Perfect Strangers von Kathey ================================================================================ One-Shot -------- Maybe we're perfect strangers Vielleicht war es nicht die beste Idee gewesen, sich in Reapers Zimmer zu schleichen. Vielleicht war es ihr aber auch einfach egal, immerhin scherte sie sich nicht um Verbote und schon gar nicht darum, was der verbitterte, maskierte Mann von ihr dachte. Gut, ja, das war gelogen, aber was machte das schon? Sie war hier, weil sie mehr über ihn wissen wollte, weil sie Hinweise auf den Mann finden wollte, der er einst gewesen war. Aber jede Spur zu Gabriel Reyes führte immer wieder ins Nichts. Warum sich also nicht direkt in die Höhle des Löwen begeben und sehen, ob er nicht irgendetwas besaß, womit er... ja, was eigentlich? Womit er erpressbar wäre? Kontrollierbar? Reaper war eine Naturgewalt, etwas, das man keinesfalls kontrollieren konnte. Tief in ihrem Inneren musste Sombra zugeben, dass sie einfach etwas finden wollte, um ihn zu kennen. Den, der er einmal gewesen war. "Nicht der Typ für Deko, hm, Gabito?", fragte sie in die Stille hinein, als sie sich in dem leeren Raum umsah. Es gab ein Bett, obwohl sie sich nicht einmal sicher war, ob er überhaupt schlief, einen Schreibtisch und passenden Stuhl, einen Bildschirm, ein paar Holopads, aber nichts, was auch nur im Entferntesten persönlich wäre. Keine Bilder, keine Andenken an irgendetwas. Dieser Raum hätte genauso gut unbewohnt sein können. "Als würde hier nur ein Geist umherspuken." Einen Moment lang kicherte sie bei dem passenden Vergleich, ehe ihr eine Akte ins Auge fiel. 'Geheim' prangte die riesige Schrift auf dem ockerfarbenen Umschlag, gleich neben "J.M" und "A.A" und "G.R." und sofort grinste Sombra in sich hinein. "Bingo." Ihre Finger blätterten durch das Papier, die Akte beinhaltete Schriftstücke, Pläne, ein paar Fotos, die sie eingehend musterte. Morrison und Amari erkannte sie, die dritte Person auf dem Bild hingegen kannte sie, ohne ihr Gesicht zu kennen. "Gabriel Reyes..." Die Präsenz hinter sich bemerkte sie zu spät. Erst, als es nach Leder roch, erst, als sie hinter sich einen schweren Schritt hörte. Ihre Nackenhaare sträubten sich wie die einer Katze, die man dabei erwischt hatte, wie sie die Lieblingstasse auf den Boden geworfen hatte. Sombra fuhr herum, stieß mit dem Rücken gegen den Tisch und fluchte leise in sich hinein, das Foto noch immer in der Hand. Erst, als eine weitaus größere Hand danach griff, erwachte sie wieder aus ihrer Lethargie. "Hey, Gabe", meinte Sombra mit einem Grinsen. "¿Qué onda?" Keine Antwort. Sie hasste das. Wenn er wenigstens genervt von ihr wäre, dann könnte sie damit umgehen, denn Reaper war verdammt einfach in Rage zu bringen. Aber Stille? Stille war sie von ihm nicht gewohnt. Oft genug zeterte er, wenn sie mit ihm Spielchen trieb, aber mit Schweigen konnte sie doch nicht arbeiten! Ein wütender Reaper war schließlich nicht ernst zu nehmen, weil er einfach böser wirken wollte, als er in Wirklichkeit war, aber ein stummer? Sie gab es nicht gerne zu, aber in solchen Momenten hatte sie Respekt vor ihm. Vielleicht sogar mehr als das. Erst nach und nach bemerkte Sombra das Bild, dass sich gerade vor ihren Augen auftat. Er trug keine Handschuhe. Keinen Mantel. Vorsichtig blickte sie nach oben. Keine Maske. Das allererste Mal, seit sie ihn kannte, sah sie ihn ohne Maske. Den Mann, der auch auf dem Foto zu sehen war, das sie noch immer festhielt. Gleich und doch vollkommen anders. Die dunkle Haut war farblos, fast grau, und als Sombra es wagte, aufzusehen, sah sie seine Augen. Dunkel, mit einer roten Iris, statt dem Braun, das auf dem Foto zu sehen gewesen war. Sie schluckte schwer, er sah nicht einmal wirklich bedrohlich aus, viel eher wirkte er... müde? Traurig? Sie hob ihre freie Hand, und am liebsten hätte sie seine Wange berührt, aber wäre das nicht zu dreist gewesen? Und seit wann kümmerte es sie überhaupt, was in seiner Gegenwart zu dreist war? Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle. Sie musste die Hintertür nehmen. Ihre Fingerspitze stupste gegen seine Nase. "Boop." Sie sah noch leichten Rauch von seiner Haut aufsteigen, ehe sie ihren Translokator aktivierte und verschwand. Gut, dass sie immer auf Nummer Sicher ging. