happy End haben würde. Er würde alles daran setzen, es wahr zu machen.   Dieser Gedanke war alles, was ihn durch diesen schrecklichen Morgen getragen hatte.    Als er am Morgen beinahe pünktlich auf der Arbeit ankam, war die Chefin bereits da und erwartete ihn. Sie war misstrauisch wegen seines Fehlens (ob sein Kollege etwas gesagt hatte?), wies ihn mehrmals auf seine zahlreichen Ausrutscher in den letzten Wochen hin, ließ ihm keine Chance, irgendetwas zu erklären. „Sie denken, das Leben ist immer nur Spaß, Herr Glückauf“, fuhr sie ihn an, „Sie nehmen Ihren Job nicht ernst. Wissen Sie überhaupt, was an pünktlichen Zustellungen alles dranhängt? Gerichtliche Fristen, Mahnungen, ganze Existenzen. Das ist alles Ihre Verantwortung. Sie sind noch in der Probezeit. Und wenn Sie dieser Verantwortung nicht gerecht werden können, weil Sie lieber die ganze Nacht feiern und saufen gehen, dann liegt es in meiner Verantwortung–“ „Ich war nicht feiern“, unterbrach Dash ihre Rede, schaute ihr flehend ins Gesicht. „Gut.“ Sie ließ ihn nicht weiterreden. „Ich bin sehr geneigt, Ihnen das zu glauben, aber Sie sind heute Morgen ohne ärztliches Attest hier angekommen. Wenn Sie gestern Nachmittag wieder fit genug zum Shoppen waren“ (sein Kollege hatte etwas gesagt), „dann waren Sie sicher auch wieder fit genug, um zum Arzt zu gehen und sich eine ordentliche Krankschreibung zu besorgen, um zu zeigen, dass Sie das hier ernst nehmen. Ich kann hier keine Leute gebrauchen, auf die ich mich nicht verlassen kann.“ Er würde mit der Wahrheit nicht durchkommen. Wenn er ihr sagen würde, dass er blau gemacht hatte, um seine Ex-Freundin mit einer Shoppingtour aufzuheitern, wäre das für sie keinen Deut besser, keinen Deut verantwortlicher, als wenn er die Nacht durchgefeiert hätte. Er hatte eine einzige Chance, seinen Job zu behalten. „Ich hab ein Attest“, sagte er mit Blick zum Boden, „Ich hab’s zu Hause vergessen, es tut mir leid.“ Sie musterte ihn skeptisch. Er war kein guter Lügner, bestimmt durchschaute sie ihn. „Sie haben eine halbe Stunde, um mit dem Attest wieder hier aufzutauchen. Ohne brauchen Sie erst gar nicht zurück zu kommen.“   Was hatte er sich dabei gedacht? Vor allem, dass er seinen Job nicht verlieren wollte. So weit, dass um die Uhrzeit sicher keine Arztpraxis geöffnet hatte, die ihm mit etwas Glück rückwirkend ein Attest ausstellen würde, hatte er jedenfalls nicht gedacht. Und noch viel weniger so weit, dass seine einzige Chance, an einen Krankenschein zu kommen, eine erneute Konfrontation mit Lunis war. Seine einzige Hoffnung war, dass Lunis sich alleine in Dashs Wohnung vielleicht doch zu langweilen begonnen hatte und wieder heimgefahren war.  Und ihm das gefälschte Attest dagelassen hatte. Das war … arg unwahrscheinlich. Aber die Hoffnung war da. Jedenfalls bis er an der Wohnung ankam und sah, dass Lunis’ Motorrad noch immer im Hof stand.   