Raupe im Neonlicht von Noxxyde ================================================================================ Kapitel 45 ---------- Was zuletzt geschah: Jonas‘ Geburtstag kommt, geht und lässt neben einer Fülle an Erinnerungen auch eine wohlbekannte Lederjacke zurück. Umgeben von seinen Liebsten, werden Jonas zwei Dinge bewusst: 1. Er ist glücklich wie nie zuvor. 2. Er möchte seine Eltern lieber früher als später in dieses Glück einweihen.   Kapitel 45 Vöglein sangen, Bienen summten, die Sonne sandte ihre Strahlen über die Erde – Jonas saß hingegen müde und mies gelaunt am Esstisch, musste wiederholt blinzeln, bevor er den Text auf seinem Display entziffern konnte.   Erik, 01:53 Uhr Entschuldige, ich habe deine Nachricht erst jetzt gelesen. Ich würde dir auch eine schöne Nacht wünschen, aber vermutlich schläfst du schon lang ;) Heute ist übrigens die Hochzeitseinladung von Marco und Drago gekommen. 21. Oktober steht! Außerdem soll ich dir schöne Grüße von Sophia ausrichten. Sie bedankt sich für die Gastfreundschaft und hofft, dich bald mal wiederzusehen.   Du, 08:37 Uhr macht nix, hab auch so gut geschlafen   Du, 08:37 Uhr sagst du für uns beide zu?   Du, 08:37 Uhr und natürlich auch schöne grüße an sophia! dimi liegt clemens wohl täglich damit in den ohren, wie sehr er sie vermisst   „Jonas! Leg das Handy weg!“ Seine Mutter knallte den Brotkorb auf den Tisch. „Wir wollen frühstücken! Und ich wünschte wirklich, du würdest dieses unsägliche Ding in deinem Gesicht wenigstens zum Essen rausnehmen.“ „Das is‘ ‘n Piercing, Mama und das bleibt genau da, wo es is‘. Und beim Handy habt ihr die Wahl: Entweder, ihr lasst mich länger als bis acht pennen, oder ich verbringe den Morgen so, wie ich will.“ „Heute mit dem falschen Fuß aufgestanden, Brüderchen?“ Gelassen träufelte Christine Honig auf ihre Vollkornsemmel. „Nee, zur falschen Zeit aufgestanden.“ „Oh, ja, ich wette, du und Erik schafft es normalerweise nicht vor zwölf aus den Federn.“ Christines Gesicht wurde weiß, noch bevor sie ihren Satz beendet hatte, Jonas dagegen fühlte Hitze auf seinen Wangen. Hoffentlich … „Wer ist Erik?“, piepste seine kleine Schwester Vroni. „Shit, sorry“, flüsterte Christine hinter vorgehaltener Hand. Jonas zerbrach sich den Kopf, wie er darauf antworten sollte, brachte am Ende jedoch nur das wenig kreative ‚ein Freund‘ zustande. An seine Eltern gewandt schob er hinterher: „Hab ihn sicher mal erwähnt. Der, der mal in meiner Nähe gearbeitet hat.“ „Ach, stimmt, da war was.“ Neugierig neigte seine Mutter den Kopf. „Hast du gerade gesagt, er hätte mal in deiner Nähe gearbeitet? Tut er das jetzt denn nicht mehr?“ „Ähm …“ Dann ist jetzt wohl die Zeit gekommen, ihnen endlich reinen Wein einzuschenken. Jedenfalls teilweise. „Doch. Aber ich wohn nich‘ mehr da.“ Nun ließ sogar sein Vater die Zeitung sinken. „Wie meinst du das, ‚du wohnst nicht mehr da‘?“ „Ich bin umgezogen. Zu, ähm, Erik. Hat sich irgendwie so ergeben. Is‘ auch näher an der Uni und generell ‘ne viel bessere Gegend und, ähm ...“ „Warum erfahren wir erst jetzt davon?“, fragte sein Vater vorwurfsvoll. „Was, wenn wir dir einen Brief oder ein Päckchen geschickt hätten?“ „Ich hab ‘nen Nachsendeauftrag eingerichtet und außerdem gibt’s die Wohnung ja noch. Also, ich wohn noch drin, offiziell. Die Kündigungsfrist endet erst diesen Monat.“ Entgeistert ließ seine Mutter ihr Schinkenbrötchen sinken. „Hast du etwa die ganze Zeit doppelte Miete gezahlt?“ „Erik is‘, ähm, er is‘ mir da ‘n bissl entgegengekommen. Ich zahl erst mal bloß Nebenkosten“, tatsächlich musste er nicht einmal das, „und dann genau den Mietanteil, den ich davor für die Wohnung gezahlt hab.“ „Ein Zimmer für den Preis einer ganzen Wohnung erscheint mir ein wenig teuer“, wandte sein Vater ein. „Nee, ähm, die Wohnung is‘ echt groß. Und schön! Und Erik is‘ auch echt, ähm, nett.“ Jonas starrte auf seine Finger. Die Blümchenserviette dazwischen bestand nur noch aus Fetzen „Wollt ihr nich‘ … Wollt ihr mal zu mir nach Berlin kommen?“ Jetzt fühlte er nicht nur die Blicke seiner Eltern auf sich, sondern auch Christines. „Ich mein, das letzte Mal wart ihr vor ‘nem Jahr da und seitdem hat sich echt ‘ne Menge geändert. Kommt doch mal vorbei und guckt euch an, wie ich so leb.“ „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist“, setzte sein Vater an. „D–“ „Also, ich finde das eine ganz ausgezeichnete Idee“, unterbrach Christine. „Ihr solltet ja wohl wissen, wo euer Stammhalter wohnt, oder nicht?“ Vielleicht wollte Christine nur ein paar Tage sturmfrei, bevor sie ihr Elternhaus endgültig verließ, vielleicht hatte sie aber auch Jonas‘ Plan verstanden. Er hoffte auf letzteres, denn in diesem Fall konnte er davon ausgehen, nicht auf dem völlig falschen Dampfer zu sein. Wenn seine Eltern nur sähen, wie er lebte, wie glücklich er war und wie großartig der Mensch an seiner Seite … Das würde sicher den ersten Funken zur Akzeptanz zünden. Sie konnten danach unmöglich einfach mit den Schultern zucken und ‚trotzdem abnormal und widerlich‘ denken. Oder? In Gedanken versunken, hatte Jonas die Hälfte der dank seines Vorschlags aufgeflammten Diskussion verpasst. „I konn auf‘d Gloa aufpassen“, bot seine Oma gerade an. „Und in da Wirtschoft gibt’s a boh Dog ebn bloß Brodzeit fürd Leit.“ „Kommt schon“, drängte Christine. „Oma und ich haben alles im Griff und Vroni ist alt genug, um mal ein paar Tage ohne euch auszukommen. Wann hattet ihr das letzte Mal Urlaub?“ Jonas‘ Vater schüttelte den Kopf. „Ich mag die Stadt nicht. Mal einen Tag, von mir aus, aber das lohnt sich mit der Fahrt nicht und eine ganze Woche ist mir zu lang.“ „Dann ‘n Wochenende!“ Jonas flehte beinahe. „Das ist kaum besser als ein Tag.“ „Dann eben–“ „Jonas, nein“, würgte sein Vater ihn ab. „Wir haben dich gerne hier, aber Berlin muss nicht sein.“ Jonas‘ Mutter ließ ihre Fingernägel hörbar gegen ihre Kaffeetasse klackern. „Ein Wochenende in Berlin ist vielleicht nicht das Richtige für uns, aber …“ Sie wandte sich an ihren Mann. „Hans und Margarete haben uns schon so oft zu sich an die Ostsee eingeladen. Da liegt Berlin ja fast auf dem Weg. Wir könnten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und auf der Durchreise bei Jonas vorbeischauen.“ Dieser sah die Bemühungen seines Vaters, einen Grund zu finden, sein gemütliches Heim nicht verlassen zu müssen und jubelte innerlich, als er offensichtlich scheiterte. „Wir müssen das noch näher besprechen …“ Trotz dieses letzten Aufbegehrens wusste jeder, dass der Kampf gewonnen war. Jetzt jubelte Jonas auch laut.   Das leise Ruckeln des Zugs drohte Jonas einzulullen, doch die kreischende Kindermasse hinter ihm und der Ellbogen seines Sitznachbarn, der regelmäßig präzise dieselbe Rippe traf entpuppten sich als zuverlässige Weckrufe. Wenigstens würde er in etwa einer Stunde in Berlin ankommen, vorausgesetzt, die Verspätung, die die Bahn bis jetzt hatte dehnte sich nicht noch aus. Frustriert warf er einen Blick auf sein Handy.   Erik, 14:27 Uhr Hey :) Ich fahr noch ins Schwimmbad und gehe danach einkaufen, bin also wahrscheinlich nicht da, wenn du ankommst. Ruh dich ein bisschen aus, wir haben abends noch Pläne!   Du, 14:32 Uhr kein ding.   