Breathtaking von MoonyLupin ================================================================================ Kapitel 1: Aftermath -------------------- „Was ist los, Großer?“ Es war eine Ewigkeit her, seit sein Dad ihn das letzte Mal so genannt hatte. Der Knoten in seinem Hals zog sich enger. Als ob es die Worte waren, die plötzlich einen Schalter umlegten, der den ganzen Tag schon darauf gewartet hatte, beachtet zu werden. Er war erst einen Tag zu Hause. Ein Tag, der nicht schnell genug hatte kommen können und von dem sich doch jede Sekunde wie ein endlos langer Sprint anfühlte. Nate hatte fest damit gerechnet – gehofft - dass sich, kaum zu Hause angekommen, das komische Gefühl von selbst in Luft auflösen würde. Dass er seinen Koffer wie jedes Jahr achtlos im Hausflur stehen lassen, zwei Wochen lang die nervigen Aufforderungen seiner Mutter endlich seine Sachen wegzuräumen, bejahen und doch ignorieren würde, bis das schwere Gepäckstück schließlich wie von selbst für die bevorstehenden Sommerferien zu Staub und Socken unter das eigene Bett wanderte. Es war jedes Jahr das Gleiche und auch jetzt stand der Koffer mit all den Büchern, der dreckigen Wäsche und Überbleibseln vom vergangenen Jahr unpraktisch im Weg zwischen Küchentür und Kommode und seine Mum musste jedes Mal halb darüber steigen, damit sie überhaupt ans Telefon kam. Es war alles wie immer. Also wieso fühlte es sich dann nicht so an? Wieso war es so anders, als sein Dad ins Wohnzimmer kam, die ungewohnt sorgenvolle Miene nur vom warmen Licht der Leselampe in der anderen Ecke des Raumes erhellt. Mum und Thilda waren schon längst im Bett. Es war spät und schon dunkel. Nur er war heute noch kein einziges Mal in seinem Zimmer gewesen. Der junge Gryffindor schob die Handflächen tiefer zwischen das weiche Sitzpolster der Couch und den eigenen, angespannten Oberschenkeln. Nicht, dass er bis dato gemerkt hatte, wie starr sich sein Körper wirklich anfühlte. Aber als sich das Polster neben ihm unter dem neuen Gewicht senkte, als die vertraute Stimme seines Dads leise aber auffordernd an der Schnur um seinen Hals zog, und er, statt dem Druck in seiner Brust nachzugeben, sich auf die Unterlippe biss, nur damit ihm genau dieser dünne Faden nicht abhanden kam, schien stattdessen die gesamte Ladung über ihm einzubrechen. Er wusste nicht mal was es war. Aber als er seinem Dad in die Augen sehen wollte, musste er blinzeln, um ihn überhaupt richtig zu sehen. Die Tränen bemerkte er erst jetzt. „Ich kann nicht- nicht mehr zu-zurück gehn...“ Er musste schlucken, zu überfordert von der Kombination aus rohem Schmerz in der Kehle, den bebenden Luftzügen, die sich trotz allem schnappend nach vorn drängten, und den Worten, die versuchten sich noch irgendwo dazwischen nach draußen zu kämpfen. Dass es überhaupt seine Stimme war, die da krächzte, wusste er nur, weil jedes Wort so verdammt schwer über die eigenen Lippen rollte. Er wollte den Kopf schütteln, aber alles was er tat, war die Hände noch tiefer in das Polster unter seinen Beinen zu vergraben und die Nase hochzuziehen, die drohte dem salzigen Geschmack auf seinen Lippen zu folgen. Harry sagte nichts, als er den Arm um die bebenden Schultern legte, und Nate wünschte sich, es würde zumindest nicht so verdammt wehtun. Dass es wenigstens das einfacher machen würde. Er wusste nicht mal, warum es so wehtat. „S-Sag‘s nicht Mum…“ Seine Nase tropfte auf die ausgewaschene Jeans, die er schon vor zwei Tagen auf den Wäschehaufen hätte verbannen sollen. „Bitte sag‘s nicht M-Mum...“ Seine Hand löste sich erst von der Couch, als er das Gesicht unfreiwillig in das Hemd seines Dads vergrub, die eigenen Finger ungefragt folgend. Es war ewig her, dass sein Dad ihn so gehalten hatte; dass die warme, große Handfläche über seinem Ohr nur die beruhigend tiefe Stimme in tröstenden Wellen hindurch ließ. Keine Worte, nur Laute. Zwischen dem eigenen Schluckauf an Tränen kaum zu hören. Für Nate das einzige, das er wahrnahm. Die Nacht war lang. Als es hell wurde, war sein Koffer aus dem Flur verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)