Er brauchte einen Moment, um sich zu überwinden, aus dem Auto auszusteigen. Er wollte Lunis nicht sehen. Nicht nach allem, was ihm gestern Nacht klar geworden war. Aber er durfte seinen Job nicht verlieren. Er brauchte Geld für Hawaii. Vielleicht würde er es schaffen, unbemerkt die Wohnung zu betreten, den Krankenschein zu finden und sie wieder zu verlassen, bevor Lunis überhaupt etwas davon mitbekommen würde. So früh am Morgen war er garantiert noch im Bett. Ja, das könnte klappen. Das musste klappen. Das war ein Plan. Er spürte, wie sein Puls schneller zu schlagen begann. Er konnte das schaffen. Er ging das Treppenhaus hoch (leichtfüßig wie ein Ninja!), schlich sich seitlich an die Wohnungstür heran (das machte keinen Sinn!), steckte den Schlüssel so vorsichtig und leise wie er nur konnte ins Schloss und drehte um.   Die Wohnung war dunkel, aus dem Schlafzimmer konnte er Lunis’ vertrautes Schnarchen hören. Er war safe. Wo konnte Lunis den Krankenschein hingelegt haben? Gab es überhaupt einen Krankenschein? Ihn überkam die Befürchtung, dass Lunis alles nur behauptet hatte, um ihn zurück zu locken. Er schlich verzweifelt durch die Wohnung, in der Hoffnung, irgendwo den gefälschten Zettel liegen zu sehen und wurde mit jeder Minute, die er ihn nicht fand, nervöser. Dieses komische bunte Lichtflackern, das die ganze Zeit immer wieder die Dunkelheit durchbrach, trug auch nicht gerade zu seiner inneren Ruhe bei. Was war das? Schei–benkleister, das waren seine LED-Schuhe. Oh Gott, was war das für ein Geräusch? Hatte Lunis das Licht bemerkt? Er machte einen panischen Schritt nach hinten und fiel rückwärts über einen Karton, der da im Weg stand. Oh nein, oh nein, oh nein. Das hatte Lunis dashinitiv gehört. Er musste sich verstecken. Er drehte sich auf den Bauch und kroch so schnell er nur konnte unters Sofa, als er auch schon Lunis im Schlafzimmer hörte. Sein Arm, mit dem er sich beim Fallen abgestützt hatte, tat weh.   „Dash, bist du das?“, hörte er ihn durch die Wohnung brüllen. Er wollte weg. Er wollte nicht hier sein. Bloß keinen Mucks machen. Sein Versteck war gut und die Wohnungstür stand noch offen. Vielleicht würde Lunis denken, er wäre wieder abgehauen und zurück ins Bett gehen (Warum war er nicht einfach abgehauen?). Er hörte, wie sich Lunis’ Schritte näherten, er kam ins Wohnzimmer. „Ich weiß, dass du hier bist, Steckdosenlecker.“ Lunis bluffte, er hatte ihn noch nicht entdeckt. Er musste nur ganz ruhig bleiben. Aber mit jedem trampelnden Schritt, jedem verärgerten Schnaufen, mit jedem Mal, dass er sehen konnte, wie Lunis’ Füße die Richtung wechselten, um nach ihm zu suchen, wurde er nervöser. Und sein Arm tat verdammt weh in der Bauchlage. Vielleicht konnte er sich ganz vorsichtig ein ganz kleines bisschen zur Seite drehen… Fuck, seine LED-Schuhe, fuck… Sie hatten durch die Bewegung zu blinken begonnen und offensichtlich nicht vor, wieder damit aufzuhören. Lunis durfte ihn nicht entdecken, alles nur das nicht… Er hielt sich panisch die Hände vors Gesicht.   „Hi“, hörte er da Lunis’ viel zu triumphierende Stimme viel zu nah an seinem Ohr. Er nahm die Hände von den Augen und schaute Lunis, der neben dem Sofa auf dem Boden kniete und seinen Kopf zu ihm hinuntergestreckt hatte, direkt ins Gesicht. „H-h-hi“, versuchte er in einem Anflug von Panik zu lächeln. „So ein Zufall, dich hier zu treffen … in meiner Wohnung … nachts … unter dem Sofa …“ Was redete er da? Lunis schnaubte verächtlich. „Du bist unter dem Sofa, Staubsauger, nicht ich.“ Staubsauger?! Seit wann war das ein Schimpfwort? Lunis sah ihm in die Augen, als würde er auf eine Erklärung warten. „Du brichst also in deine eigene Wohnung ein, weil du zu feige bist, wie ein erwachsener Mensch mit mir zu reden? Das ist echt erbärmlich.