Du, 14:32 Uhr …   Du, 14:33 Uhr was für pläne?   Erik, 14:34 Uhr Du warst brav. Dafür hatte ich dir eine Belohnung versprochen.   Rasch breitete Jonas seine Lederjacke über seinen Schoß. So sehr er in den vergangenen Tagen auch in Versuchung gekommen sein mochte, er hatte sich an Eriks Forderung gehalten und in den zwei Wochen bei seinen Eltern kein einziges Mal Hand an sich gelegt. Was bedeutete, dass er permanent kurz vorm Explodieren stand.   Du, 14:35 Uhr verrätst du mir die details?   Erik, 14:35 Uhr Nein.   Du, 14:36 Uhr >.<   Erik, 14:37 Uhr Aber ich sage dir, was ich erwarte: 1. Das Schlafzimmer ist tabu 2. Ruh dich aus 3. Sorg dafür, dass du dich in deiner Haut wohlfühlst 4. Öffne um Punkt 19 Uhr die Schlafzimmertür   Erst jetzt bemerkte Jonas, dass sein Nebenmann in den vergangenen Minuten nicht nur gefühlt immer näher gekommen war, sondern tatsächlich – halb auf Jonas lehnend, ließen sich schließlich dessen WhatsApp-Nachrichten besser lesen. Jonas verkniff sich den ersten dummen Spruch, der ihm in den Sinn kam, öffnete stattdessen seinen Browser und tippte ‚Jucken im Schritt. Filzläuse?‘ in die Suchleiste. Überraschenderweise hatte er für den Rest der Fahrt deutlich mehr Platz.   Die Wohnung verströmte ihren vertrauten Duft, den Jonas nur aktiv wahrnahm, wenn er lange unterwegs gewesen war. Noch im Türrahmen atmete er einmal tief durch, bevor er seine Reisetasche neben das Schuhregal stellte. Aus dem Augenwinkel registrierte er die geschlossene Schlafzimmertür und es kostete ihn eine Menge Willenskraft, nicht schon vorab einen Blick hineinzuwerfen. Am Ende siegten jedoch Disziplin und Erschöpfung. Müde sank er auf die Wohnzimmercouch. Als er die Augen das nächste Mal öffnete, stand die Sonne deutlich tiefer und die Uhr des DVD-Players verriet ihm, dass er gerade noch genug Zeit für eine ausführliche Dusche hatte. Punkt sieben. Geräuschlos schwang die Schlafzimmertür auf. Der Raum dahinter sah aus wie in Jonas‘ Erinnerung. Fast. Die Spiegelseiten der Schranktüren waren nach außen gekehrt, das breite Bett mit dunkler Satinwäsche bezogen und darauf lag … das Lederhalsband, das Jonas vor Wochen besorgt hatte. Erik hatte es damals kommentarlos verstaut und kein Wort mehr darüber verloren, bis Jonas Zweifel kamen, ob er es überhaupt nutzen wollte. Offensichtlich wollte er. Hinter Jonas schlug die Wohnungstür zu und Schritte näherten sich, aber er wagte es nicht, sich umzudrehen. Die Schritte stoppten. „Bring es mir.“ Eriks samtene Stimme direkt neben seinem Ohr, sein Atem in seinem Nacken. Gänsehaut überzog Jonas‘ Arme. Eilig überwand er die wenigen Meter zum Bett, schnappte sich das Halsband und brachte es zu Erik, der das weiche Leder entgegennahm. „Zieh dich aus.“ Binnen Sekunden waren Jonas‘ Klamotten auf dem Boden verstreut und trotz seiner Nervosität musste er ein Grinsen bekämpfen. Vor weniger als einem Jahr hatte Erik genau das gleiche von ihm gefordert, aber das Gefühl war so völlig anderes gewesen. Die Aufregung war geblieben, für Schüchternheit jedoch schon lange kein Platz mehr. „Stell dich vor den Spiegel.“ Jonas bildete sich ein, sein Herz unter seiner nackten Brust hüpfen zu sehen. Atemlos wartete er, bis Erik ihm gefolgt war und den Platz hinter ihm eingenommen hatte. „Dieses Halsband“, Erik hielt es hoch, „ist eine Einladung von mir. Du entscheidest, ob du sie annimmst. Wenn du es tust, wirst du in der Zeit, in der du es trägst mir gehören. Du tust, was ich dir sage; existierst, um mich glücklich zu machen. Verstanden?“ Jonas konnte nur nicken. „Soll ich es dir anlegen?“ Wieder nickte Jonas. „Sag es.“ „Bitte leg es mir an.