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich in ihrem Zimmer wiederfand und erst jetzt bemerkte sie, dass sie das Foto die ganze Zeit an ihre Brust gedrückt gehalten hatte. "Mierda", murmelte sie vor sich hin. "¡Qué coño haces!" Maybe it's not forever Es war vielleicht immer noch nicht die beste Idee, sich in Reapers Zimmer zu schleichen. Aber Sombra war stur, und sie lernte nur, wenn sie lernen wollte. Jeder, der sie auch nur flüchtig kannte, konnte das bestätigen. Außerdem... nun ja, sie wollte ihm nichts schuldig bleiben oder sich nachsagen lassen müssen, dass sie ein Dieb war, der wertvolle Informationen oder Bilder entwendete. Nein, sollte er das dumme Foto nur zurückhaben - sie hatte ohnehin schon eine digitale Kopie davon angefertigt. Es hatte sie ohnehin gewundert, dass er sie auf der letzten Mission nicht darauf angesprochen hatte. Im Grunde hatte er gar nicht wirklich mit ihr geredet, lediglich ein paar knappe Befehle waren unter der Maske hervorgekommen. Und ab und an vielleicht ein leises Knurren. Aber kein Gemecker, keine kaltschnäuzigen Antworten... nichts davon. Irgendwie schien sie bei ihrem letzten Besuch hier irgendeine alte Wunde aufgerissen zu haben. Vielleicht hing er eben doch an diesen Schreiben und Bildern und sie wollte nicht der Grund dafür sein, dass er dauerhaft noch schlechter gelaunt war als sonst. "Gabe?", fragte sie in den Raum hinein, aber natürlich erhielt sie keine Antwort. "Wenn du dich wieder anschleichst, haben wir ein echtes Problem, Amigo!" Im Grunde würden sie überhaupt kein Problem haben, weil sie sich nur zu Tode erschrecken und ihn vielleicht treten würde, aber sonst... "Hm?" Erst jetzt bemerkte sie die auf dem Boden liegenden Kleidungsstücke. Seinen Mantel, der achtlos dalag. Die Maske daneben. Und dann war da... Sombra kniete sich hin, zupfte an dem Stoff seines Mantels, sah die Löcher und das Blut. Eine Menge Blut. Und noch mehr in Richtung des Badezimmers. Alarmiert richtete sie sich auf und lief in Richtung des Bads. Und tatsächlich, Gabriel war da. Er stützte sich schwer am Waschbecken ab, und verdammt, sie sah überall Blut. Sein nackter Oberkörper war übersäht mit Kratzern und Wunden, aus denen Blut und Rauch hervortraten. Überall verteilt lagen Verbandszeug und andere Erste-Hilfe-Sachen, anscheinend hatte er versucht, sich selbst zu verarzten. Entschlossen machte die Hackerin ein paar Schritte auf ihn zu und griff nach seinem Arm. Wie oft hatte er schon verletzt hier gestanden und versucht, sich um sich selbst zu kümmern? Er hatte so viele Verbände und Pflaster und was nicht alles hier, er musste verdammt oft verwundet sein und Sombra hatte nicht einmal geglaubt, dass er das überhaupt noch werden konnte - oder dass er noch blutete. Reaper sah sie überrascht an, als sie ihn zu sich drehte. Normalerweise hatte sie die Reaktionen unter seiner Maske nur erahnen können, aber jetzt, da sah sie ihn vor sich, verletzt und ausnahmsweise nicht versteckt. "¿Qué onda contigo?", fragte Sombra und bemerkte die leichte Sorge, die in ihrer Stimme mitschwang, viel zu spät. Ebenso wie den Umstand, dass sie Spanisch mit ihm sprach. Aber zu ihrer eigenen Überraschung sprach Reaper schon mit ihr, ehe sie sich überhaupt verbessern konnte. "Nur ein paar Wachbots", antwortete der Mann ungewöhnlich leise. "Ein paar zu viel. Aber das verheilt schnell wieder." Für sie sah das nicht wie etwas aus, das schnell wieder verheilen konnte, und es kümmerte sie auch nicht, wenn es so sein sollte. Sombra griff einfach nach dem Verbandszeug und dem Desinfektionsmittel, um sich an die Arbeit zu machen. Zwar wusste sie genau, dass er sie gerade ansah, als wäre sie wahnsinnig, aber sie würde nicht zulassen, dass er das selbst machen und dabei wahrscheinlich noch mehr Blut verlieren würde. "Du bist ein Idiot", meinte sie, als sie sich daran machte, seine aufgerissene Seite zu verbinden. Seine Haut war kühl, jedwede Hitze, die normalerweise von einem menschlichen Körper ausging, fehlte ihm scheinbar. "Lass dir das nächste Mal helfen!" Reaper schwieg sich die ganze Zeit über aus, aber Sombra spürte, dass er sie nur allzu genau beobachtete. Und wieder hatte sie diesen Kloß im Hals. "So", meinte sie dann, als sie fertig war und sich wieder gefangen hatte. "Siehst du? Wie neu!" Sie boxte Reaper leicht gegen die Schulter und grinste. Und zum allerersten Mal sah sie ihm wirklich in die Augen. Es war so schwer, seinen Blick zu deuten, aber zog da nicht der Hauch eines Lächelns an seinen Mundwinkeln? Sombra richtete sich auf und zeichnete mit den Händen ein paar unbestimmte Gesten in die Luft. Seit wann wurde sie in seiner Gegenwart denn so nervös? "Na ja, falls du noch was brauchst... du weißt ja, wo du mich findest." Es wurde Zeit für die Hintertür, es wurde ganz dringend Zeit! "Sombra", hörte sie Reaper noch leise sagen und einen Moment lang fühlte es sich an, als würde er nach ihrem Arm greifen wollen, aber einen Wimpernschlag später war sie schon wieder in ihrem Zimmer, mit klopfendem Herzen und zitternden Beinen. Ein leises Lachen entkam ihr, als sie realisierte, dass sie etwas Essentielles vergessen hatte. "Ich habe das dumme Foto immer noch." Maybe intellect will change us "Du solltest dich beeilen." Reapers Stimme erklang blechern im Com, aber seine Stimmlage war dieselbe wie immer. Gott bewahre, dass er sich einmal Sorgen mache würde oder dergleichen. Nein, sie sollte sich nur beeilen. Wie nüchtern und kalt konnte man dabei eigentlich klingen? Sombras Finger flogen über die holografischen Tasten, als ob man ihr das noch sagen musste! Aber die Anlage ließ sich nicht von weit außerhalb hacken, also musste sie rein und das von hier aus machen. Dass sie es schnell schaffen würde, stand dabei absolut außer Frage. "Ich weiß deine Sorge um mich wirklich zu schätzen, Gabe", schnurrte sie leise, während sie den Hauptrechner hackte. "Aber ich mache das schon." Schweigen am anderen Ende der Leitung. Natürlich. In letzter Zeit machte es keinen Spaß mehr mit ihm, wenn er auf die Scherze und neckenden Flirts nicht mehr einging. Warum konnte es denn nicht mehr so sein wie früher? Manchmal bereute sie es fast, dass sie damals in sein Zimmer eingedrungen war, und Reue war etwas, das nun gar nicht in ihr Konzept passen wollte. Außerdem machte es unaufmerksam, wenn man sich von so etwas wie Gefühlen ablenken ließ. Und das konnte sie erst recht nicht gebrauchen. "Sombra." Dieses Mal hatte seine Stimme etwas mehr Nachdruck, und mit einem genervten Augenrollen schaltete sie den kleinen Knopf in ihrem Ohr aus. Sollte er eben warten, bis sie fertig war, es dauerte eben, so lange es dauerte. "Pendejo", murmelte sie vor sich hin. Sonst war sie doch auch nur heiße Luft für ihn, nicht mal ein Danke hatte sie bekommen dafür, dass sie ihm mit seinen Verletzungen geholfen hatte. Gut, ja, er hatte sie auch nicht um Hilfe gebeten, aber trotzdem... "Sombra!" Die Hackerin sah verwirrt auf, sie hatte doch das Kommunikationsgerät ausgeschaltet, woher kam also Reapers Stimme auf einmal? Er sollte draußen sein und sich darum kümmern, dass sie hier niemand störte! Mit ein paar schnellen Fingerbewegungen kopierte und sicherte sie die bisher extrahierten Daten, sicher war sicher. Und es war auch die richtige Entscheidung. Kaum ein paar Sekunden später klingelte es in ihren Ohren, als eine Explosion das Bürogebäude zerfetzte. Die Druckwelle schleuderte Sombra nach draußen, durch die zerstörte Fassade. "Oh, scheiße..." Keine Ahnung, ob sie einfach nur unglaubliches Glück hatte, aber der harte Aufprall auf den Boden ließ auf sich warten. Stattdessen landete sie relativ weich, und noch bevor sie das Bewusstsein verlor, meldete ein kleines Pop-Up-Fenster, dass der Datentransfer abgeschlossen war. Sie hatte doch gewusst, dass sie es schaffen würde. Sie dachte noch daran, wie gut es  im Moment nach Leder roch, ehe sie die Dunkelheit umschlang.   Ihr Kopf brummte widerstrebend, als sie versuchte, die Augen zu öffnen. Hoffentlich hatten die technischen Implantate bei der Explosion keinen Schaden genommen, schoss es ihr durch den Kopf, als sie die Augen noch weiter geschlossen hielt, um sich nicht zu viel zuzumuten. Mit der Hand fuhr sie sich murrend über das Gesicht, spürte ein paar Schnitte unter den Fingern, und ein paar Pflaster, unter denen wohl einige weitere Wunden verborgen waren. Aber hey, immerhin hatte man sich um sie gekümmert! Das war mehr, als sie sich von Talon jemals erwartet hatte. Nur hatte sie wirklich keine Lust darauf, ihr Zeit hier zu verbringen, denn sie war sich ziemlich sicher, dass man sie in der Krankenstation untergebracht hatte. Noch ein Grund mehr, die Augen geschlossen zu halten. Allerdings fehlte der Lärm. Es gab immer verletzte Talon-Soldaten, einfach, weil es wohl ihr Hobby war, sich von ehemaligen Overwatchmitgliedern vermöbeln zu lassen. Aber hier gab es kein weinerliches Stöhnen, kein Gejammer, hier war geradezu... Totenstille. Sombra schlug die Augen auf und richtete sich ruckartig auf, etwas, das sie schon nach einer guten Sekunde bereute, als sich der Raum um sie herum zu drehen begann. Es dauerte einen Moment, aber schließlich kam das Zimmer von einer unangenehmen Schräglage heraus in die Horizontale zurück. Vollkommen verwirrt sah sie sich um, das war nicht die Krankenstation, und ihr Zimmer war es auch nicht. Das hier war... "Für jemanden, der bis vorhin noch sterben wollte, verbreitest du gerade eine ganze Menge Hektik." Sombra zuckte merklich zusammen (und auch das bereut sie schnell wieder), ehe sie zur Seite sah. Und ihren Augen absolut nicht traute. Da saß er an einem - seinem - Schreibtisch, einmal mehr maskenlos. "Gabriel...?" Sicher, ihn in seinem Zimmer anzutreffen war etwas, das man als normal bezeichnen konnte, aber dass sie hier aufwachte, das war... absolut nicht normal! "Was... warum bin ich hier?" "Du hasst die Krankenstation. Und du verkündest das auch so oft, und so laut, dass es jeder weiß." Da hatte er Recht, Sombra sagte gerne frei heraus, wenn ihr etwas nicht passte, aber dennoch... Das war doch kein Grund, wieso er sie hierher bringen sollte! Sie konnte nicht einfach in seinem Zimmer, in seinem Bett liegen! Wahrscheinlich sah er ihr diese Verwirrung auch an, Reaper legte den Kopf schief und blickte sie durchdringend an, und wieder glaubte sie, den Hauch eines Lächelns zu sehen. "Ein Dank", meinte er dann nur und zuckte kaum merklich mit den Schultern. "Für die Hilfe letztes Mal. Dein Zimmer war keine Option, sie wollten, dass jemand auf dich aufpasst." Mit offenem Mund