“ Nein. Das war nicht, was er hier machte. Okay, vielleicht ein bisschen. Aber er würde ab heute nicht mehr feige sein. Wenn er es nicht für sich selbst schaffte, dann wenigstens für Ran. Er versuchte, unter dem Sofa hervorzurobben. Nicht in Lunis’ Richtung. Besser in die andere. Er stieß sich beim Aufstehen den Kopf am Couchtisch. Zähne zusammenbeißen, Dash. Jetzt bloß keine Schwäche zeigen. Er stellte sich vor der Couch auf, blickte Lunis, der hinter der Couch stand, in die Augen. So gut das im Halbdunkel der Wohnung ging. „Ich brauch den Krankenschein.“ Ein Grinsen huschte über Lunis’ Gesicht. „Wusst ich’s doch.“ Er machte eine theatralische Pause. „Du kriegst ihn nicht.“ „Lunis, ich hab keine Zeit für deine Spielchen. Ich brauch diesen Krankenschein. Ich … verlier sonst meinen Job.“ Was sollte dieser fake-mitleidige Blick? „Spielchen? Soso… Ich weiß, wo du gestern warst, als ich dir geschrieben habe, Dash. Wenn hier einer Spielchen treibt, dann du.“ Was zum…? „Woher–?“ „Trackingfunktion. Ich hab mir Zugriffsrechte auf dein Handy gegeben. Jedenfalls bis du mich dann blockiert hast, um in Ruhe die Hackfresse zu vögeln. Scheint’s ja echt nötig zu haben, dass er dich zurücknimmt.“ Dash holte tief Luft. Nicht provozieren lassen. Er würde nicht wütend werden, Lunis nicht geben, was er wollte. „Lunis, ich frag dich das nur ein Mal. Willst du wirklich dafür verantwortlich sein, dass ich gekündigt werde?“ Lunis zuckte mit den Schultern und machte ein Pupsgeräusch mit den Lippen. „Verantwortlich dafür, dass jemand gekündigt wird, der so tut, als würde er sich Sorgen um mich machen, nur um dann wieder abzuhauen und mich im Regen stehen zu lassen? Damit kann ich leben.“ Dash wusste, was Lunis wollte. Eine Rechtfertigung. Eine Entschuldigung. Er würde sie ihm nicht geben, es reichte.   „Fick dich, Lunis.“ Hatte er das gerade wirklich gesagt? „Ich hab gesagt ich frag nur einmal. Ich brauch deinen Krankenschein nicht.“ „Aber–“ Da war es, Lunis’ verzweifeltes kleines Aber, der mitleiderregende Blick, mit dem er ihn sonst immer gekriegt hatte. Er drehte ihm den Rücken zu, ging schnurstracks Richtung Wohnungstür. „Das war das letzte Mal, dass du mir mein Leben kaputt machst. Und wenn du bis heute Mittag nicht aus meiner Wohnung verschwunden bist, hol ich dich mit der Polizei raus.“ „Dash–“ Er schaute nicht zurück, aber er konnte hören, dass Lunis weinte. „Fick dich, Lunis.“ „FICK DICH HÄRTER!“ Lunis’ Wutschrei hallte durchs gesamte Treppenhaus, während Dash das Gebäude verließ.   Er war seltsam ruhig geblieben, als er ins Auto eingestiegen war und die Chefin angerufen hatte. Er hatte ihr ohne viele Details die Wahrheit erzählt. Sie war nicht ausfallend geworden, hatte sich für seine Ehrlichkeit bedankt, aber auch deutlich gemacht, dass er nicht mehr auf der Arbeit zu erscheinen brauchte. Aus irgendeinem Grund hatte es sich nicht angefühlt, als würde seine ganze Welt zusammenbrechen, so wie bei all den anderen kleinen und großen Katastrophen, die Lunis schon in seinem Leben ausgelöst hatte. Stattdessen war er ein bisschen … stolz auf sich. Er hatte sich nicht auf Lunis’ emotionale Erpressermasche eingelassen, und das obwohl so viel auf dem Spiel gestanden hatte. Er hatte ihm endlich die kalte Schulter gezeigt, so wie es schon die ganze Zeit sein scheinbar unerfüllbarer Vorsatz gewesen war. Dass er jetzt die Kraft dazu gehabt hatte, war Rans Verdienst. Es fühlte sich ein bisschen an, wie nach Hause zu kommen, als er an seiner Wohnung ankam und die Klingel drückte. Auch wenn er noch keine Ahnung hatte, wie er Ran das alles erklären sollte.   „Hi…“, sagte er unsicher in die Sprechanlage. „Hey, Postmann.“ Ran war unerwartet gut gelaunt. „So früh heute?“ Er schaute ihn verwirrt an, als er so ganz ohne Pakete die Treppe hinaufkam. „Ohne Dienstuniform? Ist die in deiner Wohnung?“ Dash betrat wortlos die Wohnung, machte die Tür hinter sich zu und lehnte sich mit dem Rücken daran, bevor er es schaffte, loszureden. „Ich bin kein Postmann mehr.“ Ran starrte ihn mit fragendem Blick und offenem Mund an. „Ich … wurde gekündigt.“ Wieso kamen ihm denn jetzt doch die Tränen? Gerade im Auto war er doch so stolz auf sich gewesen. „Ich dachte, ich sag der Chefin einfach die Wahrheit, aber sie hat mich nicht zu Wort kommen gelassen und wollte ein Attest haben und deshalb bin ich zurück in die Wohnung, weil ich gehofft habe, Lunis wäre schon weg und hätte es da gelassen, aber er war noch da, also hab ich versucht mich reinzuschleichen, aber–“ „Warte, warte, warte, was?“, unterbrach Ran seinen Redeschwall mit sichtlich zunehmender Verwirrtheit. „Welches Attest? Welche Wahrheit? Wovon redest du überhaupt?“ „Oh, das … konnte ich dir gestern gar nicht mehr erzählen … ich …“ Er ließ sich, den Rücken immer noch an der Tür, auf den Boden sacken, „…ich hab was Dummes gemacht.“ Er erzählte Ran, der sich neben ihn auf den Boden im Flur setzte, die ganze Geschichte davon, was am Vortag passiert war. Wie er sich wegen Lunis auf der Arbeit krank gemeldet und dann mit ihr shoppen gegangen war, dass der Kollege die beiden gesehen hatte und so weiter, bis zu dem Punkt, als er sich in die Wohnung geschlichen hatte, um den Krankenschein zu suchen. „Was bist du denn für ein Alpha-Kevin?! Wieso–“, fuhr Ran ihn haareraufend an. Dash musste noch mehr weinen. „Oh Gott, tut mir leid, ich wollte nicht deinen Namen als … Beleidigung … das …“ Es war ihm sichtlich peinlich. „Nein, mir tut es leid.“ Dash blickte ihm reuig in die Augen. „Ich war echt ein Alpha-Kevin.“ Das Wort brachte ihn ein wenig zum lachen. „Aber ich hab meine Lektion gelernt. Und ich hab mich gut geschlagen bei Lunis. Heute hab ich mich nicht mehr kleinkriegen gelassen. Er wollte den Krankenschein nicht rausrücken und ich hab ihm gesagt –“ Er konnte das doch vor Ran nicht wiederholen. „Ich hab ihm gesagt, er kann mich am Popo lecken.“ Ran entwich ein unangemessen lauter Lacher. „Hast du das echt so gesagt?“, hakte er kopfschüttelnd nach, als er sich wieder halbwegs beruhigt hatte. Dash schüttelte amüsiert den Kopf. „Ich hab was Schlimmes gesagt“, gab er zu. „Was denn?“, bohrte Ran weiter nach. „Das kann ich nicht nochmal sagen.“ „Rück schon raus mit der Sprache.“ Wieso wirkte Ran so belustigt? „Ich hab gesagt…“ Ran schaute ihn erwartungsvoll an. „Fick dich, Lunis.“    Rans Kiefer fiel herunter und er gab Dash ein amüsiert-anerkennendes Nicken. „Wow, Dash“, schmunzelte er, „Wow, ich bin beeindruckt.“ „Wirklich?