“ Das Leder war kühl, erwärmte sich unter der Hitze seiner Haut jedoch schnell. Erik wählte eine Öse, locker genug, damit Jonas atmen konnte, eng genug, um ihn durch den konstanten Druck zu erinnern, in welcher Position er sich befand. „Das letzte Mal ist eine Weile her, deshalb wiederhole ich die Regeln für dich.“ Gemächlich schlich Erik um Jonas‘ nackten Körper, wie ein Raubtier, das seine Beute inspizierte. „Du redest nur, wenn ich dir eine Frage stelle, oder dich dazu auffordere. Wenn ich das tue, antwortest du höflich und in vollständigen Sätzen. Du führst jeden meiner Befehle unmittelbar und ordentlich aus. Tust du es nicht, erwartet dich eine Strafe. Erfüllst du deine Aufgaben zu meiner Zufriedenheit, belohne ich dich vielleicht dafür. Wie Strafe und Belohnung im konkreten Fall aussehen werden, entscheide nur ich.“ Er stoppte hinter Jonas, die Finger seiner linken Hand folgten den Linien des stilisierten Herzens auf dessen Brust, arbeiteten sich zu den Seiten, bis sie Jonas‘ Brustwarzen streiften. Plötzlich umschlossen Daumen und Zeigefinger die empfindliche Stelle, kniffen zu. Es dauerte nicht lange, bis Jonas unruhig wurde. Seine Brustwarzen mochten keine ausgeprägte erogene Zone sein, für Schmerz waren sie dennoch empfänglich. „Wir hatten uns auf ein Codewort geeinigt, das du benutzen kannst, wenn du an deine Grenzen stößt“, sagte Erik. Ruhig. Kontrolliert. Sekündlich wurde sein Griff schmerzhafter. „Ein Wort, mit dem du mir mitteilst: ‚bis hierhin und nicht weiter‘. Erinnerst du dich?“ „Gelb.“ „Sehr gut.“ Erik nahm die Hand nicht weg, aber er setzte einen Hauch weniger Kraft ein. „Wenn du dieses Wort verwendest, werde ich das Spiel nicht abbrechen, aber erst dann weitergehen, wenn du mir das Okay dazu gibst. Das Signalwort zum Weitermachen lautet ‚Grün‘. Du hast in diesem Fall zudem die Erlaubnis, mir zu sagen, was das genaue Problem ist und ich werde überlegen, ob ich etwas ändere.“ Das mochte ja gut und schön sein, aber allmählich wurden die wie Schraubstöcke um Jonas‘ Brustwarzen gelegten Finger doch ausgesprochen unangenehm. Ein leises Wimmern entkam seiner Kehle. „Es gibt noch ein drittes Signalwort, das du benutzen kannst, wenn dir alles zu viel wird. Dann werde ich sofort stoppen. Erinnerst du dich?“ „Rot!“, presste Jonas zwischen gefletschten Zähnen hervor. Eriks Finger verschwanden von seinen Brustwarzen, Blut rauschte zu den malträtierten Stellen, gefolgt von heißem Schmerz. Dankbarerweise ebbte dieser nur wenige Augenblicke später auf ein erträgliches Maß ab und war bald darauf nichts als ein dumpfes Pochen. „Normalerweise würde ich dir jetzt das Halsband abnehmen und das Spiel beenden, aber da das hier ein Sonderfall ist, schlage ich vor, weiterzumachen.“ Erik schmunzelte. „Keine Sorge, deine Brustwarzen sind vorerst sicher vor mir. Einverstanden?“ „Ich bin einverstanden“, krächzte Jonas. Seine Kehle war wie Staub, das Band um seinen Hals einengend. Eriks Finger strichen zärtlich über seine Lippen, ruhten darauf. „Hast du alles verstanden?“ Jonas hauchte einen Kuss auf die Fingerkuppen, bestätigte mit diesem letzten Zeichen, seinem nonverbalen Signal, dass alles in Ordnung war und er zustimmte. Glücklich registrierte er das zufriedene Lächeln, das über Eriks Spiegelbild huschte. „Sehr schön.“ Erik ließ seine Hand sinken und trat einen Schritt zurück. „Ich hatte dich letztes Mal gebeten, ein paar Dinge zu besorgen, aber du hast dich vor der Aufgabe gedrückt.“ Verwirrt musterte Jonas Erik, unschlüssig, wovon dieser sprach. Er hatte doch alles auf der Liste gekauft. „Du hättest eine Wahl treffen sollen und hast es nicht getan.