sah sie den Mann an, ihr Herzschlag schien für einen Moment auszusetzen nur, um dann mit verräterischer Lautstärke gegen ihre Rippen zu hämmern. Er war die ganze Zeit hier gewesen? Bei ihr? "Wenn du willst, kannst du auch gehen." Reaper deutete zur Tür, und Sombra verschwendete keine Zeit darauf, seinem Fingerzeig zu folgen. Sie wusste, wo die Tür war, das bedeutete aber nicht, dass sie sie benutzen wollte. "Ich halte dich ja nicht hier fest." "Und wenn ich nicht will?", fragte sie leise, während sie auf ihre Hände starrte. Gerade konnte sie ihm nicht in die Augen sehen. "Dann bleib." Maybe we'll stay together Sie wusste nicht genau, wie lange sie tatsächlich schon bei ihm war. Die meiste Zeit über schlief sie, und wenn sie wach war, dann war er entweder auf einer Mission unterwegs oder hatte anderweitig zu tun. Sie redeten kaum, sie, weil sie noch immer nicht wusste, was sie von alledem hier halten sollte und er... nun, sie konnte nur raten, aber sie ging davon aus, dass es war, weil er Reaper und ihm damit einfach nicht nach einem netten Plausch war. Schließlich hatte er sie ja zum Dank hierher mitgenommen und nicht aus irgendwelchen naiven Gründen, die ihr kurzzeitig durch den Kopf gegangen waren. Sie hatte bemerkt, dass er nicht schlief. Ob es aus dem einfachen Grund war, dass sie sein Bett okkupierte, oder weil er generell nicht schlief, das wusste sie nicht genau, aber wenn sie mitten in der Nacht wach wurde und er da war, brütete er über Daten oder schien einfach nur DA zu sein. Ein paar Mal hatte sie ihn vom Bett aus beobachtet, aber nie etwas gesagt. Bis zu dieser einen Nacht. Mittlerweile war sie wieder so gut wie gesund, ein paar Kratzer waren das einzige, was noch von dem Vorfall in der Fabrik sprach, und sie konnte seine "Gastfreundschaft" wohl nicht einfach noch länger ausnutzen. Aber Reaper war den ganzen Tag über nicht hier gewesen, und es hätte sich falsch angefühlt zu gehen, während er nicht hier war. Es hätte sich angefühlt, als würde sie weglaufen. Und die Hintertür hatte sie mittlerweile oft genug genommen. Als sie in der Nacht wach wurde, sah sie ihn wieder am Tisch sitzen, und wieder wusste sie nicht, ob er wach war oder schlief, oder nur beobachtete. Und heute wollte sie es endlich herausfinden. Leise stand sie auf, ihre nackten Füße verursachten kaum Geräusche beim Laufen. Sombra wurde langsamer, als sie sich Reaper näherte, betrachtete den Mann neugierig. "Wieso bist du wach?" Die tiefe Stimme ließ sie kurz aufschrecken, aber ein leichtes Grinsen entkam ihr, als er den Kopf zu ihr drehte und sie ansah. "Wieso bist du's?", fragte sie leise und lehnte sich gegen seinen Schreibtisch. Um ihn herum lagen wieder diverse Akten und Datenpads verteilt und als sie wieder zu ihm sah, bemerkte sie, dass er wohl nicht sonderlich froh darüber war, dass sie seine Frage mit einer Gegenfrage beantwortet hatte. "Das Böse schläft nie." Einen Augenblick lang sah Sombra den Mann vor sich mit großen Augen an, ehe sie in ein leises Lachen ausbrach. Das war der Reaper, den sie kannte, und der nie um irgendeinen schlechten Spruch verlegen war. Er wünschte sich wohl, dass er groß und stark und böse war, aber gerade Letzteres war er nicht, überhaupt nicht. Jedenfalls nicht in ihrer Nähe. "Ja, sicher, du schlimmer Schurke", sagte sie nur kopfschüttelnd. Er war das pure Böse, und entsprechend brauchte er keinen Schlaf. Aber wenigstens wusste sie jetzt, dass er wohl wirklich nicht schlafen musste - oder konnte. Als sie den Blick allerdings über sein Gesicht schweifen ließ, legte sie die Stirn etwas in Falten. Über dem Auge und an der Wange gab es frische Kratzer, und sie wollte nicht wissen, wie der Rest seines Körpers aussah, wenn schon das Gesicht unter der Maske etwas abbekommen hatte. "Du... bist wieder verletzt?" Ihr Fingerspitzen strichen vorsichtig über die Schramme an seiner Wange, leichter Rauch trat aus der Wunde hervor, aber kein Blut. Also war es wohl nicht so schlimm gewesen wie beim letzten Mal. Das war auf eine seltsame Art und Weise beruhigend. "Kein, Wunder, wenn meine Verstärkung schwer verletzt im Bett lag." "Du hattest doch die Spinne dabei", widersprach Sombra, während sie mit der gesamten Hand über seine leicht zerschundene Haut fuhr. Reapers Haut war noch immer kühl, aber es war ein angenehmes Gefühl, ihn zu berühren. Vor allem, weil sie gerade selbst bemerkte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Er sah sie als Verstärkung an... als Unterstützung. Das fühlte sich gut an. Und noch besser, als sie das leise Schnauben hörte. Und das Lachen, dass er zu unterdrücken versuchte. "Zehn Schuss, kein Treffer", sagte er in dem schrecklichsten französischen Akzent, den sie je gehört hatte. "Sie... war nicht wirklich eine große Hilfe." "Du scheinst kein großes Glück mit deiner Verstärkung zu haben." Sombras Herz machte schon wieder ein paar Salto Mortale in ihrem Brustkorb. Sie sollte ihm nicht so nahe sein, oder? Sie sollte ihm nicht so tief in die Augen sehen können, dass sie das dunkle Braun hinter dem Rot sehen konnte. Sie sollte nicht von seinen Augen zu seinen Lippen und wieder zurück sehen. Sie hatte keine Hintertür. Keinen Weg, dem hier zu entkommen, falls sie es zu weit treiben sollte. "Hm, mit der Hälfte davon schon." Bei seiner Antwort schien Sombras Gesicht eine völlig neue Ebene der Errötung zu erreichen. Wie konnte er nur so reden? Wie konnte er so direkt sein? Wie konnte er mit seinen großen Händen ihr Gesicht umfassen und sie zu sich ziehen? Keine Hintertür. Aber der Kuss fühlte sich an, als wäre das hier ohnehin der Platz, an den sie gehörte.   