“, strahlte Dash ihn an. Ran war beeindruckt. „Und dann bin ich einfach raus ohne mich nochmal umzudrehen und hab ihm gesagt, dass er bis heute Mittag verschwinden soll, weil wir ihn sonst mit der Polizei holen kommen.“ Ran nickte noch einmal. „Nicht schlecht. Ich bin stolz auf dich.“ Ran war stolz auf ihn. Das fühlte sich schön an. „Aber dafür bin ich jetzt meinen Job los“, lenkte er ein. Ran gab ihm ein aufbauendes Lächeln. „Wir finden schon was Neues für dich.“ Dash versuchte das Lächeln zu erwidern, aber nach und nach wurde die Schwere der Situation in seinem Kopf immer realer. Ran stand vom Boden auf und reichte ihm eine Hand, um ihm aufzuhelfen. „Setz dich erst mal ins Wohnzimmer. Ich muss mich gleich beim Support anmelden. Willst du … ein Eis haben? Ich müsste noch welches im Gefrierfach haben. Zum Trost.“ Dash nickte. Und gleichzeitig musste er an die vielen leeren Eisbecher denken, die er gestern Abend im Wohnzimmer gesehen hatte. Ran schien ziemlich viel Trost gebraucht zu haben wegen ihm, das machte ihm immer noch ein schrecklich schlechtes Gewissen. Hatte er heute Morgen so schnell schon wieder alles aufgeräumt? „Ich hoffe du magst Cookie Dough“, kam Ran mit einem großen Vorratsbecher und einem Esslöffel, die Dashs Mundwinkel unweigerlich wieder nach oben wandern ließen, aus der Küche zurück. „Und ob“, grinste er und nahm das Eis dankbar entgegen. „Hast du Lust, online Jobanzeigen durchzuschauen, während ich arbeite? Nicht, dass ich dich jetzt durchfüttern muss.“ „Mit so süßem Zeug?“, lachte Dash, während er sich bereits den ersten Löffel Eiscreme in den Mund schob. Mmmh. „Überleg’s dir gut, du könntest mein Sugardaddy werden.“ Er versuchte, sexy eine Augenbraue zu heben. Ran stieß einen prustenden Lacher aus. „Oh Mann … Vom Twink zum Sugardaddy in unter zwölf Stunden. Mit meiner Karriere geht’s steil bergauf“, schüttelte er den Kopf. „Ich hoffe, du bist jetzt in der richtigen Stimmung, um Lunis anzuzeigen. Das machen wir nämlich heute Mittag.“  Dash nickte. Und ob er das war. Lunis hatte zum letzten Mal sein Leben zerstört. Er hatte endlich einen Schlussstrich gezogen, ja, aber er stand schon wieder ohne alles da, musste schon wieder ganz von vorne anfangen. Selbst wenn er direkt wieder einen Job finden würde, würde es noch länger dauern, genug Geld für Hawaii zusammen zu kriegen. Ob Ran ihn bis dahin überhaupt noch wollen würde?   „Es ist schon wieder alles kaputt…“ Er versuchte angestrengt, nicht schon wieder zu weinen. Aber Ran setzte sich zu ihm, ganz nah zu ihm, und nahm seine Hände. „Hey, nicht alles…“ Dashs Herz begann wie wild zu klopfen. Wollte Ran damit wirklich sagen, was er glaubte, dass er sagen wollte? Würde er ihnen wirklich noch eine Chance geben? Die Tränen liefen aus seinen Augen, aber sie hatten sich in Freudentränen verwandelt. Er drückte seine Stirn gegen Ran und sie schauten sich in die Augen, so vertraut, als würden sie sich schon ewig kennen, als wüsste Ran ganz genau, was in ihm vorgeht. Einen Moment lang wünschte er sich einfach nur, dass dieser Moment, dieses schöne warme Gefühl, ewig anhalten könnte. Aber dann wurde ihm die Realität schlagartig wieder bewusst. „Aber du gehst weg.