“ Jonas Lippen formten ein ‚Oh‘, aber er zwang sich, Stillschweigen zu bewahren. „Weißt du, wovon ich spreche?“ „Ja, das weiß ich.“ „Du hättest einen Plug in der richtigen Größe auswählen sollen und hast mir stattdessen zwei mitgebracht. Du hast jetzt die Chance, dein Verhalten zu erklären.“ „Ich … ähm … Ich war mich nich‘ sicher, was du als … ähm … ‚angemessen‘ empfindest.“ Erik betrachtete Jonas, bis dieser betreten den Blick zum Boden senkte. Erst dann lief er zu seinem Nachttisch, öffnete die Schublade und holte etwas daraus hervor. Die beiden Plugs, die Jonas vor wenigen Wochen mit hochrotem Kopf erstanden hatte glänzten in seiner Hand. „Dann wirst du die Entscheidung jetzt fällen.“ Noch bevor Jonas antworten konnte, fuhr Erik fort: „Es gibt allerdings bei beiden eine Bedingung. Nimmst du den Größeren“, Erik hob die Hand, die diesen hielt, „darfst du ihn selbst einführen und dir dabei so viel Zeit lassen, wie du willst. Wählst du den Kleineren“, die andere Hand ging nach oben, „werde ich das für dich übernehmen. Und ich bin möglicherweise weniger geduldig.“ Unsicher musterte Jonas die beiden Plugs, während er sich davon abzuhalten versuchte, sein Halsband zu lockern. Der Größere hatte etwa Eriks Umfang. Jonas wusste, dass er ihn schmerzfrei in sich aufnehmen konnte, aber das brauchte Zeit und Entspannung, mal abgesehen davon, dass sich das, was er mit sich selbst anstellte nie so gut anfühlte wie Eriks Berührungen. Der kleinere Plug war harmloser, keine zwei Finger breit, aber ohne ausreichende Vorbereitung, konnte auch das schmerzhaft werden.   „Den Kleineren“, krächzte er schließlich, darauf vertrauend, dass Erik vorsichtig mit ihm umgehen würde. „Sicher?“ Jonas nickte, erinnerte sich im letzten Moment an Eriks Vorgabe, in ganzen Sätzen zu antworten. „Ja, ganz sicher.“ „In Ordnung. Knie dich aufs Bett.“ Das Satinlaken streichelte beruhigend über Jonas‘ Haut, wie ein flüsternder Gebirgsbach nach einer langen Wanderung. „Erinnerst du dich noch, in welcher Haltung ich dich möchte?“ Unsicher drehte sich Jonas in die Richtung, aus der Eriks Stimme kam, suchte die Antwort in dessen verschlossenem Gesicht. Schließlich kehrte die Erinnerung zurück. Er presste seinen Oberkörper flach auf die Matratze, drückte den Rücken durch und reckte die Hüften so weit wie möglich nach oben. Lange Zeit passierte nichts. Die Stille wurde dröhnend, Jonas‘ Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb. Was tat Erik? Was hatte er geplant? Die Hand, die unerwartet über seinen entblößten Hintern strich ließ Jonas zusammenzucken. Sie war kühl und ein wenig rau, aber zärtlich. „Sehr gut.“ Das Bettgestell knarzte unter Eriks Gewicht, gleich darauf bahnte sich seine feuchte Zunge ihren Weg zwischen Jonas‘ Pobacken und entlockte diesem ein aufgeregtes Stöhnen. Er hatte alle Mühe, sich dieser intensiven Berührung nicht fordernd entgegen zu drängen. Viel zu früh stoppte Erik und ersetzte seine Zunge durch kaltes Gleitmittel und etwas hartes, unnachgiebiges. Keuchend versuchte Jonas sich zu entspannen und den Eindringling in seinem Körper willkommen zu heißen. Bevor echter Schmerz aufflammte hielt Erik inne, zog den Plug ein Stück zurück und drang erneut tiefer ein, nur um gleich darauf ein weiteres Mal innezuhalten. Immer wieder brachte er Jonas an seine Grenze und ein winziges Stück darüber hinaus, bis sich dieser vor dem nächsten Schritt gleichermaßen sehnte wie fürchtete. Dann war es so weit. Ein Ziehen, das Gefühl, unmöglich mehr in sich aufnehmen zu können und es doch zu müssen – einen Atemzug später umschloss sein Körper den Plug. Erik verteilte liebevolle Küsse auf Jonas‘ Rücken, arbeitete sich die Wirbelsäule nach oben, bis sein Atem über Jonas‘ Ohr strich. „Das hast du sehr, sehr gut gemacht.