Es fühlte sich gut an. Gut und richtig. Mit sanftem, aber durchaus spürbaren Druck gegen den Schreibtisch gedrückt zu werden und schon fast halb darauf zu sitzen, seinen Körper zu spüren, wie er sich gegen ihren presste... Seine Lippen zu schmecken, die ihr kaum einen Moment zum Atmen ließen. Sombra hatte sich oft gefragt, wie es sein würde, ihn zu küssen. Schließlich war er im Grunde kein wirklicher Mensch mehr, aber sie wusste, was er auf gar keinen Fall war, nämlich das Monster, das so viele in ihm sehen wollten. Im Grunde war er wohl vor allem eins: Einsam. Genauso einsam, wie sie es immer war, isoliert vom Rest der Welt, weil es niemanden gab, der ihnen wichtig war, niemanden, der sich um sie scherte, niemanden, dem sie etwas bedeuteten. Vielleicht wünschte sie sich irgendwo tief im Inneren, so jemand für ihn zu sein, auch, wenn Reaper wahrscheinlich niemanden brauchte. Aber vielleicht war das bei Gabriel anders. Sie schlang die Arme um seine breiten Schultern, spürte ihrerseits, wie seine Hände über ihren Körper strichen, sie an den Hüften enger an ihn zogen. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich gerade sicher bei ihm. Sein Körper war noch immer kühl, aber sie spürte eine gewisse Sehnsucht, die von ihm ausging. Als würde er sich gerade genauso sehr an ihr festhalten, wie sie sich an ihm. Sie mochte dieses Gefühl aus irgendeinem Grund. Wahrscheinlich, weil sie wusste, wie es sich anfühlte, wenn man niemandem trauen konnte, wenn man eigentlich immer auf sich selbst gestellt war. Sombra streichelte über seinen Nacken, spürte, wie sich die feinen Härchen unter ihren Fingern aufstellten. Und dann zuckte sie leicht zusammen, als ein hörbares, mechanisches Knacken die Stille im Raum durchbrach. Ein Com. Das war schon oft passiert, anscheinend wollte Reaper 24 Stunden am Tag erreichbar sein, sie hatte bemerkt, dass es um vier Uhr morgens genauso losging wie um vier am Nachmittag. Nur wünschte sie sich im Moment, dass ihm die Nachricht egal wäre. Dass er sie ignorieren würde, wenn es auch nur für sie war. Aber er begann sich von ihr zu lösen. Sombra krallte sich in den Stoff seines Oberteils und ein leises "Nicht" verließ ihren Mund, ehe sie sich stoppen konnte. Sie wusste, dass sie nicht das Recht hatte, ihn darum zu bitten, aber dieser Moment gerade, er war so besonders gewesen, dass sie nicht wollte, dass es vorbei war. Nicht so. Es nützte dennoch nichts. Der Blick, den Reaper ihr zuwarf, war nicht entschuldigend oder irgendetwas in dieser Richtung, er war sogar ziemlich entschieden. Am Ende hatte sie wohl einfach zu viel gehofft gehabt. Natürlich. Für Reaper war die Mission das Wichtigste, die Rache an Overwatch, all das. Sie wusste das, und dennoch fühlte sie sich elend, als sie sah, wie er an das Com ging, um auf den Anruf zu antworten. Sie hörte nicht einmal, worum es ging, im Grunde war es ihr auch egal. Wahrscheinlich war es jetzt wirklich Zeit, zu gehen und so zu tun, als wäre das hier nicht passiert. Es wurde Zeit, wieder die professionelle Hackerin zu sein, die sie sein sollte. Das wäre für sie am besten. Für sie beide. Gefühle waren ohnehin nicht das, was sie bei ihrer Arbeit gebrauchen konnte.  Als sie sich vom Tisch sinken ließ, spürte sie, wie sich eine Hand um ihren Unterarm schloss. Mit großen Augen sah sie zu Reaper hinüber, sie hatte gar nicht gemerkt, dass er mit seinem Gespräch schon fertig gewesen war. Und sie glaubte, dass zumindest für den Hauch eines Augenblicks etwas Entschuldigendes in seinem Blick lag. Aber vielleicht war es auch einfach Einbildung. Seine Hand stupste ihr unter das Kinn, zwang sie mit sanftem Nachdruck aufzusehen und ihm in die Augen zu blicken. "Ein andermal", meinte er leise. Eigentlich wollte sie das gar nicht hören. Es wäre besser, wenn es kein anderes Mal gab, also sollte er so etwas besser erst gar nicht versprechen. Oder? Sie schloss die Augen, und nickte nur schwach. Als sie sie wieder öffnete, war er bereits weg. Nur ein leises Flüstern blieb noch im Raum zurück. "Bleib." Maybe we'll walk away Sie war nicht geblieben. Sie hatte sich ihre wenigen Sachen geschnappt und war in ihren eigenen Raum zurückgekehrt. Endlich hatte sie wieder jegliche Technik um sich herum, die sie bei Reaper so vermisst hatte! Der Mann