Abgründig von michischreibt ================================================================================ Kapitel 17: ------------ Am darauffolgenden Tag reichte David ein Blick ins Café um zu bemerken, dass es wieder die neue Bedienung war, die den Gästen ihre Bestellungen servierte. Seltsamerweise fiel ihm die Entscheidung, auf den Kaffee an diesem Spätnachmittag zu verzichten, nicht schwer. Der Wind hatte nachgelassen und es war einigermaßen lau, wenn auch bewölkt. Nun hatte er sich also entschlossen, nicht ins Café zu gehen, aber was sollte er stattdessen tun? Er machte ein paar Schritte in Richtung Mitte des Platzes, konnte dort aber kein bekanntes Gesicht ausmachen. Vor allem konnte er Gabriel nirgends entdecken. Irgendwie war er die ganze Zeit davon ausgegangen, dass der Maler immer hier war, doch offenbar stimmte das nicht. Er hatte sich ja auch nie bei Gabriel erkundigt. Als er seinen Blick noch einmal über die Umgebung schweifen ließ, fiel ihm in einer abgehenden Seitenstraße ein Zeitungsständer auf. Da er sowieso keine anderen Pläne hatte, ging er darauf zu und inspizierte wenige Augenblicke später die Auslage. Auf den Titelseiten der Zeitungen war diesmal aber nichts von den verschwundenen Personen zu lesen. Eigentlich ein komischer Zufall, dass er zur selben Zeit, als ihm diese Titelstory des Regionalblatts über die vermisste junge Frau ins Auge gestochen war, Gabriel begegnet war. Und dann diese Ähnlichkeit des Gemäldes mit der Vermissten … David wusste seine eigenen Empfindungen nicht zu deuten – Neugierde? Unbehagen? Oder gar Angst? Nein, Angst war es nicht. Das Gefühl der Angst war ihm mehr als vertraut. Aber Unbehagen verspürte er definitiv bei dem Gedanken, jetzt schon in seine Wohnung zurückzukehren. Was sollte er also tun? Es würde noch eine Zeit lang hell bleiben. David verstärkte den Griff um seine Aktentasche und marschierte los. Die Innenstadt wurde mit fortschreitender Zeit lebendiger, David lief jedoch gegen den Strom an. Je weiter er ging, desto weniger Leuten begegnete er. Der Verkehr auf den Straßen neben ihm verschwamm zu einem monotonen Brummen. Seine Absätze klackten gleichmäßig auf dem Asphalt, unterbrochen nur von Wartezeiten an Ampeln, die er pflichtgemäß einhielt. Erst als er näher an das Gewerbegebiet kam, wurde es lauter um ihn. Laster, ab und zu Baumaschinen, doch auch hier hatte die Geschäftigkeit schon viel durch den nahenden Feierabend eingebüßt. David kam an einem Imbiss vorbei, an dem sich bereits eine kleine Menschentraube für ein Feierabendbier angesammelt hatte. Es roch nach Bratwurst und Frittierfett. Er passierte die lachenden, zum größten Teil gutgelaunten Leute und bog dann in die Straße ein, in der Gabriel sein Atelier und seine Wohnung hatte. Unwillkürlich begann Davids Herz schneller zu schlagen. Was machte er hier? Was sollte er antworten, wenn Gabriel ihn danach fragte? Sofern der überhaupt zu Hause war. Unwägbarkeiten, die auf einmal in Davids Bewusstsein sprangen und die ihn langsamer werden ließen. Ihn aus der Trance, in der er den Weg hierher bestritten hatte, rissen. Es waren die gleichen Zweifel, die ihn vor zwei Tagen erst ebenfalls aufzuhalten versucht hatten. Da jedoch war er ihnen Herr geworden. Heute wusste er, worauf er sich einließ. Oder bildete er sich das nur ein? Stück für Stück näherte er sich Gabriels Behausung. Hinaus zur Straße gab es keine Fenster, also war rein gar nicht zu erkennen, was im Innern los war. Der Innenhof, auf den die große Fensterfront des Lofts einen guten Ausblick gewährte, war von einer hohen Mauer umgeben, die David jetzt sogar von der anderen Seite aus erkannte. Vielleicht war das früher einmal eine Einfahrt für Laster gewesen? David schluckte, fuhr sich mit den Fingern ein letztes Mal durch die Haare und drückte auf den Klingelknopf. Dann wartete er. Weglaufen konnte er jetzt nicht mehr, doch es blieb alles still. Wie viel Zeit war vergangen? Sollte er noch einmal klingeln? Wenn Gabriel nicht da war, würde das nichts bringen. David wechselte die Hand, mit der er seine Aktentasche hielt und klingelte ein weiteres Mal. Irgendwo machte sich Erleichterung in seinem Innern breit. Die ganze Aufregung umsonst. Fast konnte er über sich selbst lachen. Es war immer noch alles ruhig. David machte einen Schritt nach hinten, wandte sich um machte sich auf den Rückweg. Warum war er erleichtert? Das Lachen, das er sich gerade eben noch selbst entlockt hatte, schlug in Bitterkeit um. Weil er ein Feigling war, deshalb. Er war kaum ein paar Meter weit gekommen, als es leise hinter ihm klapperte und eine Stimme überrascht seinen Namen ausrief: „David?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)