“ Er zupfte an dem Ring des Halshands. „Rutsch an die Bettkante.“ Behutsam befolgte Jonas die Anweisung, auch wenn seine Finger zitterten und Schweißperlen über seine Stirn rannen. Jede Bewegung erinnerte ihn an den Plug in seinem Inneren. Lautlos glitt Erik hinter ihn, schmiegte seine Brust an Jonas‘ Rücken. „Setz dich auf meinen Schoß und leg deine Beine über meine Oberschenkel.“ Auch diesem Befehl kam Jonas nach. Den Boden nicht länger mit den Füßen zu berühren war ein eigenartiges Gefühl und die Frage, welche süße Folter als nächstes auf ihn wartete umkreiste unaufhörlich seinen Kopf. Erik verharrte in dieser Position, erkundete mit seiner Zunge die Stelle knapp unterhalb Jonas‘ Ohrläppchen, während seine Fingernägel spielerisch über die ohnehin schon geschundenen Brustwarzen kratzten. Je unruhiger Jonas auf seinem Schoß herumrutschte, umso weiter spreizte er seine Schenkel und damit unweigerlich auch Jonas‘. Als die Grenze ihrer Gelenkigkeit erreicht war, legte er eine Hand an Jonas‘ Kinn und zwang seinen Blick nach vorne. „Sieh dich an.“ Unfreiwillig sah sich Jonas mit seinem Spiegelbild konfrontiert. Glasige Augen, gerötete Wangen, die Beine obszön gespreizt. Dazwischen seine Erektion – steinhart und erwartungsvoll. „Ah!“ Eriks linke Hand war Jonas‘ Blicken gefolgt, Finger umkreisten die überempfindliche Penisspitze. Binnen Sekunden brachte Erik Jonas an den Rand eines Höhepunkts, die andere Hand noch immer an sein Kinn gelegt, sodass ihm nur die Möglichkeit blieb, die Augen zu schließen, wenn er sich dabei nicht zusehen wollte. Kurz vor der Erlösung stoppte Erik. Jonas musste sich auf die Zunge beißen, um nicht laut zu protestieren. Seelenruhig ließ Erik einige Sekunden verstreichen, dann setzte er seine Massage fort. Brachte Jonas an die Grenze, stoppte, begann von vorne. Nach der sechsten oder siebten Wiederholung brach Jonas die Regeln, flehte laut: „Bitte, Erik, bitte!“ Sofort verschwand die Hand von seiner Erektion, ein dunkles Lachen erklang in seinem Ohr. „Und warum sollte ich das tun?“ „Weil ich dafür alles mach was du willst!“ Plötzlich wurde Jonas‘ Luft knapp – Erik hatte das Halsband gepackt und zog es nach hinten. „Das tust du sowieso. Schon vergessen, dass du mir gehörst?“ „Nein!“ Der Griff um das Band lockerte sich, aber die Atempause währte nur kurz. Überrascht fand sich Jonas auf dem Boden wieder. Erik hatte ihn von seinem Schoß geschubst. „Zeig mir, wie sehr du mich willst.“ Jonas nickte nur, kniete sich vor Erik, blickte zu dem Mann auf, dessen Berührung er so begehrte. Seine Lippen fanden Eriks nackte Füße, hauchten Küsse darauf, arbeiteten sich über die dunkle Hose bis zu seinem Schritt. Sollte Jonas geglaubt haben, dass Erik dieses Spiel nicht ansatzweise so erregen konnte wie ihn selbst, wurde er eines Besseren belehrt. Er rieb sein Gesicht über die Beule, inhalierte den maskulinen Duft; alles, ohne eine Sekunde den Blickkontakt zwischen ihnen zu unterbrechen. Eine unausgesprochene Frage glomm in seinen Augen. Erik nickte. Mit ungeduldigen Fingern öffnete Jonas Eriks Reißverschluss und befreite dessen Erektion aus ihrem Gefängnis, doch bevor er seinen Preis kosten konnte, stieß Erik ihn grob zurück. „Das reicht.