wollte damit anscheinend so wenig wie möglich zu tun haben, und sie, sie mochte es, die Fenster auf- und wieder zugehen zu sehen, Datenströme zu beobachten, Downloads und Hackerprozesse zu überwachen. Und dennoch kam ihr das Zimmer im Moment etwas verlassen vor. Leer. Doch sie schüttelte den Gedanken daran ab, warf sich auf ihr Bett und öffnete ein weiteres Fenster mit einer kleinen Geste. Es war Zeit, sich wieder der wirklich wichtigen Arbeit zu widmen. Daten hackten sich schließlich nicht von allein und vielleicht würde ihr das auch etwas Ablenkung ermöglichen. Lumerico, Volskaya Industries... niemand war vor ihr sicher, keine Firewall war zu schwer zu knacken. Nicht einmal Menschen waren das. Jedenfalls die meisten nicht. Mit gerunzelter Stirn lag sie auf dem Bett, seufzte leise über sich selbst und gab ein paar Begriffe ein, ehe sie all ihre verfügbaren Datenbanken nach Ergebnissen suchen ließ. Es kam viel zusammen: Bilder, Videos, Akten, Berichte... Reapers Identität war im Grunde ein offenes Geheimnis. Zumindest für jemanden mit Sombras Fähigkeiten war es einfach gewesen herauszufinden, wer hinter Reapers Maske steckte. Allein seine Besessenheit von Overwatch deutete schon auf eine gemeinsame Vergangenheit hin. Der Rest... nun ja, man hatte einfach nur Eins und Eins zusammenzählen müssen, um zu bemerken, dass bei einem gewissen Zwischenfall im Overwatch-Hauptquartier irgendetwas mit ihm geschehen sein musste. Reaper sprach nicht darüber - was nicht wirklich verwunderlich war, weil er selten aus dem Nähkästchen plauderte - aber die Daten sprachen eine eindeutige Sprache. "Gabriel Reyes", murmelte Sombra vor sich hin, während sie die Bilder durchging, ein paar Videos ansah, alte Pressekonferenzen, Verleihungen und auch Kämpfe. Aber sie konnte sich all das ansehen und dennoch nichts über Reaper wissen. Dieser Mann unterschied sich in so vielen Dingen so gravierend von dem, der er einmal gewesen war, dass es unmöglich war zu sagen, ob die beiden überhaupt noch etwas gemeinsam hatten. Und aus irgendeinem Grund hätte sie es gerne herausgefunden. Ihn besser kennen gelernt, um zu erfahren, wie viel Gabriel noch in Reaper steckte. Aber vielleicht wollte er das nicht. Es gab sicherlich gute Gründe, warum er seine Vergangenheit hinter sich gelassen und eine neue Identität angenommen hatte. Niemand wurde freiwillig zu einem Schatten hinter einer Maske. "Sombra." Sie schoss einen guten Meter in die Höhe, als sie  die leise und dennoch durchdringliche Stimme hörte. Sofort saß sie senkrecht auf dem Bett und starrte hinüber zur Tür. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Und im Moment war sie sich nicht einmal sicher, ob sie nicht abgeschlossen hatte, oder ob er sich in seiner Schattenform durch den Türspalt gequetscht hatte. Nur... warum sollte er das tun? So viel Mühe war sie kaum wert. Vielleicht sollte sie auch einfach etwas für ihn erledigen. Davon ging sie jetzt einfach einmal aus, denn es gab keinen triftigen Grund, warum er sonst hier sein sollte. Reaper sah sich schweigend um, noch in voller Montur, samt Maske und Mantel. Sein Präsenz erfüllte den ganzen Raum und erst, als sie seinem Blick hinter der Maske folgte, bemerkte sie, dass sie noch immer all die Fenster offen hatte, von denen mindestens die Hälfte sein Gesicht zeigte. Sofort fühlte sie sich ungemein ertappt, warum hatte er gerade jetzt hierher kommen müssen? Wie viel schlechtes Karma konnte ein einzelner Mensch denn haben? "Gabe", begann sie dann betont fröhlich, aber sie bemerkte selbst, dass ihr die Nervosität merklich auf die Stimme schlug. "Alles klar bei dir?" Er kam näher und sie versteifte sich ein wenig. Die Krallenhandschuhe, die er trug, drehten die Holofenster, betrachteten den Inhalt und sie wünschte sich einen Moment lang, im Stoff ihres Betts versinken zu können. "Du warst weg." Er klang nicht, als wäre er besorgt um sie gewesen. Eigentlich klang er sogar relativ gleichgültig, lediglich ein leiser Hauch von Vorwurf schwang in seiner Stimme mit, und dieser Unterton verwirrte sie mehr als alles andere. "Und scheinbar auch neugierig." "Ich..." Sombra schluckte den Kloß hinunter, der ihr im Hals steckte. Normalerweise hätte sie frech gekontert, aber das hier fühlte sich nicht wie ein Moment an, in dem sie sich das leisten konnte. Oder wollte. "Ich habe mich nur gefragt, was damals bei Overwatch passiert sein muss, wenn du sie jetzt so sehr hasst. Niemand scheint etwas darüber zu wissen. Niemand außer dir selbst." Und sie wollte mehr über den Mann wissen, für den sie arbeitete. Mehr über Reaper, mehr über Gabriel, den Mann unter der Maske. Aber sie erwartete keine Antworten von ihm. Er war niemandem Antworten schuldig, am allerwenigsten ihr, schließlich hatte sie selbst auch nie etwas von sich preisgegeben. Umso überraschter war sie dann, als er doch zu reden begann. "Wurdest du schon einmal von Leuten getötet, denen du vertraut hast?", fragte er mit