“ Er würde wieder alleine sein. „Und wenn ich keinen super guten neuen Job finde, dann kann es ewig dauern, bis ich genug gespart habe, und…“ „Ich weiß ja noch gar nicht, wann ich weg gehe“, unterbrach ihn Ran und fügte ganz leise hinzu: „Oder ob…“   Oder ob? Hatte Ran das gerade wirklich gesagt? Ein Lächeln legte sich auf Dashs Gesicht. Dachte Ran wirklich darüber nach, für ihn da zu bleiben? Sein Herz begann ganz aufgeregt in ihm herumzuhüpfen. Warum hatte Ran den Blick abgewendet und sah gar nicht so glücklich damit aus? „Wie … meinst du das?“, fragte er unsicher nach. „Ich … hab noch nicht auf die E-Mail geantwortet“, gab Ran mit Blick nach unten zu, „Vermutlich haben die eh schon jemand anderem den Job gegeben.“ Dash war verwirrt. Ran wollte den Job. „Aber … warum?“ Rans Augen wanderten hin und her, er schien angestrengt seine Gedanken zu ordnen. „Ich … weiß nicht … vielleicht stell ich mir nur alles total toll vor, aber in Wirklichkeit ist der Job scheiße oder der Chef ein Arsch oder die Kollegen hassen mich … und dann bin ich ganz alleine irgendwo ganz weit weg, wo ich niemanden kenne … ich meine, hier kenne ich auch quasi niemanden … aber ich weiß, wie alles funktioniert … ich weiß, wie Ämter funktionieren oder … Krankenversicherungen … oder wo ich Eiscreme-Vorratsbecher her bekomme, wenn alles scheiße ist … oder … keine Ahnung … Ich hab hier kein tolles Leben, aber ich komme klar … Was, wenn ich das alles aufgebe und dann auf Hawaii nicht klarkomme???“  Dash öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber er wusste nicht was. Er wünschte sich so sehr, dass Ran hier bleiben würde. Aber das war nicht richtig… „Du würdest dich doch freuen, wenn ich da bleibe, oder?“ Ran blickte ihn unentschlossen an. „Das wär das Schönste, ja“, antwortete Dash und musste sich überwinden, weiter zu reden, „Aber ich will nicht, dass du mich als Ausrede benutzt.“ Einen Moment lang schwiegen sie sich betreten an.    „Du willst diesen Job, oder? Das ist so ein Job, wie du dir immer gewünscht hast.“ Ran nickte wortlos. „Manchmal muss man eben Risiken eingehen, damit etwas Tolles passieren kann.“ Ran verzog den Mund. „Sowas Tolles wie Kündigungen und belagerte Wohnungen und verkackte Studienabschlüsse?“ Autsch. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Ran sah mindestens ebenso verlegen aus. „Ich … wünschte das Leben hätte Savepoints“, sagte er schließlich und wirkte ein bisschen, als wäre das die verzweifelte Konklusion aus sehr vielem, was ihm gerade durch den Kopf gegangen sein musste. Nach einer kleinen Pause fügte er noch hastig hinzu: „Dann würd ich diese Unterhaltung nochmal neu starten.“ Das hieß wohl, dass ihm die letzte Aussage leid tat. „Hey, das … ist schon wieder vergessen … von meinem persönlichen Memoryboard gelöscht und wir reden später nochmal in Ruhe über den Job, okay?“, schenkte er Ran ein Lächeln, das dieser betreten erwiderte. „Das … funktioniert so nicht, du bist kein Android oder sowas.“ „Aber ich hab ein Gedächtnis wie ein Sieb, das kommt aufs Selbe raus“, grinste Dash. „Das erklärt zumindest einiges“, schüttelte Ran den Kopf.    „Gibst du mir noch dein WLAN-Passwort? Dann lass ich dich auch in Ruhe arbeiten“, bat er Ran. „Du meinst mein W-RAN-Passwort!“, grinste Ran zurück und Dash konnte seine Freude nicht verbergen, als er tatsächlich das W-RAN auf der Liste der verfügbaren Netzwerke entdeckte.    Ran war dashinitiv der Richtige für ihn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)