“ Die Finger in den Ring des Halsbands gehakt, beförderte er Jonas unsanft aufs Bett. Hatte er bisher Worte sprechen lassen, ließ Erik Jonas jetzt fühlen, welche Kraft in seinem Körper steckte. Er drückte ihn in die Laken, gab ihm keine Chance zur Flucht. Nicht, dass Jonas hätte flüchten wollen. Eine Hand zwischen Jonas‘ Schulterblättern, glitt Eriks andere nach unten, fand den Plug und zog daran. Jonas machte einen Satz nach vorne, als sein Körper gezwungen wurde, das inzwischen warme Metall herzugeben. Die Hand verschwand von seinem Rücken, strich stattdessen zärtlich über seine Lippen. „Bereit für mehr?“ Küsse. Jonas hauchte so viele Küsse auf Eriks Finger, wie ihm in der kurzen Zeit möglich war. Dass Erik ohne jedes weitere Vorspiel in ihn eindrang, kam dann allerdings doch unerwartet und entriss ihm ein klägliches Wimmern. „Atmen, Jonas, atmen.“ Jonas konzentrierte sich auf Eriks Stimme, die Fingerspitzen, die liebevoll durch sein Haar strichen, das Gewicht auf seinem Körper, die Luft, die seine Lungen füllte. Das unangenehme Ziehen verwandelte sich in ein dumpfes Pochen, das Schlag um Schlag abebbte, wie dünne Lagen Geschenkpapier, die schichtweise das Wesentliche freigaben; die Lust enthüllten, die unter dem Schmerz wartete. Jonas entspannte sich, erlaubte es Erik, tiefer einzudringen, seufzte wohlig als dieser den richtigen Punkt in seinem Inneren traf. Damit war der Augenblick der Ruhe beendet. Jonas‘ Hüften wurden vom Bett gehoben, bis er kniete. Eriks Rhythmus war hart, kompromissloser als je zuvor und Jonas glaubte, ihn sogar knurren zu hören, doch da war er schon zu sehr mit seinen eigenen Gefühlen beschäftigt, um sich noch groß um die Außenwelt zu scheren. Jeder Nerv in ihm stand unter Strom, flehte, diese Qual zu beenden, flehte, sie endlos weiterzuführen. Schweiß benetzte seinen Rücken, perlte über sein Gesicht, tropfte von seinen Haarspitzen. Dieses vertraute Gefühl bildete sich in ihm. Druck, Kitzeln, Etwas, das er nicht klar benennen konnte. Fast schon unangenehm intensiv. Doch heute würde er sich nicht dagegen wehren. Jonas gab jede Kontrolle auf, kümmerte sich nicht darum, wie laut sein Stöhnen war, welche Grimassen er zog, ob das, was sich gut für ihn anfühlte auch gut für Erik war. Er versuchte nicht einmal mehr, sein eigenes Körpergewicht zu tragen. Wenn Erik ihn knieend wollte, musste er ihn eben stützen. Für ihn zählte nur noch das stetig stärker werdende Kribbeln in seinem Inneren, die Flut, die unaufhörlich stieg, entschlossen, ihn auszufüllen, bis sie alles andere verdrängt hatte. In ruhigeren Nächten fühlte sich Jonas‘ Höhepunkt wie eine Brise an, die ihn in die Luft hob und gleitend die Welt vergessen ließ, bis sie ihn schließlich sachte zurück auf den Boden brachte. Heute nicht. Heute war er ein Malstrom. Er riss ihn mit sich, schmetterte ihn gegen Felsen und raubte ihm zusammen mit allen Gedanken den letzten Funken Widerstand. Plötzlich war zu wenig Luft in Jonas‘ Lungen, das Halsband zu eng. Er zerrte am Verschluss, war jedoch zu fahrig, um die Schnalle zu öffnen. Jemand schob seine Hand zur Seite. Das Band wurde enger, nahm ihm endgültig den Atem, nur, um gleich darauf aufzuspringen und von seinem Hals zu verschwinden. „Besser?“ Keuchend nickte Jonas, schenkte Erik ein mattes Lächeln. Die Feuchtigkeit zwischen seinen Beinen sprach dafür, dass er nicht der Einzige war, für den der Sex mit einem Höhepunkt geendet hatte. „Warte, ich bin gleich wieder da.“ Erik kehrte mit einem feuchten Handtuch zurück, wischte damit gefühlvoll über Jonas‘ Körper, kühlte die erhitzte Haut und befreite sie von diversen Flüssigkeiten. Dankbar schloss Jonas die Augen und gab sich den Zärtlichkeiten hin. „War ich zu grob?