ernster Stimme und einen Moment lang wünschte sie sich, sein Gesicht sehen zu können. Sehen zu können, was er dabei fühlte, was er den Agenten von Overwatch gegenüber empfand. "Und dann von denselben Leuten wieder zurückgeholt? Ich habe mir diese Existenz nicht ausgesucht. Das Hauptquartier in der Schweiz... es ist durch unseren Kampf untergegangen und ich hatte geglaubt, dass Morrison und ich beide dort gestorben wären. Er hatte Glück, ihn haben sie nicht gefunden. Ihn haben sie nicht an unzählige Maschinen angeschlossen, mit tausenden Schläuchen. Aus ihm haben sie nicht so etwas wie aus mir gemacht. Nur aus mir. Und dann haben sie sich vor dem Monster gefürchtet, das sie selbst erschaffen haben." Mit laut schlagendem Herzen sah sie zu Reaper hinüber. Sein Körper war kaum mehr als eine Masse an dichtem Rauch, und er blickte auf seine Hände, deren Fingerspitzen sich ebenfalls aufzulösen begannen. Sombra hatte das Gefühl, dass ihr Raum mit jedem Moment dunkler wurde, komplett erfüllt von seiner Existenz. "Sie haben versucht, es zu bereinigen, aber sie haben es immer nur noch schlimmer gemacht. Mit jedem Tag, der verging, mit jeder Spritze, die sie in meine Venen gejagt haben. Mit jedem verdammten Augenblick. Wie sollte ich sie nicht hassen, wenn mich jeder Moment daran erinnert, was sie getan haben? Wenn jeder Augenblick schmerzt, als wäre ich noch immer an all diese Maschinen angeschlossen? Wie sollte ich sie nicht hassen, wenn sie mich hierzu verdammt und dann allein zurückgelassen hatten?" Sombra schluckte schwer. Sie wusste nicht, welche Art von Geschichte sie erwartet hatte, aber es schmerzte, sie zu hören. Es schmerzte, ihn anzusehen und durch die Maske hindurch seinen eigenen Schmerz zu spüren. Es schmerzte zu sehen, wie er vor ihr stand und sich langsam aufzulösen begann. Schweigend stand sie auf, ging zu ihm hinüber und schlang die Arme um seine Schultern. Fast hatte sie befürchtet, nicht auf Widerstand zu stoßen und einfach durch ihn hindurch zu greifen, aber er war da. Genau hier. Bei ihr. Er war Rauch und Schmerz und Leid. Aber eins war er nicht. "Du bist nicht allein." Ihre Hände fanden den Verschluss seiner Maske, zogen sie aus seinem Gesicht, betrachteten die dunklen Augen mit der roten Iris. Und noch nie hatte sie ihn so verletzt gesehen. In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie noch immer kaum mehr als Fremde füreinander waren. Aber sie konnten mehr sein. Mehr füreinander. Das wusste sie, als sich seine kräftigen Arme um sie schlangen, als sie die Kapuze von seinem Kopf zog, als sich ihre Blicke begegneten. Sie waren beide einsam. Aber sie waren nicht mehr allein.   Die Beleuchtung der Monitore im Zimmer war gedämmt, im Grunde waren sie sogar die letzte Lichtquelle hier im Raum. Aber sie waren mehr als genug. Sie konnten jetzt keine Ablenkung gebrauchen, sie wollte keine Unterbrechung zulassen. Nicht dieses Mal. Nicht heute. Jeder Alarm war stumm geschaltet, jeder Download für den Moment gestoppt. Es hatte dafür kaum mehr gebraucht als eine kleine Handbewegung, aber selbst zu der war Sombra kaum noch gekommen. Dabei wollte sie nur sichergehen, dass sie nichts und niemand stören konnte. Aber Reaper schien hungriger zu sein, als er es sich hatte anmerken lassen wollen. Sein Körper war von einem auf den anderen Moment so fest an ihren gepresst gewesen, dass ihr für einen Augenblick schier die Luft weggeblieben war, ehe sich ihre Lungen ihrer erbarmt und wieder Sauerstoff in ihre Venen gepumpt hatten. Was verwunderlich war, einfach aus dem Umstand heraus, dass sie kaum noch wusste, wie man überhaupt atmete, als sie seine Hände überall spürte. Erst fest um ihren Körper geschlungen, dann auf ihrer Hüfte, an ihrem Hintern, unter ihrem Oberteil. Die Krallen an seinen Handschuhen kratzen so leicht über ihre Haut, dass ihre eine Gänsehaut über den Rücken lief. Das leise "Sombra" tat sein übriges, um ihr ein kaum hörbares Wimmern zu entlocken und ihm wohl die Bestätigung gab, auf die er gewartet hatte. Mit einem Ruck wurde sie nach hinten gedrückt, fand sich rücklings auf ihrem Bett wieder, Reaper direkt über sich. Sombras Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sah, wie er sie betrachtete. Da lag so viel in seinem Blick, das sie nicht deuten konnte, aber eins wusste sie: Dass er das hier mindestens genauso sehr wollte wie sie. Sie wusste nicht, was das hier war. Vielleicht leckten sie einander nur die Wunden, die ihnen andere zugefügt hatten. Vielleicht war es für ihn auch einfach nur ein schneller Spaß. Vielleicht war es auch mehr. Vielleicht weniger. Im Moment hätte es sie nicht weniger kümmern können, als sein Gewicht sie in die Laken drückte und sie zusehen konnte, wie er sich über sie lehnte. Sie strich über die Narben in seinem Gesicht und einen Augenblick lang schmiegte er sich an ihre Hand an. Ja, das hier war definitiv irgendetwas. Es waren Rauch und tiefe Narben unter ihren Fingern. Es waren Hände auf ihrem Körper, unter ihrer Kleidung. Es war sein Name, der von ihren Lippen perlte. Gabriel. Nicht Reaper. Es war seine leise Antwort, nicht mehr als ein Knurren, aber es war Zustimmung genug. Es war leises Stöhnen und stummes Einverständnis. Es war sein Körper so nah an ihrem, dass sie jeden Herzschlag hören konnte. Seinen und ihren eigenen. Es waren Bewegungen, manche davon sicher und flüssig, manche zittrig. Es war Alles und Nichts. Es war genau, was sie brauchten. Was sie wollten. Was sie einander geben konnten. Es war ein Mantra, mal laut, mal leise, ein Flüstern, ein Stöhnen, ein Knurren. Lippen auf Lippen und Lippen auf Haut. Ein schweigendes Versprechen.  Eine Nacht nur für sie beide. Maybe we'll realize "Lass mich arbeiten, Gabito." Sombras Finger flogen über die Benutzeroberfläche, während um sie herum Kampfgeräusche erklangen. Schüsse aus Schrotflinten, Schüsse aus einem Scharfschützengewehr. Irgendwo das mechanische Knirschen von Maschinen, die ihr ans Leder wollten, während sie die Daten aus dem Zentralrechner der Firma zog und verschlüsselte. "Ich mach doch schon, so schnell ich kann." Ein dumpfer Knall erklang aus dem Com, gefolgt von einem schmerzvollen Stöhnen und über die Überwachungskamera sah sie, wie sich Reaper aufrappelte, nachdem ihn einer der Wachbots gegen die nächstgelegene Wand gepfeffert hatte. "Das klang, als hätte es weh getan", merkte sie mit großen Augen an, während sich der Mann wieder auf die Beine kämpfte und nach seiner Waffe griff. "Sombra..." Sie rollte mit den Augen und suchte sich eine Datei aus der Fülle der Daten, und innerhalb weniger Sekunden hatte sie Steuerungsbefehle der Wachbots gefunden und sie überschrieben. Der Koloss blieb stehen und versetzte sich selbst wieder in seinen Ruhemodus. Dasselbe geschah mit allen Bots innerhalb der Anlage und Sombra betrachtete ein letztes Mal den Status des Downloads, ehe sie den Raum verließ und sich leichtfüßig auf zu ihren Kameraden machte. Sie wusste, dass ihre gute Laune ihn heute wieder zur Weißglut treiben würde, aber darauf legte sie es manchmal auch wirklich an. Es war viel lustiger, wenn er wütend auf sie sein wollte  und es gleichzeitig doch einfach nicht sein konnte. Endlich war zwischen ihnen alles so, wie es sein sollte. Mit ein paar zusätzlichen Freiräumen für Sombras Neckereien, die er mal mehr und mal weniger zu ertragen wusste. "Hättest du das nicht früher tun können?", fragte ein sichtlich entnervter Reaper, als sie zu ihm getapst kam und allein sein Tonfall ließ sie übers ganze Gesicht strahlen. "Das wäre doch nur halb so lustig gewesen. Außerdem dachte ich, du magst den Nervenkitzel." Sie klopfte ihm auf den Unterarm, aus dem einfachen Grund, weil sie seine Schulter nicht erreichen konnte, ohne sich zu strecken. "Und wenn du dir wehgetan hast, flicke ich dich gerne wieder zusammen!" Sie wusste, dass er sie im Moment am liebsten erwürgt hatte, aber Widowmaker grätschte ihm dazwischen, noch ehe er überhaupt etwas gesagt hatte. "Seid ihr fertig oder wollt ihr euch noch ein Zimmer nehmen?" Selbst für ihre gefühllosen Verhältnisse klang die Scharfschützin entnervt und es verbesserte Sombras Laune nur noch weiter. Sie mochte ihre Kameraden, wirklich. Aber am allerliebsten hatte sie sie dann, wenn sie sie ärgern durfte. "Ach, Spinnchen, sei nicht sauer, weil du den ganzen Spaß verpasst hast. Du hast uns ungemein geholfen, als du das Gebiet... ehm, überwacht hast?" Von Widowmakers Seite aus folgte nur wütendes Schweigen, aber für einen Moment glaubte sie, Reaper neben sich fast so etwas wie amüsiert schnauben zu hören. An seiner Seite lief sie zurück zum Schiff. Ja, es war definitiv alles wieder am richtigen Platz. Er, sie, sie beide. "Später?", fragte sie dann etwas leiser, ehe sie ihr Flugschiff erreichten. Durch die Maske hindurch konnte sie sein Gesicht nicht sehen, aber mittlerweile kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, was er ihr sagen wollte. Und das leichte Nicken war schon genug Antwort. Grinsend ließ sie ihre Hand über seinen Arm streifen. Später also. Sie brauchte nicht mehr als ein Nicken. Ein Wort. Eine kleine Geste. Sie wusste, was sie erwarten konnte und worauf sie nicht zu hoffen brauchte. Sie wusste, was sie an ihm hatte. Und er wusste es bestimmt auch. Egal, ob sie nur über zukünftige Pläne sprachen oder die Dinge, die sie durch ihre Hacks in Erfahrung gebracht hatten, egal, ob sie ihn mit seinen Verletzungen half oder er ihr mit ihren, egal, ob sie am Ende wieder im Bett landeten (und hey, darüber wollte sie sich ganz sicher am allerwenigsten beschweren), wichtig war, dass es ihnen die Einsamkeit nahmen, unter der sie beide viel zu lange gelitten hatten. Vielleicht würde sie ihm heute auch endlich das verdammte Foto zurückgeben, mit dem alles begonnen hatte. Aber auch nur vielleicht. We're only human Maybe we don't need no reason Why Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)