“ Sorge klang in Eriks Stimme durch. „Erik, Schatz, ich bin grad gekommen, ohne dass einer von uns beiden meinen Schwanz auch nur angesehen hätte. Sollte das das Ergebnis sein, wenn du zu grob zu mir bist, hast du jede Erlaubnis, das zu wiederholen.“ Anstelle einer Antwort schmiegte sich Erik an Jonas. Arm in Arm genossen sie die Ruhe und den Nachklang eines der intensivsten Abende, die sie bisher miteinander verbracht hatten. Jonas war kurz davor, in einen leichten Schlaf zu driften, als ihn ein Gedanke wachrüttelte. „Ich hab meine Eltern zu uns eingeladen.“ Die Hand, die bis eben seinen Nacken gekrault hatte stoppte. „Das is‘ doch okay, oder?“ „Natürlich ist es das. Ich war nur überrascht.“ Schwer zu sagen, ob Erik die Wahrheit sagte. „Habt ihr schon ein Datum?“ „Ähm … diesen Freitag.“ „Ah. Das ist … bald.“ „Sorry, tut mir echt leid“, nuschelte Jonas. „Ich weiß, dass ich dich hätte fragen sollen, aber es war schwer genug, meine Eltern überhaupt davon zu überzeugen mal herzukommen und als sie mir dann gesagt haben, dass sie schon nächste Woche könnten, da … hab ich einfach zugestimmt.“ „Das ist schon in Ordnung“, versicherte Erik. „Ich dachte nur gerade, dass es vielleicht gut wäre, Urlaub zu nehmen, aber so kurzfristig klappt das an einem Wochenende wahrscheinlich nicht.“ Er stockte. „Ah, vorausgesetzt, du willst mich überhaupt dabeihaben.“ „Ja! Darum … Darum geht’s dabei ja irgendwie. Weißt du, ich glaub, wenn sie sehen, wie ich lebe, wie wir leben, dann …“ Jonas suchte nach den richtigen Worten. „Wenn sie‘s nich‘ tun … Wenn ich ihnen bloß am Frühstückstisch erzähl, dass ich … schwul bin …“ Würde er jemals das kurze Zögern loswerden, bevor er diese Wahrheit laut aussprach? „Wenn ich das tue, dann fürchte ich einfach, dass sie so tun, als ob ich nie was gesagt hätte. Oder sich einreden, es wär bloß ‘ne Phase, ein letztes rebellisches Aufbäumen, bevor die Pubertät endlich durch is‘. Und wenn ich mit dem Studium fertig bin, komm ich wieder nach Hause, übernehme das Apfelbäumchen, heirate ‘ne hübsche Frau und zeuge fünfzehn Kinder, die ich alle brav taufen lasse. So ungefähr.“ Jonas spielte mit Eriks langen Haaren, die sich im Verlauf des Abends strähnenweise aus seinem Dutt gelöst hatten. „Außerdem … Außerdem sehen sie dann, dass ich nich‘ jeden Tag fünf Orgien feiere, meine Seele dem Teufel verschreib, an AIDS krepiere oder was auch immer noch so an Vorurteilen in ihren Köpfen rumspukt.“ Der erste Zopf war fertig geflochten und Jonas wandte sich dem nächsten zu. „Deine Rolle is‘ dabei übrigens, den braven Schwiegersohn zu mimen.“ „Ah, ist das so?“ „Japp. Oder … Oder wenigstens darüber hinwegzusehen, wenn sie was Blödes sagen. Was sie ziemlich sicher tun werden.“ „Ich denke, das schaffe ich.“ „Ich fänd’s schöner, wenn ich dich nich‘ drum bitten müsst, den Scheiß, den sie wahrscheinlich absondern gelassen hinzunehmen, aber …“ Jonas‘ Zunge rieb über sein Piercing. „Ich bin echt scheißnervös.“ „Natürlich bist du das.“ Eriks ruhige Stimme war wie ein Glas Milch nach zu scharfem Chili. „Denk einfach immer daran, dass es vermutlich sehr viel besser laufen wird, als du jetzt befürchtest. Und daran, dass ich immer an deiner Seite stehe, egal was passiert. Und, dass du es nicht tun musst. Wenn du entscheidest, dass der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen ist, dann ist das eben so. Daraus machst höchstens du dir selbst einen Vorwurf und auch dann bin ich da, um dir zu sagen, wie dumm das ist.“ „Danke.“   „Nicht dafür.“ Abwesend löste Erik die geflochtenen Zöpfe auf, bevor er sich aufsetzte. „Lust auf einen Film, bevor wir schlafen gehen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)